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Band 1 |
Zu Ittmanns Werken
Band 2 |
Geistiger Volksbesitz
Band 3 |
Religion im v. Kamerun
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Anhang

Inhalt Kapitel 1

Erster Teil: Religiöse Vorstellungen

Erster Teil: Religiöse Vorstellungen

I. Vorstellungen über die sinnlich wahrnehmbare Welt ( Weltbild, -anschauung, sinnliche und unsinnliche vgl. auch ndimsi Weltbild)

A. Vorstellungen über die Natur Natur

1. Die Entstehung der Welt Ursprung der Welt

In ihren Rätselspielen stellen die Duala die Frage: Mein Vater hinterließ mir eine Frage, die ist mir zu schwer zu beantworten. (Was ist das?) Die rechte Antwort lautet: Wer erschuf den Nyambe, Ya. Zamba, Ko. Mwa-nyame etc. Nyambe? Mit Nyambe haben wir uns auf S. 120ff. zu befassen; wir setzen dafür hierher: Urkraft, Wirker Wirker, die im Fruchtbarkeitskult verehrte Gottheit. Mit dieser Antwort will ausgedrückt sein, daß es über Nyambe hinaus und vor ihm keinen Schöpfer Schöpfer gab und also alles Geschaffene auf ihn zurückzuführen ist. Der alte Duala-Gruß aber deutet an, daß auch die permanente Schöpfung Schöpfung, Leben und Gedeihen alles Lebendigen von ihm herrührt; der Grüßende fragt: Ndj’ e tuse e? „Was regt an, treibt um, setzt in Bewegung?“, vgl. S. 120, und der Gegengruß antwortet: Nyambe! „Der Wirker!“ Beide Sätzchen, oft so gedankenlos gesprochen, fassen vielleicht das tiefste Denken der Kameruner kurz zusammen; sie zeigen jedenfalls, daß sie die ganze Schöpfung, die historische und die permanente, auf einen „Wirker“ zurückführen, wenn sie auch über das Wie der Schöpfung keinerlei Aussagen machen können. Sie begnügen sich mit dieser deistischen Feststellung, wie viele Gelehrte unserer Zeit auch nicht weiter gehen wollen als zuzugeben, daß die Naturkraft alle Kreatur erschaffen hat bzw. schafft.

Manche Kameruner meinen auch, daß Ahnengeister, deren Namen z. T. im Ahnenkult der Stämme genannt werden, den Inhalt des Alls gemacht hätten, vgl. auch S.227f.; so erklären z. B. die Umwohner des Manenguba Manenguba die Entstehung der halbmondförmigen Hügel (alte Kraterkegel, deren Rand auf der einen Seite weggespült ist, wie das auch beim großen Krater des Manenguba selbst zu sehen ist) in der Umgebung des Berges so: In alter Zeit wollten die Ahnen hier einen großen Berg bauen, aber sie sind damit nicht fertig geworden, weil der Regen ihnen auf der einen Seite immer wieder die Erde wegschwemmte. – Jedenfalls sind die ersten Menschen die Erzeuger der Menschheit Menschheit, d. h. des eigenen Stammes und der Nachbarn, von denen man weiß; z. B. führen die Bakosi sich mit ihren Nachbarn zurück auf Ngoe und seine Frau Sum’ Ediang, vgl. S. 30f., die Bakundugruppe auf ---, die Bakwiri auf ---.

Bei uns treibt die Frage nach der Entstehung des Alls die höchsten Geister und viele andere Leute um. Das Gemüt des Kameruners scheint dies weniger zu beschäftigen als die Frage nach der Herkunft ihrer Sippe – eine Frage, die für den Ahnenkult so wichtig ist. Immerhin wird überall die Frage, wer erschaffen hat, beantwortet mit: der Schöpfer, welches Wort zur Personenklasse, vgl. S. 37, gehört. Und diesem Schöpfer schreibt man stillschweigend oder ausdrück-{2}lich die Menschen und ihr Ergehen als Objekt seiner Schöpfung und Vorsehung zu, nicht in lehrhaften Ausführungen, sondern in spontanen Äußerungen, vgl. S. 120, des Gemüts oder in Grüßen und dgl. So grüßen sich zwei alte Bakwiri; der erste: Mbamb’ a lova! „Himmelsgroßvater!“ der andere: Wenn Owase „der Wirker“ nicht wäre, hätten wir uns nicht gesehen! Die Duala haben auch den Namen muwekipeki (Klasse der mit animistischer Lebenskraft beseelten Wesen und Dinge; aber gleichen Stammes wie das Wort für den persönlichen Schöpfer) „die Schöpferkraft, das Schaffende“ dessen Wirken mehr auf das All gerichtet ist. Diesem Unpersönlichen kann man leicht andere Namen geben, ob Nyambe „Wirker“, vgl. S. 119, oder Loba „Himmelsgott“, vgl. S. 123, oder bedimo „die Schattengeister“, vgl. S. 227ff.

Das Weltall selbst stellt man sich als eine dreifache Schicht vor: Geht man von seiner Siedlung aus, so kommt man in andere Dörfer und Stämme und so weiter, so daß die Erde Erde eine unendliche Fläche ist (vgl. das Rätsel: Es gibt eine Palmrippe Palmrippe, die reicht bis ins Westland der Europäer; welche ist’s? Antwort: Der Hauptpfad; er führt von Dorf zu Dorf und hat überhaupt kein Ende!). Auf dieser Erdfläche ist die Welt der Sichtbarkeit. Die mundi ma kwedi „die Totensiedlung, der Hades Hades“ ist unter unserer Erdoberfläche und entspricht den irdischen Verhältnissen wie eine Parallele der anderen; das ist die untere Schicht, während der Himmel, den man sich zwar dem Augenschein nach als „Deckel“ oder „Dach“ denkt, die Schicht über der Erde und Aufenthalt der Himmelsmenschen ist. Diese ober- und unterirdischen Schichten, also Himmel und Hades, sind der Ort des ndimsi „Übersinnlichen“, vgl. S. 49; wo alle magischen und Geisterkräfte beheimatet sind, die Welt, die dem gewöhnlichen Menschen verschlossen ist, geöffnet aber dem Magier, der vier Augen hat. Wer sucht, mit dieser Welt in Berührung zu kommen, befindet sich im Gefahren[zu]stand Ursprung der Welt .

2. Das Firmament (kameruner Astronomie Astronomie)

Machen sich die Kameruner nicht viel Gedanken über Entstehung des Himmelsraums, wie stellen sie sich dann den Himmel und die Himmelskörper vor?

Der Himmel Himmel, vgl. auch Loba, Firmament , das Firmament Firmament

„Wie ein Dach sich über einem Haus wölbt und es wie ein Deckel zudeckt, so überwölbt der Himmel die Erde. Dort, wo der Himmelsrand sich zur Erde beugt, wohnen die Europäer. Sie haben die Aufgabe, das große Dach mit Pfosten zu stützen, damit es nicht auf die Erde niederstürzt und alles unter sich begräbt. Darum kommen sie nun zu uns und kaufen die unverwüstlichen Stoßzähne der Elefanten; sie brauchen sie als Himmelsstützen“. So erklärten sich früher die Banyangi u. a. den Einkauf des Elfenbeins durch die Europäer. – Man hält den Himmel aber auch für eine große Fläche, die am Horizont endet. Verschiebt sich mit dem Standpunkt des Betrachters auch der Horizont, so sagt man: die Fläche ist halt sehr groß.

Man glaubt, der Himmel sei ein Doppelgewölbe oder -schicht: Das untere ist leicht und durchlässig, porös; das obere ist aus schweren Steinen errichtet, stabil und fest. Über dem Steinhimmel, vgl. bei Hagel S. 12, ist z. B. das Regenwasser wie in einem See gesammelt. Soll es regnen, so tun sich an einer Stelle die Stein Steine auseinander und das entströmende Wasser sickert durch den porösen unteren Himmel durch und fällt in Tropfen auf die Erde.

Zwischen den beiden Himmelsgewölben ist ein Stück der über- , unsinnliche Welt unsinnlichen Welt. Dort halten sich tagsüber die nachts sichtbaren Himmelskörper auf. Am Abend treten sie durch den porösen Himmel durch und schlüpfen am Morgen wieder zurück. Ist der Mond oder ein heller Stern Stern während der Tageszeit sichtbar, so ist da oben eben ein Versehen passiert, oder es ist dies Gestirn einem Menschen ein Omen Omen. Wem? Dem, der es als solches erlebt. Es kann auch Totem sein, vgl. S. 89.

Ruht der Himmel auf der Erde, so dünkt doch die Frage müßig, worauf denn die Erde beruht. Sie ist das Feste, mundi „Festland“, im Unterschied zu mundja „das Meer Meer“ und „ Siedlung, vgl. auch Gruppe Siedlung“ im Unterschied zu eyidiFeld Feld, Wald Wald“, vgl. S. ---; sie heißt auch mundi ma wase „das untere Festland“ gegenüber dibobe la mony „die obere < Spinne, vgl. auch Vogelspinne Spinne>“, oder „die gegenwärtige Welt, die Sichtbarkeit“ gegenüber ndimsi ndimsi „dem übersinnlichen Gebiet der Heimlichkeiten“. Warum die Alten das Himmelsgewölbe mit einer Spinne verglichen haben, wissen die Heutigen nicht zu sagen; keine der heutigen Antworten genügt recht; z. B.: Wie ein Spinnengewebe einen Platz abschließt, so verhüllt das Himmelsgewölbe den Himmel und was darinnen ist, oder die zwischen Wolken

{3}

[eingeklebter Zettel auf Rückseite von S. 2, handschriftliche Notiz, nicht zuzuordnen: loba – Himmelsgewölbe, das lichtvolle; der Tageshimmel, der alles überspannende, bedeckende; Geschick; Gott; diso la loba dibobe – Firmament, daher besonders der Nachthimmel mou – das Obere, der Himmel, der „christliche“ Himmel]

durchfallenden Sonnenstrahlen gleichen den Beinen einer Spinne, von unten betrachtet, oder: Der Spinne Eiersack hat dem Himmel den Namen gegeben; der Sack verhüllt die jungen Spinnlein, so das Himmelsgewölbe [das,] was im Himmelsraum ist, oder: Wie sich die Spinne über den Eiersack breitet, so der Himmel über die Erde, oder: Die Stern Sterne hängen an dem Himmelsgewölbe wie die kleinen Spinnen im Sack unter der alten; beachtlich ist, daß man von der Himmels“spinne“ nur redet, wenn der Himmel hell und klar ist wie der Sack einer Spinne. Jedenfalls ist uns das tertium comparationis zwischen Himmel und Spinne nicht deutlich und eindeutig. Spinne, vgl. auch Vogelspinne

Neben diesem dibobe la mony wird auch mony allein für „Himmel“ gebraucht, es bedeutet eigentlich „das Obere“ und erst abgeleitet „der Himmel“. Dieser Name wird in der kirchlichen Sprache ausschließlich für „Himmel“ gebraucht, weil Loba Loba zugleich auch Gottesname ist. Wo, wie z. B. bei den Bankon der Wortstamm li-guna (loba) neben „Himmel“ auch „das Obere“ bezeichnet, galt längst vor Ankunft der Europäer Low ngon „Himmel (oder ‘Gott’) nämlich Mondscheibe“ als Gottesname; wer weiß, daß zu Low bei Neumond gebetet wurde, versteht diese eigentümliche Zusammensetzung, vgl. S. 123, Note 4.

Dieses bis nach Ostafrika gebräuchliche loba bedeutet „der Himmel“ als das glänzend-strahlende, lichtspendende Große, Mächtige, das sich über alles erstreckt und das – im Gegensatz zu mony „dem materiellen Firmament“ ohne geistige Macht – eine gewisse geistige Beziehung zu den Menschen hat. Loba ist nicht nur ein mit dem Auge wahrnehmbares Phänomen, sondern eine geistige Macht, das Geschick Geschick, die richtende, das Übel rächende Gottheit; sie bringt das Licht Licht, das die Finsternis und Nacht, die Zeit der Hexe, -rei Hexen, vertreibt. Damit bringt Loba auch Wohlstand und „ Segen (bonam, munam), segnen Segen“. So kann man unter den Basa einem wohlhabenden Manne nach schönem Sonnenaufgang zurufen als Morgengruß: Schau nur, wie dir diob (loba) schön strahlt! – Weiteres vgl. S. 123ff.

Auch bei anderen Stämmen gilt so in geistiger Hinsicht die Sonne Sonne als Konzentration des Himmels und wird bald selbst loba genannt (Basa), bald als diso la loba „Auge des Himmels“ bezeichnet (Bakundu-Gruppe). – Während manche mungang ma wei „die außergewöhnliche Sonnenglut“ des Mittags als von magisch „geladenen“ Menschen besessen, als ihr Totem, bezeichnen, ist die Sonne selbst wie auch loba „Himmel“ nicht Totem oder Nagual. So herausgelöst aus Besitz und Gewalt einzelner eignet sich der „Himmel“ als Träger der höchsten Idee, der Gottesvorstellung und loba wurde zu Loba; näheres vgl. auf S. 124f Firmament .

Der morgens und abends gut sichtbare „Sonnenball“ heißt in Duala elolombe, in Bakwiri elombelombe, beides abzuleiten von lombe „erhöhen, hervorragen lassen“ und würde so bedeuten „das erhaben Thronende“. Von dieser Sonnenscheibe spricht man nur am Morgen und AbendWeil elólombe nur morgens und abends zu sehen ist und die Europäer im Unterricht elòlombe und wéì nicht auseinanderhalten, sind manche Schwarze wegen des Gebrauchs von wéì unsicher geworden; vgl. Lukas 23,45: Wei verlor ihr mwenen „Licht“; besser wohl: Elolombe verlor ihren mwaye „Schein“, denn wei selbst ist ja „Licht, Sonnenlicht“, wie modi „Mondlicht“ das Licht der ngonde „Mondscheibe“ ist, vgl. S. 7.

; den Tag über sieht man nur wei, Kp. ikpei „Sonnenschein, -glanz, -glast“. Am Morgen „kommt elolombe heraus“, am Abend „steigt sie hinab“; den Tag über „wandert wei von Ost nach West“. In den verschiedenen Landschaften sind die Idiome dafür verschieden. Bei Sonnenaufgang sagt der Mukwiri: Mot’ a muanyo „ein Mensch (gemeint aber ist damit der Schöpfer Schöpfer oder Wirker) zündet seinen Feuerherd an“; ist die Sonne in vollem Glanze, so heißt es: Muunya mo moa „das Feuer lodert schon hellauf“, und abends, wenn die Glut vergangen ist: Muunya mwalima „das Herdfeuer ist am Verlöschen“. Jeder Tag, Tageszeiten Tag hat, so stellt man es sich vor, ein neues Feuer Feuer, d. h. eine neuerschaffene Sonne, die am Abend wieder ins Meer oder „in die Fischreuse“ fällt und verlischt. Denn die Bakwiri sehen die Sonne hinter dem Kamerunberg Kamerunberg untergehen. Da wird ihnen der Berg zur Reuse, der Sonnenball zum Fisch, und man spricht davon: Elombelombe oder elovalova a kundi o mongo „der Sonnenball fiel in die Reuse“.

Davon mongó mó lova „Himmels- oder Sonnenreuse“, woraus Europäer, die des Bakwiri nicht mächtig waren, die Duala-Form mongo ma loba „Rückgrat des Himmels, Gottes“ machten. Aus dieser keinem Schwarzen bekannten Form ließ unwissende Phantasie „Stütze des Himmels, Rücken Gottes, Götterberg“ und ähnlichen Unsinn erblühen. Die Umwohner im Süden nennen den Berg „Berg der Bakwiri“, im Norden „Berg der Bomboko“; für uns ist der einzig richtige Name „Kamerunberg“.

Jeder Tag, {4} so stellt man sich vor, hat ein neues Feuer, d. h. eine neu erschaffene Sonne, die aus dem Osten hervorkommt und im Westen verschwindet, vgl. den Mond auf S. ---; denn von dem scheinbaren Umlauf der Sonne und des Mondes oder gar der Drehung der Erde im All und ihrem Kreisen um die Sonne und das des Mondes um die Erde hatte früher keiner gehört Sonne . Himmel, vgl. auch Loba, Firmament

Für den Horizont Horizont hat man i. a. keinen Namen, denn nirgends bietet der dichte Wald Wald freien Ausblick. Nur die Meeresbewohner sprechen vom dange la mundja und meinen damit „die äußerste sichtbare Grenze des Meeres“; der Wald kennt keinen Horizont. Man wußte auch sonst kaum etwas über die engen Grenzen der Nachbarstämme hinaus, sondern lebte in den ‘vier Wänden’ seines Stammes, oft nur seines Dorfes, dahinter war terra incognita. Auch die Überlieferungen Überlieferung, die doch von anderen Stämmen, dem früheren Wohnsitz und den damaligen Nachbarn berichten müßte, ist gar spärlich; die geographische Unkenntnis und die geschichtliche Maßlosigkeit wird durch den Aberglauben gefordert und gefördert. Freilich war auch das hochgebildete Volk der Griechen nicht sehr weit über die heutigen afrikanischen Ansichten hinausgekommen. – Die einzelnen Stämme stellen sich die Erde verschieden groß vor; Anwohner des Meeres und Bergbewohner können weiter schauen als die, welche den dichten Urwald nur so weit niederschlagen, als es ihre Dorfanlage nötig macht.

B Zeit, vgl. auch Jahreszeiten unya 13 „der Tag, Tageszeiten Tag von 24 Stunden“ zerfällt in zwei Teile: Mwese 3 „der Lichttag“ und bulu 13 „die Nacht Nacht“. Wenn sich der Tag neigt, so sagt man bunya bo malata „der Tag, d. h. seine beiden Teile, fügt sich zusammen“, den Tagesanbruch aber bezeichnet man mit bunya bo mesele „der Tag zerlegt, teilt, lichtet sich, bricht an“; von esele ist außer obigem mwese auch abzuleiten mesanedi 6 „der Anbruch“, meist in der Verbindung mesanedi ma idiba „Tages- (wörtl. Morgen-)anbruch“, und mesanedi ma mbu „Jahresanbruch“, vgl. S. 6. Mbatí, meist mbat’ a idiba „die Morgenfrühe“ geht dem mesanedi ma idiba voraus, wenn es noch dunkel ist; malongolongo „Dämmerung“ läßt den Abend Abend zur Nacht werden. Idiba “Morgen“ heißt die Zeit nach Tagesanbruch, rund 6 Uhr, bis etwa um 8 – 9 Uhr, wenn eololombe nicht mehr sichtbar ist und wei das heiße Regiment des mwese „Lichttags“ führt. Für die Mitte des mwese hat sich pond’ a kosi „Kanonenzeit“ eingebürgert, weil zu dieser Zeit an den Hafenplätzen Duala und Viktoria täglich ein Kanonenschuß den Mitt-Tag anzeigte. Wenn um 4 Uhr wei allmählich nachläßt und elolombe deutlich sichtbar wird, beginnt ebiamu „der Abend“; zwischen 6 und 7 Uhr bricht nach kurzer malongolongo herein bulu „die Nacht“.

Neben diesen Bezeichnungen drücken die Stämme im Nordwesten gewisse Tageszeiten oder -stunden mehr bildlich aus, z. B. die Bakwiri: ---

Westlich des Mongo (Fluß) Mongo hat jeder der 13 Mondmonate seinen besonderen Namen; auch das mag von der Vorstellung herrühren, daß nach Verschwinden des abnehmenden Mondes immer wieder ein ganz neuer Mond, Monat Mond hervorkommt. Wir geben im Folgenden die bei den Bakwiri gebräuchlichen Monatsnamen:

I. mayeli (Du. mesanedi) Jahr und Jahreszeiten Jahresanfang, kameruner Frühjahr (Oktober /November):

1. ekpe-mesinga „der dem Knarren Rufende“; die die Regenzeit abschließenden Tornado-stürme beginnen, welche die Bäume knarren und brechen machen (Okt);

2. mile mindene „große Stürme“, Haupttornadozeit (Nov);

3. mile misali „geringe Stürme“, Übergang der Tornado- in die Trockenzeit (Dez).

II. --- (Du. loe) „ Trockenzeit Trockenzeit, Sommer“ (Dezember – März):

4. esondje-mekoko „Stämmeaustrockner“; es wird Mitte der Trockenzeit, daher gibt es dürres und trockenes Holz;

5. mbandje (von bandja „versiegen“) „Austrocknung (aller Wasserläufe)“ (Jan);

6. etoma-matiaSaat, -fest, säen, Samen Saatzeitanfang“, denn die Frühregen setzen ein (März); {5}

7. yosuse, pl. zu isuse „Akazienart mit langen Schoten“; ihre reifen Schoten platzen nun geräuschvoll und machen überall auf die Sträucher aufmerksam.

III: malimeli (von lima „verlöschen“) „Verdüsterung“, weil nun die Regenwolken wieder an den Himmel kommen; kameruner Herbst (April – Juni):

8. kitekite „Eile“ ist nötig, um die Aussaat in den Boden zu bringen (April);

9. efimbe-mea „es wirft die Hacken weg“, die nach der Aussaat nicht mehr nötig sind (Mai);

10. isofesofe „Bereitschaft“ auf bevorstehenden Regen Regen; auch tiefhängende Regenwolken werden so genannt (Juni).

IV. efufa „Regenzeit“; Winter (Juli – September):

11. veale (von veali, pl. zu yali „Blatt“, also) „Blätter“, die die Bäume unter dem vielen Regen fallen lassen (Juli);

12. mbo‘ a ndjoke „das Verderben, das Verderben durch Elefant Elefanten“; unter dem vielen Regen sehen die Farmen aus, als hätten Elefanten darin gehaust;

13. vekondondo „Hautschrunden“; vom vielen Naßwerden und Trocknen am Feuer wurde die Haut Haut rissig, und es entstehen leicht Schrunden.

Diese Monatsnamen sind also wie unsere altdeutschen dem Naturleben entnommen; sie fallen wie diese immer mehr der Vergessenheit anheim, denn sie stehen nicht in dem von allen so begehrten europäischen Kalender. Sie neu aufleben zu lassen und sie etwa gar bei anderen Stämmen einzuführen, wäre ein ebenso aussichtsloses Unterfangen wie der Versuch bei uns, die lateinischen Namen durch deutsche Bezeichnungen zu verdrängen. Diesem Urteil unterliegen auch die von Pastor M. Itondo vorgeschlagenen Monatsnamen: 1

Man meint, ein neuer Mond zwänge sich allmählich durch den unteren hindurch, bis er seine volle Gestalt zeigen kann: modi mu mate „der Mond stellt sich hin“ heißt es bei seinem ersten Erscheinen, dann mu manyaka „er wächst“, bis mu londa „er vollgeworden ist“ und man auch sagt: ebobok’ a modi e busi „der Vollmond ist herausgekommen“. Dann mu manyongo „nimmt er wieder ab“ bis mu bo „er vergangen“ oder mu nyongo „verschwunden“ oder mu dima „verloschen ist“; worauf sich nach acht Tagen ein neuer Mond „darstellt“. Die Ursache der mondlosen Nächte will untenstehendes Märchen vom Mondschaf erklären.

Mit den verschiedenen Mondphasen bringt man an der Küste auch die regelmäßig wechselnde Spring- (mudio mundene) und Nippflut (mudio musadi) in Verbindung.

Der Mond spielt im Geistesleben der Kameruner eine größere Rolle als die Sonne. Ngonde „die Mondscheibe“ strahlt modi 3 „das Mondlicht“ aus. Von diesem letzteren spricht man manchmal, wie wenn man dahinter eine Kraft oder gar ein Wesen vermutete, so z. B. wenn Kinder ihre Milchzähnchen Milchzähnchen ihm zuwerfen und sich neue erbitten.

Während die Sippenvorsteher am Neumondabend zu Loba beten, vgl. S. 126, 187ff., gehen Frauen, die in Hoffnung kommen wollen, zur Schöpferstelle, um sich ein Kind zu ‘schöpfen’, vgl. den Kindchensborn im germanischen Aberglauben; Frauen, die schon einmal Zwillinge Zwillinge geboren [haben], werden ermahnt, doch ja nicht nochmals Zwillinge zu schöpfen.

Die Bakwiri und andere Stämme scheinen den Mond wie eine Art Totem, Totemismus Totem zu verehren, er scheint früher mit dem Fruchtbarkeitskult verbunden gewesen zu sein. Die monatliche Regel der Frau drückt man aus: Amene modi „Sie nimmt den Mond wahr (mit dem Gesicht)“ oder, weil sich die Frau in dieser Zeit ihrer Unreinheit zurückhalten muß: Alo jene modi „Sie ging zum Mond auf Besuch“, und die Mutter hält beim neuen Erscheinen des Mondes ihren Säugling Säugling gegen den Mond und spricht: Schau, das ist dein Großvater! Auf welcherlei Kult diese Mythe, Mythenbildung mythologischen Äußerungen zurückgehen, ist wohl nicht mehr festzustellen. – Daß die Sonne ein Bursche, der Mond eine Jungfrau sei, habe ich in Kamerun nicht belegt gesehen, aber es ist mehr als wahrscheinlich, daß da geschlechtliche Anklänge bestanden; vgl.: Duala ngonde, in den Nachbarsprachen ngon „Mond“ als Scheibe am Himmel, Duala ngondedi, in den Nachbarsprachen ngondo oder ngon „Jungfrau“, in Duala und anderen Sprachen ngon „Tochter des..., Frau aus...“; {6} beachte auch, daß der Mann betet, gerichtet zum Monde, die Frau zur Sonne Sonne, vgl. S. 6. Andererseits ist also der Mond auch der „Großvater, nämlich der Himmel, Gott“, vgl. mbamb’ a lova der Bakwiri auf S. 2. Bei den gleichen Bakwiri und ihren Nachbarn gilt der Mond als „Schmied“, und man sagt: Mgbende e wonde vana „Der Mond schmiedet Kinder“, nämlich aus der Mutter Blut Blut. Von ihm stammt das monatliche Blut, vgl. oben. „Schmiedet“ er eine solche Blutportion magisch zum Kind und gibt solches in den Mutterleib, so wächst solches Blut zum Fötus und weitere Blutungen setzen nun aus. Von der hoffenden Frau sagt man: A endi wokuva o lova „Sie war zum schmieden Schmieden in den Himmel gegangen“; hat die Frau die Regel, so heißt es: Mulana a ene mgbende „Die Frau sieht (oder besucht) den Mond“; er hat ihr dann aber ungeschmiedetes Blut in den Leib gebracht. – Wie mweme „der Flughund Flughund“ auch iwonde (Kp.) „Schmiedchen“ genannt wird und sein Schrei als des Schmieds Hammerschlag und als ein für die Sippe günstiges Omen Omen gedeutet wird, ist auf S. --- gezeigt. Der Flughundschrei bei Nacht ist der in die Sichtbarkeit dringende Widerhall eines in der über- , unsinnliche Welt unsinnlichen Welt getätigten Vorgangs.

Diese Verbindung des Mondes mit menschlicher Fruchtbarkeit Fruchtbarkeit und die Bedeutung dieser Fruchtbarkeit im Denken der Primitiven bestätigt die Vermutung, daß Zahl Neun als die kultisch bedeutsame Zahl in Kamerun zurückzuführen ist auf die Beobachtung, daß die menschliche Schwangerschaftsperiode neun Monate beträgt, vgl. im Missionsmagazin 1932, S. 184ff. Ittmann, „Neun, die bedeutende Zahl der Kameruner“ [Evangelisches Missionsmagazin - Neue Folge 1931: „Neun, die wichtige Zahl im vorderen Kamerun“, S. 184–189].

Neben Glück und Unglück, -szeichen Unglück bei Geburt, gebären Geburten bringt man mit dem Mond auch allerlei Krankheit Krankheiten, besonders Erkältungskrankheiten in Verbindung. Der Mond ist für viele auch ein besonderes Zeichen (Omen) Zeichen, Omen. Am kameruner Himmel gleicht die Mond-„sichel“ Der Kameruner sieht im Neumond einen songa l’mode „Zahn des Mondes“.

einem Boot, dessen Kiel nach der Erde, dessen Bug und Heck nach oben gerichtet sind. Sind nun beide Mondhornspitzen gleich weit nach oben gerichtet, so ist das „Boot“ in ruhigem Wasser, die Lage ist ausgeglichen, günstig; vgl. wie auch bei Orakel solche Ausgeglichenheit gefordert ist, vgl. S. 157. Anders, wenn ein Horn das andere überragt; das deutet auf „stürmische Fahrt“; ein Macht, -mittel, -erlebnis Machterlebnis, vgl. S. 55aff., kündigt sich an. Daher auch die Bitte zum Monde, er möge freundlich zu dem Menschen sein, ihm nicht mit Krankheiten kommen. Während die Frau „den Mond sieht“ – es muß ja nicht gerade am Neumond sein –, ist sie tabu; aber auch der Neumondabend ist tabu, es soll feierliche Ruhe herrschen, und der Bedrückte wendet sich an Gott um Schutz und Rache.

Ein „Hof“ um den Mond modi mu bin krto [?] gilt als Zeichen, daß ein großer Mann, ein „ Gefüllter Gefüllter“ irgendwo stirbt. Dieser Sterbende stellt den „Hof“ als sein Nagual, Nagualismus = Individualtotemismus Nagual um den Mond. Auch das Verhüllen des Mondes durch leichte Nebelwolken ist, wie Nebel Nebel überhaupt, das Werk von Unholden.

Sonnen- und Mondfinsternisse werden kaum beobachtet, wenn aber doch, so sagt man, daß mbaki „Nebel“ Sonne oder Mond verdecke, ebenfalls verursacht durch Leute, die vorgeben, Sonne Sonne oder Mond als Totem zu „besitzen“; vgl. auch S. 89ff.

Die hellen Mondnächte sind beliebt. Beleuchtet vom nächtlichen Himmelslicht genießt man die Kühle des Abends im Hofe bei Erzählen und Tanz Tanz und manchmal auch zum Nächtigen, wenn es in den Hütten zu heiß ist; die Fruchtbarkeitsfeste auf der dibala dibala sind natürlich auch im Mondenschein gehalten, und gerne nützt man ihn als Reiselicht.

Wie sehr der Mond in der Gedankenwelt der Kameruner eine Rolle spielt, zeigt folgende Mythe der Barombi, die den Vollmond auch „ Schaf Schaf“ nennen; da die kameruner Schafe meist rehbraun und immer kurzhaarig sind, liegt nicht in dem weißen Wollpelz des Schafes der Vergleichspunkt:

„Vom Mond erzählt eine aus alter Zeit überlieferte Geschichte, daß der Mond früher nächtlicherweise häufig in seinem vollen Glanze auf die Erde heruntergekommen sei, um Plantenschalen auf den Abfallhaufen hinter den Häusern zu verzehren. In einer Nacht fraß dieses ‘Schaf’ auch wieder einmal auf dem Abfallhaufen des Dorfvorstehers. Als der das fremde Schaf sah, wurde er zornig und befahl, daß seine Leute es sofort fangen. Sie brachten es, legten ihm einen Strick um den Hals und banden es an den Hauptpfosten im Hause des Dorfvorstehers an, damit es nicht wieder entlaufe. Da freute [er] sich männiglich mit dem Häuptling, und dieser ordnete an, daß am Morgen alle Leute auf das Feld gingen, um Planten zu holen, denn anderntags solle {7} ein großes Tanzfest stattfinden, dabei solle das Schaf geschlachtet und mit den Planten verzehrt werden. Der Häuptling stellte auch einige junge Leute als Wächter vor des Hauses Türe, die er sorgfältig verschlossen hatte. Aber trotzdem löste sich gegen Morgen die Schlinge an des Schafes Hals, das Schaf verschwand geheimnisvoll und zog sich in den Himmel zurück, ohne daß die Wächter merkten, wie das geschah; und niemand sah es mehr. Am Morgen erfuhr auch der Häuptling von dem Verschwinden des Schafes, und er wurde zornig, doch konnte ihm niemand sagen, wohin das Tier gekommen war.

Seitdem kam der Mond nimmer auf die Erde, und doch nennt man den Vollmond noch nlonge nkembe ‘Schaf’ bis auf den heutigen Tag.“ Mythe, Mythenbildung

Nach anderer Überlieferung ist es nach Einsperren des Schafes finstere Nacht geworden, und weil der Mond nicht am Himmel verschwinden konnte, wurde es auch nicht Tag. In solcher Finsternis wurde dem Häuptling und seinen Leuten doch bange, und sie gaben schließlich dem Schafe die Freiheit wieder. Es ging alsbald als Mond zum Himmel und der Tag brach an.

Märchen Märchen nach Bakwiri-Version: Warum der Mond erscheint und wächst

Vor langer, langer Zeit pflegte der Mond in Gestalt eines sehr großen Schafs der Erde regelmäßige Besuche abzustatten. Es nährt sich dann von Bananenschalen, die man auf den Abfallhaufen hinterm Hause geworfen [hat]. Eines Tages legte ein Jäger diesem Schafe eine Schlinge, tötete es und trug es nach Hause. Dort trocknete des Jägers Frau ein Stück des Fleisches und hob es in einer mokowe „Rindenschachtel“ auf der Darre überm Feuer auf; das übrige Fleisch aßen sie miteinander.

