„Gott kommt früher als der Missionar“ – so habe ich mit Leonardo Boff in der Einleitung Ittmanns theologischen Tenor zusammengefaßt. Dieser Tenor äußert sich vor allem in Ittmanns missionstheologischem Vermächtnis, dem Manuskript Geistiger Volksbesitz der Kameruner im Blickfeld des Missionars (nachfolgend GVK abgekürzt).
Als Anhang dieser Magisterschrift habe ich in einem Extraband Ittmanns Typoskript in eine lesbare Form gebracht. Dem Text ist dort eine editorische Einleitung vorangestellt, so daß ich mich hier auf die Darstellung des Inhalts beschränken kann. Zur Vereinfachung meiner Literaturangaben habe ich Seitenzahlen aus GVK (nach Ittmannscher Zählung) stets in geschweifte Klammern {} gesetzt.
Wie oben (S. 6) angedeutet, hat Ittmann sich bei GVK sehr eng an Ernst Johanssens Geistesleben afrikanischer Völker im Lichte des Evangeliums (1931) angelehnt, vor allem in der Gliederung12. Im wesentlichen hat er Johanssens ostafrikanisches Material durch sein Kameruner Material ersetzt, die theologische Beurteilung jedoch beibehalten, auch wo sein Material ihn manches Mal in eine andere Richtung hätte lenken können. Im folgenden stelle ich Ittmanns Typoskript vor und zeige auf, wo Ittmann sich von Johanssen ablöst. Auf diese Unterschiede weise ich jeweils hin und fasse sie im 3. Kapitel (b. S. 47f) nochmals zusammen.
Die etwa 200 Seiten des Manuskriptes gliedern sich in eine Einleitung von sechs Seiten und vier Hauptteile:
1) Der Mensch – ein Leib (30 Seiten)
2) Der Mensch – ein Seelenwesen (38 S.)
3) Der Mensch – ein Glied mancherlei Bindungen (64 S.)
4) Der Mensch und die übersinnlichen Mächte (34 S.)
Dazu kommen ein Epilog von vier Seiten sowie Inhalts- und Stichwortverzeichnis13.
„Der Mensch“ – so beginnen die vier Hauptteile. Um den Menschen geht es in Ittmanns Schriften14; dieses „Ceterum censeo“ verdeutlicht wie kaum ein anderes Ittmanns Position gegen die zeitgenössische Diskussion um die dialektische Theologie, die bei der „vertikalen“ Offenbarung Gottes beginnt.
Mit der Abfolge seiner Kapitel gliedert er seinen Stoff vom „Nahen zum Entfernten, von Sichtbaren zum Uebersinnlichen“ {IV}. Zu den genannten Hauptteilen schildert Ittmann jeweils Gebräuche, Feste, Institutionen Sprichworte, Märchen, Mythen usw. Dieses Material, in welchem er die Kameruner selbst zu Worte kommen läßt, macht einen großen Teil des Reizes – der in meiner Arbeit kaum auch nur angedeutet werden kann – und etwa 3/4 seines Umfangs aus15. Ans Ende der Unterabschnitte (ca. 15 Mal) setzt er jeweils einen Abschnitt mit einer Beurteilung des Dargestellten aus der „Sicht des Missionars“. Diese Abschnitte stehen, von drei kleineren Abweichungen abgesehen, an exakt den gleichen Positionen wie bei Johanssen. Soweit zur Grobgestalt des Buches.
In der Einführung {I–VI} nennt Ittmann fünf Zielgruppen und entsprechende Ziele:
1) Für ihn selbst dient das Buch zu einer Art Rechenschaft und „Gesamtschau“ über sein jahrzehntelanges Wirken als Missionar {I}16.
2) Diese „Gesamtschau“ ist auch im Hinblick auf junge Missionare geschrieben, damit diese einen Überblick bekommen über das, was ihre Vorgänger in vielen Einzelbeobachtungen gesammelt haben. Die in Jamaika internierten Missionare nutzten, wie auch sonst die Kriegsgefangenen in den Lagern, ihre Zeit für Kurse in Sprachen und anderen Wissensgebieten. In diesem Zusammenhang entstand wohl auch das Typoskript {I}17.
3) Etwas kryptisch und im Typoskript nicht erkennbar ausgeführt will Ittmann Material bieten für diejenigen, die aus „primitiver“18 Kultur Fingerzeige für die Umbrüche im Deutschland des Dritten Reiches erhoffen {I}.