Von der Nacht aber, da das eigentümliche Schaf getötet worden war, tagte es nimmer; es blieb immer dunkle Nacht. Auch fiel kein Regen mehr, und eine Hungersnot kam auf, der immer mehr Leute zum Opfer fielen. Da kamen alle Dorfältesten des ganzen Landes zusammen, um herauszufinden, was die Ursache der üblen Umstände sei. Als sie lange hin- und hergeredet hatten, sandten sie zur Vogelspinne, vgl. S. 158f., um Auskunft zu erhalten. Die gab den Bescheid, daß der Tod des geheimnisvollen Schafes den Untergang der Leute hervorgerufen [habe]; denn das Schaf sei der Mond gewesen, der Licht bei Nacht und Regen und Fruchtbarkeit Fruchtbarkeit der Erde gäbe – als Bote der Ahnenschatten. Nun sollten sie im ganzen Lande suchen, ob nicht noch ein Fleischstück von dem Schafe zu finden sei; das sollten sie dann auf die Stelle werfen, wo das Schaf getötet worden war.

Die Frau hörte von diesem Rat und warf den getrockneten Schenkel auf ihren Abfallhaufen. Nicht lange danach wurde es wieder hell auf Erden. Aber von da ab kommt der Mond nicht mehr als Schaf auf die Erde herunter, sondern läßt sich nur ganz von weitem am Horizont sehen, und zwar beginnt er ganz sachte als ein kleines Licht, wächst dann aber zum Vollmond heran, um wieder geheimnisvoll zu verschwinden. Schaf

Wie man bei der Sonne zwischen dem Himmelskörper und dem Schein unterscheidet, so auch beim Monde; als Phänomen ist er ngonde „Scheibe, Mond“; die Wirkung der Scheibe, das „Mondlicht“ heißt modì, auch für „Monat“ verwendet. Mond, Monat

Die 13 „Monde“ zusammen bilden mbu 3 „das Jahr“, das aber durch den großen Regen Regen deutlich in zwei Hälften zerlegt wird. „Regen“ heißt mbua 9 vom alten -bula „Regen, Gottheit Gottheit, Wasser Wasser“ und mbu „Jahr“ ist wohl gleichen Stammes. Man sagt: Mbua e mayole „Regen(-gottheit) tröpfelt“, d. h. es regnet.

Die HauptjahreszeitenIn den verschiedenen Landschaften hat man verschiedene Zeichen zur Zeitbestimmung. So zeigt z. B. das Blühen des --- „Tulpenbaumes“ den Bakosi, daß die Regenzeit zu Ende geht. Der See Ebuoge auf dem Manenguba, vgl. S. ---, gibt manche Zeitbestimmung, z. B. erscheint die Kohlart ekwaged im See (Monat Mai), so sind es noch 2 – 3 Monde bis zu dem großen Regen; im Juli und August, also in der ärgsten Regenzeit, werden dort nte gefangen und gegessen. Im September erscheinen die sone und geben das Zeichen zum Säen des Mais, denn die Regenzeit ist zu Ende. Im übrigen vgl. Ittmann „Zeichen und Zeiten der Kameruner“ im Miss. Mag. 193, S. ---ff. [„Zeiten und Zeichen im vorderen Kamerun“, Evangelisches Missionsmagazin 1930, S. 213ff.]

sind loe 5 „ Trockenzeit Trockenzeit“ und epupa epupa 7 (von pupa „überfluten, überbrodeln“) „Regenzeit“. Beide Zeiten werden durch Übergänge eingeleitet: Mesanedi ma mbu, vgl. S. 4, „Anbrechen, Sich-öffnen des Jahres“ und mingea (von ingea „hineingehen“) ma mbu „Eingänge des Jahres“, d. h. das Jahr geht wieder ein, nämlich in die Unsichtbarkeit des ndimsi. So wäre also die ursprüngliche Vorstellung: Das alte -bula besteht aus zwei Abschnitten: 1. im ersten Teil kommt es heraus, bricht als mesanedi ma mbu an, wird zum mbu, dessen Höhepunkt ngandambu [ngand’a mbu ?], vgl. u., ist und klingt in mingea ma mbu aus. Ist so mbu eingegangen in die unsinnliche Welt, so kommt es 2. als mbua „Regen“ wieder. Die Regenzeit schafft Flut und Düsterkeit, bis nach etwa 2 – 3 Monaten mbua e mate „der Regen sich stellt“, d. h. „aufhört“. So wird deutlich, wie dem Kameruner „der Regen“ nicht nur das Regenwasser ist, sondern daß dahinter noch etwas anderes waltet. Die dem alten Bantu -bula verbundenen Assoziationen: Regen, Gott, Wasser klingen dem Kameruner in mbu und mbua etwas an. – Die Teilung des Jahres in zwei Hälften wird im Süden stärker empfunden als im Norden; das hängt wohl zusammen mit der kleinen Regenzeit, die sich dort im März/April von der großen Juli – September abhebt; im Norden sieht man den Jahreszyklus mehr als ein Ganzes an, die dortigen 13 Monatsnamen deuten schon darauf hin Zeit, vgl. auch Jahreszeiten . Jahr und Jahreszeiten

Die Stern Sterne, Du. ngengetì (bei den anderen Stämmen verschiedene Bezeichnungen), spielen im kameruner Denken eine recht bescheidene Rolle, und die Meinung, daß alle Religion, vgl. auch Synkretismus Religion ursprünglich vom Sternendienst ausgegangen sei, findet hier keinen rechten Grund. Die Sterne zu zählen ist tabu, wie das Zählen einer Kriegerabteilung oder der Sippenmitglieder. Es wäre aber wohl keine besondere Enthaltungsvorschrift in diesem Stücke nötig gewesen, denn der Rechendrang ist nicht groß im Lande. – Ein Unterschied zwischen Fixstern und Planet wird nicht gemacht; fällt einem doch einmal ein Planet durch Stellung und Glanz besonders auf, so ist ihm das das Werk von ekong ekong- Hexe, -rei Hexen. Man kennt nur sehr wenige Sterne und Sternbilder mit Namen. Der bekannteste ist die Venus Venus; man weiß aber wie auch sonstwo nicht, daß Abend- und Morgenstern die gleiche Venus ist. Als Abendstern heißt sie sombe und gilt als Frau, Begleiterin des Mondes, die sich ihm nähert und ihn wieder verläßt. Als einsamer Morgenstern heißt sie „das Beschauende“, nämlich die langsam aus dem Schlafe erwachende Erde und ihre Bewohner. Weil auch bei ihnen „Morgenstund Gold im Munde hat“, d. h. sie sich das Vorbild des Tausendfuß >Tausendfuß zu Herzen nehmen: Londo le nde idiba „Morgens muß man reisen“, so ist der Morgenstern auch das Zeichen des Aufbruchs: Er schaut den Krieger, der sich aufmacht, ein Dorf zu überfallen, die Jäger, die in den Busch gehen, die Reisenden, die zu langem Marsch oder Kanufahrt aufbrechen, die fleißigen Ackerbauern, die

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[auf Rückseite von S. 7 zwei nicht zuzuordnende handschriftl. Notizen: 1. nsonge ntintine „der herunterhängende (nämlich ein) Stern“ ist ein sehr hellglänzender Stern. 2. Farben: Schwarz: Anstrich aus Ruß, besonders Harzruß; Eingraben in Moos Gelb: Absud der inneren Rinde der Alstonia Congensis, Du. bokaka Rot: iledi Weiß: pembe]

auf entlegene Äcker eilen. – Die Plejadengruppe trägt den Namen bana ba nyue, Ko. mwa nyue „Waisenkinder“; sie haben ihren Vater verloren und hocken nun ängstlich beisammen, denn sie haben keinen Helfer. – Den flimmernden Kanopus nennen die Bakosi mit dem Namen für eine Grillenart, denn sein Flimmern vergleichen sie mit dem aufgeregten Flügelschlag dieses Insektes. – Sonst ist der Versuch kaum gemacht [worden], Sternbilder zu entdecken, d. h. Figuren am Himmel zu sehen, zusammenzuschauen; hier unterscheiden sich die Kameruner sehr von den Orientalen. Immerhin sind kleine Ansätze dazu vorhanden: Der Aronsstab im Orion ist ihnen ein mwendi m’ ewondo Bulu nkel ovon „Beilstiel“ ist β, α,η,γ in der Kassiopeia.

„Beilstiel“. -tole heißt vielleicht „Sternbild“ im allgemeinen; jedenfalls bezeichnet man damit das Sternbild, das für ihr wirtschaftliches Leben von Bedeutung ist, den Orion, und zwar seine fünf Hauptsterne, die den mwendi m’ ewondo umgeben; genauer bezeichnet man den Orion auch als tol’ a ndjou „Elefanten- (d. h. großes) Sternbild“, den Großen Hund als tol‘ a moto „Menschen- (d. h. mittleres) Sternbild“ und das südliche Kreuz als tol’ a wuba „Hühner- (d. h. kleines) Sternbild“. Wenn tole im kameruner Frühjahr (Oktober/November) am östlichen Abendhimmel erscheint, so zeigt es an, vgl. S. 57 a und b, daß die Feldarbeit Feldarbeit zu beginnen ist. – Eine Sternschnuppe heißt ngenget’ a sombo „Stern der Raubehe“; sie ist ein Zeichen (Omen) Zeichen, daß eine Frau ihren Mann verläßt oder die väterliche Sippe, um sich ohne Ehevertrag einem Mann zu verbinden; vgl. „Ähnliches wirkt auf Ähnliches und bewirkt Ähnliches“ auf S. 47c, 131ff. So ist die Sternschnuppe wie der „Hof um den Mond“ ein schlimmes Omen Omen; die Schnuppe zeigt zugleich die Richtung an, wo sich der Todesfall bzw. die Untreue ereignet. Andererseits ist die Sternschnuppe gleich dem Herauswerfen eines Gegenstandes aus der Hüttentüre. Solches geschieht nur in tiefer Gefühlserregung und zwar als Äußerung des Zorns oder der Freude; so kann die Schnuppe auch in diesem Punkte als günstiges oder übles Omen gedeutet werden; bezüglich der Aufnahme des Sterbenden in die über- , unsinnliche Welt unsinnliche Welt; scheint sie rötlich, so ist das Blut Blut und zeigt, daß der Sterbende beim Eintritt ins Jenseits Schwierigkeiten hat, weißlicher Schimmer verheißt ihm friedvolle Aufnahme.

Mit ngengeti „Stern“ bezeichnet man auch das Glühwürmchen, das nachts unterwegs ist und wie ein Stern im Dunkeln leuchtet. Stern

Komet Kometen beeindrucken auch das kameruner Gemüt sehr; sie sind „Sterne, die einen Schwanz haben“. Solch außerordentliche Erscheinung kann auch nur Außerordentliches, Großes bedeuten; und was könnte es Schlimmeres geben, als das Sterben eines Großen oder ein großes Sterben! Der Große ist bereits gestorben, aber sein Tod noch nicht bekanntgegeben worden, vgl. S. ---, doch kraft seines magischen Besitzes stellt er öffentlich solches Zeichen am Himmel auf.

Neben diesen siderischen Lichtquellen ist auch zu reden von mweneni [?], dem seelenkrafthaltigen Etwas, mit dem gesehen wird, d. h. „ Licht Licht, Helligkeit“. Eine physikalische Erklärung für das Licht hat man nicht; etwas das panya „strahlt, glänzt, leuchtet“ erzeugt mwaye „Strahl, Schein“ und bewirkt „Licht“: Daß man für Sonnen- und Mondlicht andere Namen hat als für die bezügliche Lichtquelle ist schon gesagt. – Allgemein wird das Licht, das Klare als angenehm empfunden, im Gegensatz zur mwitítiFinsternis Finsternis“ und buluNacht Nacht“, dem Reiche dunkler Mächte und Kräfte. Der wolkenlose Tageshimmel loba, die sternenklare Nacht sind harmlos, sie zeigen ja keinerlei Omen. Das Lichte, das Helle ist daher die Farbe der Unbelastetheit, der Unschuld und daher der Harmonie und des Glücks.

Für Farbe Farben sind eigentlich nur drei Ausdrücke vorhanden: sángà Sángà „weiß, hell, rein, lauter werden“ mit der Nebenbedeutung „unbelastet, frei von bösen Einflüssen und daher auch Ausflüssen, frei von Schuld sein“; winda „schwarz, dunkel werden“ mit der Nebenbedeutung „behaftet sein mit Ungutem“Wenn ein Opfer den Zweck hat, finstere Gewalten niederzuhalten, wie bei den mbando-Steinen oder am Ebuoge-See, vgl. S. ---, so nimmt man Tiere von schwarzer Farbe, das Schwarze soll alles Ungute „zudecken“, denn sieht man es nicht mehr, so wirkt es auch nicht mehr.

, auch „grün“ wird mit winda bezeichnet; ola „rot, gelb werden“ mit der Nebenbedeutung „reif werden“, zugleich ist es Ausdruck der Freude, vgl. etedi auf S. ---. Die helle Farbe ist auch Zeichen eines anderen Zustandes, da man in Verbindung steht mit der unsinnlichen Welt; daher die Initianten der Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kultbünde, die ja von Dämonen Dämonen besessen sind, sich weiß anstreichen; mengu „Wassergeister“ und bedimo „Hadesgeister“, wie auch die „Himmelsmenschen“ sind hellfarbig, kein Wunder, wenn auch die minanga „Hellfarbigen, Europäer“, zu bakala „Überlegenen“ wurden. In manchen südlichen Gegenden bestreicht man auch die Witwen, vgl. auch Trauer Witwen in der Trauerzeit mit weißer Erde; sonst ist aber schwarz die eigentliche Trauerfarbe, die Farbe der unrein unreinen Behaftung.

Hat man so auch zunächst nur drei Farbnamen, so beobachten sie doch mit dem Auge mehr Farbunterschiede. Das merkt man am besten, wenn sie bunt-

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[eingeklebter Zettel auf Rückseite von S. 8: Erdbeben soa la minanga sind beim Kamerun-Berg häufiger als sonstwo. Der Name ist Europian made. Eine Erklärung für das Naturereignis hat man nicht. Epas’ a moto hat man [?] bewegt [?].]

farbige Kattunstoffe einkaufen und tragen. Dem Mangel an Farbbezeichnungen wird auf allerlei Weise abgeholfen: einmal durch Beifügung sogenannter Lautbilder Lautbilder, wodurch man Ausdrücke wie: knallrot, blütenweiß, kohlschwarz u. ä. wiedergibt; oder indem man einen Farbträger zur näheren Erläuterung herbeizieht, z. B. schwarz wie Gras = grün, rot wie Gold = goldfarben u. ä., oder man nimmt den Namen eines Objekts zur Bezeichnung seiner Farbe, z. B. dibono „mit Palmöl angerührter Erbsenbrei“, übertragen: „hellgelb“, dipumbwe „spröde, graue Haut Haut nach dem Baden oder im Alter“, übertragen: „grau“ u. a. Farbe

So ist es wenig, was man über die astronomischen Kenntnisse erfahren kann; vgl. auch Ittmann, Zeichen und Zeiten in Kamerun; Missionsmagazin 193, S. ---ff. [„Zeiten und Zeichen im vorderen Kamerun“, Evangelisches Missionsmagazin 1930, S. 213ff.]. Astronomie Astronomie geht über des Kameruner Horizont; Veränderungen am Himmel sind Werke der Magier oder Omen Omen aus der übersinnlichen Welt.

3.  Kosmographie Kosmographische und Meteorologie meteorologische Erscheinungen

Obwohl in dem Lande altvulkanische Gebiete sind und der große Kamerunberg Kamerunberg immer wieder einmal ausbricht (z. B. 18--, 1909, 1922), sind Erdbeben Erdbeben, obwohl mit den Ausbrüchen verbunden, relativ selten und haben meist keinen großen Radius. Selbst die Bakwiri, die doch auf den unteren Hängen des vulkanischen Berges wohnen, haben noch nicht einmal eine spezifische Bezeichnung für Erdbeben; man spricht wie sonstwo von „Erschütterungen des Erdbodens“. Man hat auch sonst keine andere Erklärung dafür, als daß die Geister Geister, Ahnengeister oder andere diese Erschütterungen hervorbringen. Um den Kamerunberg soll der Epas’ a moto „längsgeteilter Mensch“, ein mystisches Wesen, das halb Mensch, halb Stein, auf dem Berg sein Wesen hat, solche Erderschütterungen hervorbringen, wenn es unwillig geworden ist und die Menschen schrecken will, vgl. S. 47f., 109.

Für „Wind“ gibt es zwei Ausdrücke: Ngo heißt auch „ Luft Luft“ und „Kälte“, und weil die Malaria meist mit Kälte und Schüttelfrost beginnt, auch „ Fieber Fieber“. Bei diesem Wort ist also weniger an bewegte Luft gedacht als an das von ngo hervorgerufene Kältegefühl. Ngo nindene „großer Wind“ ist Ausdruck für „ Sturm Sturm“ und ngo a bulu „Nachtluft“ bezeichnet „Kälte“; ngo a mbenge „Wind aus dem Tiefland“ ist „Seewind“ im Gegensatz zu dibongo „Landwind“. In manchen Bantusprachen ist das Wort für „Wind“ und „Hauch“ und dem seelischen Teile des Menschen, „ Seele, vgl. auch Lebens- und Schattenseele Seele, Geist“ gleich. Daß das früher auch im Duala der Fall war, ist darum zu vermuten, weil die drei Bezeichnungen lautlich gleich sind; doch in dem für die Kamerunsprachen so wichtigen etymologischen Ton unterscheiden sie sich: Mudi, pl. myudi?? im Süden und sonst ukulu.

„Sturm, Gewitter Gewitter, Tornado“; mudì, pl. myudì „Hauch“, wie er aus Menschen- oder Tiermund oder gar als körperliche Ausdünstung im Tiefland selten zu sehen ist, und „ Dampf Dampf“, wie er bei Verdunsten des Wassers entsteht; mudi, pl. midi „Lebensseele“, vgl. S. 44ff, 76 – 98; alle drei zur 3./4. Klasse gehörig. Hier interessiert uns nur der Ausdruck mudi „bewegte Luft“, besonders, wenn sie als Sturm und Tornado im ersten Teile eines Gewitters durchs Land rast; mudie mu matomba „ein Sturm geht vorbei; es gewittert“; mu munga „er schwillt an, tobt“. Die Stürme erregen das Gefühl des Kameruners, und er fragt nach der Ursache solchen Macht, -mittel, -erlebnis Machterlebnisses. Man hat dafür zwei Antworten: a) sie sind aus unbekannten Gründen verursacht durch die ekong ekong-Hexen, vgl. S. 91ff. und Ittmann, der Kupe im Aberglaube der Kameruner, Evang. Heidenbote 1931, S. --- [„Der Kupe im Aberglauben der Kameruner“, Der Heidenbote 1930, S. 77–113]. Wenn solche Hexe, -rei Hexen von ihren Versammlungen auseinandergehen und sich um ihre Schicksalspäckchen streiten, sausen sie durch die Luft und erregen dadurch den Sturm, knicken Bäume, brechen Äste, führen das Anschwellen der Bäche und Flüsse herbei und lassen von steilen Bergen ein Stück abrutschen: Lauter Umstände, die den Menschen in Gefahr bringen. Die dabei Verletzten stehen in besonderem Gefahrenzustand, und die so Umgekommenen sind besonders tabu, vgl. S. ---. Droht ein solcher Tornado mit schwarzen Wolken, so tritt der Ältester Älteste wohl vor sein Gehöft, spuckt aus und spricht den Wunsch: Sturm, gehe bei mir vorüber und tobe dich sonstwo aus; ich habe dich nicht gerufen und habe nichts mit dir gemein; gehe in ein Land, wo böse Menschen wohnen! Darauf soll sich das Gewitter verziehen. Ist der Sturm aber ausgebrochen, so nimmt man die Sprechtrommel und trommelt, was die Schlegel hergeben, schießt auch seine Donnerbüchse in die Luft entweder im Hof oder im Haus durchs Dach und glaubt, auf diese Weise die Unholde abschrecken zu können; b) sie sind verursacht durch „ Geister Geister, Schatten {10} oder Dämonen Dämonen“, die wild erregt sind. Darum gibt es allerlei Tabu-Regeln, deren Nichtachtung die unsinnliche Welt erregt, was sich im Gewittersturm äußern kann. So ist es z. B. tabu, auf der See im Kanu zu pfeifen (Pfeife, Flöte) pfeifen, vgl. S. 61f., an verrufenen Stellen auf dem Lande oder am Wasser, vgl. S. 50ff., mit Gewehr, vgl. auch ngad’ a mudumbu Gewehren zu schießen, auf den den Ahnen geweihten Plätzen mit Eisen Eisen zu hantieren. So muß man z. B. auf dem Manenguba Manenguba mit Eisen beschlagene Stöcke über Stellen, wo der Fels bloß liegt, waagerecht oder umgekehrt tragen; die Stockspitze oder der Lauf eines Gewehrs darf den Stein nicht berühren u. ä. Wird das nicht beachtet, so antworten die übersinnlichen Mächte mit Sturm. Und was so im Sturm von Hexen oder Geistern beschädigt wird, ist streng tabu und wird, wenn es Sachen sind, nicht mehr berührt, oder, wenn es sich um Menschen handelt, nicht besonders behandelt; der Schatten eines so Umgekommenen geht nicht in den Hades, sondern in den Himmel; d. h. aber: Früher wurde er nicht beerdigt; man ließ ihn liegen, und war das in der Nähe einer Siedlung, so wurde sie verlassen. Um 1910 waren die Dächer zweier Rundhütten des Häuptlings von Ekante-Belung am Manenguba vom Sturm abgehoben und jenseits einer Schlucht niedergesetzt worden. Dort blieben die fast unbeschädigten Dächer liegen, bis sie nach Jahren verrottet waren. Denn die Unholde hatten die Dächer berührt, und es wäre für Menschen verhängnisvoll gewesen, sie zu entfernen oder gar weiter zu benützen. Der Eigentümer jener Hütten war nämlich okkulter Weise bei einer Versammlung der ekong-Hexen am Ala de ngum „Allmachtsfelsen“ des Berges gewesen und hatte beim Erraffen der Schicksalspäckchen ein sehr gutes erwischt. Als die anderen das gemerkt [hatten], hatte sich die ganze Meute auf ihn gestürzt, um ihm sein Gut zu entreißen. Im Sturm ging der tolle Wettlauf durch die Luft und gerade konnte des Häuptlings ekong noch in die schützende Hütte schlüpfen, da war auch schon das wilde Heer herangebraust und, weil die Tür verschlossen und durch magische Abwehrmittel geschützt war, kühlte es sein Mütchen, indem es die beiden Dächer abhob und jenseits der Schlucht warf. Sturm

Gewitter Gewitter gibt es fast nur in der Tornadozeit, die die Regenzeit ein- und ausleitet. Der dazu gehörige Sturm ist vorstehend beschrieben; bleiben noch Blitz Blitz und Donner Donner, welche beide im Denken der Kameruner nicht wie Ursache und Wirkung vereint sind. Denn man sieht beim Wetterleuchten Blitze und hört keinen Donner; einmal sind Blitz und Donner ganz nah beisammen und dann wieder lang getrennt. Blitz und Wetterleuchten heißt motemote; Verdoppelung des Wortstammes vom motele „aufflammen machen; entzünden, anzünden“ und motomeye „sich selbst aufflammen machen“, d. h. von den Augen „blinzeln“, vom Blitz „blitzen“. Es nimmt nicht wunder, wenn auch der Blitz totemistischer Wirkung der ekong- Hexe, -rei Hexen zugeschrieben wird, besonders wenn er gelegentlich einen Menschen oder Baum erschlägt oder eine Hütte in Brand setzt. Die Kraft des Blitzes glaubt man in einem kleinen schwarzen Stein Stein, genannt ndjolandi ndjolandi Ob ndjolandi entstanden ist aus ndjo e landí „der Leopard steigt hoch, klettert“? Jedenfalls hängt es etwas mit dem Leopard und seiner magischen Kraft zusammen (vgl. das Bakosi ngokume auf S. 92f.), denn auch die lähmende Kraft, die im Blicke des Leoparden liegen soll und den Menschen so erschreckt, daß er weder schreien noch entfliehen kann, heißt ndjolandi.

, Ko. ngin, inkorporiert, vgl. S. 262. Man kann ihm am Orte, wo der Blitz einschlug, nachgraben. Freilich kann das nur ein Machtgeladener, denn für andere ist der Platz tabu. Der Stein ist von Medizinmännern sehr gesucht; zerrieben und mit anderen Machtmitteln vermischt, mehrt er deren Wirkung (+); meist werden sie innerlich verwendet.

Wo der Blitz eingeschlagen [ist] oder gar ein Dorf eingeäschert hat, muß man den Platz wechseln, denn ndjolandi würde alles Leben verderben; es ist dann Aufgabe des sango a mboa „Heimstattvorstehers“, mit Hilfe eines Machtgeladenen einen anderen Platz zu finden. So darf auch ein Baum, in den der Blitz geschlagen [hat], nicht als Feuerholz verwendet werden.

Würde jemand, der ungesichert ist, über einen vom Blitz getroffenen Platz schreiten oder gar dort wohnen, bevor der Ort durch Wegnahme des Blitzsteins beruhigt ist, so würden ihm die Füße und der Körper schwellen. Wer solche Kraft des Blitzes entfernen kann, mag sie sich auch aneignen und dann numea moto nupepe ndjolandi „einem anderen die Blitzkraft anstechen“, so daß er lähmende und schwächende Schmerzen ins Bein bekommt. Blitz

{11} Der Donner hieß ursprünglich ngadì; als man aber Gewehr, vgl. auch ngad’ a mudumbu Gewehre einführte, die einen donnerähnlichen Schall erzeugten, nannte man sie auch ngadi und nannte zum Unterschied davon „Donner“ ngad’ a loba „Himmelsgewehr“. Vom Donner oder Gewehrschuß sagt man „er redet“, d. h. „es donnert“; hört man Donner, ohne daß der Blitz sichtbar wurde, was besonders unter dem dichten Wolkenschleier des Kamerunberges vorkommt, so sagt man: Loba di madoma „Der Himmel, vgl. auch Loba, Firmament Himmel brüllt“.

Will man auch nicht wirklich ein „Sprechen“ des Himmels aus dem Donner hören, so doch Mythe, Mythenbildung mythologisch. Man erzählt: Der „große Himmel“, vgl. Stein- und poröser Himmel auf S. 2, werde von Zeit zu Zeit über das arge Treiben der Menschen sehr böse und beschließe in seinem Herzen, hinabzufahren und alles Irdische unter seiner Schwere zu begraben, weil es zu arg sei auf Erden. Und wenn er so seine gewaltige Stimme erhebe und brülle, da donnere es mit lautem Krachen, und er spräche zu dem „kleinen Himmel“ unter sich: „Mache Platz, daß ich hinunterfahre und alles Menschliche zermalme!“ Diese gewaltigen Donnerschläge aber wechseln mit leichterem Gepolter ab. Dies ist die Stimme des „kleinen Himmel“, der zu seinem Alten sagt: „Tu’s nicht, bleib oben, ich ergötze mich immer wieder an dem lustigen Treiben der Menschenkinder da unten, und ich möchte weiter zusehen, wie sie es machen“. Darauf verklingt allmählich die Stimme des zürnenden Alten, und die Bäume strecken sich gen Himmel, als wollten sie dem „kleinen Himmel“ danken für sein gutes Wort. – In Ittmann, die Sprache der Nyang (Zeitschrift für Eingeborenensprachen, Band ---) [„Kenyan, die Sprache der Nyang“; Zeitschrift für Eingeborenensprachen; Band XXVI; 1935/1936; S. 2–300] ist auf S. --- ein Märchen der Banyangi berichtet, wonach im Donner der Zorn des Himmels zum Ausdruck komme, darüber, daß seine Tochter, die er der Erde in die Ehe gegeben habe, wegen schlechter Behandlung gestorben sei. Der Himmel wolle herabkommen und mit der Erde streiten, aber die Bäume halten ihn zurück. Donner

Über den Regenbogen Regenbogen laufen zwei verschiedene Erklärungen um: Im Süden ist er das Maul eines gewaltigen Tieres, das das im Gewitter Gewitter drohende Verderben verschlang, oder auch: Er ist der leere Rachen des verderblichen Tieres, das in Sturm und Wetter drohte, alles Leben auf Erden zu vernichten. Regenbogen heißt hier nyungu, ein Wort aus der Tierklasse. Neben dieser mythologischen Erklärung macht auch der Totemglaube seine Ansprüche geltend, besonders im Norden. Dort haben die ekong ekong-Besitzer, vgl. S. ---, den Regenbogen in ihrer totemistischen Gewalt. Wenn sie o nongo bema „Vermögen zu holen“ in den Himmel gehen wollen, wo Reichtum Reichtum und Macht zu haben sind, stellen sie den Regenbogen (jede Hexe, -rei Hexe hat also ihren eigenen) heraus. – Weil der Regenbogen weder Unheil anrichtet, wie etwa der Blitz, noch erschreckt, wie etwa der Donner, so fürchtet man ihn nicht gerade, aber er erweckt doch ein ungemütliches Gefühl. Man weiß, er ist Hexenwerk, und man sieht ihn nicht gern. Im Gebirge sieht es aus, als ob das eine Ende des Regenbogens in einem Tal oder [einer] Schlucht steht, und man vermutet den Besitzer dieses Regenbogens in jenem Tal wohnend. Im Norden hat fast jeder Stamm einen anderen Namen für den Regenbogen, z. B. ---. Regenbogen

Nebel Nebel, Wolken Wolken, Regen Regen. Auch mbaki, Du. mba, „Nebel, Harmattan [NO-Passatwind] , niedrige helle Wolken“ ist ein Gebilde, das die Unholde erzeugen, sei es, daß es in der unsichtbaren Welt erwirkt ist, wenn etwa die Dämonen oder Geister einen, der an einem verrufene Orte verrufenen Platze frevelt, in Nebel einhüllen, um ihn zu verwirren und irrezuleiten, so daß er umkommt; sei es, daß ein Machterfüllter den Nebel erzaubert hat. Ein solcher kann das tun, um sich von Feinden nicht sehen zu lassen, oder er hüllt andere in Nebel ein, damit sie nicht sehen; vgl. die altgermanische Tarnkappe.

Auch die Wolken bezeichnet man oft als „Nebel“, besonders die lichten. Dunkle Wolken sind diwindi 5, ma- „Schwarzes“ oder diwindiwindi „ganz Schwarzes“, von winda „schwarz werden“. Sie sind ähnlich gewirkt wie der Nebel, nur treten sie nicht mit Menschen schädigend oder helfend in Berührung, weil sie immer hoch oben am Himmel sind. Rote oder gelbe Wolken sind „ Blut Blut“ und als Omen Omen zu beachten; sie zeigen, daß ein schweres Unglück, -szeichen Unglück droht. Früher wurde in vielen Stämmen bei rotem Abendhimmel gewarnt, daß am nächsten Tage niemand einen Baum besteigen oder mit Waffen oder scharfem Werkzeug umgehen solle, weil sich „Blutverlust“ oder ein anderes Un-

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[Eingeklebter Zettel mit handschriftlichen Notizen: Geographische Kenntnisse: Solche Begriffe sind spärlich. Daß es Länder gäbe, die irgendwer von ihnen noch nicht bereist [hätte,] hält man nicht für möglich. Im übrigen macht sich jeder seiner Geographie zurecht. Wer noch nicht aus dem Dorf gekommen [ist], wie Frauen, [weiß] wenig über [sein] eigenes Land.]

glück angemeldet habe. – Im Mai 1931 trat ich vorm Rasthaus Ndinikum im Grasland zu meinen Trägern und machte sie auf die Pracht des tropischen Abendhimmels aufmerksam. Die aber wehrten ab und sagten: Herr, das sehen wir nicht gern; morgen droht uns ein Unglück! Und keiner sah hin, denn keiner wollte ein Macht, -mittel, -erlebnis Machterlebnis haben.