4) In Erwartung der Restitution deutscher Kolonialmacht nach dem Zweiten Weltkrieg möchte er Kenntnisse zu gedeihlichem Miteinander von einheimischer afrikanischer und deutscher Bevölkerung weitergeben {I}.
5) Schließlich sucht er das Gespräch mit der Wissenschaft, der er mit seinen Ergebnissen einen „Gegendienst“ erweisen will für die Fingerzeige, die sie ihm gegeben hat {II}.
Schon diese Vielfalt der Zielgruppen zeigt, das Ittmann mehr ein Kompendium über die genannten Gegenstände zu Kamerun erstellen will, gewissermaßen ein Lehrbuch schreibt, denn ein Buch, das gezielte Veränderungen oder neue theoretische Entwürfe beabsichtigt.
Gerade der letzte Punkt fordert ihn zur Klarlegung seiner Methode: „Im Blickfeld des Missionars“ ist für Ittmann nicht Ausdruck von „Beschränktheit“, sondern gleichsam Erweis der wissenschaftlichen Überlegenheit seiner Methode gegenüber anderen Beobachtern. Zunächst stellt er fest, daß es keine Unvoreingenommenheit in der Beobachtung gibt, da jeder Forscher eine Weltanschauung habe und diese in seine Ergebnisse zwangsläufig einfließe {II}. Die Überlegenheit des Missionars liegt in drei Aspekten:
Erstens ist der Missionar selbst ein religiöser Mensch, versteht gerade „Primitive“ besser, bei denen Glaube als Machtmittel zur Lebensbewältigung wichtiger ist als Wissen, welches für den Europäer das bevorzugte Instrument ist {III}.
Damit verbunden lasse sich ein Missionar zweitens tiefer mit der Sprache eines Volkes ein, da er nicht nur Sitten und Gebräuche, also Offensichtliches beschreiben muß, sondern auch die geistigen Dinge soweit verstehen muß, daß er treffende Übersetzungsarbeit leisten kann {II}.
Drittens schließlich nimmt der Missionar – in seinem Wunsch, den ihm Anvertrauten zu helfen – an den Problemen der Einheimischen teil. Diese Solidarität, auch gegen die deutsche (!) Kolonialverwaltung gerichtet19, ließ ihn manchen Einblick erhalten in Dinge, die dem Fremden sonst verborgen bleiben {II}. Doch sieht Ittmann sich nicht nur im Bild des Helfers, sondern auch des Freundes. Er erwartet hinter den zunächst befremdenden Lebensäußerungen „Edelsteine im heidnischen Urgestein“, „Diamanten“, „Goldstäubchen“; auch diese Haltung habe ihm Zugang zu sonst geheim Gehaltenem verschafft {III}. Ittmann wird also seine moralische Haltung gleichsam zur Voraussetzung für Erkenntnisse, die dem „neutralen“ Beobachter verborgen bleiben. Damit ist er auf der Höhe der Ethnologie seiner Zeit oder sogar ihr voraus20.
Ittmann läßt dabei soweit als möglich die Kameruner selbst zu Wort kommen, ihre „ungeschriebene Literatur“ {V} – Sprichwörter, Märchen, Erzählungen und die Erlebnisse, besonders in den Kultbünden – stellt er zusammen und wertet sie aus. Dabei ist ihm klar, das diese Welt nicht eine systematische, sondern eine voller „Inkonsequenzen und Vermengungen“{VI} ist21.
Hinsichtlich des Missionszieles wendet sich Ittmann gegen die oft von der Mission produzierten „schwarzen Europäer“, ihm schweben auch nicht „schwarze Christen“, sondern „christliche Schwarze“ vor22; darüber wird noch zu diskutieren sein23.
Ittmann will am Volkstum anknüpfen, wie Jesus es beim jüdischen Volk getan habe. Die theologische Berechtigung dazu – um die viel „in der deutschen Theologie der letzten Jahre gekämpft“ und „aneinander vorbeigeredet“ wurde {IV} – entnimmt er Act 14,17: Gott hat sich den Völkern nicht unbezeugt gelassen. Er hat in ihnen einen „Hunger nach Leben, Reinheit und Güte“ {IV} erweckt, den der Missionar mit dem Evangelium zu stillen hat. Vieles von afrikanischer Tradition ist „Schatten“ der Erfüllung in Christo, wie auch der Alte Bund Schatten24 des Neuen ist {IV}.