Auf S. 2 ist gesagt, daß man über dem „oberen“ Himmel ein Meer Meer vermutet, aus dem der Regen komme. Trennen sich an diesem Steinhimmel die Steine, so fällt der Regen durch und durchsickert in Tropfen den „unteren“ porösen Himmel. – Zauber zur Herbeiführung von Regen ist im Waldland nur selten nötig, es regnet ja genug. Aber um einem Feinde eine Sache zu verderben, greift man gelegentlich zur Kunst des Regenmachens, vgl. S. 147. Öfters aber ist Regen hinderlich, besonders wenn eine Reise oder sonst ein Unternehmen bevorsteht. Im regenärmeren Grasland Grasland tritt manchmal unerwünschte Trockenheit auf; dann hat ein besonders dazu bestimmter Machtgeladener die Aufgabe, durch Schlagen einer Fell Trommel, Fell-, Schlitz- trommel Regen herbeizurufen. Wer sich vor Regengüssen schützen will, benützt einen Strauß aus mit allerlei Drogen, vgl. auch Medizin Drogen und Blut getränkten Hahnen-, Fasanen- und anderen Feder Federn, der am Ende eines 2 m langen Stab, Stock Stabes befestigt ist. Damit vertreibt der Reisende die Regenwolken, indem er beim Marsch den Strauß vor sich durch die Luft schwingt. Im Gebirge, wo die Regenschauer eines Tornado oft recht kalt sind, hat man allerlei besondere Mittel, um die auf dem Felde arbeitenden Frauen vor Unfällen und Krankheiten zu schützen; auf den kahlen Hängen des Manenguba Manenguba sind es meist Pfosten, die man ins Feld Feld gesetzt hat und deren oberes Ende mit einem Knäuel magischer Mittel umwickelt ist, vgl. auch (Ko.) epupa epupa S. ---. – Ein großes Ahnenfest in Nyasoso war von trübem Wetter umhüllt. Da hatte ein Alter hinter einer Hausecke ein Feuerchen angezündet und verbrannte allerlei, starken Rauch entwickelnde Drogen; den aufsteigenden Rauch vertrieb er mit einem Wedel Wedel und damit zugleich die drohenden Wolken Wolken, denn similia similibus curantur. – Zur Bereitung mancher Machtmittel ist Regenwasser erforderlich; so gehört z. B. zum ndjom, vgl. S. ---, ein Topf oder eine Flasche mit Regenwasser, das freilich ein Machterfüllter besorgt haben muß.

Bei einem Regen versickert das Wasser im Boden und sammelt sich in [einem] unterirdischem See, dem Gegenstück zum See über dem Himmelsgewölbe und beides der unsinnlichen Welt angehörend. Von dort bricht das Wasser wieder in Quellen hervor, bildet Bäche, Flüsse, Ströme und ergießt sich zuletzt ins Meer. Wie man am Meere nicht wußte, woher die Gewässer des Inlands kamen und ihren Ausgang der über- , unsinnliche Welt übersinnlichen Welt zuschrieb, so weiß man umgekehrt im Inland nichts von dem Meer und meinte, die Wasser verschwinden wieder in der Unendlichkeit des ndimsi. Daß man bei solchen Vorstellungen nichts wissen konnte von des Wassers Kreislauf: Wasser, Dampf, Wolken, Regen, Wasser, ist verständlich.

So ist auch der Tau, der im Waldland selbst in der Trockenzeit dem Gewächs noch ein frisches Aussehen gibt, und seine Entstehung nicht Gegenstand des Nachdenkens. Beim Marsch durch die taufrischen, vergrasten Wege sieht man nur darauf, daß man möglichst einen Vordermann hat, der das kühle Naß von dem kalten Grase abstreift.

Hagel Hagel ist in der Nähe des Äquators selten, fehlt an der Küste fast ganz, ist aber in den Gebirgen häufiger. Während er in manchen Stämmen einen besonderen Namen hat, heißt er im Duala madale ma lobaStein Steine aus dem Himmel“ und bei Nachbarstämmen ähnlich; vgl. dazu das auf S. 2 über den „Steinhimmel“ Gesagte. Da Hagel nie eigentlichen Schaden anrichtet, bestehen keine abergläubischen Vorstellungen über ihn, immerhin ist aber ein Hageltag insofern tabu, als an ihm keine Feldarbeit Feldarbeit u. ä. unternommen wir Regen d Meteorologie . Kosmographie

4. Geographische Kenntnisse

Sieht man ab von dem, was die jüngeren Generationen in Schule, europäische Schulen der Europäer gelernt haben, so sind unter dem Volk sehr wenige geographische Vorstellungen zu finden. Man weiß zwar die Namen der Nachbarstämme, wenn es gut geht, auch die [der] hinter ihnen wohnenden Stämme; was aber dahinter liegt, weiß man nicht, und wer von dort herkommt ist mot’ eyidi „Buschmann, Waldbewohner“ oder mot’ a djedu „Hinterländler“ oder gar mukomSklave, Sklaverei Sklave“; dabei spielt im Untergrund des Bewußtseins ganz leise die Vor- {13} stellung mit, daß eyidiWald Wald“ und djeduHinterland Hinterland“ der Übergang aus der Welt der Sichtbarkeit in die übersinnliche Welt ist. Mit Bayong, sg. mu- (vom Lautbild na yong „abgetrennt vom Haufen, weit weg“, also) „die von weit her“ bezeichnet man hauptsächlich die Leute aus dem Aufstieggebiet, auch die dahinter siedelnden Grasländer. Weil aus diesem Gebiete früher die meisten Sklaven stammten, bezeichnet man diese Leute noch heute im Küstengebiet vielfach als „Sklaven“, welche Bedeutung auch das Kp. moyili, pl. ba-, hat, ursprünglich „Buschmann“. Genauere Kenntnisse über Landschaften jenseits der Stammesgrenzen hatte aber nur, wer weiter herumgekommen war. Und das waren früher fast nur die Sklaven, die durch verschiedene Hände gekommen [waren], bis sie an die Küste gelangten. Auch berühmte Medizinmänner, die oft in andere Stämme gerufen wurden, verfügten über einige Kenntnisse anderer Gegenden; ihnen nahe standen in diesem Stücke vereinzelte Händler, von denen jedoch kaum einmal einer durch das Nachbargebiet zum übernächsten Stämmchen gedrungen und heil heimgekehrt war. Und beide Gruppen hatten ja kein Interesse daran, die wahren Verhältnisse aufzuklären; wie mußte etwa das Ansehen eines Medizinmannes wachsen, wenn er aus der Fremde möglichst gruselige Geschichten berichtete, wonach er nur vermöge seiner magischen Mitteln allen Gefahren trotzen konnte!

Die an Flüssen Wohnenden wußten meist nichts über den Ursprung des Gewässers; es wurde halt nach dem oberhalb wohnenden Stamm genannt. Beispiel: Am von den Europäern Wuri genannten Fluß siedeln von der Mündung stromaufwärts: Duala, Ewodi (Wuri), Bodiman und Yabasi; demnach heißt der Fluß entsprechend dem von ihm durchflossenem Gebiet: „großes Wasser“ der Duala, der Ewodi, der Bodiman, der Yabasi. Ging man nun von Duala, wo die meisten Europäer wohnten, flußaufwärts, so sagte man „zum großen Wasser der Ewodi-Leute“, woraus die Weißen Wuri als Flußnamen machten. Wer den Mongo (Fluß) Mongo aufwärts ging, fuhr ins „große Wasser des Mongo-Stammes“. So wurde für die Europäer irrtümlicherweise der Stammes- zum Flußnamen. Weiter im Innern haben die Flüsse meist Eigennamen, so heißt der „Wuri“ oberhalb der Yabasi Nkam, der Mongo in seinem Oberlauf Wue und dann...

Ebenso verhält es sich mit den Namen von Bergen; man nennt sie meist nach dem Stamm, in deren Gebiet ein Berg liegt. Bezüglich des Kamerunberges vgl. Note 2 auf S. 3. Den oberen, unbewaldeten Teil dieses Berges nennen die Umwohner Fako (Kp.) Fako „Neuschlag“, weil er aussieht, als sei dort der Wald zwecks Anrodung des Landes gefällt. Rumpi-Gebirge ist verballhornt aus midongi ma Barombi „Berge (im Gebiete) der Barombi-Leute“. Andere Berge haben Eigennamen, wie Kongwe Kongwe, Kupé, Manenguba Manenguba „kleiner Schild“, die Bedeutung solcher Namen ist meist nicht mehr festzustellen, auch wo man wie bei letzterem das Wort übersetzen kann.

Die heutige Freizügigkeit läßt viele Männer und auch Frauen zur Küste kommen, um Arbeit zu finden; manche gehen auch an fremde Küstenplätze im Westen oder Süden; so erweitert sich manchem der Blick, auch ohne daß er die Schule besuchte. Bei Rückkehr in die Heimat mögen solche Reisenden ob ihres Wissens angestaunt werden; sie fallen aber bald der Vergessenheit anheim, wenn ihnen ihr Wissen nichts einbrachte. Daß der Weiße oft über Inlandstämme Bescheid weiß, die er noch nie besuchte, ist keinem auffallend; ein solcher weiß ja alles, während von anderen Leuten gilt: Na si bie ekombo, nde na nanga mo ndoti e? „Ohne daß ich eine Landschaft kenne, soll ich von ihr träumen?“

Matongo ma wase bedeutet „Himmelsrichtungen“; tongo 5, ma- ist die „Giebelwand“ eines Hauses. Der Weltraum gleicht ja einem großen Hause, vgl. S. 2, und zwar mit „vier Giebeln“. Doch sind diese Himmelsrichtungen so wenig örtlich feststehend wie die matongo ma ngo „Hausgiebel, aus denen der Wind kommt“. danach hat man also keine Entsprechungen für Nord, Süd, Ost, West. Die Sonne Sonne ist zwar „Tageszeitanzeiger“, zeigt aber nicht die Himmelsrichtung. Dagegen gibt der Wasserlauf die Orientierung, wie bei uns in kleineren Verhältnissen. Woher das Wasser kommt, ist überall djedu „Hoch-, Hinterland“; tal- und meerwärts ist mbenge „Tief-, Küstenland, Meeresgegend“. Denn landeinwärts steigt man i. a. bergan, nach dem Meer zu geht es bergab. Freilich hat so jede Gegend ihr besonderes djedu und mbenge. Auf dem Meer ist mbenge immer westwärts bis nach Europa hin, denn die kameruner Küstenbewohner haben den Eindruck, daß sich das Meer westwärts bewegt. So bezeichnet man mit bato ba mbenge „Leute aus dem

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[4 handschriftliche Notizen auf Rückseite von S. 13: – Meer-Wasser ist niemandes Freund – Die verschiedene Stellung zum Wasser zeigen die beiden Sprichwörter: 300 Bist du im Wasser gestorben so wirst du nicht beweint. Gehst du zum Buschroden, bevor du dem kema Wasser ausgeschüttet? – Die Quellen erregen natürlich das Interesse; die größeren glaubt man von mengu „Wassergeistern“,vgl. S. 117, belebt, besonders wenn sie einen Teich oder See bilden. Wo nur wenig Wasser austritt, das etwa in die Trockenzeit noch versiegt, glaubt man, daß didoko die Krabbe dieses Wasser besorgt. – Das Wasser reinigt, daher gehört eine Waschung oder [ein] Bad zu jeder Reinigung, das Wasser tut die Befleckung ab, vgl. z. B. S. 217f.]

Nieder-, Westland“ Eingeborene aus Westafrika und Europa. Daher kommt es auch, daß mit djedu das Hinterwäldlerische, Althergebrachte verbunden ist, während die neue Zeit, die Aufklärung von mbenge herkommt. Zwischen djedu und mbenge liegen natürlich andere Gegenden, und die Richtung dahin gibt man mit den dort liegenden Landschaften oder dort siedelnden Stämmen an. Weil der erste Schulunterricht in Kamerun von Duala ausging, hat man auch dort für die geographischen Himmelsrichtungen entsprechende Namen geprägt. Dort ist djedu wirklich „Osten“ und mbenge „Westen“; das nördlich gelegene Ländchen Pongo wurde „Norden“ und sein südliches Gegenstücke ist Mikondo „Süden“, eine Landschaft im Süden Dualas. Schüler in Schulen anderer Gegenden müssen nun beim Einprägen der Duala-Himmelsrichtungen etwas umdenken. Hinterland

5. Die anorganische Welt

Auch die anorganische Welt regt zum Nachdenken und [zu] Vermutungen nur dann an, wenn die Aufmerksamkeit durch besondere außerordentliche Ereignisse oder Umstände geweckt wird.

Ob für Wasser Wasser nun madiba (Duala), maleb (Basa), mendib (Bakosi), manyeb (Banyangi), maneb ( Meta Meta) und in anderen Stämmen ähnlich gesagt wird: Der Wortstamm kommt immer von der gleichen Bantu-Wurzel -liva. Sie gehört mit der Vorsilbe ma- überall in die Flüssigkeitsgruppe der dima-Klasse. In manchen Sprachen wird dieser Stamm auch mit anderen Klassenpräfixen verbunden zu besonderer Bedeutung; z. B. in der e-be (Bantu: ki-bi)-Klasse bedeutet es „Landsee, Gewässer“, z. B. Bakundu: eliba, Bakosi: edib, Bankon: leb. In der mu-mi-Klasse, (Namen der Träger animistischer Lebenskraft) hat z. B. das Bakwiri molivaDie Gebäude der deutschen Pflanzung Molive (=Moliva, Kp.) liegen [?] an solch überschwemmungsreicher Stelle. So heißt auch ein Dorf am Wuri Muliba.

für einen „Ort, der oft unter Wasser steht“, wo Bäche oder Flüsse bei schweren Niederschlägen über die Ufer treten und wo es deshalb nicht ganz geheuer ist. Wie das Wasser aus unterirdischen Seen kommend durch Quellen ans Tageslicht tritt, sich in fließenden Gewässern sammelt, um zuletzt ins Meer zu münden, ist auf S. 12 beschrieben. Es ist aber auch das Wasser mit magischen Kräften geladen, besonders an gefährlichen und tiefen Stellen; hier hausen die mengu, sing. djengu „Wassergeister“, vgl. S. 117f., denen Opfer zu bringen sind. – Wasser ist das „ kühlen (loko) und erregen (onya) kühlende“ Element und zwar auch im magischen Sinne. Wird etwa über ein mit magischer Macht geladenes Mittel Wasser gegossen oder es wird verregnet, so wird es <beruhigt>, d.h. ihm wird durch die Kühle seine magische Kraft genommen. Darum muß man zusehen, daß Töpfe auf Feuerstellen, unter denen ein solches Macht, -mittel, -erlebnis Machtmittel vergraben ist, nicht stark überkochen. Andererseits schüttet man über eine fremde Feuerstelle, auf der man gelegentlich kocht, Wasser, bevor man das Feuer anzündet. Denn so wird die unbändige Macht, die unter den Herd gebannt ist, geschwächt, so daß sie nicht schädlich auf die Speise wirken kann. Auch bei anderen Bräuchen werden gefürchtete Fetisch, -ismus Fetische mit Wasser begossen, um sie zu <kühlen>. Mittel, die außer Gebrauch gekommen sind, die man aber nicht zu vernichten wagt, bleiben im Regen liegen; will man sie ganz beseitigen, so wirft man sie in den Fluß. Solche aber, die in Gebrauch sind, stehen unter einem besonderen Schutzdach, um sie vor <Abkühlung>, d. h. Entkräftung, zu bewahren. Damit hängt wohl auch die bei manchen Fetischen zu beobachtende Tabu-Regel zusammen: Man darf dort, wo sie stehen, nachts kein Wasser in den Hof schütten. – Wird ein magischer Gefahrenzustand, vgl. S. 97, durch Rite und Kult beendet, so gehört dazu auch das Bad möglichst in fließendem Wasser, das das seither dem Sühnenden anhaftende Böse wegführt.

Kommt man auf Märschen an ein großes Wasser, und man will dort rasten, so wird allgemein die eigentümliche Regel beachtet, die nicht ein wirkliches Tabu ist: Bevor man an dem Übergang seine Last niederstellt, durchschreitet man den Bach oder Fluß, stellt dann am jenseitigen Ufer ab, rastet, badet, macht Feuer und ißt. Der Grund dieser Regel mag sein, daß man das Wasser überschritten haben will, was nachher auch immer noch eintrifft. Manchmal schwellen, besonders in der Tornadozeit, Wasser rasch an und machen die Furt für Stunden oder Tage unpassierbar, wenn am Oberlauf ein heftiger Regen niedergegangen ist. Hat man das Wasser aber hinter sich, so ist man von solch hindernden Zufällen unabhängig Wasser . kühlen (loko) und erregen (onya)

{15} „Große Fluß >Flüsse“ haben den gleichen Namen wie das „ Meer Meer“ mundja oder sonstwo mwandja 3. Man ist von der Größe und Gewalt des großen Wassers hingenommen, fürchtet es im allgemeinen mit gutem Grund, selbst die wasserkundigen Anwohner haben das Sprichwörter Sprichwort: Das Meer ist nicht des Menschen Freund. Viele Geschichten vom Meer selbst gibt es nicht, aber von den schon erwähnten Wassergeistern. Bei den Bakundu, die nicht am Meer wohnen, fand ich ein Märchen Märchen, das von bestrafter Habgier handelt und erklären will, warum das Meerwasser salzig ist. Sein Inhalt ist kurz folgender: „Ein Armer kam in den Besitz einer Totenhand, die ihm all seine ausgesprochenen Wünsche erfüllt. Sein reicher, habgieriger Bruder entwendet sie und flieht mit ihr auf seinem großen Boot. Unterwegs merken seine Frauen, daß sie kein Salz Salz mit sich genommen haben, und klagen darob ihrem Mann die Ohren voll. Der verspricht, reichlich Salz zu beschaffen; er nimmt die Totenhand und spricht zu ihr: Schaffe Salz herbei! Und zum Staunen der Frauen füllt sich langsam, aber unaufhörlich das Boot mit Salz. Weil aber der Mann nicht weiß, wie er dieser „Salzgewinnung“ Einhalt gebieten soll [Text korrigiert, Korrektur aber nicht zu lesen] , kommen alle in Not. Das Boot füllt sich mit Salz bis an den Rand, sinkt zuletzt und alle müssen im Wasser ertrinken. Seitdem ist das Wasser des mundja „Meeres“ und der mindja „großen Flüsse“ salzig; vgl. das deutsche Märchen: Warum die See salzig ist. – Früher mag das Meerwasser an der Küste zur Salzgewinnung oder als Salzersatz gedient haben, heute nicht mehr. Man sagt, mit Meerwasser gekochte Knollenfrüchte werden nicht recht weich. Im Gebiet der Keyaka Keyaka und Banyangi gibt es einige kleine Seen mit Salzquellen, aus denen durch Verdampfung in Töpfen Salz gewonnen wird.

pfeifen (Pfeife, Flöte) Pfeifen auf dem „großen Wasser“ ist tabu, es ruft dem Sturm Sturm. – Gewisse Leute haben Macht über das Wasser, wenn sie in Verbindung mit den Wassergeistern getreten sind; solches geschieht im djengu-, vgl. S. ---, und anderen Bünden. Solche Machtgeladenen können das Meer erregen und Flüsse schwellen machen, sie können durch hoch geschwollene Flüsse gehen und für lange im Meer untertauchen, die ihnen hörigen Dämonen führen Schiffbrüche herbei.

Emune, be- „kleine Wellen“ werden meist nicht beachtet, zeigen aber oft „große Wellen“ ewudi, be- an. Werden an der Nordküste die „Meereswogen“ mukeba, mi- zum Machterlebnis, so vermutet man dahinter das Wirken der Wasserdämonen djengu Wasserdämonen, die man durch Opfer, vgl. auch Kulte und Ahnenkult Opfer beschwichtigen muß, vgl. S. ---.

Sturm- oder Wirbelwind erregt auch große Wellen; beides heißt ewungusu, be-, von wungea „blasen“ (vom Wind).

Der Gegensatz zum Wasser ist wea „das Feuer Feuer“; es ist auch eine gewaltige Kraft und wird leicht zum Machterlebnis. Doch wird es i. a. in dem ewiggrünen Wald Wald nicht zu solcher Gefahr wie im Grasland Grasland, wo in der Trockenzeit große Feldbrände zur Vorbereitung des Bodens für den Feldbau angelegt werden; und leicht wird dabei ein Dorf oder ein Mensch ein Raub der Flammen. Daher gibt es für Feldbrände allerlei Tabu-Regeln, wie auch für Hausfeuer. So darf man z. B. nicht Palmölkerne in der Hütte zu Salböl kochen, „sonst bringt man Moskitos Moskitos ins Dorf“. In Wirklichkeit würde der schwere Rauch die Plagegeister vertreiben. Dennoch ist dies Tabu eine vernünftige Schutzmaßnahme. Denn fängt der Öltopf Feuer, so steht bald die ganze Hütte in Brand, oft das ganze Dorf; weitere Herd-Tabus vgl. S. 62f.

Feuer bereitet man bis weit ins Innere heute mittels Zündhölzern. Man weiß aber noch, daß man früher mittels Feuerstein und Eisen (altes Haumesser Haumesser) Feuer geschlagen hat; den Funken ließ man in trockenes Laub oder mbwin n-di „Palmhaut“ springen und blies dann das Feuer an. Dagegen weiß man nichts mehr von der Feuerbereitung durch Quirlen und Reiben von Hölzern, es sei denn in abgelegenen Gegenden des Südens. Wahrscheinlich ist diese Art der Feuergewinnung in dem holzreichen Waldland nicht viel geübt worden. Selten gingen alle Feuer im Dorf aus, und man konnte zum Nachbarn gehen und Feuer leihen. Doch gibt es auch fürs Feuerleihen allerlei Tabu-Regeln, z. B. es muß immer in einer Topfscherbe geschehen; sodann darf man keinen Holzbrand weggeben, bevor nicht das erste Essen gekocht ist, sonst wird an diesem Tag kein Essen auf dem Herd recht gar.

„Kühlt, entkräftet“ Wasser Wasser magische Mittel, so müssen sie wie Feuer onya „hellauf lodern, hitzig, sprühend sein“, sollen sie wirken. Will einer, daß eine dem Feinde beigebrachte Wunde Wunde nicht heilen soll, so legt er die betreffende Waffe ins Feuer und macht sie glühend. Ich beobachtete {16} einen Medizinmann Medizinmann, der eine rippenfellkranke Frau zu heilen versuchte, indem er ihr neun glühende Haumesser an die schmerzende Stelle hielt. Das erzeugte zwar Brandwunden, kurierte aber die Frau doch nicht. – In diesem Stück treten auch Alkohol Alkoholika auf [die] Seite des Feuers. Darum trinkt man bei Abschlüssen von Verträgen, bei Ehe- und Friedensschlüssen und anderem Palmwein Palmwein oder in moderner Zeit Schnaps Schnaps oder Bier.

Die Rundhütten der Bakosi sind so stabil gebaut, daß bei der Hüttenweihe, vgl. S. 285f., ein besonderer Feuerzauber zu machen ist, um den Abzug des Rauches aus der Hütte zu sichern. Der Hausherr läuft dabei mit einem brennenden Scheit um das Haus, hält das Holz an den Dachrand und singt eine Strophe, daß das Haus nicht rauchdicht sein möge und der lästige Rauch abziehen könne. Nach mehreren Umkreisungen wirft er das klosende Scheit in den Busch = ungepflegter Wald Busch. Ist dies etwa ein Feueropfer an die Geister?

Denn dem Kameruner ist es abgemachte Sache, daß das Feuer von den „Schatten“ aus dem Hades stammt. Und zwar soll es – einigen abenteuerlichen Märchen zufolge – der Hund Hund, des Jägers Genosse, aus dem Reiche der Schatten geholt und in die Siedlung gebracht haben. Dabei habe der Hund aber auf die Verwünschung der Schatten hin die verständliche Sprache verloren und könne jetzt nur noch bellen: Nghuang, nghuang! – Nach der auf S. 31f. mitgeteilten Tradition haben die Menschen die Kunst des Feueranzündens von Gott gestohlen.

In dem immerfeuchten Urwald ist häufig phosphoreszierend phosphoreszierendes Holz anzutreffen: Östlich des Mongo heißt es we’a bedimo „Feuer der Schattengeister“, westlich davon “Feuer der Ratten“. Feuer

Von den Stein Steinen, vgl. auch S. 50f., glaubt man, daß sie aus dem Boden „wachsen“, denn man beachtet nicht, daß der Regen den Boden wegspült und die Steine freilegt. Von großen Monolithen und ganzen Gebirgsstöcken glaubt man, die Ahnen oder Dämonen hätten sie aufgebaut, vgl. S. 172. Manche Verschlingemythen, vgl. auch Oger Verschlingemärchen enden so: Der Held habe nach Erledigung des Ungeheuers die Menschen befreit durch Aufschneiden von dessen Bauch und Gliedmaßen. Dann hätten sie – entgegen der Anweisung des Ungeheuers – aus Fleischgier die einzelnen Stücke des Riesenleibes gekocht. Da seien sie so hart geworden, daß sie nicht zu genießen waren; man ließ sie liegen, und das sind nun die heutigen Felsen und Gebirge. – Große Steine hält man für beseelt oder belebt und manche, wie auch Berge, hält man für den Sitz von Geister Geistern, z. B. unterhalb des Dorfes Mbule (Bakosi) liegt nahe eines Bachüberganges ein mächtiger Steinquader. Darin soll eine alte Frau wesen, welche von Gott erschaffene Kindlein vorübergehenden Frauen in den Leib „spritzt“, so daß sie schwanger werden. Vgl. unter anderem auch das über den Berg Kongwe auf S. 51 Gesagte. Die Felsen und Steine im Meere und unter Kapsee gelten als Aufenthalt der mengu, vgl. S. 117f.

In Steinen investieren Hexen und böse Schattengeister gerne schädigende Kraft, damit sie auf den übergehe und ihn zugrunde richte, der sich nachher ohne Beachtung von Tabu-Regeln daraufsetzt, vgl. S. 50 f.

Kristalle Kristalle und Spatsteine sind sehr geschätzt; man glaubt, daß eine besondere Kraft, vgl. auch Macht Kraft in ihnen wohnt. Der helle, vgl. sanga auf S. 8, Schein, in dem sie glänzen, deutet auf offenbarende Kraft, und so darf es nicht wunder nehmen, wenn die Bergkristalle das stärkste Machtmittel im Schüttel- oder Körbchenorakel Schüttelorakel sind, vgl. S. 161. Sie sind darum sehr gesucht. Kleine Kristalle, beschmiert mit Rotholz Rotholzfarbe, oft auch mit Opferblut, tragen Machterfüllte in ihrer Perle, Glas- Perlenkette um den Hals oder neuerdings in ihrer Schultertasche; sie machen die Augen hell, um in die über- , unsinnliche Welt unsinnliche Welt zu schauen, vgl. S. 138.

Weiße Kieselsteine [und] Quarzstückchen gelten als machthaltig; findet man sie im Bachbett, so hält man sie für Schlangen, vgl. S. 86f., und [sie] sind bei Männern beliebt; den Oraklern machen sie Mitteilungen. Hat einer solches Steinchen bei seinem Beruf irgendwo liegen lassen, so findet es sich wieder von selbst in des Zaubermächtigen Haus ein. Findet man sie auf dem Acker, so sind es < Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kinder>, und Frauen sammeln sie und legen sie in ihr Bett, wenn sie in Hoffnung kommen wollen.

Weiter stehen in hoher Schätzung eiförmige Geröllsteine und Basaltkegel. Erstere gelten als Sitz des Ahnengeistes und werden in manche Gegenden <Schlangen> genannt, vgl. S. 88ff., 226. Jede Familie hat einen; in manchen Gegenden gibt man dem sterbenden Sippenvorsteher einen solchen Stein; er bespuckhaucht ( poma poma) ihn und gibt ihn seinem Nachfolger mit der Bestimmung, daß nach seinem Abscheiden er und seine Kraft in diesem Stein den Nachkommen nahe sein wolle. Und ist dann der Alte im Sterben, so klopft ihm sein Nachfolger diesen Stein an den Schädel Schädel, so daß des Sterbenden Macht in dem Stein investiert werde. Solche Steine sind natürlich sehr verehrt, gelegentlich wird ihnen geopfert, denn sie garantieren ja das Wohl der Sippe. – Kleine faustgroße Geröllsteine benützt man, um mit ihnen auf dem schalenförmig ausgehöhlten dale la nsang „Reibestein“ Pfeffer Pfeffer, Ingwer, Hülsenfrüchte, Mais, Gemüse u. ä. zu zerreiben. Ist mudiki „der Ahnengeiststein“ nicht zur Hand, so benützt man jenen Geröllstein als solchen und klopft damit auf den Boden (Anruf der Ahnen), wenn man etwa sein Kind verwünschen verwünscht oder die Ahnen als Zeugen anrufen oder sonst mit der unsinnlichen Welt in Verbindung {17} treten möchte. Kleinere Steine als Träger des Unheils wirft man bei Sühnehandlungen hinter sich, nachdem man sie sich am Körper gestrichen hat. – Die Basaltkegel, die man häufig in Kulthütten vor dem Hauptpfosten stehen sieht, sind wohl ursprünglich Phallussteine und für den Fruchtbarkeitskult Fruchtbarkeitskult wichtig, vgl. S. 172 und ---. Sie sind meist schwarz-weiß-rot bestrichen und umwickelt mit einer Kette oder starken Liane Liane als Zeichen (Omen) Zeichen, daß die darin waltende magische Macht des Dorfes Gewalt habe zu binden; zugleich zeugen diese „Fesseln“ aber auch für die Kraft der Kultleute des Ortes, denn sie halten die in dem Kegel wesende Macht zurück, so daß sie nicht unheilvoll im Dorf wütet. Als Zeichen der Gewalt über Leben und Tod stecken um den Phallusstein alte Haumesser Haumesser im Boden, und um ihn liegen allerlei Machtmittel, um seine Kraft zu erhöhen. Wenn eine solche Kulthütte zerfallen ist, steht doch noch der Pfosten mit dem Stein davor, und ist auch der Pfosten verrottet, so bleibt noch der Stein. So steht z. B. beim Dörfchen Mwetan-Mwaku in der Ninong-Landschaft ein solcher Stein aus alter Zeit, verehrt von den umwohnenden Stämmen. Man sagt, der Schweinestall des Stammvaters Asume habe darauf gestanden, in Wirklichkeit ist es ein solch alter Phallusstein. Hinter solchen Kulthütten liegt oft, z. B. im Balue-Gebiet, ein länglicher Basaltstein quer über die Dorfstraße. Für Frauen, die noch auf Kinder hoffen, ist es tabu, darüber zu schreiten. In manchen Landschaften (Bakundu, Balue, Bakosi, Balong, Bafo, Bakwiri u. a.) stecken bei beiden Dorfausgängen quer über die Straße längliche Steine, der größte in der Mitte, kleinere zu beiden Seiten, im Boden; es sind madale ma mbando „Beruhigungssteine“, die kameruner Altäre, vgl. auf S. 93b – Gewisse Steine, vgl. ndjolandi auf S. 10, werden von Medizinmännern zerrieben und ihren Mitteln zur Stärkung zugefügt. Stein

Die Erde Erde (Himmelskörper) ist als Wohnsitz der Lebendigen eine wichtige Sache, vgl. S. 2; der Boden als Eigentum Eigentum des Stammes und der Sippe ist ekombo „Landschaft“; das ist das von den Vorfahren ererbte oder mit ihrer Hilfe erworbene Land. Darum sind die auf ihm Wohnenden eine gewisse Einheit mit diesem Boden. Wer einen öffentlichen Frevel begeht, versündigt sich gegen ekombo, d. h. gegen den Boden und die darauf Wohnenden und hat sich deshalb vor deren und der Ahnen Vertreter zu verantworten. Und wenn ihn die Ahnen selbst seinen Frevel entgelten lassen, kann solches Unheil nur durch Vermittlung des genannten Vertreters abgetan werden. Mit minyangadu 4 ist die Erde als Stoff, als Erdboden bezeichnet, als „ Grund und Boden Grund und Boden“, auch als das in Gebrauch genommene Stück Land des Einzelnen, das Ackerfeld ohne Pflanzen, während monda, my- „den bepflanzten Acker, Pflanzung, Farm“ und manda 6 „Hofreite (Haus, Hof und dazugehöriges Land)“ meint. – Weil der Boden (ekombo und minyangadu) Ahnenbesitz ist, fällt alles, was aus Menschenhand darauf fällt, den Ahnen zu, besonders Nahrungsmittel. Einen zu Boden gefallenen Brocken Essen hebt man nicht auf. Besonders ist das aber der Fall auf dem dibala dibala „Ahnenkultplatz“, vgl. S. ---. Ist dort etwas Größeres gefallen, so muß man wenigsten einen Teil davon dort lassen ( pars pro toto pars pro toto), etwa von einen Bananenbündel einige Finger; eine dort zu Fall gekommene Person muß gelöst werden durch eine Ziege Ziege, die man dem zuständigen Dorfältesten, als Vertreter der dortigen Ahnen, zu leisten hat. Geschieht das nicht, so tritt Unglück ein, oft erst lange Jahre danach; Frauen haben dann etwa Schwierigkeiten bei Geburten.

In unserem Gebiet ist von Natur der ganze Erdboden bewachsen mit Wald Wald. Er bildet gewissermaßen mit dem Boden eine Einheit. Im oder unter dem Boden ist mundi ma bedimo „Schattensiedlung, Hades Hades“, und der Wald ist der Manifestationsplatz der „Schatten“. Hier begegnet sich unsere Sinnenwelt und die unsinnliche Welt. Darum sind auch die Bäume und Kräuter des Waldes mana-gefüllt und dienen zur Bereitung magischer Mittel; das Wild des Waldes sind „die Haustiere der Schatten“; die wilden Doppelgänger mancher Kulturpflanzen werden den Ahnengeistern zugeeignet; so gibt es „Schattenbohnen, -erdnüsse, -yams u. a.“; phosphoreszierend phosphoreszierendes Holz ist „Schattenfeuer“, die Termitenbau Termitenbauten „Herdsteine der Schatten“ u. ä.