Fast alles von Ittmanns Einleitung findet sich auch bei Johanssen. Trotzdem wird Ittmanns eigenes Profil am Vergleich beider deutlich: Ittmann schreibt stärker als Missionar für Missionare, während Johanssen als Universitätstheologe und Religionswissenschaftler (Fiedler 1983, 65) sich sehr viel mehr mit ethnologischen und religionswissenschaftlichen Theorien seiner Zeit auseinandersetzt, also für seine Heimat schreibt25.
Ittmann dagegen schreibt selbstbewußter als Missionar. Ihn trennte auch von Johanssen fast ein Jahrzehnt heftiger theologischer Diskussion um die „Anknüpfung“26 des Evangeliums an der Schöpfung bzw. am Volkstum.
Auf die charakteristische Umstellung der Kapitelfolge „vom Nahen zum Entfernten“ habe ich schon oben (S. 10) hingewiesen. Dem entspricht auch gut die Veränderung der Überschriften von Johanssens „Das Mysterium …“ zu Ittmanns „Der Mensch …“.
Im ersten Hauptteil geht Ittmann anhand der Gliederung von Johanssen (1931) die leibliche Entwicklung des Menschen mit ihren Riten und Festen von der Geburt bis zum Tode durch. Er beginnt mit einem Mythos: In Kamerun wird von einem Dämon berichtet, dem „Halbmenschen“, der nur ein Bein, einen Arm usw. zu haben scheint. Die andere Hälfte des Körpers gehöre zur „unsinnlichen“27 Welt und sei für normale Menschen deshalb nicht sichtbar. In ähnlicher Weise hat der Mensch eine leibliche Hülle und eine geistige, seelische Seite, eine Lebensseele. Nach dem Tode, bei dem die Hülle von der Lebensseele verlassen wird, existiert der Mensch noch als Schattenseele in einer Art Hades weiter.
Von Johanssen übernimmt Ittmann fast wörtlich den Vergleich der afrikanischen Auffassung mit anderen, namentlich dem buddhistischen „Pessimismus“ (Hoffnung auf ein Nirwana ewigen Vergessens), dem Idealismus (Körper als Kerker der Seele) und Materialismus (Leugnung einer Seele und damit auch Ablehnung der moralischen Verantwortung): Es gibt eine Seele und Weiterexistenz des Toten, jedoch in eher bedauernswerter Form und nicht von ewiger Dauer. Die Schattenseele bedarf der Pflege durch die Nachkommen per Ahnenkult {1}.
Körper und Lebensseele gehören so eng zusammen, daß auch Teile von ihm (Haare, Nägel, Körperflüssigkeiten, Exkremente) noch als beseelt gedacht werden, Teile der Lebensseele enthalten. Da erstens ein anderer Mensch sich in unguter Absicht dieser Teile bemächtigen und damit, pars pro toto, die Lebensseele eines Menschen aneignen kann und zweitens durch die Pflege dieser Teile die Lebensseele, das Leben selbst gepflegt, erhalten wird, darum muß auf die Teile besonders achtgegeben werden. Die Pflege erfolgt durch zahlreiche, genau einzuhaltende Riten und Gebräuche bei Geburt, Reife, Eheschluß, Tod und dergleichen {2}.
Im folgenden übernimmt Ittmann die etwas merkwürdig verschachtelte Gliederung Johanssens: A. Geburt und Tod; B. Zwischen Geburt und Tod (Beschneidung, Erziehung, Geschlechtsleben usw.); C. Die Leiche; D. Was sagt der Missionar?