Diese Termitenbauten glaubt man entstanden aus den in der Schattenwelt zu Staub zerstoßenen bösen Menschen; diese Bauten spielen in der magischen Vorstellung eine Rolle; aus der Erde dieser Bauten bereitet man einen guten Hausbewurf; wegen Erdrutschen vgl. S. 93.

{18} An besonderen Erdarten werden unterschieden: Pembe 9 „weiße Erde“; sie wird an manchen Stellen gegraben und steht in besonderem Ansehen. Mit ihr, der Geisterfarbe, bestreicht man die, welche in besonderer Weise in Gemeinschaft mit der unsinnlichen Welt getreten [sind], so die Initianten der Kultbünde, in Südkamerun auch die Witwen, vgl. auch Trauer Witwen während der Trauerzeit. Es ist auch die Farbe der Reinheit, dem Nichtbehaftetsein mit widrigen Zuständen. Bei den Bakwiri und anderen Stämmen streicht der Richter einem als unschuldig Befundenen oder Freigesprochenen solche weiße Erde oder, in deren Ermangelung, helle Asche an die Schläfe – ein schönes Bild der Unschuld, auch für den nach dem Neuen Testament „Gerechtfertigten“. Als Arznei gegen Herzklopfen wird weiße Erde gebraucht und heißt dann dun’, pl. ma-.

Wea, „der Ton, Töpfer Ton“ wird fast nur von Frauen bearbeitet, entsprechend der Regel der Arbeitsteilung Arbeitsteilung. Beim Holen des Tons und erst recht beim Brennen der Gefäße sind allerlei Tabu-Regeln zu beachten, um das Töpfern gelingen zu lassen, vgl. S. 55.

Sand Sand, mukoko 3 gehört zwar zur animistisch belebten Wortklasse, spielt aber im magischen Leben keine besondere Rolle. Wenn die Küstenbewohner elielie elielie „Fundorakel“, vgl. S. ---, auf dem Sand des Meeresstrandes geübt haben, so wohl nur, damit das Medium auf weichen Boden zu fallen kam und sich nicht verletzte; vgl. auch bei Hausweihe S. --- und Ahnenkultplatz S. ---.

Minyngadu ma mole „rote Erde“ ist Lehm Lehm und dient, auch wenn er von Sand durchsetzt ist, zum Hausbewurf, wo diese Bauart heimisch ist. Bei manchen Angelegenheiten schmierte man sich Lehm aus magischen Gründen an bestimmte Körperstellen, vornehmlich Bauch und Rükken. – Aus lehmartiger Erde wird ein Brei mutama, mi- angerührt und als medizinisches Mittel gegessen.

Schlamm am Meeres- oder Flußufer, besonders an den Anlegestellen ist dibo, dagegen in Sumpfstellen im Inland ntam, in der 3. Klasse, weil man in ntam versinken kann; solche Plätze sind deshalb gemieden. Erde

An Metall Metallen ist im Waldland wohl nur eyei „das Eisen Eisen“, vgl. auch S. 63, seit alters bekannt, während im Grasland Grasland, besonders in der Bamumlandschaft, auch Bronze im Rotguß heimisch ist. Von Eisengewinnung weiß man im Waldlande, wenn je solche geübt worden ist, heute nichts mehr. Dagegen sind in Südkamerun (Mpamgbe) und im Grasland (Bafumbum und Oku) noch heute primitive „Hochöfen“ im Gang. Raseneisensteine, die auch im Waldlande gefunden werden, heißt man dort lobi la beyei „Mist, Kot des Eisens“Vgl. Jaunde: abi ziyang (wörtl.: „Rot des Blitzes“) Glimmer

, worin sich wohl die Erinnerung an frühere Eisengewinnung widerspiegelt. Schmiede gab es früher überall; sie verarbeiteten das Eisen zu Gebrauchsgegenständen, Werkzeugen, Kultgegenständen, Waffen u. a. Für Waffen sagt man beyei „Eisen“ im Plural, denn die primitivste Waffe außer Stein und Holz war wohl ein Stück Eisen. Weil Eisen, besonders als mukoko „Eisenbarren, -stange“, und Eisenwaren billig eingeführt wurden, ging das eingeborene Eisenhandwerk immer mehr zurück und ist an der Küste völlig verschwunden. – Als eine Art Orakel wird einem Angeklagten ein Stück glühendes Eisen, etwa ein Beil Beil oder eine Hacke, auf die Hände gelegt. Trägt er es ein Stück weit ohne Brandblasen zu bekommen, so ist seine Unschuld erwiesen, vgl. S. 166. – Zu Blech verarbeitetes Eisen und Zink ist ebenye, in manchen Gegenden auch ekwem, was im Duala „Blechkoffer“ bedeutet. Die übrigen Metalle: enunu 7 „Kupfer“, musomba „Messing“, gol „Gold“, silba „Silber und Weißmetall“ sind von Europäern eingeführt; die beiden ersten wohl schon seit Jahrhunderten, die beiden letzteren hauptsächlich als Geld in moderner Zeit, wie schon ihre Namen zeigen. Kupfer und Messing spielten und spielen noch eine Rolle als Arm- und Beinringe, die z. T. nur harmloser Schmuck Schmuck sind, andere aber haben magische Bedeutung besonders im Fruchtbarkeitskult, vgl. S. ---. Gold ist mit der deutschen Herrschaft im Lande verschwunden.

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6. Die Flora, Pflanzenreich Flora

Wähnt man bei den Bakosi, daß die Saat, -fest, säen, Samen Saatzeit nahe gekommen (Anzeichen vgl. S. 8, anderes Zeichen: Der ebongo a ngoso „Papageienbaum“, unser „Tulpenbaum“, eine Mahagoniart, Sapeli, blüht), so gehen auf Geheiß des Ortsvorstehers einige alte Frauen auf den Ahnenkultplatz dibala dibala, auf Bakosi ndie, und legen einige Hülsenfrüchte: Bohnen, Erbsen, Erdnüsse und Mais in den Boden. Sproßt dieser Same Unterscheide mbolako 9 „Same, Pflanze“ und mbotal [?] „Same, Sproß, Steckling“. Dieser ist Same, der geerntet wird, was die Pflanze an Frucht oder Schößlingen zur Fortpflanzung hervorbringt; jener der Same zum Säen und was aus der Saat als Pflanze entstand [?].

nach ein paar Tagen, so ist’s ein Zeichen, daß die „Schatten“ dem Saatbeginn zustimmen und ihren Segen geben wollen. Nun wird der Tag für den Fruchtbarkeitskult Fruchtbarkeitskult auf dem „Ahnenspeiseplatz“ festgesetzt und die Aussaat vorbereitet. – Die Ahnen in der Unterwelt stehen aber nicht nur mit den Kulturpflanzen in Verbindung, sondern erst recht mit den wildwachsenden Waldpflanzen, vgl. S. 17. Der Wald Wald ist ja des Kameruners große Drogerie, das Arsenal der mana mana-Mittel. Da ist vor allen der ndjou a bwele, wörtlich „Elefant von einem Baum Baum“, d. h. ein großer, gewaltiger Baum, der durch seine Mächtigkeit den Primitiven beeindruckt, auch ndjúm' bwele „Amulettbaum“ genannt. Als bwele ba bobe bobe „böser Baum“ ist er von besombe ba bato „Leuten, die noch in der Manneskraft stehen“ zu meiden. Nur balondedi „magisch Gefüllte, Vollmenschen“ dürfen sich ihm nahen, um seine als ndjumAmulett Amulett“ geschätzte Rinde Rinde zu holen. Sie vermittelt die Fähigkeit ekong, vgl. S. 86ff., zu werden, und nur ekong-Besitzer können diese Rinde holen. – Und auch sie müssen sich einem religiösen Akt unterziehen. Denn dieser Baum wird behandelt wie ein großes Lebewesen. Tötet nämlich einer einen Menschen oder [ein] großes Tier ( Elefant Elefant, Flußpferd Flußpferd, Wal Wal, Leopard Leopard u. ä.), so geht von diesem Wesen eine schädigende Kraft auf ihn über, mbaki mbaki „Anhängsel“, d. h. eine vernichtende Fluch Fluch-, Bannkraft, an dem der Mord, Mörder Mörder zugrunde geht und die sogar solche, die dem Beladenen nahe kommen, schädigt, wenn der Frevel nicht gesühnt wird. Ähnlich bei einem solchen Baum. Wer [sich] ihm naht, um seine Rinde zu holen, bringt zuvor ein Sühne- bzw. Entschuldigungsopfer. Zunächst beschwört er die Kraft des Baumes, indem er zerkaute Ingwerkörner an den Baum spuckt, vgl. poma auf S. 136. Dabei spricht er ein Gebet, etwa des Inhalts: ---

Dann tötet er das mitgebrachte schwarze Huhn und läßt das Blut Blut auf den Wurzelstock des Baumes spritzen. Ist seine Freveltat so schon im Voraus gesühnt, so stößt er seinen Speer Speer in des Baumes Rinde, er „tötet“ den Baum, und kann nun ein Stück Rinde abschälen. Diese Rinde wird dann in Stücke gebrochen und als Amulett verkauft. Schwächlichen Kindern hängt man sie an einem Faden um den Hals, Männer tragen sie als „starkes“ Mittel in ihrer Tasche. Sieht sich ein solcher einer Gefahr gegenüber, naht er sich etwa z. B. einem fremden Dorf, von dem er nicht weiß, ob ihm darin nicht Schwierigkeiten begegnen, so spuckt er etwas zerkauten Ingwer auf das Rindenstück, bringt diesem Amulett also ein Opfer, und geht dann gestärkt der Gefahr entgegen. Hat der Mann mit der Frau zu tun, so muß er seine Tasche mit dem Rindenstück weglegen, um sich selbst und die Frau nicht in Gefahr zu bringen. Zerrieben trinkt man die Rinde auch gegen allerlei Bauchweh. – Im Grasland und in Südkamerun steht besonders auch die Euphorbie Euphorbie in hohem Ansehen, nicht nur als offizielle Pflanze, sondern gleichsam als Geistwesen. Wie manche Tiere und Vögel kann eine solche Euphorbie angeredet werden. Hat einer Unrecht erfahren und findet die gesuchte Hilfe nicht bei Menschen, so kann er vor die Euphorbie in seinem Hofe treten und sprechen: Dir will ich meine Not klagen! Und dann erzählt er die Geschichte seines erfahrenen Unrechts und seiner Verlassenheit. Der so Verklagte mag, wenn er von dem eigentümlichen Gespräche hört, in großen Zorn geraten, denn von dieser Anklage fürchtet er Unglück, Krankheit oder andere Gefahr. So ist diese Pflanze belebt, machthaltig gedacht, wie der vorhin beschriebene Baum. Die Duala nennen die Euphorbie ndjou a Basa „Großamulett aus der Basalandschaft“, die Bankon sa Long „Kraut aus dem Balongland“. Überall ist ihr giftiger Milchsaft gefürchtet, in kleinster Dosis genossen, dient er zwar als Abführmittel, es braucht aber auch nicht viel, um den Tod herbeizuführen.

Nicht alle Bäume, deren Rinde und Saft zu magischen Mitteln gebraucht werden,

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[Text auf Rückseite von S. 19: Musisi, Pflanze, deren Saft zum Schwarzfärben dient, mupo, Baum, dessen Saft gg. Syphilis verwendet wird. [?] ]

sind so durch besonderen Kult geschützt. Aber alle Waldbäume gehören der bo-mi- bzw. bo-ma-Klasse an, die damit die Klasse für [die] Bezeichnung von mana-Trägern wird. In diese Klasse gehört auch bwanga bwanga, my- „das magische Macht, -mittel, -erlebnis Machtmittel, die Medizin, Machtmittel Medizin“; in den meisten anderen Sprachen heißt aber das „Machtmittel“ bwel, in Bakwiri gbe, Jaunde ele, im Duala eine besondere Art von Medizintrank, besonders zum Schwur und Bundesschluß verwendet, male male, vgl. S. 151, alle diese Wörter sind, wie auch das Duala bwele „Baum“ vom Bantu -ti „Baum“ abzuleiten. – Aus Baumholz werden auch die Machtmittel, soweit es Figuren und Stöcke sind, geschnitzt. – Bäume, erwachsen aus Pfosten, unter denen man Dorfmedizinen vergraben hatte, waren meist mit Geweihfarnen, Orchideen und ähnlichen Epiphyten bewachsen, wie heute noch die zum mfam, vgl. S. ---, gehörigen Bäume. Durch diese Lebensgemeinschaft bekommen dann auch solche kleineren Pflanzen das Ansehen von magischen Kräuter Kräutern.

Auch eine gute Anzahl anderer bewudu, sing. ewudu „Kräuter, Gräser“ dient als Drogen, vgl. auch Medizin Drogen und magische Mittel; jeder Landesteil, jeder Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kultbund hat sein besonderes und angesehenes Mittel, z. B. fehlt bei keinem Machtmittel der Bakwiri die herzblättrige Krautpflanze liwokowoko Kp. Medizinkraut mit herzförmigen behaarten Blättern liwokowoko. Die Geheimbünde brauchen ihre spezielle Machtmittelpflanze als Abzeichen, wie etwa der Staatsbeamte bei uns auf beschlagnahmte Gegenstände oder Äcker das Gerichtssiegel setzt. – ndjou Ndjou „das Machtmittel zum Schutz durch Machtmittel, Medizin Schutz von Haus, Ackerfrucht, Fruchtbaum“ ist meist ein aus dem Pflanzenreich entnommener Schmarotzer; besonders gelten auch Liliazeen als besondere mana mana-Träger.

Es ist erstaunlich, für wieviele Pflanzen nicht nur Namen vorhanden sind, sondern auch wie diese zumeist einer großen Menge von Leuten bekannt sind. Am meisten kennen sich natürlich die Medizinmänner, Drogisten von Beruf, in der Pflanzenwelt aus; jeder sucht sich selbst die benötigten Pflanzen draußen im Busch = ungepflegter Wald Busch. Freilich dürfen wir bei diesen Drogisten nicht ein systematisches botanisches oder pharmazeutisches Studium voraussetzen. Die Pflanzen sind bekannt nach ihrem äußeren Aussehen und ihrer Verwendbarkeit in der Drogerie oder nach ihrem Geruch Geruch, nicht nach ihrem anatomischen Aufbau. Immerhin hat man nicht nur Bezeichnungen für die einzelne Art, wie es oft von primitiven Stämmen behauptet wird, sondern auch Gattungsnamen, wie z. B. die genannten bwele „Baum“ und ewudu „Gras, Krautpflanze“, womit viele Speziesnamen zusammengefaßt sind. Aber auch bei ihnen unterscheidet man wieder, z. B. den Nutzholzbaum mukonya ma mundi „Festland-mukonyaSarcocephalus sambucinus oder Terminalia superba mit rötlichem Holz und mukonya ma damba „Sumpf-mukonya“, die Mytragyna stipulosa mit weißlichem Holz. Hier unterscheidet also der Standort, wobei die Pflanze nicht die gleiche Spezies sein muß. Der zum Kanuschnitzen bevorzugte mwenge, my- „ Rotholz Rotholzbaum“ Pterocarpus erinaceus oder santalinoides läßt unterscheiden mwenge m’ esumbe „Sumpfrotholzbaum“ mit leichtem Holz, mwenge ma momba „der der Cordia irongii ähnliche Rotholzbaum“ mit leichtem Holz und daher zum Kanubau geeignet, ngandjo a mwenge, ein Rotholzbaum mit leichtem hellem und ndjib a mwenge einer mit schwerem dunklem Holz, während siko a mwenge ein Rotholz schwerer als Wasser ist; ein noch nicht ausgewachsener Rotholzbaum ist esengeseng’ a mwenge. – Manche Spezies zerfällt in Unterspezies durch ihren verschiedenen Wuchs, z. B. moso mundene und moso musadi „großes und kleines moso“, ein weißblütiges Kräutchen, dessen Absud Kindern gegen Durchfall eingegeben wird und dessen Blätter die Frauen um das Barombigebirge herum ihren zu Heirat oder Arbeit aus dem Hause scheidenden Kindern auf der Brust zerreiben. Der Waldstrauch mudinge, die Glyphaea grewioides, ist kleiner als mudinge mundene (große mundinge, die Grewia coriacea). – Diese Beispiele mögen genügen; sie zeigen, daß der Kameruner nicht nur ein guter Beobachter ist, sondern auch die Fähigkeit hat, zu gruppieren und klassifizieren, wenn auch auf eigene Weise. Er mag unter den gleichen Namen Formen zusammenbringen, die oft botanisch recht verschieden sind nach unseren Begriffen. So fassen sie mit sendjeFarn Farn“ alle nicht genießbaren Farne zusammen, ob sie nun auf Bäumen oder auf der Erde wuchsen, Riesen- oder Zwergfarne sind; nur die eßbaren sind mit mbongi, also durch besonderen Namen von ihnen geschieden. Wiederum bezeichnen die Bakosi mit ndeleNachtschatten Nachtschattengewächs“ ein stacheliges Kraut mit gelben, tomatenähnlichen, genießbaren Früchten, ndel’ a ngwe „Kultbundnachtschatten“ ist eine wilde Art, deren gelbe Früchte nicht genossen, aber als Abführ- und magisches Mittel beim ngwe (Ko.), sonstwo ngua, Kultbund der Kosi und Nachbarn ngwe-Kult

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[eingeklebter Zettel mit nichtlesbaren handschriftlichen Notizen, größtenteils in Steno-Schrift, nicht lesbar]

gebraucht werden, ndel’ e nsyog „Elefantennachtschatten“ ist ein stacheliger Busch, dessen schlehengroße, grüne Früchtchen in Dolden stehen und von Vögeln gefressen werden, die so das üble Unkraut weithin verpflanzen. Hier zeigt sich, wie sowohl die äußerlichen Merkmale wie der Gebrauch zur Bildung des Namens beitragen. Baum

Weicht der Kameruner bei seinem Einteilen von unserem wissenschaftlichen Klassifizierungsprinzip ab, so wolle man daran denken, daß der gemeine Mann bei uns und erst recht der vor 3[00] – 400 Jahren die Pflanzen auch gruppiert und gruppierte nach der äußeren Erscheinungsform und nach dem möglichen Gebrauch. Auf die Zahl der allgemein bekannten Pflanzen gesehen hält der Kameruner jedenfalls den Vergleich mit dem ungeschulten Europäer aus.

Es kann hier nicht die Absicht sein, alle die Mehrzahl der [den] Eingeborenen bekannten Pflanzen oder im folgenden Abschnitt die der Tiere aufzuzählen. Es soll eine kleine Liste der wichtigsten, die uns in dem Abschnitt über die Machtmittel, vgl. S. ---, beschäftigen, gegeben werden. Denn haben die Kameruner ihre überaus reiche Pflanzenwelt genau beobachtet und benannt (man könnte hier von einer rudimentären Wissenschaft Wissenschaft reden), dann aus zwei Gründen: Sie liefert dem Menschen Nahrungsmittel und Drogen. Besonders die genauere Kenntnis der letzteren ist seit Jahrhunderten, vielleicht Jahrtausenden überliefert, und sie enthüllt die gute Beobachtungsgabe der Kameruner Flora, Pflanzenreich . {22}

7. Die Fauna Tier, Tierwelt

Noch mehr als in der Pflanzenwelt tritt bei Betrachtung der Tierwelt die Fähigkeit des Kameruners zu klassifizieren hervor. Das zeigen schon die Namen, die eine große Gruppe bezeichnen, z. B. nyama 9 „Säugetier“, erst abgeleitet „das Fleisch Fleisch“ und zwar nur das der SäugetiereEin Tier besteht aus ewesé, be- „Knochen“, muson, mi- „Muskeln“, mwea, my- „Eingeweide, Gedärme“; Nieren, Magen, Leber, Lungen werden oft dazu genommen, oft sind sie in der Brust enthalten, wenn verteilt wird; die Leber geht freilich meist besonders, denn sie ist ein Ehrenstück. Will man von „Fleisch“ im Gegensatz zu „Knochen, Haut, Gedärme“ u. ä. reden, so sagt man muson, mi- „Muskelfleisch“. Bei Huhn, Fisch, Schlange u. ä. ißt man nicht nyama „Fleisch, Säugetier“, sondern eben „Huhn, Fisch, Schlange“ u. ä. Der Körper ist außen mit eyobo, be- „Haut, Fell“ bedeckt, womit auch das „Leibliche“ im Gegensatz zum „Seelischen, Geistigen“ bezeichnet ist; in der religiösen Sprache steht es für sarx, während nyolo, ma- den körperlich-geistigen Organismus des soma bezeichnet. – Die Namen nyamabwaba „langes Tier, Schlange“ und nyamalóbà „Himmelstier; eine Blindschleichenart“, nyamandjou „Elefantenfleisch, ein Waldbaum“, nyamambodi „Ziegenfleisch, ein Gewürzkraut“ u. a. zeigen jedoch, daß nyama hie und da auch im weiteren Sinne gebraucht werden kann. 2

Tun wir einen kurzen Blick in die Tierwelt, so sehen wir, daß fast alle Tiergattungen vertreten sind. Wir können freilich nicht alle benamten Tiere aufführen und unser wissenschaftliches System der Einteilung ist dem Kameruner natürlich fremd.

1) Die Weichtiere haben keinen Gattungsnamen; die wichtigsten sind: Ekongkong, be- jede Art „Erdwürmer“ und mulombi, mi- „Eingeweidewurm“, wörtl. „der Schlanke“, kleine und große, eine Plage, der viele, besonders Kinder erliegen; man meint freilich auch, jeder Mensch müsse Würmer haben, nur das Übermaß sei schädlich; mulondodi, mi-, wahrscheinlich von londa „voll, gefüllt werden“, ist anschaulicher Name für „Blutegel“. Der kleine Wurm der Filaria Filaria loa, genannt ilodi, lo- tritt im Auge des Menschen in Erscheinung, und geschickte Eingeborene holen ihn dort mit dem Dorn eines Palmzweiges heraus. Muwu, mi- ist die Made, Wurm von Fliegen und ähnlichen Insekten. – An Pflanzentierchen sind den Anwohnern des Meeres bekannt ekabuma, be- „Qualle“ und etutma, be- „Tintenfisch“. An Muscheltieren fängt man ekango, be- „Bohrmuschel“, Austern in ihren esuna, be- „Muscheln“ und --- (Bobe) „Seepokke“. Achatina-Schnecken ko 9 werden von manchen Stämmen gern gegessen, ihre großen Gehäuse sind Spielzeug und Behang der mengu-Darsteller, vgl. S. ---, die größten dienten früher auch als Pulver- und Schnupftabakbehälter. Häuschen kleinerer Wasserschnecken werden zu magischer Medizin zerrieben. Mbamba „die Kaurimuschel Cypraea“ wurde früher in großen Mengen eingeführt, denn sie war in mancher Hinsicht beliebt, vor allem war sie Schmuck Schmuck und Machtmittel für den Fruchtbarkeitskult Fruchtbarkeitskult, vgl. den Kopfkranz der Häuptlingsfrauen im Grasland. Stellt sie die Attribute des Mann und Frau, männlich und weiblich Weiblichen, so die Oliva [?] die des Männlichen dar. Mbamba wird bei Spiel Spiel und Orakel Orakel als Würfel benützt und galt vor Einführung des europäischen Geldes überall als Scheidemünze.

2) Unter den Gliederfüßern sind bekannt an Krebsen: Musa, mi- „der gemeine Krebs“, musombe, mi- eine andere Art, dingoso, ma- „Languste, Garnele“, mobe-ngomo „der die Fell Trommel, Fell-, Schlitz- trommel schlägt“, eine Art mit großen Kneifern, kodi 9 „der Einsiedlerkrebs“, ntepe ma musa „Krebs mit weichem Panzer“, mbeatoe 9, eine Art, die alle drei Jahre in großer Menge im Dualabecken auftritt und die über das portugiesische cameraes Kamerun den Namen gab, ewolowoso „großer männlicher Krebs“, ngalatanda „Taschenkrebs“; auch die Krabben sind sehr zahlreich: Dibanga „Zwerggarnele“, die an der Küste in Massen gefangen und getrocknet verkauft wird. Muyeye, ba- (merkwürdigerweise in der Personenklasse) wörtl. „Winker“, eine Krabbenart in den Krieks [Anglizismus von „creek“] ; dingombo, ma- „große Winkerkrabbe“, dikako die „ Krabbe Krabbe Gecarcinus“, ntepe ma dikako „Krabbe mit weichem Rücken“, eyum (a dingombo) „Riesenwinkerkrabbe“. Krabbenschere Krabbenscheren sind als Pfeifen bei Anrufen der Ahnen und Gottes in Gebrauch vgl. S. ---. „Asseln“ sind --- a bedimo „Ahnen ---“, denn sie sind an dunklen und feuchten Orten am Boden und gelten als Omen Omen. – Von Spinnentieren seien genannt: Dibobe, ma- „ Spinne, vgl. auch Vogelspinne Spinne“, die auch den Namen für das Himmelsgewölbe abgegeben hat, vgl. S. 2f.; mukal’ a dibobe „Kreuzspinne“, die Vogelspinne heißt dibobe la ngambi „Orakelspinne“, weil sie ein besonders im Süden und im Grasland angesehenes Orakel ist, vgl. S. 158f. Yolo, lolo „Skorpion“ ist wegen seines Stiches gefürchtet, ob es nun der große ya mundo „Schwarze“ oder der kleinere i mole „der rötliche“ ist.

{23} Die „Zecke“ Ornithodorus moubata heißt diwowa, ma- „das (Blut-)saugende“ und ist für Vieh, besonders Hunde, eine Plage; kusu „die Elefantenlaus“ wird mit dem Zurückgehen des Dickhäuters auch seltener. – Die Tausendfüßler sind immer unterwegs, sie haben den Gattungsnamen ngokolo und sind im Sprichwörter Sprichwort Bild für Zeitigkeit und Stetigkeit der Arbeit. Der rote Tausendfuß >Tausendfuß munyangadi ma ngokolo „Kindbetttausendfuß“, verdankt seinen Namen seiner roten Farbe Farbe, denn die jungen Mütter werden mit Rotholzfarbe eingerieben; der runde lange Tausendfuß, Duala: Ngokolo a mbena „Unheilstausendfuß“ und Bakwiri: Mwea ma ngole „Darmtausendfuß“ ist ein Fluch- und Unheilszeichen, vgl. S. 57ff. Ewolo „der Ringwurm“ gab den Namen für „Brot“ ab, weil dieses zuerst als runder, oben gelochter Schiffszwieback eingeführt wurde, der den Ringwurmnarben auf der Haut so ähnlich sah. – Mit dem Speziesnamen etanda, be- „Insekt, Käfer Käfer“ wird diese artenreiche Tierklasse zusammengefaßt. Allgemein bekannt an Zweiflüglern sind ngingi 9 „Stubenfliegen“arten, ebo, be- „Bremse“, sowohl Glossina palpalis als auch Glossina morsitans, eine größere Art ist epongo, be- „Elefantenbremse“, mudiki, mi- ist eine „Stechmücken“art im Walde; yungu, l- sind die zahlreichen Moskitos Moskitos, darunter die Anopheles-Mücke, die Überträgerin der Malaria, vgl. das Tabu auf S. 15. Wenn sie sich nachts auf Fischereiplätzen in Mengen einstellen, so ist das ein Omen, daß mengu „Wassergeister“ unterwegs sind, und dem Leoparden gehen sie voraus, so daß der Jäger merkt, daß sich der mombale mombale „Hauptkerl“ einstellt. – Die „Mangrovenfliege“ isuna, lo, die Chrysops dimidiatus, gilt als Überträgerin der Filaria Filaria loa; sie wird stets verfolgt, denn sie saugt so stark das Blut an, daß der Stich weiterblutet, vgl. ilodi auf v. S. Ipisi, lo- „Sandfliege“ treibt bald nach Anfang und kurz vor Untergang der Sonne ihr quälendes Unwesen. Ein Neuling im Lande ist esaso, be- „der Sandfloh“ Pulex sarcopsylla oder penetrans, der erst 1872 mit der Brigg Thomas Mitchell aus Brasilien nach Westafrika gekommen sein soll und von dort aus eine Plage des ganzen tropischen Afrikas geworden ist; besonders sind Schwein Schweine und Hunde seine Gasttiere. Als primitives Gegenmittel wird Wasser Wasser in die Wohnungen gespritzt; gebohnerte Böden meidet er wie sein Namensvetter, der Floh, der in Kamerun nicht heimisch ist.

Die Hautflügler sind vertreten durch ndombi „die Biene“, die überall wild vorkommt, besonders im Gebirge unter Felsen, aber auch in hohlen Bäumen des Waldes. Bienen Bienen sind Boten (Omen) für kommende Gäste und ist einem der so angemeldete Besuch nicht genehm, so schlägt man den Boten tot. Man stellt den honiggefüllten Waben nach, verschmäht aber auch die Brutwaben nicht. In manchen Gegenden sucht man auch Schwärme einzufangen, indem man längliche Töpfe, ausgehöhlte Blöcke oder Strohkörbe auf Bäume bindet. Um wilden Honig zu erhalten, brennen die Bakwiri das Gras des Kamerunberges ab und betäuben die Bienen mittels Akazienblätterrauchs. Im Landesinneren kommt eine Zwergbiene vor, die sich in Wandlöchern ansiedelt, die sie mit einem eleganten Wachstrichter als Eingang versieht. Die kleine Wespe pobongo siedelt in kopfgroßen Ballen auf Bäumen; ihr Stich ist schmerzhaft. Tongo 9 „die Schlupfwespe“ baut ihre Waben aus Lehm an geschützten Plätze und mauert als Nahrung für ihre Jungen Spinnen und anderes Getier lebend in solche Waben ein, nachdem sie ihre Eier in diese Tiere gelegt hat. Hat sich das Ei zur tongo entwickelt und ihre „Pflegemutter“ aufgezehrt, so bricht das Insekt das Gefängnis und fliegt aus. – Die Wespe dipomo, ma- baut ganze Kolonien ihrer weißen Waben unter Dächer oder in hohle Bäume. Die Maden der Hautflügler heißen miwu, vgl. S. 22, oder etom, be-; sie werden verabscheut und doch als magische Mittel benutzt.

SelekeTermiten Termiten“, die Feinde alles weichen Holzes, kommen in verschiedenen Arten vor; im vorderen Waldgebiet eine kleinere Art, die schöngeformte, kelchartige, bis zu 80 cm hohe Wohnungen mit Dach baut, vgl. S. 17. Größere Arten leben im hinteren Waldgebiet und Grasland, eine Art nennen die Banyangi „Dickköpfe“; ihre unregelmäßigen Bauten werden bis über 2 m hoch. Im Grasland fängt man die Schwärme einer dritten Art, von den Bali ngo genannt; sie gelten als leckere Speise.

Mit sono 9 faßt man alle Ameisen Ameisen zusammen, insonderheit alle Nicht-Wanderameisen. Zu ihnen gehören wieder verschiedene Arten, z. B. kedi, groß und rot, ekusangang, be- stickend, mutotolabi, mi- groß und schwarz, pupu {24} groß, gilt vielerorts als Omen, ngomkom, rot, die geflügelte elabinyango „die die Herrin stechende“, bonamikenge, eine heftig beißende kleine Art u. a. Einige sind Fleischfresser und zwicken daher auch Menschen, andere leben von pflanzlicher Nahrung. Am meisten gefürchtet sind die Wanderameisen sao; sie gehen, oft in langen Zügen, auf Raub aus und überfallen alles, was nach Fleisch riecht, ob tot oder lebendig. Kommen sie am Tag in eine Europäerwohnung, so sind sie oft nicht ungern gesehen, denn sie sind die rechten „Kammerjäger“ und vertilgen Kakrotschen [Kakerlaken] und andere unliebsame Dauergäste; nach einer Weile ziehen die Wanderer wieder ab. Im Märchen Märchen gelten ihre unterirdischen Gänge als Wege zum und vom Hades.

Den mancherlei, meist farbenfreudigen Schmetterlingen, Faltern und Motten schenkt man nicht viel Beachtung, vielleicht weil sie in Kamerun weniger Honig saugen, als stets an Kot und Urin Urin anzutreffen sind. Ihre Raupen heißen eyoi, be- und die in einem oft kopfgroßen Kokon siedelnden Saturnidae --- in Kp. ---, Ko. ---, Nya. gelten als Fleisch und werden vielerorts als Lekkerbissen gegessen, manche hegen sie sogar.