In diesem Kapitel zeigt Ittmann deutlich mehr Profil gegenüber Johanssen. Sein Material bietet ihm andere Akzente. Während Johanssen vorwiegend in Gebieten mit Häuptlingen oder gar Königen gearbeitet hat, hatte Ittmann mit akephalen Gesellschaften zu tun und bedauert: „das demokratische Denken der Waldländer ebnet alles Hervorragende ein.“28{32}
Ganz anders als Johanssen beginnt der Sprachenforscher Ittmann seine Einleitung mit Beobachtungen der Sprache (Duala), die eine Klasse für Individuen kennt. Auf diesem Wege bringt er gleich eine Kritik am kirchlichen Sprachgebrauch an, der europäisch aber nicht afrikanisch gedacht sei {25}. Auch in Kamerun gilt die Persönlichkeit als Ideal, müssen sich die Jüngeren erstens von den Alten absetzen und zweitens von ihren Altersgenossen durch entsprechenden Schmuck. Einen Begriff für Charakter gibt es in den Ittmann bekannten afrikanischen Sprachen nicht; die Sache sei aber bekannt. Eigenarten einzelner Menschen werden genauestens beobachtet und bisweilen in Theaterstückchen dargestellt.29
Ittmann und Johanssen fahren fort, indem sie Charakterbildung anhand von Sprichwörter-Sammlungen verdeutlichen. Sie beginnen mit allgemeiner Lebensweisheit (Vorsicht, Offenheit und Verschlossenheit, Warnung vor Eigensinn); Ittmann hat gegenüber Johanssen auch Abschnitte zu Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft; überhaupt bietet Ittmann mehr Material. Es folgen speziellere Weisheiten zu einzelnen Bereichen des Lebens, besonders Berufsgruppen. Ittmann geht hier über Johanssen hinaus, wenn er auch Sprüche aus dem Rechtsleben darbietet, was auch daran liegen mag, daß seine Klientel, da meist akephal30, mit der Organisation der Rechtsprechung mehr zu tun hatte. Die Zusammenfassungen beider (Johanssen 1931, 135, GVK 32) gleichen sich wieder stark: Beide stellen heraus, daß die Normen den europäischen ähneln, allerdings nicht immer befolgt werden; Ittmann ergänzt, daß letzteres ja auch in Europa der Fall sei.
Im weiteren Verlauf ihrer Kapitel schildern die Missionare Sagen und Schwänke, die Einzelne charakterisieren. Ittmann bedauert mit dem am Beginn dieses Abschnitts angeführten Zitat zur Demokratie, daß seine Waldländer ihm nicht so schöne Heldensagen zu bieten haben, wie Johanssen sie von seinen Ostafrikanern bieten kann. Seine Geschichten handeln mehr von Schildbürgereien, Tugenden der Vorsichtigkeit und dergleichen.
Eine Auswertung bringt Ittmann hier erstmals ohne jegliche Vorlage von Johanssen {34a–c}. Sie besteht in einer längeren Philippika über den Beitrag weißer Siedler zum Niedergang der Moral in Kamerun, „Leuten, die meinen, hinter Hamburg alle christliche Kultur […] abstreifen zu können“. Heutige Feindseligkeiten der Eingeborenen begründet Ittmann mit gebrochenen Versprechen, Verleumdungen und Illoyalitäten der Kolonialmächte gegenüber den Kamerunern. Des weiteren geißelt er das Maitressenwesen der Kolonialherren. Hier zeigt sich, wie Ittmann, wenn er selbst auswertet, wenig theologisch arbeitet, seine Stärke eher im Vermitteln bei Schwierigkeiten des täglichen Lebens und Mißverstehens liegt. Im Vorangehenden hatte er den Charakter der Kameruner als „unserem“ (dem europäischen) vergleichbar geschildert. Zu bemängeln hat Ittmann jedoch eine gewisse Begeisterungsfähigkeit der Kameruner, die nicht lange vorhalte {34b}.
Damit komme ich zum längsten Teil der Werke Ittmanns und Johanssens. Ittmanns Änderungen gegenüber Johanssen betreffen hier in erster Linie die Umstellung der Kapitelabfolge nach seiner Ankündigung in der Einleitung {IV}: Vom Nahen zum Entfernten. Der Abschnitt bekommt damit eine bessere logische Struktur. Ittmann beginnt mit dem Blutsverband, geht weiter über den Stammesverband (Bodenverband, Schicksalsgemeinschaft, Sprachverband, völkischer Rechtsverband), Rassen- und Menschheitsverband, Schöpfungsverband. Die Proportionen der Unterabschnitte sind sehr ähnlich, nur beim Sprachverband ist Johanssen etwas umfangreicher; Ittmann hat schon viele seiner Sprichwörter im zweiten Teil, Charakterbildung {26–31} untergebracht.