Von den mancherlei Arten von Käfern haben nur wenige Spezies einen besonderen Namen: etand’ a ndjou „Herkuleskäfer“, mungi ma madiba „ein Wasserkäfer“, epololo, ein Yams fressender Käfer, ehon (Ko.), ein Wasserkäfer; der große Mistkäfer --- (Ko.) spielt besonders für die Büffeljagd Büffeljagd eine Rolle. Bei Verfolgung von Büffeln ist alle Büffellosung nach solchen Käfern abzusuchen und sie sind zu töten, soll die Jagd, Jäger Jagd Erfolg haben. Mulekuleku „der Goliathkäfer“ lebt samt seiner Made ekungu an den Raphiapalmen; ekungu wird gegessen, ist aber lange nicht so beliebt wie pose, die Made des Palmbohrkäfers Rhynchophorus phoenicis. Interessant ist die elange-mbu „die die Jahre zählende“ genannte Raupe; sie steckt in einem Hautsack, mit einer Öffnung vorn und hinten. Der Hautsack ist umgeben von parallel-längsliegenden Stäbchen. Die Kameruner sagen nun, das Insekt lege jedes Jahr ein weiteres Stäbchen zu; daher der Name, der zugleich eine treffende Wiedergabe unseres „Kalenders“ ist.

Wanzenähnliche Insekten sind nina 9 „die Kopflaus“, in der Jugend inanga mit der mune ma nina „Niss“; von ihr behauptet das Sprichwörter Sprichwort: „Läuse (d. h. Schulden) in Menge verursachen kein Beißen“. Ekukulan, be- „Bettwanze“ ist nur dort eine Plage, wo man Bettstellen nach europäischer Weise zusammennagelt; beim Bett der Waldländer – wenn man deren Lager Bett nennen kann – sind sie leicht zu bekämpfen.

An Netzflüglern sind den Bakosi zwei Libellenarten bekannt, nsisag 3 und ngide 9, die von Kindern mittels Fächern niedergeschlagen und verzehrt werden. In der Niederung ist nyanga „Flußjungfer“ häufig.

G[e]radflügler: Dikele, ma- sind an der Küste „ Heuschrecken Heuschrecken“ aller Art. Wanderheuschrekken, die im Grasland in den letzten Jahren in großer Menge auftraten, heißen dort ngum. Wegen des großen Schadens werden sie von der Landesverwaltung bekämpft; sie kommen nur bis an den Rand des großen Waldes in verlorenen Schwärmen und heißen in Bakosi ngome. Sie werden in Mengen gesammelt und roh oder geschmort verzehrt, im Grasland trocknet man sie auf Vorrat in der Sonne. Dikele la lemba „Hexenheuschrecke“ ist die Gottesanbeterin Mantis Mantis religiosa. Sie gilt nur als gefürchtetes Omen, wenn sie, ein Tagesinsekt, nachts in der Hütte gesehen wird. Verwandt mit ihr ist „der fliegende Ast“, bei den Kp. --- „Zerschneider des Mais“ genannt, weil das Insekt durch Zerbeißen der jungen Maispflanze Schaden anrichtet. Einer großen Grillenart esele, be- graben die Kinder nach und verzehren das fette Insekt als Leckerbissen; daher sagt das Sprichwort „die Grille gräbt ihr eigen Grab“. Die Maulwurfsgrille heißt der muwase-nina „Läusesucher“ wegen der eigentümlichen Bewegung ihrer Vorderbeine. Eine andere Grillenart heißt ndom’ esele „Schwester der Grille“. Eine rechte Plage für Eingeborene und Europäer sind die epependju, be- „Kakrotschen“ [Kakerlaken] , die Speisen und Kleidern gleich gefährlich sind. Die Schwarzen legen scharfriechende Kräuter gegen sie aus und begrüßen einen Überfall der genannten Wanderameisen, die die platten Insekten aus Ritzen und Winkeln aufstöbern und sie bis auf die harten Deckflügel auffressen.

{25} Reptilien: Für Fische Fische ist i. a. eine Bildung des Bantu-Wortstammes ---, Du. sue, gebräuchlich, bei den Stämmen im Norden ndondi, das vielleicht dem Sudan Sudanesischen entstammt. Bei den Anwohnern des Meeres und größeren Gewässern sind eine große Menge Namen bekannt; es kann hier nur eine ganz kleine Anzahl angegeben werden:

Die „Stachelflossler“ yenda, mobe ma yenda, isese a yenda, se, wanga; nyendi der „Adlerfisch“ und seine Verwandten mboki ma nyendi, epa und wanga; ndjonga „Sägefisch“, ndom „Hai“, ein bekanntes Nagual, Nagualismus = Individualtotemismus Nagual, mwabo „Seehecht“, mu- [handschriftlicher Zusatz: ndom a matoit ?] mulonge ma ndom „Hammerhai“, njandje „Hornhecht“, ngunu „Wels“, yel’ a ngunu ein schlangenartiger Fisch, mundjondjo „Aal“, der als Schlange angesprochen wird, din, pl. min „Zitterwels“, wegen seines elektrischen Schlages gefürchtet; man schreibt ihm, wie auch dem bizarr gestalteten duba 5 „Rochen“, dessen Fleisch fettem Schweinefleisch ähnelt, die magische Kraft nia nia zu, vgl. S. ---, manche essen sie daher nicht; yoso, l- „Delphin“, ekokondo „Herzogfisch“, epongo „Kaiserfisch“, lepe „Kletterfisch“, munguma „Sterlet“, senue „Arapama“, ebodume „großer“ und duba, m- „kleiner Rochen“, moyo, my- der bei den Subu viel gefangene „Stichling“, ndondondume „Fahak“, mutondo „Thunfisch“ und die kleinen: Ekolo „Korallenfisch“, ekeke, „Geißler“, sese „Nadelfischchen“, mudime „Schlammbeißer“ u. v. a. Fische sind Meeresbewohner; darum enthält das Schüttel- oder Körbchenorakel Schüttelorakel, vgl. S. ---, auch Fischknöchlein und -knorpel.

Unter Amphibien sind am bekanntesten mbomboka „ die Kröte Kröte“, vor der man sich ekelt, denn man hält ihre Warzen für bekako „Eiterpusteln“. Die verschiedenen Froscharten faßt das Duala mit mukonge, mi- zusammen, sie gelten als Regenrufer. Bei den Stämmen, die gewisse Froscharten essen, hat man auch Namen für solche, z. B. --- „Haarfrosch“ der Bakwiri, große edzo „Ochsenfrosch“ der Jaunde (Rana Zenkeri) u. a.

An Urzeiten erinnert der Lurchfisch mbuku „Schlammspringer“; dieser Lungenfisch Periophthalmus koelreuteri lebt am schlammigen Ufer der Krieke [Anglizismus von „creek“] und wird von Kindern gesammelt und gegessen.

Der Fischfang Fischfang der Frauen befaßt sich nur mit des Wassers Kleingetier, das meist malou heißt, abgeleitet von loa „krebsen, nach Frauenart Fische fangen“ durch Ausschöpfen von Tümpeln, Wühlen im Ufer und Suchen unter Steinen und versunkenen Stämmen.

Alle Schildkröte Schildkrötenarten werden gegessen: Die als ‚kameruner Reinecke Fuchs’ in den Märchen Märchen als schlau nam’ a misomba dibua geschilderte und daher als Orakler und Richter auftretende wudu 9 „Landschildkröte“, auf dem Rücken schön gezeichnet. Ihr Panzer wird in manchen Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kultbünden als Trommel geschlagen, ihre Schenkelknöchlein gern als Mittel gegen Rheuma umgebunden. Manche Stämme fürchten die Landschildkröte sehr, wie andere das Chamäleon, da ist es tabu, sie nur zu berühren; Gebrauchsgegenstände, die mit ihr in Berührung kommen, sind dem Unheil verfallen und werden weggeworfen. Sie gilt gleich einer strafenden Gottheit, die Übeltäter dadurch züchtigt, daß sie ihm Nasenkrebs schickt, diboa la nambe, was als unheilbar gilt. Eine gelbliche Abart ist ekata, be-. eku, be- „Flußschildkröte“; ihr Name dient zur Bezeichnung eines Nagual, Nagualismus = Individualtotemismus Naguals, z. B. eku a ndjou „Nagualelefant“, vgl. S. ---; sondjo oder sondjo eku „eine kleinere“, ndiwa „eine größere Seeschildkrötenart“. Sonderlich diese beiden Arten werden wegen ihres beliebten Fleisches gejagt.

Der alte Bantuname nyoka ist in manchen Sprachen als nyoka (Ku.) oder nyo (Kp.) erhalten; im Duala ist er verloren und man sagt nyamabwaba nyamabwaba, pl. nyamamyaba „Tier der Länge, das lange Tier“ für „ Schlange Schlange“. Daneben hat aber jede einzelne Art ihren besonderen Namen, z. B. mbomoRiesenschlange, vgl. auch Schlange Riesenschlange“ Boa constrictor, die im Totemglauben der Stämme eine große Rolle spielt, vgl. S. 86ff. Wenn aber im Neuen Testament „Perle“ mit seng’ a mbomo „Kieselstein der Riesenschlange“, der auf dem Kopfe des Totemtieres nachts hell leuchten soll, wiedergegeben ist, so hätte die Übersetzung doch wohl besser die abergläubisch nicht belastete „Perle“ als Fremdwort in die biblische Sprache eingeführt. Das Fleisch dieses bis 6 m langen Reptils wird wie das der trägen pe 9 „Puffotter“ Batis nasecornis gegessen. Viel gefährlicher, wenn auch kleiner als diese Giftschlange ist mbamba 9 „Mamba“, die gereizt alsbald zum Angriff übergeht. Nkotí „eine gelbe Cobra“ kündigt ihren Angriff an, indem sie sich aufrichtet und ihre ‘Brillen’ aufbläht. Mutom, mi- ist die „grüne Peitschenschlange“. Von ihr sagt man, mu bi ilondi „sie verstehe sich auf Verstellung und Verführung“, sie könne nämlich ihre Stimme zu der der Tiere, sei es Frosch, Vogel oder ein anderes verstellen, um es zu betören. Die große schwarze ndjembu 9 hat am Bauch gelbe Querstreifen, die sich nach Meinung der Kameruner jährlich um einen Streifen mehren. Wasserschlangen gibt es fast überall. Schlangen kämpfen auch miteinander und geben dabei fauchende Laute von sich ähnlich dem menschlichen Schnarchen. Wird bei solchem Kampf eine Puffotter gegessen und sie kommt dem Tod nahe, so bringt ihr – so erzählt man – ihre Genossin ein Kraut als Heilmittel, das rasch hilft. Auf diese Weise habe schon mancher eine Droge gegen Schlangenbiß kennengelernt. – Schlangen auf dem Wege sind schlimmes Omen, aber auch sonst sind sie gefürchtet; man schreckt zunächst vor ihnen zurück und sucht sie dann zu töten töten. Selbst getötet werden sie noch gefürchtet, wenn ihnen nicht der Schwanz abgeschlagen ist. Denn man glaubt, sie verletze auch mit ihm. Manche Stämme essen alle Schlangen.

{26} Es sieht einem homöopathisches Mittel ähnlich, wenn Medizinleute den Kopf von Giftschlangen über dem Feuer trocknen und dann zerreiben, um das Mehl unter Trinkmittel für von Schlangen Gebissene zu mischen. Gift soll Gift heilen; aber das Schlangengift ist aus dem getrockneten Kopfe längst entwichen, vgl. S. 147.

Mit <Schlange> wird auch die magische Kraft, Lebenskraft des Stammes oder Familie bezeichnet, vgl. S. 16, 86ff. Man fürchtet, daß diese <Schlange> aus ihrem Aufenthalt ausbrechen und Unheil anrichten könne, wenn sie gestört wird. Darum wird ihr gelegentlich auch geopfert. Wer diese <Schlange> ungeschützt sieht, muß in kurzer Zeit sterben und man berichtet immer wieder von solchen, deren Tod auf das überraschende Erscheinen solcher Schlangen zurückgeführt wird. Sie begegnen nämlich auch solchen, die das Tabu nicht verletzt haben Schlange .

Früher waren ngando 9 „ Krokodil Krokodile“ (Crocodilus niloticus) häufig in den großen Flüssen zu sehen, wenn sie sich am Strande oder auf umgefallenen Stämmen sonnten, heute sind sie selten. Stromregulierungen und Schiffahrt sind ihnen lästig. Krokodile sind ein häufiges Nagual, Nagualismus = Individualtotemismus Nagual und viele Alten fürchten sich nicht vor ihnen, wenn sie ihrem Machtmittel vertrauen. Ein großes breites und wegen seiner Wildheit gefürchtetes Krokodil, ngungu oder ngungu a ngando genannt, ist zugleich mythologische Figur. Mombe „das Kurzmaulkrokodil“ Osteolämus soll einem, der Blähungen hat, im Bauch sein, vgl. dazu Nagual auf S. ---. Es lebt mit wudu „der Landschildkröte“ zusammen, „die ihm als Kissen diene“. Diese Schildkröte Schildkröte hält sich gerne in der Höhle des mombe auf und hält mit beim Mahl, das dieser eingebracht [hat].

Zu den Schlangen zählt man auch die sehr gescheuten [wohl ironisierende Verballhornung von „gescheit“] , doch harmlosen Blindschleichen: Die braune munyo-myeny „Eiersäufer“, die gelb und schwarz gemusterte, 3/4 m lange, dicke nyamaloba „das Tier aus dem Himmel“ und djoki la loba. Weil die Schleichen während der heißen Trockenzeit ihren „Winter“schlaf halten, werden sie hauptsächlich gesehen, wenn die starken Regen fallen. Daher glaubt man, diese Tiere fallen mit dem Regen Regen aus dem Himmel herunter, vgl. nyamaloba, und weil sie wegen des stumpfen Schwanzes „zwei Köpfe haben“ sollen, sind sie stark tabu und das Volk meidet sie ängstlich. Dagegen können Kultleute sie essen. Mancherorts darf nur der Häuptling Blindschleichen genießen. Ißt sie ein anderer, so gilt das als Emanzipation, die grausam gestraft wird, wenn er nicht Sühne leistet. – Man sagt von den Blindschleichen, sie könnten pongo lambi „eine Falle stellen“, indem sie ihre beiden Enden in den Boden stecken und einen Bogen bilden. Schlüpft nun ein Tier durch diesen Bogen, so drückt es die Schlange auf den Boden, bis es verendet. – Außer diesen beinlosen Eidechse Eidechsen gibt es auch solche mit Beinen. Am bekanntesten ist die bunte ngule, die Agama colonarum, die auf allen sonnigen Plätzen Fangen spielen. Das Nicken des bunten Männchens, wenn es auf erhöhten Punkten Ausschau hält, gab Anlaß zu einem sinnigen Märchen. Die dunkelbraune musondje ähnelt unserer Zauneidechse; sie hält sich viel unter Steinen verborgen. Musondje ma ngule ist ein Mittelding zwischen beiden. Das bunte ngule-Männchen und grüne Weibchen gilt u. U. als Verkörperung eines Wiedergänger Wiedergängers, vgl. S. 46, 99. In diesem Falle hat es ein ngang, Kp. nganga nganga auf dem Grabe zu schießen, um den Spuk abzustellen. – Iwedi, lo- ist die giftige Lygosoma Fernandi; der Haftzeher Haftzeher eleu, be- „der Lecker“ Hemidätylus fasciatus, verdankt seinen Namen dem Umstande, daß er die Haare von schlafenden Menschen abfressen soll. Wird man seiner habhaft, so ist er zu töten töten, vgl. die Überlieferung auf S. 33. Die Rieseneidechse ngombe 9 „Landkrokodil, Waran oder Leguan Waran“ wird wegen ihres als wohlschmekkend gepriesenen Fleisches gejagt; sie gilt als taub. Ihre Haut wird in Streifen am Handgelenk gegen Filariaschwellungen getragen; Griffe an Waffen, Kultpanieren u. a. sind oft mit Waranhaut überzogen. – Auf den Hauptpfosten der Kulthäuser, vgl. S. 17 und ---, sind oft große Eidechsen geschnitzt, Frauen haben sie mancherorts auf den Leib oder Rücken tätowieren tätowiert; sie gelten als altes Zeichen der Fruchtbarkeit Fruchtbarkeit und des Lebens, vgl. S. 33; in manchen Gegenden ist es tabu, die ngule zu töten.

Eyonguledi, be- „das Chamäleon Chamäleon“ ist geradezu gefürchtet; der Grund ist wohl in der Überlieferung auf S. 33 zu sehen. Aussehen und Art des langsamen Tierchens beschäftigt des Kameruners Phantasie. Von ihm sind am Kamerunberg mindestens --- Arten bekannt und alle sind stark tabu. Die Bakosi sagen, wenn das Chamäleon einen Menschen sieht, erhebt es neunmal den rechten Vorderfuß. Tötet es der Mensch, bevor die Zahl Zahl neun voll ist, so stirbt das Tierchen; wenn nicht, so stirbt der Mensch. Eyonguledì gehört allerorts auch zu der Speise dindo, vgl. S. ---, wo man seiner im Tieflande nicht habhaft wird, fängt [man] eine andere Eidechse auf einem Grabe zu diesem Zwecke.

Die Vögel Vögel beherrschen das Gebiet der Luft und sind durch Flug und Ruf Omina; darum werden Krallen, Schnäbel u. a. von ihnen auch im Orakel Orakel, vgl. S. ---, verwendet. Die bekanntesten Schwimmvögel sind: Elela, be- „Moschusente“, {27} die vermutlich im 17. Jahrhundert von den Portugiesen aus Südamerika eingeführt worden sind; sie hat um die Schnabelwurzel eine rote Hautwulst mbamba 9 und lebt meist auf dem Trockenen; dagegen belebt elel’ a madiba, Ko. „die Wildente, das Wasserhuhn“ die Gewässer. – Die Möwenarten sind mit sokoloko 9 zusammengefaßt, eine Nebenart heißt kambo 9 oder kambo a dibongo „Landwindmöwe“; der Albatros ist mukopa, mi-. In den Buchten des Meeres führt der wambo 9 „Pelikan“ sein beschauliches Dasein und ist den Menschen ein Bild der Gefräßigkeit, Unzucht, Habsucht, Dummheit und Nachlässigkeit.

[folgendes Märchen steht auf Rückseite des vorherigen Blattes, vermutlich soll es an diese Stelle: Märchen Märchen: Die Vögel wollten einen König haben und erkoren den dimwamwa. Der wollte aber nicht. Da bestand der Pelikan darauf König zu sein, obwohl ihn kein einziger Vogel gewählt hatte. Weil man ihn fürchtete, gab man nach, erkannte ihn an und tat ihm alle Ehre [?] an. Die Vögel trugen ihn, wohin er auch wollte. Aber wambo gab nichts auf sein Ansehen noch Aussehen [?], auch hielt er sich nicht rein. Obwohl er gut mit Nahrung versorgt wurde, ging er auch selbst auf den Fischfang, trotzdem hatte er bei seiner Unersättlichkeit nie genug. So tat er wieder, was seine Leute als schändend empfanden und sie ärgerte. Zuletzt verließen ihn seine Untertanen. Von da ab hatte er keine Gemeinschaft mehr mit den anderen Vögeln und ist stets allein auf dem Wasser.

Mwen-bolo ist ein sehr scheuer Schwimmer [?]. Sieht er von seinem Baumsitz ein Boot vorüberfahren, so schreit er „nen bolo wa, nen bolo wa“.]

Mungambongambo, mi- „der graue Fischreiher“; ngole „Fischreiher“ Ardea cinerea, nganga „Flamingo“, ekweko, be- „Ibis äthiopica“, dimwamwa, ma- „der Silberreiher“ Herodias alba, musole „Strandläufer“, edobekwekwe „die große Bachstelze“ sind Vertreter der Stelzvögel. – Der Läufer ndjokolome 9 „Strauß“ wird erst in neuerer Zeit gelegentlich von Hausa aus dem Innern an die Küste gebracht und hat doch in Duala einen alten Namen. – Hühnervögel: Wuba 9, vom Stamme kuba, „das Huhn Huhn“ ist heute durch Kreuzungen mit europäischen Hühnern allgemein etwas größer als früher. Es wird nicht seiner Eier wegen gehalten, die früher fast überall als ekelerregend beim Essen abgelehnt wurden. Das Huhn ist das Gastgeschenk und das häufigste Opfertier; mancherorts wird es auch als Ordal gebraucht, vgl. S. 164ff. Ikwale, lo- „Rebhuhn“ ist der Rufer zum Aufstehen, kang „Perlhuhn“, im Waldgebiet wild lebend, wird im Hinterlande gezüchtet, koakoba 9 „das Truthuhn“ ist trotz seines Namens im Waldland nicht häufig, wird aber jetzt durch Hinterländler an die Küste gebracht. Disoa oder soa „das Purpurhuhn“ Porphyrio hyacinthinus hält sich meist an waldfreien Stellen auf, so auch auf dem Kamerunberg und Manenguba Manenguba.

An Tauben kennt man die auf den Wegen so häufige ido, lo „Zwergtaube“, mbenga 9 „Papageientaube“ und epasekoko, be- „die Wildtaube“ Turtur semitorquatus.

Die Singvögel sind sehr zahlreich: Der zierliche mundjole, mi- „Honigsauger“ erinnert an den Kolibri; sein Ruf aus den Bananenpflanzungen vorm Ort ist Omen; sein Nachbar in den Pisanggärten ist mobe-mbaka „Klapperschläger“. Indjanga, lo- „Zwergfink“ belebt in verschiedenen Arten und Färbungen die Grasflächen in und bei den Ortschaften, ebenso sein Vetter kangi, der aber einzeln lebt; ntate-mboa 3 „Heimhüter“, ein Verwandter unseres Sperlings, ist als gutes Omen Omen gern in des Hauses Nähe gesehen. Eine kleinere Bachstelzenart ndengu lebt auf dem Lande, ihr Vetter edobewekwe, be-, vgl. o., treibt sich unruhig am Meeresufer herum. Mwen-bolo „der Kanuseher“ Theresticus hagedash steht gern auf einsamem Platz in Flußnähe und fliegt schreiend auf, wenn sich ein Boot naht, vgl. S. 57, sududu, lo- „die Grasmücke“ belebt den Ortsrand. – Esese „der Rabe“ mit weißer Brust stellt mit rauher Stimme und noch härterem Schnabel dem ordinären schwarzen oder gelb und schwarzen isoklo, lo- „Webervogel“ nach, der in der Dörfer Nähe ganze Nesterkolonien aus Palm- oder Elefantengras-Blattstreifen an die Bäume hängt und mit seinem Lärm Sinnbild für nichtstuende Schwätzer ist, und sucht seine Brut als Beute. Viel seltener ist sondje 9 „der Rothalsweber“, dessen bis zu 50 cm langen Nester aus Streifen des Raphiablattes gewoben sind. – Die Drossel itoko, lo- (Andropadus) schläft im Busch bei den Häusern, während ihre Verwandten disome und nkombe sich mehr abseits halten. Dibonga, ma-, „die Schwalbe“ kommt in mehreren Arten vor; mbokolokum 3 „der Zwergspecht“ Dendropicus gilt im Märchen als der Trommler. Esese 7 der „Rabe“ Corvus scapulatus mit weißem Kragen und Brustlatz wird wie Falke und Habicht von den meisten nicht genossen, weil er Bauchweh mache, vgl. S. 68f.

Unter den Kletterern ist ngoso 9 „ Papagei Graupapagei“ sehr bekannt; seine roten Schwanzfedern waren früher begehrt; nur gewisse Geheimbundleute durften sie im Haar tragen. Der grüne Papagei mwanga-ngoso „der dem ngoso Verpflichtete“ ist seltener. Am Kamerunberg durchschwärmen die Bäume in Gruppen eine starengroße, langschwänzige Art, Kp. ---.

Durch Farbe und Bewegung erfreuen ikokewese, lo- „der kleine Eisvogel“ Liest [?] und sein großer Bruder diwese, ma- „der Königsfischer“ Halcyon senegalensis. Der den Regen Regen rufende musidi, mi- „Sporenkuckuck“ lebt zwischen Dorf und Wald. Im Wald oder bei den Pflanzungen überraschen immer wieder muloe, mi- „der Pfefferfresser“ Bandtoko [?] und sein größerer Verwandter munga, my- „der große Nashornvogel“, auch koka 9 „der Helmvogel“ CorytheixDie Kosi rupften seine Federn aus und verteilten sie unter die Genossen, die sich zu einem Kriegszug zusammenschlossen. Eine Feder sandte man ins feindliche Dorf als Zeichen der Kriegserklärung.

und der noch stolzere kudungu 9 „großer Helmvogel, Turako, Corythäolus“, dessen schillernde Federn gemischt mit Hahnenschwanzfedern zur Verfertigung von makuba, sing. di- „Federmützen“ für die Geheimbundvorsteher dienen.

{28} Der verwegenste Raubvögel Raubvogel ist der schlanke mbela 9 „Falke“ und noch mehr seine größeren Oheime ndjo a mbela „Leopardenfalke“, mbela nindeneAquila Spzaelus [?]“ und mbel’ a dipomoAquila coronatus“; doch ist im Märchen wombe 9 „der Habicht“ der geschworene Feind des Huhns. Im Gegensatz zu ihm verlacht das Märchen Märchen eyungu, be- „den Geierseeadler“, weil er sich nur von Aas und Baumfrüchten nährt. Hat er sich durch die reichlich vorhandenen Ölfrüchte verleiten lassen, Pflanzenfresser zu werden? In übelstem Ruf steht esukudu, be- „die Eule Eule, der Uhu“ und Kp. --- „der Ziegenmelker, Caprimulgus binotatus, Nachtschwalbe“; sie sind beide Nagual und darum Hexenvögel, vgl. S. 95. Ihr Geschrei des Nachts und ihr Erscheinen am Tage ist gleich verpönt. Vögel

An Säugetieren sind außer den Beuteltieren wohl alle Familien in Kamerun vertreten. Ka „das Schuppentier Schuppentier“ und sein größerer Vetter ndjou a ka „Elefantenschuppentier“, d. h. „Riesenschuppentier“, dazu dun’, pl. mun „Faulaffe“ vertreten die Zahnarme. Die Schuppen beider spielen im Schüttel- oder Körbchenorakel Schüttelorakel eine wichtige Rolle, vgl. S. 161ff. Die Robben nennen ndjondjo „den Seehund“ den ihren; während man von ndjona „einem Seeungeheuer mit Hörnern“ nicht recht weiß, welches Tier damit bezeichnet ist; es ist auch mythologische Figur. Den „Seekühen“ manga 9 und der größeren Abart mandjule stellte man hauptsächlich an der Mündung großer Flüsse nach, sie sind aber heute fast ausgestorben. Die Bobe auf den Räuberinseln stellen dem ndjondjiWal Wal“ auf offener See nach. Die unpaarzehigen wosì (von horse) „Pferde“ und esel „Esel“ sind im Waldgebiet in neuerer Zeit eingeführt, dagegen haust seit alters auf sumpfigen Plätzen des großen Waldes ngoa „das Wild Schwein schwein“, das zum ngo’ eyidi „Waldschwein“ wurde, seit die Portugiesen das schwarze und die Deutschen das weiße Hausschwein, ngoa genannt, im Lande heimisch gemacht haben; von beiden Arten gibt es Kreuzungen. Das Wildschwein ist Totem der Frauen und ein beliebtes Jagdwild der Männer. Das Schwein wird zu Opferzwecken nicht verwendet, ein Zeichen, daß es noch nicht lange im Lande bekannt ist; manche Leute lehnen auch den Genuß des Fleisches von Hausschweinen ab. – An Paarzehern lebt das nicht wiederkäuende ngubuFlußpferd Flußpferd“ Hippopotamus in großen Flüssen und ist bei manchen Stämmen angesehenes Totem, Totemismus Totem einzelner Bünde. – Zu den Wiederkäuern zählen die große Gruppe der Antilope Antilopen, das „Haus Vieh vieh“ der Schatten, vgl. S. ---, und daher Hauptjagdobjekt: Isedu, lo- „ Zwergantilope“, yongo, by- „das Wasserböckchen“, mbudi 9 „Schraubenantilope“ Screpsiceros, mbindí 9 „Hirschferkel“ Cephalolophus, so 9 „Rotbauchducker“ Cephalophus dorsalis, kabì 9 „Buschbock“, ngolong 9 „Schirrantilope“ Tragelaphus Knutson u. a. Die kurzbeinige Ziege Ziege mbodi 9 ist überall die Genossin des Hackbauern und im Kamerun d a s Opfertier. Mudongi, mi- „das Schaf Schaf“ ist kurzhaarig und meist braun oder weiß, vgl. seine Beziehung zum Mond auf S. 6. Beim Opfer, vgl. auch Kulte und Ahnenkult Opfer wird auch das Schaf allgemein „Ziege“ genannt. Die langhaarige Mähne des Widders diente kultischen Stöcken als Zierde und Unterscheidungszeichen. Das kleine schwarze Rind nyaka (Bakosi-Rind) muß schon früh nach Afrika gekommen sein, denn es unterscheidet sich sowohl vom Buckelrind als vom ostafrikanischen. Der Tsetse wegen hält es sich nur bei den Gebirgsstämmen. Nyati 9 „der Büffel“ ist Objekt der Großjagd. – Ndjou 9 „der Elefant Elefant“, das einzige Rüsseltier, ist im Märchen <Häuptling> der Tiere und im Sprichwörter Sprichwort „Herr des Waldes“. Den alten Kulten, besonders ngwe (Ko.), sonstwo ngua, Kultbund der Kosi und Nachbarn ngwe und tambimbe, ist er angesehenes Totem, vgl. auch seine Rolle beim Sündenfall, S. 32.

Die Namen einiger Nager sind: Pue 9 „gewöhnliche“ und Kp. --- „Spitzmaus“, beide Totem der djengu-Weiber. Ko 9 „die Erdratte Cricetomys“, ngote 9 „Eichhörnchen“ und ngomba 9 „Stachelschwein“, dessen Stacheln als Werkzeug zum Strählen und Herausmachen der Sandflöhe verwendet werden und den Namen für „Gabel“ abgegeben haben, werden gejagt. Sak’ a ngomba „Erdferkel“, ein Nager mit kurzen Borsten, hat ein äußerst schmackhaftes und zartes Fleisch. Ngomb’ a dibum „Bauchweh“ wird auf magische Wirkung eines Stachelschweins im Bauch Bauch zurückgeführt; wie könnte man sonst solche Stiche im Leibe verspüren? – Insektenfresser ist hudehude (Ko.), eine Maulwurfsart. – Flattertiere: Ngwi 9 „ Flugeichhörnchen Flugeichhörnchen“, --- „Flugdrache“, epukepuke, be- „ Fledermaus Fledermaus“, die ein Hexenzeichen ist, wenn sie sich am Tage sehen läßt, und mweme, my- „ Flughund Flughund“. Dieser „Kinderschmied“, vgl. S. 6, wird am Kamerunberg gegessen; seine Flughaut wird vom Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kultbund --- als Membran an seiner okkulten Pfeife gebraucht. – Als marderartige Raubtier Raubtiere sind ebubuog (Ko.), ein ge- {29} fährlicher „Marder“, und hiel (Ko.) „Fischotter“ bekannt; hundeartige sind mbo 9 „der Hund Hund“; er hat sich in den letzten Jahrzehnten durch europäischen Einschlag im ganzen Land verbessert, ursprünglich war er ein niederträchtiger Klepper mit herunterhängendem Schwanz und spitzen Ohren, meist dunkelgelb gefärbt. Dieser Genosse des Jägers hat das Feuer Feuer aus dem Hades geholt, vgl. S. 16, ist ein angesehenes Opfertier in gewissen Fällen; ndjombe 9 ist ein hundeartiges Tier im Wald; mbanga oder mbang’a ndjo (leopardenähnlicher mbanga) „die Tigerkatze“ Felis serval, ist ein Hühnerräuber, dagegen ist die ndjobu 9 „Zibetkatze“ Viverra vivetta, deren Schwanzdrüse Moschus absondert, Pflanzenfresser. Zu den Katzen zählen singi 9 „die Wildkatze“ Genetta servalina, die heute sing’ eyidi „Waldkatze“ heißt, seit durch die Europäer die Hauskatze eingeführt ist; diese heißt heute singi, im Norden mambela. Se ist eine kleine Wildkatze, die Manguste Herpestes gracilis, und die größte Katze des Landes ist ndjo 9, der gefürchtete „ Leopard Leopard“, Totem verschiedener Geheimbünde. Man glaubt, wer ein Leopardenschnurrhaar verschlucke, bekomme den „Leopardenhusten“ eyosos a ndjo, d. i. die Schwindsucht. Daher sind diese Schnurrhaare bei Leuten, die dunkle Geschäfte lieben, beliebt, bei anderen auch der Genuß von Leopardenfleisch verpönt, vgl. auch S. ---.

Kema 9 ist der Name für alle kleineren und mittleren Schwanzaffen, man unterscheidet aber noch andere, z. B. musao ma kema, mbondi a kema; sehr kleine Meerkatzen sind eso’ a mbaki und eso’ a matanda. Ngila ist der in tiefen Wäldern vorkommende große Menschenaffe „ Gorilla Gorilla“ und nur durch Irrtum bezeichnet man in der Literatur auch den im Waldland unbekannten „Löwen“ mit diesem Namen. Auch der Kameruner erkennt im ewake, be- „ Schimpanse Schimpansen“ eine gewisse Menschenähnlichkeit und darum lehnen viele den Genuß seines Fleisches ab; das Märchen Märchen erzählt, wie sich die Schimpansen wegen der Kunst des Feuermachens von ihrem „höheren Genossen“ Mensch getrennt haben. Sombo ist der stummelschwänzige „Hundsaffe“.

Auf S. 50 ist der Wald Wald als der Ort bezeichnet, da die sichtbare und über- , unsinnliche Welt übersinnliche Welt sich in einer fließenden Grenze berühren. Damit hängt zusammen, daß man das, was man im wilden Wald sieht, als eine irdische Erscheinungsform unsinnlicher Wesen hält. So gelten z. B. das Wild des Waldes als die Haustiere der Ahnenschaft, z. B. die Schirrantilope ist das <Schaf>, die Schraubenantilope die <Ziege>, Büffel und Rinderantilope die <Kuh>, der Tausendfuß >Tausendfuß das <Huhn> der Ahnen, vgl. S. 230, u. ä.

Vergleicht man nun die Namen von Pflanzen und Tieren vom Psychologie psychologischen Standpunkt aus, so zeigt sich, daß sich in beiden Gebieten Gattungsbegriffe vorfinden, wenn vielleicht bei der Flora, Pflanzenreich Flora auch mehr als bei der Fauna. Vielleicht ist dabei wichtig, daß sich der Tierwelt gegenüber der Gesichtswinkel der menschlichen Betrachtung öfter ändert als der Pflanzenwelt gegenüber: Der Jagd, Jäger Jäger unterscheidet die Tiere von seinem Gesichtspunkt aus; es ist wohl eine alte Regel, daß Tiere mit Krallen Frauen verboten waren, wie das Huhn, Leopard und alle Vögel und alles Raubzeug; dagegen war der Frau erlaubt, Tiere mit Klauen zu essen: Rind, Ziege, Schafe, Antilope u. ä.

Interessant ist auch festzustellen, zu welchen Nominalklassen die Bezeichnungen für die Tiere gehören. Da ist es nicht verwunderlich, wenn die meisten Namen in der 9./10., der „Tierklasse“ und in der „Personenklasse“, (1./2.), keine vorkommen. Auch das Vorkommen in der 3./4. Klasse, der für Beseeltes oder Belebtes, und in der 11./12., der für Kleines ist verständlich. Auch die in der Klasse für symmetrisch Teilbares (5./6.) Vorkommenden passen dorthin. Nicht begreiflich aber sind die zur „Sachenklasse“ (7./8.) gehörigen Namen, und darunter sind auch noch die Namen solcher machthaltigen wie: Chamäleon Chamäleon, Fledermaus Fledermaus, Eule Eule, Flughund Flughund als ebonde ebonde (Du.), vgl. S. 6!

Man suche keine wissenschaftliche Kenntnis der Tierwelt bei den Kamerunern. Sie fühlen sich dem Tiere näherstehend als wir; nicht nur in bezug auf engere Lebensgemeinschaft mit ihm („ Mensch Mensch und Huhn Huhn – eine Haustüre“; Sprichwörter Sprichwort), sondern auch der seelische Besitz läßt die Kluft nicht so tief erscheinen. Zwei Gebiete sollen das kurz andeuten:

1) Mensch und Tier haben den gleichen Besitz des mbaki mbaki, vgl. S. 19 und S. 58. Zwar gilt das nur von großen Tieren, aber eben doch von Tieren. Der Mensch kann sich Kräfte des Tieres auf magische Weise aneignen und dienstbar machen; das setzt den Glauben voraus, daß Menschenseele und Tierseele bis zu einem gewissen Grade konform sind. Der Totem, Totemismus Totemismus läßt sie glauben, daß gewisse Menschen ihre Seelen in zwei Körpern (Mensch und Tier) investieren können, also: Mensch und Tier – ein Wesen. Zauberer können fliegen wie ein Vogel, um Feinden zu entgehen. Umgekehrt geben Tiere den Menschen Omina, wirken also rationell [rational?] wie Menschen.

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[Text auf Rückseite von S. 29, fast identischer Text auf S. 34: Die Basa erzählen, daß die Menschen zunächst ohne Not und Streit beisammen und mit den Tieren in Gemeinschaft gelebt haben. Darum seien sie auch sehr alt geworden, ja hätten überhaupt nicht sterben müssen. Denn waren die Alten schwach geworden, so legte man sie unter eine Nachtschattenart und sie wurden wieder jung und frisch. So wurde es den Tieren Angst, daß sie zuletzt vor lauter Menschen keinen Platz mehr auf Erden hätten. Erst nach Übertretung göttlicher Gebote, vgl. S. 31f., seien Not und Haß und damit auch der Tod über die Menschen gekommen.]

2) Der Jäger sucht die Stimme des Tieres nachzuahmen, um es zu täuschen. Man glaubt auch, daß gewisse Tiere, z. B. das Huhn Huhn, „reden“ kann, es hat dies bei den Schatten gelernt. Ebenso auch des Jägers Begleiter, der Hund Hund, der ja sogar wie ein „Vollmensch“ auch „vier Augen“ haben und also in die unsinnliche Welt sehen kann. Vögel Vögel verfolgen in Märchen Märchen den Mord, Mörder Mörder und tun seine Untat kund.

Nimmt der Kameruner diese magische Verbindung zwischen Mensch und Tier auch nicht fürs normale Leben an Im Märchen wird oft auf vorzeitliche Gemeinschaft zwischen Mensch und Tier angespielt, vgl. S. 29 bei ewake; vgl. auch mubandjise [?] tongo a timbi sobe na mo a somobele o mboko ma bato na nyama, ni ponda ke ba dia bo lati „schließlich wurde der Bachvertrockner (Krabbe dikako) gefunden und er von dem Gerichtshof der Menschen und Tiere verklagt, denn damals waren sie noch miteinander vereint.“

, so fühlt er sich doch dem Tiere nicht so fern wie das bei Kulturvölkern (trotz Affenabstammungslehre!) empfunden wird Tier, Tierwelt . Natur

B. Vorstellungen bezüglich des Menschen Mensch

1. Alte Überlieferungen Überlieferungen bezüglich seines Ursprung des Menschen Ursprungs

Das rufen, anrufen Anrufen der „Schattenvorfahren“ im Ahnenkult brachte es mit sich, daß man Personen an den Anfang der mbia „Geschlechterfolge“ setzen mußte. Es ist aber auch klar, daß diese Linie nicht weiter zurückgeführt wurde, als man mit anderen noch gemeinsame Verwandtschaft empfand. So geht das Denken nicht auf einen allgemeinen Anfang der Menschheit zurück, sondern auf einen Vorfahren, der, wollte man annehmen, daß die Zwischenglieder der Ahnenreihe zwischen ihm und den jetzt Lebenden stimmen würde, etwa 200 Jahre zurückliegt. Überlieferungen in den einzelnen Stämmen und Geschlechterfolgen gehen nicht parallel, sondern die einen haben diese, die anderen jene; sie zerfallen in Anfangs-, Sündenfalls-, Todesursache- und Sintflut Sintflutsagen, die hier kurz folgen:

a. Der Ursprung

Es ist schon gesagt, daß von einer eigentlichen Schöpfung Schöpfung nirgends gesprochen wird, sondern die Anfänger der Geschlechterfolge tauchen auf einmal auf, wie man es sich vorstellt, daß ein Geist oder ein Wild oder ein Omen Omen aus der unsinnlichen Welt in der Sichtbarkeit auftaucht und nun da ist, „ohne Vater und Mutter“ und ohne Schöpfer, der natürlich vorausgesetzt ist, vgl. S. 1f.

So überliefern die Bakosi Mann und Frau, männlich und weiblich : Unser Stamm begann mit einem Menschen namens Ngoe, Stammvater der Stämme um den Manenguba NgoeNach der Meinung der einen ist Ngoe der erste Mensch überhaupt; er siedelte mit den Seinen am Manenguba, von wo die Menschen später von der auf S. 34 mitgeteilten Sintflut weggeschwemmt werden. Nach anderen ist Ngoe einer in dieser Flut Geretteten. Er und seine Frau waten nach der Flut im Wald umher, ohne voneinander zu wissen. Gelegentlich einer Jagd traf Ngoe die Frau und nahm sie als Gattin mit nach Hause.

. Der lebte in einer ganz kleinen Siedlung, die heute Mw’ Ekang heißt, in der Ninong-Landschaft. Da er keine Frau im Hause hatte, war er sehr einsam und ohne Helfer. Er selbst bestellte seinen Akker und trug die Nahrungsmittel nach Hause; er allein holte Wasser an der Schöpfstelle und sammelte Holz im Wald; er töpferte und kehrte das Haus, er kochte sein Essen, zerstieß Tropenwurzknollen und zerrieb Bohnen. Er nahm diese Arbeit und Mühe einer Frau auf sich, denn er war es nicht anders gewohnt.

Eines Tages war er wieder einmal ins Manenguba-Gebirge jagen gegangen. Er stieg den Berg hinauf und gelangte an den See namens Ebuoge. Dort sah er plötzlich eine Frau am Ufer stehen Woher sie kam, macht niemandem Kopfweh. Sie kam eben aus der unsinnlichen Welt, ob nun der See oder der Wald oder das Ried die „Pforte“ in die Sichtbarkeit für Ngoe war.

. Da wunderte er sich sehr, denn er begriff nicht, was für ein Mensch das sein solle. Und Ngoe nahte sich ihr und begann mit ihr ein Gespräch.

Das erste, das er sie fragte, war: Wer bist du denn eigentlich? Und die Frau antwortete: Ich bin ein Weib. Er forschte weiter: Wie heißt du? Antwort: Mein Name ist Sum’ Ediang. Die Frau wiederum fragte ihn nach seinem Namen und erhielt Bescheid: Ich bin Ngoe, wohne über der Bangem-Niederung drüben in Mw’ Ekang. Die Frau fragte weiter: Was bringt dich denn hierher? Er antwortete: Ich verfolgte ein Wild und so habe ich dich hier ge- {31}

[zwei handschriftliche Notizen auf Rückseite von S. 30: Ähnlich überliefern auch die Meta im Grasland. Vor langer Zeit haben sie mit den Engi und Mogomo zusammen an einem Ort Tadkon [?] gewohnt. Damals sei auch die Gottheit noch in ihrer Nähe gewesen, aber keiner konnte ihn, den Unsichtbaren, sehen. Als Streitigkeiten unter ihnen ausbrachen, haben die anwesenden [?] Stämme ihren gemeinsamen Wohnsitz verlassen und sich getrennt in anderen Landschaften angesiedelt. Die ersten Menschen sind vor allem die Erzeuger der Menschheit. Diese Frage beschäftigt die Kameruner mehr als die Erschaffung der Welt, obwohl es auch Leute gibt, die darüber auch grübeln.]

troffen. Und Ngoe fragte die Sum’ Ediang: Möchtest du mich als deinen Mann? Sie antwortete: Ja, gern! Da nahm er die Frau mit sich, führte sie heim, und sie ward seine Gattin.

Da wurde denn Ngoe all der Arbeit und Mühen ledig, die den Frauen zukommen. Und beide wohnten in Mw’ Ekang in großem Frieden, sie liebten sich gegenseitig, so daß Gott ihnen seinen Segen nicht vorenthielt Daß es rechtschaffene friedliche Leute waren, betont die Überlieferung ausdrücklich und stellt damit Friedfertigkeit und Rechtschaffenheit zum Ideal im Land auf; vgl. auch S. 34f und ---.

und ihnen sieben (manche zählen noch mehr auf) Kinder schenkte: Asume, Anong, Enam, Ngel, Abog, Mbong und Mukundú.

Ich übergehe den Bericht, wie diese Patriarchen der Stämme um den Manenguba und Kupé sich zerstreuten und ihre Stammesgruppen gründeten, und fahre mit den Bakosi fort:

Eines Tages war Asume, Sohn des Ngoe auf der Jagd in der Gegend des Kupé gegangen und erlegte dort viel Wild. Die Gegend sagte ihm zu und er beschloß, sich dort für immer anzusiedeln. Nach Hause zurückgekehrt, teilte er seinem Vater sein Vorhaben mit, brach auf und baute sich an den Hängen des Kupe an Damit übergeht der Überlieferer die Tatsache, daß die heute am Kupe wohnenden Bakosi die heute bei Mbanga siedelnden --- von ihrem Sitze vertrieben.

. Dort zeugte er fünf Kinder: die Söhne Nno, Etuge, Sunendem und Mbwog-Mud und eine Tochter Etane „die Fünfte“. Von ihnen kommen die fünf Unterstämme der Bakosi: Mwa-Nno, Mw’ Etug, Mwa-Sunendem, Mbwog-Mud und Mw’ Etan, die heute am Kupe und im Mbidehin [?] siedeln. Ngoe, Stammvater der Stämme um den Manenguba

Wie hier bei den Stämmen um den Manenguba gezeigt, fangen auch in anderen Gegenden die Ursprünge plötzlich an, man weiß nicht, woher die ersten Menschen kamen; z. B. bei den Basa:

Über die Erschaffung der Welt und der ersten Menschen wissen wir nichts. Unsere ersten Vorfahren kamen aus dem fernen Osten aus dem Loche eines großen Felsens hervor (das ist wiederum nichts anderes als: Sie kamen aus der Unsinnlichkeit in unsere Sinnenwelt); es waren Motesop und ein Weib Lambo. Die hatten am Anfang noch Schwänze. Sie gebaren viele Kinder und wurden bald zu einem großen Stamm. Unter einem großen Häuptling namens Pem ndje tomb entstand Unzufriedenheit und Krieg, der Stamm trennte sich und ein großer Teil wanderte aus, dem Tiefland zu. (So berichtet von Missionar J. Stutz Stutz, Jakob Missionar (nach Bericht vom 26.7.09) 1909). Mann und Frau, männlich und weiblich

Die Duála gehen aus von einem Ort Piti, wo Mbongo ihr Stammvater war und von wo die Nachkommen wegen allerlei Streitigkeiten wegziehen, sich trennen und ihre heutigen Wohnsitze besiedeln.

Nirgends schreibt man den Vorfahren oder den „Schatten“, auch nicht dem Ngoe die Schöpfung Schöpfung zu, wenn man auch glaubt, daß sie für die Fruchtbarkeit Fruchtbarkeit unter ihren Nachkommen sorgen und so ihren Stamm erhalten, vgl. S. ---. Die Ahnen sind überall geschaffene Menschen. Man spricht aber davon, daß die „Schatten“ Veränderungen an der Erdoberfläche vornahmen. So können sie nach der Überlieferung das Wasser in den beiden Kraterseen des Manenguba Manenguba steigen lassen, vgl. S. 34, Berge ließen sie unvollendet, weil ihnen das Baumaterial ausging oder der Regen ihr Werk verdarb, vgl. S. 1.

b. Warum sich der Wirker Wirker von den Menschen trennte

Die Basa berichten: Der Wirker schuf das All und „begann“ auch die Menschheit. Man sagt: Er „gebar“ zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen. Der Wirker pflegte seine Kinder auf das Feld zu schicken; er selbst blieb zurück und kochte für sie. Bei ihrer Rückkehr vom Acker fanden sie die Speise jeweils gar gekocht vor. Und wußten doch nicht, wie sie gekocht worden war, denn sie kannten das Feuer Feuer nicht.

Eines Tages waren sie wieder aufs Feld gegangen. Da sandte der Mann das Weib heimlich zurück, damit sie herausfinde, wie Gott die Speise koche. Das Weib versteckte sich hinter dem Haus und sah nun, wie Gott einen kleinen {32} Stein und ein Stück Eisen Eisen nahm und mit dem Eisen an den Stein schlug, wie kleine Funken aus dem Stein fuhren in getrocknete Fasern und wie Gott damit das Feuer anblies und dann kochte. Als dann die Frau aus dem Versteck heraustrat, ward Gott zornig, schalt sie und schickte sie fort aufs Feld. So hatten denn die Menschen das Feuer gleichsam gestohlen.

Damals lebten Menschen und Tier, Tierwelt Tiere in Freundschaft Freundschaft zusammen und kein Tier tat dem Menschen etwas zuleide. Aber die beiden Menschen gruben eine Fanggrube, obwohl ihnen das Gesetz gesagt war, sie sollten kein Tier töten töten. Eines Morgens war nun ein Elefant Elefant in die Grube gestürzt und sie brachten seinen Rüssel mit nach Hause, um ihn zu kochen und zu verzehren. Als der Wirker dies sah, wurde er noch zorniger als das erste Mal und sagte: Jetzt gehe ich von euch fort und wohne nicht mehr mit euch beisammen, denn ihr gehorcht mir nicht.

Er packte also all seine Habe in einen Sack zusammen, hing ihn auf den Rücken und ging meerwärts. Da kam er an das große Wasser, wo der Meeresschlamm ist. Dort blieb er stehen und schalt die Menschen mit Verwünschungen und sagte: So jetzt gehe ich von euch, ihr Menschen und alle Tiere; bleibt zurück in eurer Torheit und tötet euch gegenseitig.

Da machte er den Schlangen und Leoparden und Elefanten und anderen Tieren „böse“ Zähne, um damit die Menschen zu töten, und erregte zwischen ihnen Feindschaft. Und wie er so im Schlamm stand, sprach er noch, der Schlamm solle hart werden wie ein Stein. Und so geschah es auch.

Und dann ging der Wirker von der Erde weg; er ist aber nicht gestorben, sondern existiert bis auf den heutigen Tag. Wo er aber im Schlamm stand, da sind seine Fußstapfen in jenem Steine Auch die Jaunde berichten, daß Zamba (= Nyambe „Gottheit“) seine Fußspuren in Felsen um Ndze ndzala Berg in der Mooge-Manga-Landschaft eingedrückt haben soll, vgl. Koloniale Rundschau 1912, S. 476.

heute noch zu sehen.

In dieser Überlieferung scheint sich das Bewußtsein widerzuspiegeln, daß der Besitz des Feuers der Anfang der Kultur, vgl. auch S. 227, ist und das Kochen der Speise den Menschen vom Tiere unterscheidet. Vergleiche dazu auch das Märchen, wonach sich der Schimpanse Schimpanse von seinem Bruder Mensch getrennt habe, weil dieser sich aufs Bereiten der Nahrung mittels Feuer besser verstand als er selbst Wirker .

[das folgende Märchen zu Seite 32 gehörig, aber nicht genau zuzuordnen] Märchen

Warum sich die Tiere von den Menschen trennten.

Menschen und Tiere waren einst eine Sippe (mbia mo). Ihr Sippenvorsteher hieß Ekumakuku. Der hatte sehr viele Frauen, die ihm verschiedenerlei Kinder gebaren, teils richtige Menschen, teils Waldtiere.

Aber die Menschengruppe mochte die Tiergruppe nicht ein bißchen und eines Tages kam es zu einem großen Streit wegen des Hochmuts der Menschen. Der, welcher dabei für die Menschen als Sprecher auftrat, begann in übelster Weise auf die Tiere zu schelten und ihnen der Menschen Verachtung auszudrücken. Da trat auch eines der Tiere auf zu deren Verteidigung und sagte: Wieso seid ihr Menschen denn gegen uns so stolz; wieso seid ihr denn mehr als wir? Habt ihr zwei Füße und zwei Hände, so haben wir doch vier Füße! Als Antwort wurde ihm darauf [gesagt]: Wir übertreffen euch in so vieler Hinsicht, daß auf deine Frage im einzelnen gar nicht geantwortet werden kann. Ihr seid halt Tiere; der Bescheid möge euch genügen. Ich kann dich ruhig töten und zum abendlichen Alokasiabrei verzehren, wenn ich mag!

Der Sprecher der Tiere wollte gerade noch eine Kleinigkeit erwidern, da schlug ihm der Mensch einen Prügel auf den Kopf und tötete ihn. Darauf schlachtete er ihn schnell aus, verteilte ihn an seine Mitmenschen, die das Fleisch mit großem Vergnügen verzehrten. Als die Tiere sahen, was da geschehen war, fingen sie mit den Menschen Streit an, wurden aber überwunden und aus der Siedlung verjagt. So siedelten sich die Tiere nun im Wald an.

Eines Tages heckten nun die Tiere einen Plan aus, um ihren von den Menschen verzehrten Bruder zu rächen. Und sie wählten die ganz wilden Tiere aus, daß sie den Menschen auflauerten und ihnen Schmerzen bereiteten oder sie töteten. Diese Tiere sind: Der Gorilla Gorilla, Leopard Leopard, Büffel, Riesenschlange, vgl. auch Schlange Riesenschlange und andere Schlange Schlangen; einige davon halten sich auch im Wasser auf wie Flußpferd Flußpferd, Krokodil Krokodil, Haifisch, Sägefisch, Rochen und ähnliche. Der Mensch aber läßt sich mit keinem einzigen von diesen zu einem Spiele ein, sondern tötet jedes mit Speer Speer, Harpune, Haumesser Haumesser, Pfeil, Fanggrube, Fallen und verschiedenen anderen Jagd- und Fischereigerätschaften. Er betrügt auch andere Tiere in seinem Hause wie Schwein Schwein, Ziege Ziege, Schaf Schaf, Rind, Hund und Katze.

Eines Tages aber brach ein Leopard in das Dorf der Menschen ein, fing eine Frau, die ihm unterwegs begegnete, und eilte mit ihr in den Wald. Auf ihr Geschrei eilten die Männer dem Leoparden in den Wald nach, aber sie fanden die Frau nicht mehr. Die Tiere wollten aber die Frau nicht töten, denn sie sagten „Eine Frau stirbt nicht im Kriege“ ( Sprichwörter Sprichwort), sondern sie gaben sie dem Häuptling der Schwanzaffen. Dieser zeugte mit dieser Frau den Schimpansen und den Hundsaffen, die ja dem Menschen ähnlich sind. Tier, Tierwelt

Die Frage: „Warum der Weg zum Himmel gesperrt ist“, behandeln verschiedene Märchen, vgl. auch Note zu S. 110.

Früher hatten die Menschen eine Leiter (mancherorts ist‘s eine Liane Liane oder eine Kette) und konnten daran in den Himmel steigen und wieder zur Erde zurückkehren. Sie sollten aber zur Trockenzeit nicht in den Himmel kommen, weil dann alle Himmelsmenschen gestorben seien und nur ihre Knochen herumliegen. Einer aber hielt sich nicht an dieses Verbot und ging mitten in der Trockenzeit hinauf und er sah überall Knochen herumliegen. Da nahm er sich einen Schenkelknochen, um sich eine Flöte daraus zu machen, und stieg wieder zur Erde zurück.

Es kam die Zeit, da die ersten Regen fielen und alles belebte sich wieder, die Knochen wuchsen zu Menschen zusammen und alle konnten wieder wandern, nur einer nicht, denn er vermißte seinen Schenkelknochen. Niemand wußte, wo er geblieben [war]. Weil sie aber vermuteten, daß einer von der Erde gekommen und das Bein gestohlen hatte, nahmen sie die Leiter weg, so daß keiner mehr von der Erde in den Himmel steigen kann. Darum sagt man: Wäre jener Mann nicht gewesen, so könnten wir heute noch in den Himmel und zurück zur Erde steigen.

Ausführlich in Meinhofs Zeitschrift für Kol. Sprachen, Band ---, S. ---ff. (von Chr. Gehr).

Duala-Überlieferung: vgl. S. 124f.

c. Die Todesursache Todesursache

Das Problem Leben-Tod ist das Problem der Kameruner. All ihr Sinnen und okkultes Unternehmen ist auf Beseitigung des Todes und auf Erhaltung des Lebens gerichtet, obwohl manche Stämme kein Wort für das Abstraktum „ Leben Leben“ haben. Man sagt dort etwa „oben bleiben“, d. h. nicht in den Hades, die Siedlung der Schatten, müssen. Im Duala ist longe „Leben“ abzuleiten von onga „gerettet werden, davonkommen“, ist also der Zustand, der durch Gerettetwerden vor Tod und Verderben erreicht wird. Viele Sprichwörter aber geben der allgemeinen Erfahrung Ausdruck: Wider den Tod ist kein Kraut gewachsen. Auf ihre Frage: wie kam nun der Tod in die Welt? suchen wir Antwort aus ihrer Überlieferung.

Wiederum die Basa erzählen: Lande war ein großer Mensch und aller anderer Vater. Eines Tages brachte er ein Wildschwein von der Treibjagd nach Hause und zerlegte es innerhalb seines Vorratszaunes, wo auch die Ackerfrüchte lagen, die seine Frau von Acker nach Hause getragen [hatte]. Lande freute sich {33} sehr, als er den schönen Vorrat an Fleisch und Knollenfrüchten betrachtete, so daß er alles um sich vergaß und nichts mehr anderes sah noch hörte. Ein Gedanke nahm ihn ganz gefangen: Wie gut wird das alles schmecken, wenn die Frau es gekocht hat! Er schwelgte schon ganz in dem Genuß.

Da ging gerade ein fremder Mann namens Om „Leben“ durch Lande’s Dorf. Von fernher war er gekommen, Lande zu besuchen, mit ihm Freundschaft zu schließen und ihm immerwährendes Leben zu versprechen. Das Mann war „das Leben“ selbst. Als er durch Lande’s Hofstatt schritt, rief er laut: Lande, Lande, komm doch, komm! Aber Lande sah und hörte nichts bei seinem Eßvorräten, die seine Sinne ganz gefangen hielten. „Leben“ erhielt darum keine Antwort, ging vorüber und verschwand am Dorfesrande im Wald, ohne sein wertvolles Geschenk zurückzulassen.

Einige Zeit verging. Lande kam aus seinem Vorratszaun, um seine Frau zu fragen, ob sie trockenes Holz zum Kochen bereitliegen habe. Da kam plötzlich ein anderer Mann durch seinen Hof, der hieß Kred „Tod“. Kaum hatte er Lande stehen sehen, da fiel er über ihn her, packte ihn und eilte mit ihm davon. Niemand hat den Lande seitdem gesehen; man sagte, er sei halt gestorben.

So kam die Menschheit um das Leben, weil Lande nur für seinen Bauch sorgen wollte. Und nun hat der Tod die Herrschaft über alle.

Eine tiefempfundene Überlieferung: Die Gier nach irdischem Genuß bringt die Menschen um das höchste Gut, das Leben, und macht sie zu Knechten des Todes.

Eine andere Überlieferung ist Gemeingut vieler Bantu-Stämme, wobei die Idee überall die gleiche ist, nur die Tier-Boten variieren. Ich gebe eine Überlieferung der Meta Meta im Bamendabezirk (Grasland):

Am Anfang, als die ersten Menschen gestorben waren, versammelten sich die Menschen einmal und es beschäftigte sie die Frage: Wird ein Mensch wieder lebendig, wenn er einmal gestorben ist, oder bleibt er im Tode? Da sie sich nicht einig werden konnten, schickten sie einen Boten zu Gott, um sich Auskunft zu erbitten. Gott rief nun die Kröte Kröte und das Chamäleon und gab ihnen seine Aufträge. Der Kröte gab er Rotholzfarbe, vgl. S. 8, und sagte ihr, sie solle damit die Wegkreuzung (Ahnenopferplatz) bestreichen als Zeichen, daß die Menschen wieder zum Leben zurückkehren, wenn sie gestorben sind. Dem Chamäleon, vgl. S. 26 und ---, gab er Holzasche (hier Zeichen der Trauer), damit es sie auf die Wegkreuzung streue als Zeichen, daß wer einmal gestorben sei, auch im Tode bleibe.

Die Kröte nahm ihre Rotholzfarbschale und machte sich in großen Sprüngen auf den Marsch zu den Menschen. Bald aber fand sie Insekten auf dem Wege und sie verweilte, las die Insekten auf und verzehrte sie. Das Chamäleon nahm sein Aschenbündel und ging bedächtig seinen Weg, indem es langsam ein Bein vor das andere setzte. Es hielt sich nirgends auf und überholte bald die Kröte. So kam es zeitig an die Wegkreuzung und bestreute sie mit Asche Asche.

Als später auch die Kröte mit ihrer Freudenbotschaft kam, da war das Todeszeichen schon auf der Wegkreuzung und die erste Botschaft sollte ja nach Gottes Bestimmung gelten. Die Menschen sagten zur Kröte: Geh nur mit deiner Botschaft; wir haben die erste Kunde schon als gültig angenommen. – Darum sterben sterben nun die Menschen und keiner kehrt mehr wieder, denn des Chamäleons Botschaft ist gültig.

Dieses Märchen zeigt deutlich: Erstens, daß der Schöpfer Schöpfer und höchste Richter Richter von den Ahnen getrennt gedacht wird; dies ist um so wichtiger, als bezüglich des Gottesnamens im Grasland gewisse Schwierigkeiten bestehen, welche man im Waldland nicht hat, vgl. Nyikob auf S. 121f.; zum anderen, daß der Mensch zwar von der Erde verschwindet, seine Schattenseele (edimo) Schattenseele aber weiter existiert; drittens, warum das Chamäleon mit seinen treuherzigen Stielaugen so stark tabu ist.

Eine dritte Überlieferung fand ich bei den Bakundu: Ngule, die farbige Eidechse Eidechse, und Eleu, der Haftzeher, vgl. S. 26, waren gegangen den Epas’ a motoHalbmensch Halbmenschen“ Gemeint ist hier „der Höchste [?] in der unsichtbaren Welt“, wie [?] man ihn manchmal in dieser Überlieferung auch mutudu „den Alten, Vorsteher, Mundwalt der Sippe“ nennt.

, vgl. S. 47ff., zu besuchen. Dieser sagte zu Ngule, er solle in die Siedlung gehen, wo die Menschen wohnen, dort solle er seine tägliche Nahrung haben. Ngule hatte dazu keine Lust. Da sagte Eleu zu ihm: Freund, {34} es wäre doch gut, wenn du tätest, wie Epas’ a moto Epas’ a moto will, und in die Stadt gingest. Gehst du nicht, so will ich hingehen. Und Eleu machte sich auf und ging zu den Menschen. Der Dorfvorsteher mutudu a moto saß vor seinem Haus auf der Dorfstraße. Als er Eleu kommen sah, rief er seinem Sohn, daß er das ‘schlimme Ding’ töte. Der tat nach seines Vaters Auftrag und, weil ihm dabei von dem Blute des Eleu auf die Füße tropfte, starb alsbald dieser Sohn. Der Alte sah dies und rief alle Dorfbewohner zusammen. Erschrocken schrieen sie auf: „Dieses böse Ding kam plötzlich in unsere Siedlung herein und seinetwegen ist einer der Unseren gestorben; es wird noch unser ganzes Dorf zugrunde richten“.

Später fragte Epas’ a moto den Ngule, ob denn Eleu nicht wieder zurück sei aus der Siedlung. Ngule gab Bescheid, daß die Menschen Eleu umgebracht hätten. Da sagte Epas’ a moto: Weil Blut Blut auf Erden vergossen worden ist, so sollen von jetzt an alle Menschen sterben! Auf diese Weise kam der Tod in diese Welt.

Nun wird ngule von den Kamerunern geschont, aber wo man des eleu habhaft werden kann, wird es getötet.

Die Basa erzählen, wie die Menschen zunächst ohne Not und Streit beisammen und in Gemeinschaft mit den Tieren gelebt hatten, vgl. S. 31f., und darum sehr alt wurden, ja zunächst überhaupt nicht gestorben seien. War einer alt und schwach geworden, so legte man ihn unter eine gewisse Nachtschatten Nachtschattenart hinterm Haus, so wurde er wieder jung, so daß die Tiere schon Angst bekamen, daß sie vor lauter Menschen keinen Platz mehr auf Erden hätten. Erst durch Übertretung von Gottes Gebot seien Not und Haß >Haß und damit auch der Tod unter die Menschen gekommen. Todesursache

d.  Sintflut Sintflutsage

Aus Bakosi: Unsere Väter haben uns berichtet, daß in ganz alter Zeit die Gegend um den Manenguba Manenguba sehr besiedelt war. Aber es waren das rauhe und unbarmherzige Leute. Eines Tages kam eine ganz alte Frau von dem Berg herunter. Sie war voller Eiterpusteln, ihr Haar zusammengeklebt und ihr Körper voller Schmutz, so daß man sich ekelte, sie nur anzusehen. Mit einem kleinen Korb auf der Schulter ging nun Ngote Nkang, denn so hieß die Alte, durchs ganze Dorf von Haus zu Haus und bat, daß man sie aufnehmen, reinigen und scheren scheren möge. Aber weil sie so abscheulich aussah, wies sie jedermann ab und verjagte sie mit groben Worten von seinem Hauseingang. So erging es Ngote Nkang vor allen Häusern, bis sie zuletzt am Ortsausgang zu einer kleinen Hütte kam. Darin lebte ein armer Mann mit seiner Frau und einigen Kindern. Sie nahmen Ngote Nkang freundlich auf, taten nach ihrem Begehr, scherten das schmutzige Haar ab, wuschen und pflegten sie auf jegliche Weise und gaben ihr Speise und Trank.