Dieses letzte Kapitel gibt eine Gesamtbetrachtung {126} des Geisteslebens der Kameruner bzw. der Ostafrikaner; vieles vorher Genannte wird also wieder aufgenommen. Ittmann wie Johanssen gliedern das Kapitel in Objekte und Akte des Glaubens. Die Objekte teilen sie nochmals in zwei Hauptgruppen: die beseelte Welt und Gott als Wirker (und Richter). Bei den Objekten des Glaubens (Gott, beseelte Welt) hat Ittmann wieder nach seiner Devise „Vom Nahen zum Entfernten, vom Sichtbaren zum Uebersinnlichen“ {IV} Johanssens Reihenfolge geändert und beginnt nicht mit dem Wirker, sondern mit der beseelten Welt, die dem Afrikaner näher steht als Gott. Ittmann wie Johanssen problematisieren noch den Begriff „Glaube“, der keine direkte Entsprechung in afrikanischen Sprachen hat, da zwischen sichtbarer und übersinnlicher Welt nicht scharf unterschieden wird. Sie finden jeweils andere Begriffe, die Teilaspekte ausdrücken. Ittmann führt dabei mehr Worte für Anerkennung und Unterordnung an, während Johanssen mit den von ihm gefundenen Worten für „vertrauen, sich auf jemanden verlassen“ etwas unzufrieden ist. Insgesamt sei jedoch eine geistige Haltung vorhanden, die dem entspreche, was bei europäischen Christen „Glaube“ bedeute.
Ittmann und Johanssen fassen hier zunächst in vier Unterabschnitten ihre vier Hauptteile zusammen, bevor die in einem Schlußwort auf das „zubereitete Ackerfeld“ Afrikas eingehen. Die vier Zusammenfassungen sind alle nach dem Schema aufgebaut: „Dies und das ist vorhanden, aber warum? Es ist dem Heiden ein Mysterium/Geheimnis – Das Evangelium bietet die Lösung mit folgendem Wort/Bild/Sachverhalt“.
Hinsichtlich der Leiblichkeit zeigt einerseits die aufwendige Pflege, daß etwas mit dem Leibe nicht in Ordnung ist, andererseits wohnen „dem Leibe auffällige Kräfte“ inne {161}. Warum das so ist? Das Evangelium antwortet: Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, der Sündenfall zerstörte das Verhältnis zu Gott und brachte Furcht und Grauen und den Tod. Daraus befreit nicht Magie, sondern die Kraft des lebendigen Gottes, der auch einen neuen Geist gibt, unter dessen Zucht der Mensch sein Leibesleben stellen kann.
Die Seele des Menschen wird von Gott bewahrt (1 Th 5, 23), sie braucht nicht mehr magisch gepflegt zu werden.
Ziel seiner gliedhaften Verbundenheit mit der Gruppe kann nicht allein die Fortpflanzung seiner Sippe sein, was der Afrikaner dadurch zum Ausdruck bringt, daß er sich in Kultbünden über die irdische Gemeinschaft hinaus in einen höhere zu bringen sucht. Das Evangelium gibt ihm zur Antwort, daß eine neue Menschheit (aus „Vollmenschen“) mit Christus als Haupt im Werden ist, ja sogar eine neue Schöpfung.
Glaube findet sich als Geisteshaltung auch unter den Afrikanern, er geht sie unbedingt an; ihre innere Einstellung entspricht der europäischen. Ihre Objekte sind jedoch verkehrt, zum Teil bewußte Lüge; sie gebieren „Ungewißheit und Furcht, Sklaverei statt Freiheit“.
Gott habe sich also den Afrikanern nicht unbezeugt gelassen {164}. Das Ackerfeld ist bereit für die Aufnahme des Evangeliums. Goldstaub findet sich hier und da, daraus lassen sich edle Gefäße für die Aufnahme des Evangeliums machen.
Auf den wilden Ölbaum kann also das Edelreis des Evangeliums gepfropft werden. Nach Johanssen (1931, 263) ein Bild des Apostel Paulus. Ittmann erwähnt Paulus nicht bei diesem Bild. Er hat sich mehr an das Bild vom Gefäß gehalten, vielleicht, weil er gemerkt hat, daß Paulus gleichsam genau das Gegenteil gesagt hat (R 11, 16–24). Paulus spricht von der Entwurzelung der Heiden. Vielleicht hat Paulus das Geschehen zumindest seiner Form der Mission damit tiefer erkannt. Diese Rede von der Entwurzelung und der Einwurzelung in jüdische Überleiferung und Religion wäre in die fiktive „Gespräche“ mit Ittmann, Barth und Boff am Ende meiner Arbeit einzubringen.
1) Das Mysterium gliedhafter Verbundenheit | 38 % | 32 % |
2) Das Mysterium des Ich-Bewußtseins | 20 % | 20 % |
3) Das Mysterium der Leiblichkeit des Menschen | 12 % | 15 % |
4) Das Mysterium des Glaubens | 15 % | 17 % |