Gegen Abend rüstete sich Ngote Nkang zum Aufbruch. Ihre Gastfreunde gaben ihr das Geleit bis zum nächsten Kreuzweg Kreuzweg, wie es die Sitte Sitte bei einem gewünschten Gast erfordert. Am Kreuzweg blieb die fremde Frau stehen und sagte zu ihren Freunden: Ich gehe nun, ihr aber kehret nach Hause zurück. Machet eure Kinder und die Habe zurecht, denn ihr müßt noch diese Nacht auswandern. Ich, Ngote Nkang, selbst werde kommen und euch holen und zum Versteck bringen. Denn der Bergsee wird überlaufen und das Wasser Wasser wird alle Bergbewohner mit fortreißen; keiner wird davonkommen. Ihr aber sollt euer Leben und eure Kinder retten, denn ihr seid mitleidig und helft armen Leuten, wie mir; und wer Mitleid übt, erfährt auch wieder Hilfe.

In der Nacht traf alles ein, wie Ngote Nkang vorausgesagt. Sie selbst kam und rief ihren Freunden, daß sie ihr folgten. Sie führte sie hinüber jenseits der Niederung von Mwa Ngem und verbarg sie auf dem hohen Berg, der nahe bei dem Dörflein Nte hog heute noch zu sehen ist. Kaum waren sie auf dem jenseitigen Berge, da stieg das Wasser des Ebuoge-Kraters, trat über dessen Rand, lief den Berg hinunter und riß alle Menschen mit sich fort. Und alle, alle starben. Das kam daher, daß sie mit Leidenden nicht mitleidig waren.

Aber die menschliche Gesellschaft stammt von der einen Herdstelle jener Leute ab, die Ngote Nkang vom Manenguba-Gebirge errettete.

Nach einer Variation dieser Überlieferung wohnte an dem Manenguba die Urmenschheit, die Nachkommen des Ngoe, Stammvater der Stämme um den Manenguba Ngoe, vgl. S. 30. Bei der Sintflut seien dann alle weggeschwemmt worden, aber nicht alle umgekommen. Wer sich unterwegs im Busch festhalten konnte, blieb in den Wäldern hängen, siedelte sich dort an und wurde Stammvater des dortigen Völkleins.„Von Tieren und Sachen hatte jeder je zwei Stück mitgenommen, so daß er etwas besaß“, ist vielleicht dem biblischen Flutbericht nachgesprochen.

Jeder vergaß, woher er gekommen [war] und mit wem er zu einer Geschlechterfolge zusammengehörte. – Das aus dem Ebuoge-Krater übergelaufene Wasser soll sich in

{35}

[Notiz auf Rückseite von Seite 34: Parallel zum Turmbau zu Babel ist der Schwank: Wie die ... Leute einen + [vermutlich Duala-Wort] auffangen wollten.]

das Tal nordwestlich von Nyandong ergossen und dort im See Bemé in der Babubuog-Landschaft gesammelt haben. Auch sonst gibt es noch Berichte von Seen, die ihre Lage verändert haben. So soll der in seinen weitesten Dimensionen 366 m Länge und 230 m Breite fassende See bei Bambulue, 10 Meilen südöstlich von Bamendea ursprünglich in Bambili, nordöstlich von Bamenda gelegen haben. Der Tradition nach habe ihn der Bambulue-Häuptling nach seiner Stadt gebracht, weil er als der Stärkere Anspruch darauf zu haben glaubte. – Es gibt aber noch eine andere Tradition, danach habe der See in Bambili drei dortigen Bürgern gehört. Der Plackereien mit dem See überdrüssig, beschlossen die Eigentümer den See nach Bambulue zu bringen. Auf den abgemachten Tag wurde aber der eine Mann krank und konnte nicht mitkommen. Die beiden anderen leiteten den See über. Als der Kranke wieder genesen war und zu den anderen kam, nahmen sie ihn nicht wieder in ihre Gesellschaft auf. Darum forderte er seinen Teil an dem See für sich und als er ihn erhalten [hatte], brachte er ihn auf die andere Seite von Bambule und baute sich dort an. – Für die Bambulue-Leute ist der See tabu; nur ihrem Häuptling ist es gestattet, in dem See zu baden.

Zwischen den beiden Seen auf dem Gebirge und dem im Tal finden sich in den Gemarkungen Nkikog, Nkag, Nyandong u. a. viele unfruchtbare, kiesige Stellen. Diese sollen nach Meinung der Leute heute noch Zeugnis davon ablegen, daß hier einmal Wasser geflossen sei und zwar bei besagtem Anlaß.

Auf dem nordöstlichen Abhang des Manenguba überliefert man: Aus den vielen Menschen, die bei der Sintflut umgekommen seien, habe sich ein Mann und seine Schwester auf den Gipfel des Nlonako retten können und von ihnen stammten nun alle Menschen der bekannten Erde. (Während der zuerst geschilderte Zufluchtsort im Nordwesten des Manenguba liegt, trennt den Nlonako im Nordosten von ihm ein breites Tal, durch das jetzt die Nordbahn führt.)

Ob jener Hilfsbereite unter den rauhen Manenguba-Leuten auch in folgender Überlieferung gemeint ist, konnte mir keiner sagen, nur vermuten alle, daß dies der nämliche sei:

In Mwandele Ngoe in der Nähe des Monolithen bei Mwaku in der Ninong-Landschaft (unterhalb des obengenannten Berges bei Nte hog) wohnte ein Mann ganz zurückgezogen, um allem Streite aus dem Weg zu gehen; es wird wohl der Stammvater Ngoe gewesen sein. Bis heute noch wird seine Friedensliebe und Nachgiebigkeit im ganzen Land gerühmt. Kommt nun einer in ein Dorf in jener Gegend und beginnt zu krakeelen, so sagt man ihm: E womtan, we mo pede ne a Mwandele Ngoe? „Meinst du denn, du seiest jetzt nach Mwandele Ngoe gekommen?“ d. h. jene alten Zeiten des guten Friedens sind vorbei, wir können uns unserer Haut wehren.

Nach einer Version war Ngoe, der Stammvater, jener hilfsbereite, in der Sintflut gerettete, noch Junggeselle. Die Alte, die ihn rettete, nahm ihn mit nach Mwangele Ngoe. Bevor die Frau dort starb, habe sie den Ngoe gesegnet und ihm gesagt: Weil du mir all das Gute getan, sollst du gesegnet sein. Du siehst zwar den Segen jetzt noch nicht, du mußt darauf warten. Auf Grund dieses Segens habe er dann später die Sum’ Ediang auf dem Manenguba gefunden und mit ihr all die Nachkommenschaft gezeugt, vgl. S. 30f.

Dieser Sintflutsage vom Manenguba ähnelt eine aus dem Grasland, wo in der Bamenda-Gegend ein Erdbeben das Verhängnis über ungute Menschen brachte Sintflut . Ngoe, Stammvater der Stämme um den Manenguba

e. Das Ende des Goldenen Zeitalters, oder: Wieso Mühsal Mühsal und schwere Arbeit Arbeit zu den Menschen kamen

In ganz alter Zeit mußten die Menschen nicht arbeiten und sich mühen, sondern trafen alles Lebensnotwendige in ihren Häusern; alle Arbeiten verrichteten sich selbst. Eine Frau aber war schuld daran, daß Mühsal und Arbeit auf Erden kamen; und diese Frau hieß nye Tata Ndele D. h. „Mutter des Herrn Vorfahren Ndele“, vgl. dazu obiges mwa-Ndele Ngoe „Sippensiedlung des Ndele, Sohn des Ngoe“.

. Sie hatte eine Tochter. Die wuchs heran. Da kam ein junger Mann aus einer entfernt gelegenen Siedlung und sagte der nye Tata Ndele: „Ich begehre deine Tochter als Frau.“ Und er nahm die Jungfrau und führte sie heim. Als sie nach einem Jahr einem Kind das Leben geschenkt [hatte], schickte man der Alten Botschaft. Und nye Tata Ndele begab sich auf den Weg, um ihre Tochter zu besuchen und zu pflegen. Nahe an dem Dorfeingang begrüßten sie die Leute der Sitte gemäß: „Schwiegermutter, bist du gut hergekommen?“ Und sie erwiderte: „Ja; und geht es euch auch gut?“ Die anderen antworteten: „Ja.“ Darauf ging sie in das Haus, grüßte ihre Tochter und ließ sich nieder. Und sofort gaben ihr die Hausbewohner das Verbot: „Wenn du ein Ding mit roter Öffnung Die tiefroten Wurzeln des Pterocarpus erinaceus und santalinoides werden zwischen zwei Steinen zerrieben, mit Wasser oder Salböl gemischt und als Farbe der Freude Mutter und Kind, auch Kultgegenständen angestrichen. Die Schale dafür steht gewöhnlich unter dem Bett der Wöchnerin, so auch hier.

unter der Bettstatt siehst, so sage nicht, was hat denn da solch einen roten Mund? Oder was immer du bei uns siehst, frage nicht nach seinem Namen oder nach seiner Aufgabe, wie lange du auch bei uns sein magst! {36} Fragst du doch dergleichen, so bringst du uns in große Not.“ Man gab ihr auch das andere Verbot: „Wenn du Arbeiten siehst, die sich selbst verrichten, so sprich nicht davon! Siehst du etwa Baumstämme aus dem Wald kommen, die sich vorm Hause spalten und sich unter den Herd schieben und das Essen kochen, so sage nichts. Richtest du dich danach, so kannst du es dir lange bei uns wohlsein lassen“.

Nye Tat Ndele hörte zwar die Ratschläge, achtete aber auf keinen. Gleich fragte sie: „Was ist denn da unter dem Bett, was solch roten Mund hat?“ Und ihre Tochter schalt sie, daß sie doch nicht so Unnützes fragen solle. Kurz darauf sah die Frau Nahrungsmittel aus dem Feld kommen, die richteten sich selbst zu, legten sich in Töpfe und begannen sich selbst zu kochen. Kaum sah die Alte dies, da rief sie: „Ei, schau doch da, da ist ja Speise, die sich selbst kocht!“ Das Schelten und Klagen ihrer Tochter half nichts. Die Frau sah Gras, das sich selbst jätete, und sofort fragte sie danach, so daß alle Anwesenden sehr ärgerlich wurden. Dann kam Feuerholz aus dem Wald, legte sich vor den Hauseingang, spaltete sich, las sich auf und legte sich unter den Herd aufs Feuer. „Na, na; da spaltet sich ja gar das Holz von selbst und liest sich auf!“ rief die Alte. Ähnlich war es, als sich das Rotholz Rotholz selbst zerrieb und als sich das Haus selbst reinigte; bei jedem neuen Ding fragte sie nach seinem Namen und besprach sofort dessen Handlung. Die Tochter tadelte die Mutter jedesmal, aber diese hörte nicht darauf und sagte: „Bei uns zu Hause müssen wir Menschen die Arbeiten selbst verrichten, ehe man sie genießen kann, aber hier geschieht ja alles ohne menschliches Mühen!“ Als die Dinge und Sachen solches hörten, da wollten sie auch nicht mehr für die Menschen arbeiten, sondern warteten, bis sich die Menschen um sie bemühten.

Eines Tages war nun die Tochter aus dem Haus gegangen, da fragte die Alte ihren Schwiegersohn, was denn so rot unter dem Bett hervorschimmere, und sie griff auch nach der Farbschüssel, um sie ihm zu zeigen. Er wurde aber sehr ärgerlich und gab ihr keinen Bescheid. Die Tochter kam wieder ins Haus und ihr Mann fragte sie: „Was fragt denn deine Mutter auch stets, was sie nicht soll?“ Und im Zorn warf der Mann seiner Frau die Schüssel an den Kopf. Und alle Leute verließen die Siedlung und ließen die Wöchnerin mit ihrer Mutter allein zurück. Und da niemand da war, der kochte und andere Wochenbetthilfe leistete, kamen sie in große Not.

Da wollte die Alte nicht mehr im Hause des Schwiegersohns bleiben, ja die Tochter nötigte sie fortzugehen. Sie rüstete sich zur Rückkehr in ihr Dorf. Die Tochter gab ihr für unterwegs Öl und Salz und Tabak und sagte ihr: „An der Weggabelung triffst du zwei Wasser. Du mußt nun den Weg durch das tiefe, dunkle Wasser einschlagen, gehe nicht in das klare Wasser, das ist nicht gut!“

Sie kam nach einer Weile an die Wegkreuzung und sah die beiden Wasser. Da sprach sie zu sich selbst: „Wie soll ich nun das klare Wasser meiden und durch das trübe waten? Das tue ich nicht!“ Und wider der Tochter Rat schritt sie in das klare Wasser hinein. Als sie aber auf der anderen Seite herauskam, da war ihr ganzer Körper voller Schmutz und ekelhafter Dinge. Sie ging aber trotzdem weiter auf dem Weg, der ihr abgeraten war. Sie war nicht weit gekommen, da kam ihr ein Oger, Menschenverschlinger Oger (menschenverschlingendes Ungeheuer, wie der Wolf in den deutschen Verschlingemythen, vgl. auch Oger Verschlingemärchen) mit einem Kopf entgegen. Der fragte, woher sie komme, und sie gab Bescheid. Da bettelte er etwas von dem, was sie bei sich trug, und sie teilte ihr Öl und gab ihm die eine Hälfte. Da ließ er sie weitergehen. Ein Stück des Weges weiter traf sie einen Oger mit zwei Köpfen, der bettelte sie an und sie gab ihm den Rest des Öls, und sie konnte weitergehen. Dann stieß sie auf einen Oger mit drei Köpfen, dem gab sie einen Teil des Salzes und konnte weitergehen. So ging es fort, bis sie alles, was sie besaß, weggegeben hatte. Da kam ihr zuletzt noch ein Oger mit neun Köpfen entgegen und weil sie nichts mehr in Händen hatte, da verschlang er die nye Tata Ndele mit Haut und Haar, vgl. S. 110.

Als die Frau aus dem Dorf des Schwiegersohnes weggegangen war und die Leute wieder in ihre Häuser zurückkehrten, da wollten die Sachen nicht mehr sich selbst arbeiten, sondern warteten bis die Menschen zugriffen. Da mußten nun alle Leute anfangen, sich selbst zu mühen, wenn sie etwas haben wollten. – Wäre nun diese nye Tata Ndele nicht gewesen, so

{37}

[auf Rückseite von S. 36 unten: 3 Mube ngea 1911, S. 115. Midi ma bawedi mi mala nde o mbeng’ a minanga, mi matele nde bakala, bakala be nde bedimo.]

müßten sich die Menschen bis auf den heutigen Tag noch nicht abarbeiten; die Ackerfrüchte würden sich selbst säen, der Acker sich selbst bestellen, das Wild selbst sein Fleisch zu den Menschen bringen, die Töpfe sich selbst kochen, und alle, alle Arbeiten sich selbst verrichten. Darum sagt man: Der Mund der nye Tata Ndele hat den Menschen alle Mühsal eingebracht. Darum warnt heute eine Mutter ihr Kind, das zu freigiebig ist mit Worten: E’bong be nlem be lele mod a wu „Herzensgüte tötet (= bringt in Verlegenheit) leicht einen Menschen“; Bakosi- Sprichwörter Sprichwort. Mühsal

f. Die Idee des Todesüberwinders

wird besonders in den Verschlingemärchen behandelt; folgende Gedanken sind meist darin benutzt:

Früher war die ganze Erde mit Menschen bevölkert. Da kam ein Ungeheuer und verschlang nach und nach alle Menschen; das gefürchtete Ungeheuer hieß Joma ndene „Großes Ding“, vgl. S. 36; 81, Note 1; 110. Nur eine Frau und ihre beiden Söhne lebten noch, und um sich zu retten, siedelten sie sich auf einem hohen Wollbaum an. Als das älteste Kind herangewachsen war, entschloß es sich, den Verschlinger zu bekämpfen. Er stieß ins Horn und als Joma ndene gekommen [war], warf ihm der Bursche ein Seil hinab, damit er den Baum besteige. Als Joma ndene sich der Krone näherte, durchhieb der Bursche das Seil und das Ungeheuer stürzte ab ohne Schaden zu nehmen. Nun ging der Bursche in den Himmel, um sich die rechten [?] Waffen zu holen. Er verbot dem jüngeren Bruder, mit dem Ungeheuer anzubändeln. Dieser aber hörte nicht auf den Bruder und wurde verschlungen. Bei seiner Rückkehr gelang es dem Burschen, das Ungeheuer zu fällen und all die verschlungenen Menschen zu befreien. – Diese stellten sich nun in zwei Reihen auf: Die Hell- und die Dunkelfarbigen. Als es donnerte, erhoben sich die Hellfarbigen in den Himmel, vgl. S. 37, die Schwarzen blieben unten auf Erden und machten den Retter zum Häuptling.

Als die Weiße Weißen ins Land kamen, glaubte man, das seien die in den Himmel gestiegenen Hellfarbigen und führte ihre Überlegenheit darauf zurück, daß sie aus dem Himmel stammen; vgl. auch S. 38 b und c.

Die Frage nach Herkunft der Menschen, die Schrecken des Todes, die Ursache der Mühsal, die Sehnsucht nach Friede Frieden und ähnliche tiefe Fragen haben sicherlich immer die Herzen des Kameruners bewegt, und in Mythe, Mythenbildung Mythen wie den vorstehend geschilderten haben sie Antworten gesucht. Entbehren sie auch nicht alle jeglicher Moral, Moralität Moral, so sind sie doch ziemlich arm daran. Aber sie sind doch eine Parallele zu den Berichten der Genesis Mosis, die auf ähnliche Fragen Antwort geben will Ursprung des Menschen . Überlieferungen

2. Die verschiedenen Menschen Rassen rassen

Bei den meisten Stämmen existiert ein Wort für „ Menschheit Menschheit“ nicht; man gebraucht dafür das Wort moto, pl. bato moto „Mensch“, z. B. Aba, matika masu ma biso moto ma masua nde ndjika ponda e? „Liebe Zeit, wann kommen denn mal unsere Nöte von uns Mensch(heit) zu Ende?“ – Weil ihnen zunächst die Anschauung von anderen MenschenrassenMan kennt – im Süden besser, im Norden nur durch dunkles Gerücht – auch die Pygmäen. Vielerorts sieht man zwar Schwarze in ihnen, aber solche, die über [mehr] magische Kräfte verfügen als andere Leute. So stehen sie zwischen Menschen und Waldgeistern, mit denen man nichts weiter anfangen kann. Die Jaunde und andere, die ins Pygmäengebiet eingedrungen sind, stehen in Handelsbeziehungen zu diesen kurzen Menschen. Einzelne Häuptlinge halten sich in freier [?] Weise einige Pygmäenfamilien im Wald, wie mittelalterliche Grafen bei uns ihre Hofjuden hielten. Die Jaunde nennen sie nkoe, bekoe, am Kamerunberg heißen sie ---.

fehlte, war „Mensch“ nur der Kameruner, der Dunkelhäutige. Erst als sie in den Europäern eine weitere Menschenrasse kennenlernten, mußte die Sprache Sprache unterscheiden. Der Vorgang ist im Innern noch am leichtesten zu erkennen. Im Bali ist mu „der Mensch“; als sie die Europäer dort kennenlernten, wurde unterschieden mu sisi „der dunkelfarbige Mensch“ und mu bang „der rote Mensch“. Im Kenyang ist zwar ndeg, pl. bareg für „hellhäutig, Europäer“ heimisch geworden, aber für den dunkelbraunen Afrikaner gibt es kein besonderes Wort, man sagt „der eigentliche Mensch“. An der Küste nahm man in manchen Sprachen das Wort für „Schwärze“, gebildet aus dem Wortstamm *pinda „schwarz, dunkel werden“, soe z. B. Duala: mundo 3 Es darf nicht befremden, wenn diese Menschenbezeichnung nicht der Personenklasse mu-ba angehört. Es ist ja zunächst eine Farbbezeichnung „Schwärze“ und „Fahlheit“. Dann bezeichnet es die damit umschriebene Gruppe von Menschen und erst in übertragenem Sinne bedeutet es „Glied“ dieser Gruppe.

, mindo 4, Bankon: mfín 1, bafin 2 u. a. Für Europäer stand hier zunächst das Wort munanga munanga 3 [derselbe Text wie Note darüber]

, und mbongo 9 „fahl, hellfarben“ zur Verfügung, das man auch auf die Farbe Farbe der Geister Geister, Albino Albinos und übersinnlichen Wesen angewendet hatte. Weil aber die Europäer nach Kalabar kamen, bevor sie in Kamerun bekannt wurden, übernahm man auch die Bezeichnung für diese Fremde, Fremdlinge Fremden von dort: mukala Mukala, ba- Mukala, ba- ist Personenklasse, wie andere von Verben gebildete Nomina agentia.

, vom Efik-Verb kara „klug, überlegen sein“, so daß mukala also nicht „der Weiße“ heißt, sondern der „Überlegene, der Europäer“. Dieses Wort hat sich bis ins Grasland hinauf als Bezeichnung für diese hellfarbige Rasse durchgesetzt.

Mit dem alten Namen munanga war noch nicht die Vorstellung über das Wesen und die Herkunft dieser „Fahlen“ gegeben. Ihre Schiffe tauchten am Horizont im Westen auf. Keiner wußte, daß ganz weit dahinter auch ein Land liegt. So nahm die Volkspsychologie zunächst an, daß die Fahlen aus dem Wasser stiegen und eine Art mengu „Wassergeister“ seien, vgl. S. 117f. Sie stammten aus der über- , unsinnliche Welt übersinnlichen Welt; trotz mancher gegenteiliger Beobachtungen ließ doch die Farbe keinen Zweifel zu; auch die Himmelsbewohner Himmelsbewohner, vgl. S. 38c, sind minanga „fahl“. Und so hielt man im Innern die ersten Weiße Weißen für aus der Totenwelt wiedergekehrte Schatten Als Dr. Zintgraf 1889 auf dem Marsch ins Innere war, hörte man auch in Bali von seinem Kommen und da er nur 3, 4 Tagesmärsche vor Bali noch Gefechte hatte, war Häuptling Garega im Zweifel, ob der „rote“ Führer ein Mensch oder ein Schatten sei. Da sandte ihm der Häuptling Kundschafter entgegen. Sie hatten Dr. Zintgraf Palmwein und Erdnüsse anzubieten; nehme er an und esse, so müsse es ein Mensch sein, verweigere er das Essen, so sei er aus der Totenwelt gekommen. So wurde es im Voraus festgelegt. Am folgenden Tag wurde der „Mensch“ Dr. Zintgraf mit großem Pomp in Bali aufgenommen und er ließ sich dort nieder.

. Denn wie wir Weißen uns Gespenst, vgl. Spuk, Wiedergänger Gespenster, Teufel, u. ä. als schwarz vorstellen, so der Schwarze die Wesen der unsinnlichen Welt hellfarbig, fahl. So wurden die ersten Weißen, die ins {38a} Innere vordrangen, entweder freundlich von den Alten aufgenommen oder man floh ängstlich vor ihnen. Zu der mythologischen Schätzung, die die Kameruner den Weißen angedeihen ließen, kam natürlich noch, daß sie den Primitiven in allen Stücken kulturell überlegen waren. Daher die Hochschätzung der Weißen. Und so kann man auch verstehen, daß zwei Duala-Häuptlinge sich gegenseitig mit Krieg überzogen, weil jeder den ersten Weißen, der sich auf dem dortigen Festlande niederließ, auf seinem Gebiete wohnen haben wollte. So hat Galega in Bali in Dr. Zintgraf „seinen“ Weißen haben wollen und das ist auch der Grund, warum man der Mission, Missionare, vgl. auch Christen Mission überall gerne Land gab für Stationsgründungen.

Die ersten Weißen, die die Kameruner sahen, waren Engländer und Deutsche Deutsche; rassenmäßig fand man keinen Unterschied zwischen ihnen. Als aber nach dem Weltkrieg mit den Franzosen auch viele dunkle Südländer, auch Griechen und Syrer ins Land kamen, fragten die Kameruner erstaunt: Bakala ba e? „Sind das auch Weiße?“ Dieses Erstaunen wurde aber nicht nur laut wegen der dunklen Färbung dieser Fahlen, sondern auch wegen der Art der Franzosen, die ja von Rassengrenzen nichts wissen wollten.

Ging nach und nach auch den Leuten auf, daß auch die ihnen intellektuell überlegenen Weißen Fleisch und Blut haben wie die eigentlichen Menschen, so hat doch all das Unrecht, das die Leute gelegentlich von der weißen Rasse als solcher und noch mehr von einzelnen unter ihnen erfuhren und nach ihrer Anschauung zu erfahren glaubten, doch die Vorstellung nicht ganz zu erschüttern vermocht, daß der „fahle“ munanga doch ein „überlegener“ mukala, gleichsam ein höheres Wesen sei. Damit wollten sie nicht nur das größere Wissen und Können anerkennen, sondern es drückt sich hier das Gefühl des Abstandes gegenüber der höheren Rasse aus. Nur so ist auch das früher geradezu geflügelte Wort zu verstehen: Loba a tombi te, bakala ba mapo „Nach Gott kommen gleich die Europäer“, d. h. sie stehen Gott näher als den Afrikanern.

Daß diese hohe Meinung über die Weißen immer mehr schwindet, hat nicht die christliche Lehre von der Gleichheit aller Menschen vor Gott verursacht, sondern mit der Einsicht in europäische Schwächen mußte ganz natürlich auch der Strahlenglanz ums Haupt des weißen Mannes erblassen. Wo aber der intimste Verkehr zwischen Weiß und Schwarz auch die primitivste Rassengrenze verwischt und niederreißt, treten die Europäer selbst ihre Glorie in den Dreck. Diese Grenze wurde aber seither von keiner europäischen Gruppe so peinlich beachtet wie von den Trägern der christlichen Ethik munanga . mukala

{38b} Wie die verschiedenen Menschenrassen entstanden (Bakwiri- Märchen Märchen)

Vor langer, langer Zeit lebten alle Leute der Erde beieinander, sie verrichteten die gleichen Geschäfte und sprachen die gleiche Sprache Sprache. Da schlossen sich Gruppen zusammen, um zu gemeinsamer Jagd zu gehen, denn die damaligen wilden Tier, Tierwelt Tiere waren sehr groß. War ein Tier erlegt, so teilte man das Fleisch und jeder trug seinen Teil zu seiner Hütte und verzehrte es bei einem Fest mit Frau und Kind.

Einmal waren sie auch wieder auf die Jagd gegangen und hatten ein Tier größer als ein Elefant getötet. Da gab es einen großen Tanz und Vergnügen und dann zog jeder zufrieden mit seinem Anteil zu seiner Hütte.

In dieser Landschaft lebte nun ein Mann mit seiner Frau und Tochter. Dieser Mann brachte seinen Anteil nach Hause und betrog dann Weib und Kind, Frauen sei der Genuß dieses Fleisches tabu. So konnte er sich an dem großen Brocken gütlich tun, bis er auf den letzten Bissen verzehrt war.

Eines Tages war die Frau daran, ein Huhn zu ihrem Mahl zu bereiten und sie sandte ihre Tochter weg, daß sie ein Beil bei einem der Nachbarn borge. Das Mädchen ging ins nächste Haus, fand aber kein Beil, aber sie traf einige Frauen beisammensitzen und Fleisch essen. Die luden das Mädchen [ein] mitzuhalten. Das nahm ein Stück Kochbanane Kochbanane und Fleisch, dankte und ging hinaus. Dort aß es das Bananenstück, aber das Fleisch wagte es nicht zu verzehren. Auch im zweiten Haus fand es kein Beil, nahm aber auf freundliche Einladung hin auch hier ein Stück Banane und etwas Fleisch. So kam es noch in verschiedene Häuser und überall wurde das Mädchen zum Essen eingeladen wie vorher. Dann wandte sich das Mädchen mit einer ganz schönen Portion Fleisch heimwärts.

Daheim begann die Mutter zu schelten, warum sie denn so lange ausgeblieben sei; sie wurde aber ruhig, als ihr die Tochter das viele Fleisch zeigte und ihr alles Gehörte berichtete. Da merkte die Frau, daß sie von ihrem selbstsüchtigen Mann betrogen worden war, sie verbarg alles Fleisch in ihrem liwanya „Tontopf“ und schickte die Tochter, daß sie auf allen Abfallhaufen der Nachbarn die Knochen sammle. Das tat die Tochter, und als sie die Knochen brachte, zerrieb sie die Mutter zu einem feinen Pulver.

Der Mann kam von seinem Ausgang nach Hause und schon bei seinem Eintritt in die Hütte roch er den angenehmen Duft von dem gut zubereiteten Fleisch. Er traute seiner Nase nicht recht; er stand still, schnupperte in der Luft herum und donnerte dann los: Wer hat in dieses Haus Fleisch gebracht? Die Frau brachte den Topf mit den zerriebenen Knochen und sagte, dies sei die Würze, womit sie ihre Speisen duften mache. Der Mann war dadurch zunächst beschwichtigt, doch nicht ganz zufriedengestellt.

Daher fing er eines Tages, als seine Frau ins Feld gegangen war, an, alle Ecken und Winkel des Hauses zu durchsuchen, bis er schließlich den Fleischrest in der liwanya fand. „Also hat mich meine Nase doch nicht betrogen!“ rief er erfreut aus und machte sich’s bequem, um den schmackhaften Fund zu verzehren. Das Fleisch war bald gegessen, aber seine Gier noch nicht gestillt; darum hob er die liwanya hoch, um die Tunke zu schlürfen. Da blieb aber zu seinem größten Schreck der Topf über seinem Kopfe gestülpt und trotz aller Bemühung konnte er ihn nicht mehr entfernen: Er strengte sich an, schrie, schlug den Kopf mit dem Topf an einen Pfosten und machte andere verzweifelte Anstrengungen, den Topf loszuwerden; allein alles war umsonst. Die Frau kam nach Hause, aber sie blieb taub gegen die Bitten des Mannes um Hilfe; sie ging mit ihrer Tochter auf ihre Farm und ließ den Mann in seinen Qualen sterben.

In dem dichten Wald, dahin sie gingen, lebte ein ungeheuerlich großer Menschenverschlinger namens Yoma ’ndene, vgl. S. 110; der war ganz unersättlich und lebte nur vom Verschlingen von Menschen. Damals hatte Yoma ’ndene schon fast alle Menschen, die auf Erden gewohnt, verschlungen. Nun erwartete die Frau ein Kindlein und nach Landessitte mußte sie gewisse Drogen vor der Geburt zu sich nehmen. Darum sandte sie ihre Tochter zu ihrem Bruder Ngombe-Ngombe, der jenseits des großen Waldes wohnte.

Als das Mädchen unterwegs war, begegnete ihr auf einmal ein ungeheuerlich großer Kopf, der fragte es, wohin es gehe. Es gab Bescheid, es sei unterwegs zu ihrem Onkel. Da lachte es der Kopf an und er sagte, es solle {38c} weitergehen. Bald stieß es auf zwei große Köpfe, die zusammengewachsen waren. Die fragten sie auch nach ihrem Wege und erhielten die gleiche Antwort. Verächtlich lachend ließen die beiden Köpfe das Mädchen passieren. Immer wieder kam das Mädchen zu einem anderen Geschöpf, jedes einen Kopf mehr als das vorhergehende. Da ließ es auch der mit neun Köpfen weitergehen, nachdem es seine Fragen beantwortet hatte.

Zuletzt aber nahte sich ihr Yoma ’ndene. Sein Kommen wurde durch einen heftigen Sturm angekündigt. Dann aber brüllte das Ungeheuer: Wohin willst du? Das Mädchen antwortete mit zitternder Stimme, daß es für seine Mutter Kräutermedizinen suchen wolle. Yoma ’ndene sagte, daß er es nicht verstehe; es solle näher zu ihm herankommen. Er wollte es aber auch da noch nicht verstehen können und das Mädchen mußte immer näherkommen und seine Antwort auf der Zehe, dann dem Knie, auf dem Nabel, der Brustwarze des Ungeheuers stehend wiederholen. Zuletzt mußte es auf seine Lippen treten und seine Antwort geben. Da – einen Schwapp – und hinunter ging’s in den weiten Magen.

Die Mutter wurde des Wartens müde und so sandte sie ihre Bitte um Drogen durch einen Habicht, der über ihren Kopf weg zu ihrem Bruder flog. Der Habicht richtete bald seine Botschaft aus. Ngombe-Ngombe, der ein ‘Gefüllter’ war, begriff, daß Yoma ’ndene bei der Sache seine Hand im Spiel hatte, machte sich daran, verschiedene Dolche für die Reise zu seiner Schwester zuzurichten; denn mit seinen ‘vier Augen’ sah er, was ihm bevorstand. Er schmiedete und schärfte die Dolche und brach auf, um seine Schwester zu besuchen. In der Zwischenzeit aber war diese selbst von dem Ungeheuer verschlungen worden.

Ngombe-Ngombe hatte unterwegs die gleichen Abenteuer wie seine Nichte und stieß zuletzt auch auf Yoma ’ndene; der fragte auch ihn gleich jenen, die er schon verschlungen hatte. Ngombe-Ngombe trat auf seinen Fuß, dann auf das Knie, den Leib, die Schulter und zuletzt auf des Ungeheuers Lippe und wurde von dort aus verschlungen. Kaum war aber der Mann in Yoma ’ndene’s Bauch gekommen, als dieser innerlich starke Schmerzen fühlte. Nach und nach wurden diese Schmerzen immer stärker, denn Ngombe-Ngombe hatte alle seine Dolche unter die anderen verteilt, die er im Bauch angetroffen [hatte], und jeder säbelte nun an dem Ungeheuer herum. Yoma ’ndene eilte zu seiner Frau und sagte: Gib mir ein stark[es] Klistier, denn ich habe schon viele verschlungen, aber so weh hat mir noch keiner ge[tan]! Das Klistier aber minderte die Schmerzen nicht im geringsten; im Gegenteil, sie wuchsen immer mehr und waren nicht zum Aushalten. Yoma ’ndene warf sich auf den Boden, grunzte und brüllte, bis jeder Baum und Fels erzitterte.

Er rannte an die Flüsse und Seen, um zu trinken und sich in seinem Todeskampf zu erfrischen, aber zu seiner Enttäuschung war nirgends ein Tropfen Wasser zu finden, denn Ngombe-Ngombe hatte die Schattengeister alle Bäche, Flüsse, Seen, ja das Meer austrocknen lassen. Je mehr sich Yoma ’ndene in seinen Schmerzen wand, desto emsiger schnitten die Leute in seinem Magen an der Bauchdecke herum. Zuletzt wurde er ohnmächtig und starb nach einer Weile.

Schließlich hatten die Leute durch die Bauchdecke ein Loch geschnitten und nun kamen alle heraus, die verschlungen waren: Schwarze und Weiße; alle kamen heraus aus dem großen Loch in der Verschlingers Bauch. Entsprechend ihrer Farbe Farbe stellten sich die Menschen in zwei große Haufen: die Schwarzen sammelten sich um Ngombe-Ngombe und er war ihr Oberster. Als aber ein starker Donnerschlag ertönte, wurden die Weißen weggerückt in den Himmel.

Zusatz: So die alte Fassung. Ein Lehrer, den ich das Märchen seinen Kindern erzählen hörte, ließ auch Braune und Rote aus des Ogers Bauch kommen, dann die Gleichfarbigen sich sammeln und jede Gruppe in besonderer Richtung nach ihrem Wohnsitz ziehen; und so hätte sich die Gesamtmenschheit getrennt und die verschiedenen Menschenrassen gebildet Rassen .

{38a}

3. Was man vom menschlichen Körper Körper weiß

a.  Anatomie Anatomische Kenntnisse

Obwohl früher bei manchen Stämmen den Leiche Leichen aller Erwachsenen, bei anderen nur den Verdächtigen zwecks Eingeweideschau der Leib geöffnet wurde (doma dibum „Bauch spalten“), vgl. S. 96, war ihnen doch das Studium des menschlichen Körpers nicht nur fremd, sondern verpönt, tabu. Was man vom menschlichen Körper wußte, war wohl meist erschlossen durch Vergleich mit Tierkörpern, die ja beim schlachten Schlachten zerlegt werden; und man muß sich wundern, wieviel sie vom anatomischen Aufbau des menschlichen Körpers wissen.

Die Sprache hat Namen ungefähr für alle, oder doch alle wichtigen Körperteile, Glieder und Knochen Knochen. Die Röhrenknochen bewese ba misongo sind mit musongo „Mark, Füllsel“ gefüllt. Der fleischlose mulopoKopf, vgl. auch Schädel Kopf“ heißt ekekelekeSchädel Schädel“. Vom ganzen menschlichen Körper ist er am meisten mana mana-haltig. Kein Wunder, daß auch die Kopfmaske das wichtigste Stück bei der Verkleidung der Dämonendarsteller der Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kultbünde ist. Der Schädel ist für {39a} Fremde, Fremdlinge Fremde tabu; die Nachkommen verehren ihn in manchen Stämmen, wo die Leichname nach einigen Monaten ausgegraben und die Schädel eingebracht werden. In anderen Gegenden vertritt ein Stein Stein die Stelle des väterlichen Schädels, vgl. S. 16. Der Schädel besteht aus mbombo 9 „Vorderkopf, Stirn“, dem Sitz des Glück, -sgut Glück, -sgut Glückes und dikodika 5 „Hinterkopf“, zwischen welchem bongo 15 „das Gehirn“ eingebettet ist. Dibobodi 5 „der Scheitel“ oder „Fontanelle“ ist die höchste Stelle des Kopfes; der Haarscheitel ist mwanda „Spaltung“. Im boso, my- 13 „ Gesicht Gesicht“ sind diso, miso „die Augen“, mit mitonga ma miso „den Augäpfeln“, mpemba 3 „Nase“ mit ndjongo „den Nasenlöchern“, matoi „Ohren“ mit dem nyango a toi „Ohrenschmalz“, und dem mudumbu 3 „Mund“ mit eyeme 7 „der Zunge“, masonga „Zähnen“, von denen man masonga ma boso „Schneide-“, masonga ma mbo „Eck-“ und bekiko „Backenzähne“ unterscheidet, dem eyasaso 7 (won ase [?]) „Gaumen“, der im mungongi „Schlund“ endet. Der bewegliche Teil des Mundes ist nyaso oder mpe „der Unterkiefer“ mit dem ewes’ a mpe „Backenknochen“, zusammengehalten vom ibodu „Kinn“. Abgeschlossen ist der Mund durch lama, ma- die „Wangen“ mit epopo, be- den „Lippen“, bepopo ba miso sind „die Lider“. Der Kopf sitzt auf den dikata, ma- „Schultern“ mittels des nyíngo „Halses, Nackens“, dessen innerer Teil der Schlund mungongi „Rachen, Luft- und Speiseröhre“ ist. Man weiß, daß die eine Röhre für die Luft, die andere für die Speise ist, weiß aber nicht, welche von ihnen vorn und welche hinten ist. Oberhalb der bwanga „Brust“ verbinden ngambo 9 „die Schlüsselbeine“ die Schultern, nach hinten mukumbu 3 „die Gegend unterhalb der Schulterblätter“. Mongo „die Wirbelsäule“ und mbandja „die Rippen“ schließen esaosao, be- „Lungen“, mulemaHerz Herz“, musisa, mi- „Adern“, dibadiLeber Leber“ mit mbongi „Gallenblase“, gefüllt mit madiba ma mbongi „Galle“, ebunga „Magen“, mbabo „Milz“, esandjandja „die Blase“ und mbanga ma ndjim „Nierennüsse“ ein. Im Zwerchfell liegt die Fähigkeit, „sich zu spalten, sich spalten“, vgl. S. 44, 48. Im dibumBauch Bauch“ mit dem mutodi „Nabel“ lagert mwea, my- „das Gedärme“. Nabelbrüche betrachtete man nicht als einen Schaden, sondern eine Zier und hat daher keinen besonderen Namen dafür; „Hodenbrüche“ sind mitole. Das Gedärme umfassen auch die inneren Genitalien; die äußeren sind tabu und obszön zu nennen. In manchen Stämmen setzt man Gebärmutter und Nachgeburt Nachgeburt als eines, so daß jedes Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kind seine besondere Gebärmutter habe; das Duala unterscheidet esale 7 „Gebärmutter“, ngobi 9 „Nachgeburt“ und koki 9 „ Nabelschnur Nabelschnur“. Diso la munyudu „Auge des Hinterteils, d. h. After“ ist umgeben vom munyudu 3 „Hinterteil“ mit den makandí „Hinterbacken“. Tongo 10 „die Hüftknochen“ mit den edue, be- „Lenden“ und miwei 4 „Leistengegend“ schließen den Bauch nach unten ab. Enama, be- „Glieder“ fassen Beine und Arme zusammen. Nicht am Knöchel, wie bei uns, werden Fuß und Hand begrenzt, sondern am Ellenbogen dibongo la dia „Handbiegung“ und am Knie dibongo la mwende „Fußbiegung“. So unterscheidet man panga „Oberarm“ und dibebe „Oberschenkel“ (bei den Tieren an jedem Bein). Dia, ma „Vorderarm und Hand“, mwende „Unterschenkel und Fuß“ mit mbombongo 9 „Schienbein“, dibunga „Wade“ und tindi la mwende „Ferse“; tanga, ma- ist „Handfläche und Fußsohle“, mune, pl. mine „Zehen und Finger“ mit nyandì 10 „ Nägel Nägeln“; Hand- und Fußgelenke heißen jongea, m- „das sich Verlängernde, das sich Anfügende“, von onga „ansetzen, verlängern“.

Der ganze Körper ist von musisa, mi- „Blutadern“ durchzogen, womit aber aus anatomischer Unkenntnis auch „Sehne“ bezeichnet wird; „Nerven“ sind den Primitiven unbekannt, obwohl sie auch nervös werden können. Der Körper ist mit eyobo eyobo, be- „ Haut Haut“ überzogen, womit auch der ganze physische Mensch bezeichnet wird, vgl. S. 22; sie ist bedeckt mit nyoHaar Haaren“ (nyue „graues Haar“); der „Bart“ ist masedu 6, dessen eine Hälfte sedu 5, ein „Barthaar“, auch „Spitzbart“, früher oft geflochten, ndjedu „Backenbart, Mähne“; kekele „Augenbrauen“, nyo a miso „Augenhaare“, d. h. Wimpern.

Man sieht also, daß die Kameruner eine Fülle von anatomischen Bezeichnungen haben. Will man aber Genaueres über den Aufbau oder die inneren Funktionen des Körpers hören, so stößt man auf große Unkenntnis; z. B. wissen sie nichts über die Drüsen und ihre Aufgaben. Aber ist das bei uns wesentlich anders, wo anschaulicher Schulunterricht fehlt?

{39b} Über Entstehung des menschlichen Körpers im Mutterleib webt dem Kameruner ein Geheimnis, vgl. Note S. 41, denn alle Geburt, gebären Geburten stammen aus der unsichtbaren Welt, die Mehrzahl aus dem Hades Hades durch Vermittlung der Ahnen, vgl. Furchtbarkeitskult, manche aus dem Himmel, vgl. S. 123f. Die Ahnen schicken unmündig Verstorbene wieder auf die Erde zurück und lassen sie dort geboren werden. Außerdem schafft der [?] Ahnengott aber auch neue Wesen, vgl. S. 6, ähnlich wie ein Schmied (so am Kamerunberg) oder aus Lehm wie in den Bakosibergen. Die Bakosi sagen, solche vom Wirker geformte Menschenkinder sähen aus wie Eidechse Eidechsen, hätten auch ein Schwänzchen.Da es bei den Ko. strenges Tabu ist, zwei Menschen in ein Grab zu legen (womit bei ihnen wohl auch das sonstwo geübte Mitgeben von Sklaven an verstorbenen Großen verboten ist, vgl. S. ---), so schneidet man dort aus der Leiche einer Frau, die in gesegneten Umständen starb, den Fötus heraus und begräbt ihn besonders. Daher ist ihnen das Aussehen des Fötus in allen Entwicklungen bekannt.

Durch Vermittlung einer <alten Frau, die sich in einem Fels [?] oder sonst dynamistisch geladenen Platz aufhält>, wurden diese Kinder vorübergehenden Frauen in ihren Mutterleib <geschossen>, dort wachsen diese Gestältlein zum Fötus heran.

So reden die Kameruner oft von einer Art Präexistenz, vgl. auch Wiedergeborenwerden Präexistenz der Menschen, aber auch von einem periodischen Wechseln des Aufenthaltes hier auf Erden und im Jenseits. Anatomie

{40}

[eingeklebter Zettel: Es ist auch möglich, daß früher nicht der sexuelle Akt zu gewissen Zeiten dem Gefahrenzustand rief, sondern nur wo er eine ordnungsgemäße Äußerung des gemeinsamen Familienlebens war. Daher ist die Freinacht Freinacht beim Tod eines Häuptlings verständlich, wo man seine Frau nicht beschlafen darf, aber der freie Verkehr der Geschlechter allgemein ist. S. 40 unten Vgl. Billmanns Bericht aus Bafut in Relig. kundl. Beiblatt, Marburg 1936, VI. 2.]
b.  Physiologie Physiologische Kenntnisse

Es ist also nicht zu erwarten, daß die Vorgänge im Menschenkörper genau erkannt sind und daß sein wunderbarer Aufbau etwa gar wissenschaftlich erklärt werden könnte. Weiß man nichts von Nerven, so ist das Funktionieren dieses Systems erst recht im Dunkeln. Die Bildung des Blutes aus der Nahrung und seine Zirkulation, das Verdauungssystem, die Atmung und der Einfluß der Luft aufs Blut ist in Kamerun ursprünglich so wenig bekannt, wie es vor wenigen Jahrhunderten bei uns war.

Stattdessen haben die Kameruner ihr eigenes System – wenn man von solchem reden darf – physiologischer Ideen, die zwar vielfach auf Aberglauben beruhen und jeder wissenschaftlichen Begründung entbehren, aber doch allgemein und zuversichtlich geglaubt werden und den Hintergrund von einer Menge magischer und kultischer Handlungen bilden. Ohne Einblick in dieses System ist das Denken, Glaube Glauben, Handeln des Kameruners nicht zu verstehen. Hier sei dieses Gebiet aber nur kurz gestreift; näheres ist in meinem Aufsatz --- in --- nachzulesen.

Die verschiedenen Namen, die die Altersstufen des Menschen haben, zeigen, daß hier verschiedene Perioden beobachtet werden, jede mit ihrem besonderen Charakter. Zwischen den einzelnen Perioden sind Übergangszeiten, die als gefährlich angesehen werden, weshalb dazu besondere Mysterien Mysterien zu üben sind, die stärkste beim Übergang aus der Jugend ins reife Geschlechtsleben, -symbolik Geschlechtsleben und wenn der Tod eines Nahestehenden ins Menschenleben greift. Die einzelnen Perioden seien kurz aufgeführt:

Mwenge, mi- (vom Stamm -kengele) ma munaSäugling Säugling“, welche Periode mit der Entwöhnung Entwöhnung, meist im dritten Lebensjahre, endigt. Die Tage bis zum Abfallen der Nabelschnur Nabelschnur gelten als Zeit der unrein Unreinheit und Schwachheit in besonderem Sinn. Darum wird das Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kind von keinen anderen als den Pflegern angefaßt; der Fremde, Fremdlinge Fremde und das Kind sind zu schützen. Zum Abschluß dieses Zustandes ist, meist am neunten Tage nach der Geburt, ein Fest Fest, während dem die Hütte der Mutter gereinigt wird; auch ein Zeichen, daß die Unreinheit der Wöchnerin Wöchnerin und des Kindes abgetan sind. Schon vor diesem Tage sind mancherlei Zeremonien Zeremonien zu beachten; vgl. meinen Aufsatz „Die ersten 2 Wochen im Leben eines Kosi-Kindes“ [„Das Leben eines Kosi-Kindes in den ersten zwei Wochen“] in der Zeitschrift für Eingeborenen-Sprachen, Band XX, 1929/30, S. 256–282. Das Kind wird dem Mond gezeigt, vgl. S. 5, vgl. das Legen des Säuglings aufs Dach bei den Kosi Kosi, gewisse Basa-Gruppen „taufen“, d. h. überschütten den Säugling mit Palmwein Palmwein, und ähnliche Sitten; es werden dem Kind Hanf Schnüre schnüre um Hand- und Fußgelenke, Hüfte und Hals angelegt – ein Zeichen, daß das Kind nicht mehr unbekleidet, d. h. daß es in die menschliche Gesellschaft aufgenommen ist. Bis zum Abfallen der Hanfschnüre und zur Entwöhnung wird das Kind aber nicht als ein ganz gesundes Menschenkind angesehen; es bedarf beständiger Drogen Klistier klistiere, es wird in Wasser Wasser gebadet, in dem Mittel zur Stärkung liegen, z. B. Schimpansenknochen, und man behängt es mit Amulett Amuletten (Baumrinden, Zähnen u. ä.). Nach der Entwöhnung ist dem Kind noch eine besondere Medizin, Machtmittel Medizin zu machen, damit es unbehelligt in die „ Kindheit, vgl. auch Entwicklung Kindheit“ eintreten kann.

Denn wie das Säuglingsalter ist auch das Kindesalter nicht von aller Unreinheit und Anfälligkeit frei. Symbolisch wird diese Schwäche durch die Beschneidung Beschneidung abgetan. Bei den meisten Stämmen geschieht sie beim Erwachen des Geschlechtstriebs, bei anderen aber auch nur einige Tage nach der Geburt. Es ist aber nicht nur ein körperliches Zeichen, sondern hat sowohl soziale, wie auch religiöse Bedeutung. Nun tritt der Junge (er ist nun nicht mehr muna, ba- „Kind“, sondern mpesa ma moto „schmucker Mensch, Jüngling“ im Unterschied zu ngondedi 9 „ Mädchen Mädchen, Jungfrau“) in die Reihe der geschlechtsfähigen Sippenglieder ein. Hat ein Unbeschnittener mit einer Frau Umgang, so wird das mehr als eine Spielerei und nicht als Geschlechtsakt angesehen, weshalb früher, als nach eingeborener Sitte Sitte solche Hurerei Hurerei noch hart gestraft werden konnte, die Väter die Beschneidung ihrer Söhne hinausschoben, um sie zu schützen.

Dieser Übergang vom geschlechtsunbewußten zum -bewußten Stande ist der tiefste Einschnitt im Leben des Primitiven und war durch Übungen sozi- {41} alen Charakters gezeichnet und geschützt, die wir auf S. 191ff. beschreiben. Religiös ist der Akt der Beschneidung, als damit der über- , unsinnliche Welt übersinnlichen Welt ein Opfer, vgl. auch Kulte und Ahnenkult Opfer gegeben wird: Ein Stück des Menschen wird anstelle des ganzen Menschen gegeben. Außerdem liegt der Beschneidung die Anschauung zugrunde, daß der Geschlechtsapparat (und das Geschlechtsleben nimmt ja einen großen Teil des Denkens der Leute gefangen, deren Religion vornehmlich Fruchtbarkeitskult Fruchtbarkeitskult ist) in ungutem, unreinem Zustand ist; nun wird er durch Hingabe der Vorhaut gereinigt und der Mensch in den Zustand gesetzt, daß er an dem Geheimnis der Zeugung Zeugung Anteil hat. Damit, daß einer verheiratet ist, ist er in Wirklichkeit erst moto, pl. bato moto, ba- „Mensch“ geworden und als Glied einer mbia „Geschlechterfolge“ hat er die Aufgabe, bei deren Wachsen mitzuhelfen.

Außer diesen Anschauungen über das Menschenleben und Handlungen soziale Verhältnisse sozialer Natur sind auch solche Zeitabschnitte zu beachten, da man den Menschen als in Unreinheit stehend erachtet. In diesem Stand gilt nicht nur der Mensch selbst als in Gefahr stehend, sondern dieser Gefahrenzustand Gefahrenzustand wirkt auch ansteckend auf andere und bringt sie in Gefahr. Darum hat sich ein solcher Mensch aus Rücksicht auf sein und der Seinen Wohl allerlei Riten Riten und Reinigungen, Sühnehandlungen, zu unterziehen und es ist verständlich, wie in diesem Stück die physiologischen Vorstellungen, so unsinnig und falsch sie oft sein mögen, eine große Rolle im Leben der Kameruner spielen und ihnen viel unnötige Mühe, Not und Sorgen bereiten.

Solche Zeiten der Unreinheit sind: Der Monatsfluß der Frau, die Geburt selbst, der Geschlechtsakt unter besonderen Umständen, Krankheit Krankheit, Tod, Geburt von Zwillinge Zwillingen, Mord, Mörder Mord oder das Offenbarwerden, daß sonstwie der Körper in unguten Zustand geraten ist, vgl. mbeu a nyolo auf S. 97.

Bei Besprechung der Tabu-Regeln spielen auf S. 60 die eben angedeuteten Anschauungen eine besondere Rolle. Darum seien die Unreinheitsperioden hier kurz besprochen:

Während des Monatsflusses ist das Zusammengehen von Mann und Frau streng verboten; im Grasland hat die Frau für diese Tage eine besondere Hütte. Während der Geburt, gebären Geburt soll der Mann möglichst nicht anwesend sein, außer wenn er bei schweren Fällen gerufen wird, entweder um selbst ein Geständnis seiner Schuld an den bestehenden Schwierigkeiten abzulegen oder seine Frau zu solchem zu bewegen oder um sonst zu helfen. Die Frau muß gebadet werden und muß sich vor Frauen hüten, die Geburtsschwierigkeiten oder im Anschluß an eine Geburt Krankheiten hatten, besonders wenn ihre Geburt nicht leicht vonstatten ging. Gilt dies alles schon von einer einfachen Geburt, so in besonderem Maße von Zwillingsgeburten. Sie bringen die ganze Verwandtschaft in Gefahr und ihr Zustand gilt als besonders ansteckend, eine solche Geburt erfordert darum besonders vorsichtige Behandlung; weiteres vgl. auf S. 123f. – Der Kranke ist unrein; darum darf er sich aber auch nicht waschen, muß am Feuer Feuer sitzen und, wenn es ihm ganz schlimm geht, wird er in eine besondere Hütte in den Wald gebracht (wie auch die Zwillingsmutter), um abgesondert und allem fremden Einfluß entzogen zu sein. Dort steht er in Behandlung eines Medizinmannes, der nach Abheilen der Krankheit noch eine Schlußzeremonie zu verrichten hat, vgl. dindo auf S. ---, um die ausgesprochenen Tabu-Regeln zurückzunehmen und den Kranken dem allgemeinen Leben wiederzugeben. Der Tod Tod ist, wie kaum ein ander[es] Ereignis, für die, die der Fall am nächsten angeht, verunreinigend. Alle, die mit der Leiche Leiche in Berührung kommen, haben durch besondere Riten sich zu reinigen, die Totengräber Totengräber unmittelbar nach der Beerdigung Beerdigung, Witwen, vgl. auch Trauer Witwen und andere Trauernde nach Ablauf der mehrmonatigen Trauerperiode; vgl. S. 217ff. Mord und ihm verwandte Taten schaffen dadurch einen Gefahrenzustand für den Mörder, daß das mbaki mbaki, vgl. S. 19, 58ff., vom Umgebrachten auf den Übeltäter übergeht und das dann auch anderen gefährlich wird; desgleichen auch der mbeu a nyolo „ungute Zustand des Körpers“, der bei allerlei Gelegenheiten offenbar werden kann.

Der Geschlechts Verkehr, geschlechtlicher verkehr Man glaubt nicht, daß Beischlaf allein zur Empfängnis führt. Es muß dazu ein Eingreifen aus der Welt des ndimsi kommen. Von dort kommen die Kinder in den Mutterleib. Diesen Weg stellt man sich verschieden vor, vgl. S. 16. Man sagt auch, die Ahnen legen ein <Kind> in die Rotholzfarbschüssel unterm Bett einer Frau; trägt nun die Frau diese Farbe auf ihren Körper auf, um ihn <schön zu machen>, so geht geheimnisvollerweise das Kind in sie über.

ist zwar nicht wie die vorstehend aufgeführten physiologischen Tatsachen an und für sich verunreinigend und gefahrbringend, aber unter besonderen Umständen [doch] und unterliegt dann besonderem Verbot oder Gebot. – Es ist schon gesagt, daß der Verkehr von Unbeschnittenen, auch von Mädchen vor der Ehe, obwohl sie geschätzt sind, doch anders betrachtet {42} wird als der Verkehr von Eheleuten. Wahrscheinlich ist es nicht der Geschlechtsakt als solcher, der geregelt werden soll, sondern nur soweit er das regelmäßige soziale Leben der Familie berührt. So ist der Verkehr verheirateter Leute, die regelmäßigen Verkehr haben, also onya onya „auflodernd sind“, eine Gefahr für 1) besondere Individuen in der Gemeinschaft, -smahl Gemeinschaft, z. B. für Kranke, deren Krankheit durch den Akt neu entflammt würde, wenn sie mit Leuten zusammenkämen, die „auflodernd sind“; besonders gilt dies für den kranken Ortsvorsteher oder Häuptling Häuptling, für die Wöchnerin Wöchnerin, für ihr noch „nicht festes“ Kind. So ist auch für Eltern und Kind Eltern der Verkehr verboten bis etwa zwei Jahren nach der Geburt; denn kommt die Frau wieder in Hoffnung, so sagt man: Der Vater will das lebende Kind töten töten. Man weiß, daß die Frau nicht zwei Kinder zugleich ernähren kann, das an der Brust und das unterm Herzen; in diesem Falle ist Herbeiführen des Abortus Abortus gestattet. Rekonvaleszent Rekonvaleszenten müssen nicht gehen, wo Verheiratete vorbeikommen, noch weniger dürfen sie selbst Geschlechtsverkehr vor der Schlußrite, vgl. S. ---, haben. 2) Solcher Verkehr ist allgemein verboten, wenn die ganze Gemeinschaft in Gefahr steht, z. B. wenn Krieg Krieg droht, eine Epidemie wütet, während der großen Trauerzeit (dja dibua), sonst malebo ma wusa buka babo „würde sie die Trauer überwältigen“. 3) Geschlechtsverkehr bringt Leute und ihr Werk in Gefahr, die vor besonderen Aufgaben stehen: Krieg, Jagd, Jäger Jagd etc.; z. B. der Walharpunier muß sich während der Jagdzeit nicht nur des Umgangs mit einer Frau, sondern auch jeder geschlechtlichen Erregung enthalten, vgl. S. ---, ebenso der Großwildjäger; hier geht die Vorsicht Vorsicht sogar soweit, daß den Hunden die Rassel Rasseln von einem unschuldigen Mädchen Mädchen umgebunden werden müssen. Das Wild würde Jäger und Hund Hund in Lebensgefahr bringen, wenn es nach der Regel: „Ähnliches erzeugt Ähnliches“ „auflodernd“ gemacht würde. – Diese Auffassung vom Geschlechtsakt erklärt, warum gewisse Funktionen bei Opfern, vor großen Unternehmungen u. ä. von unentwickelten Kindern oder alten Frauen, also asexuellen Personen, verrichtet werden müssen, sollen sie wirksam sein. Bei ihren Kriegszügen führten z. B. die Duala in ihrem vordersten Kanu ein Mädchen mit sich, [eine] mangon ma bila „Kriegsjungfrau“, die durch Schwingen eines Wedel Wedels und einer Weidenrassel den Feinden die Kraft nehmen sollte.

Im Grasland Grasland ist die Nacht nach dem Tod Tod eines großen Häuptling Häuptlings eine Art Freinacht Freinacht, wo sich das Volk auf dem Platz vor dem Häuptlingsgehöft sammelt und dann jede Frau für jeden Mann frei ist, während für die Eheleute Enthaltsamkeit besteht. Der Tod des Großen hat alles verunreinigt, in Gefahrenzustand gebracht, nun ist auch die Heiligkeit der Ehe Ehe zerbrochen, ihre Bande zerrissen. Nach solch großer „ Verunreinigung Verunreinigung“, auch nach der Verlegung eines Dorfes, womöglich infolge Verunreinigung durch den Tod Angesehener oder durch Feuer, Durchlaufen von Initialweihen, großer Trauer Trauer u. ä. sind besondere Reinigung, rituelle Reinigungsakte nötig, die neben Abwaschungen etc., in ritueller Form ausgeführte Geschlechtsakte enthalten können. So verunreinigt der Tod nicht nur die dem Toten gehörigen Geräte, Waffen, Wohnung, vgl. musasako auf S. ---, sondern auch seine Frauen, Eltern, ja die Eltern der Frau; und auch die Absonderung aus den Geschlechtsorganen, der Quelle ihres Lebens, durch welche die Gruppe, vgl. auch Familie, Sippe, Stamm Gruppe erhalten und gemehrt wird. Sie müssen gereinigt werden, um die Sippe wieder in ihren normalen Stand zu bringen. Darum wird diese Periode durch eine gemeinsame Reinigung, umschließend Opfer und Waschungen, aber auch Instandsetzung der magischen Kräfte der Siedlung, vgl. S. 98 pongo mundi, abgeschlossen. Dann erst ist die Siedlung wieder in Ordnung gebracht und ein neues und reines Leben wieder möglich.

Wir sehen hier, so anstößig uns mancher Brauch erscheinen mag, ein Zeichen dafür, daß die Kameruner eine ernste Auffassung vom Leben und ein Verlangen nach Reinheit haben, welche die Gründer und Pfleger christlicher Sittlichkeit Sittlichkeit im Lande mindestens kennen müssen Verkehr, geschlechtlicher . unrein

Weitere Äußerungen des kameruner Dynamismus Dynamismus sind zu beobachten bei der Leute Haltung mancherlei Absonderungen und Abfallstoffen des menschlichen Körpers gegenüber, z. B. Haar Haare und Nägel Nägel sind besonders mana mana-haltig und zu bewahren, daß sie in niemandes Hände fallen. Jeder [ver]gräbt sie unter einem Stein an besonderem Ort und nach dem Tod zieht edimo edimo „die Schattenseele (edimo) Schattenseele“ diese Seelenkräfte wieder an sich. Bei der Schutz durch Machtmittel, Medizin Schutzmedizin zur Abwendung des < Gefahrenzustand Gefahrenzustandes> mbeu a nyolo werden neben Lappen vom Kleid etc. auch Nägel und Haare des Betreffenden verwendet. – Schamhaare Schamhaare sind besonders tabu und niemand soll sie sehen; sie {43} werden beim Orakel Orakel elielie elielie verwendet, vgl. S. ---. – Wegen der Kopfhaare besteht die Befürchtung, daß die auf den Abfallhaufen geworfenen von Vögeln zum Nestbau geholt werden, wodurch dem Menschen ein Stück seiner Lebenskraft abhanden kommt und er krank wird.

Neben dem unabsichtlichem Abgeben von Speichel Speichel kennt man noch ein Spucken von besonderer Bedeutung; es ist 1) ein Zeichen der Verachtung, Ablehnung des Gegenüber; es wird damit von dem Ausspuckenden als ekelerregend bezeichnet. Besonders darf man nicht vor Großen und vor Essenden ausspucken. 2) Speichel ist eine Art Opfer, vgl. auch Kulte und Ahnenkult Opfer, ein Segen (bonam, munam), segnen Segen für Kinder; man gibt damit ein Stück seiner selbst, der eigenen Lebenskraft an den anderen hin; z. B. an die Ahnen, an die Medizin, an Angehörige; 3) es ist beides zugleich: Opfer und Mittel, den anderen zurückzuhalten, z. B. wenn Witwen abends Ingwerkerne zerkauen und sie ausspucken, um die Verstorbenen so zu zwingen, sie nachts in Ruhe zu lassen, oder wenn man die durch mengu „Wassergeister“ verrufenen Plätze bespuckt in der Meinung: „Bleib ruhig, bleib weg von mir!“ Wegen Bespuckhauchen von Steinen unterwegs vgl. S. 50f, vgl. auch S. 136, 181a.

EnyangiSchweiß, vgl. auch Schmutz Schweiß“ betrachtet man als eine Absonderung, vgl. busise enyangi „Schweiß treiben“ und bei tätigen Medizinmännern ist der Schweiß ein Zeichen seiner Kraft und Anstrengung. Sonst gibt es aber keine besonderen Tabu-Regeln seinethalben. Wird aber ein Mittel gemacht, das menschliche Absonderungen enthält, so wird auch unter den Armen und sonstwo Hauttalg und Reste von Schweiß zusammengeschabt und gebraucht.

LobiKot, vgl. auch Schmutz Kot“ und misandjiUrin Urin“ ist beides, das erstere sehr stark, ekelerregend. Besonders beim ersteren sieht man bei vielen Stämmen darauf, daß er niemand Fremdem in die Hände fällt, er könnte ihn als Zaubermittel gegen den Produzenten gebrauchen. Wo aber Schwein Schweine gehalten werden, die Kot als Mastfutter verzehren, ist keine besondere Vorsicht üblich. Auch Urin kann als magisches Mittel gebraucht werden.

Haare, Nägel, Speichel, Kot, Schweiß u. a. werden als Abfallstoffe Abfallstoffe bei magischem Gebrauch auch als mbindo „Schmutz“ bezeichnet, und weil es z. B. beim esa, vgl. S. ---, oft in Wasser aufgelöst und getrunken wird, heißt in mancher Gegend solche Bekenntnisversammlung auch nyo mbindoSchmutz (Zubehör, Abfall) trinken, wegwerfen Schmutz trinken“!

Maya, sonstwo mit vollerem Stamm makiaBlut Blut“, Ja. wa meki [?], ist ein besonderer Saft; daher wird auch Tierblut, früher Menschenblut, beim Opfer verwendet; vgl. auch Blutbund S. 151. Daher besteht immer auch Gefahr, daß sich jemand über einen anderen mittels dessen Blut Gewalt verschafft. Darum zerreibt jeder das Blut, das ihm von einer Wunde herabtropft, oder ein Freund besorgt das für ihn.

Sekumeyeschlucksen schlucksen“ und esekuseku 7 „der Schluckser“ ist bei Kindern nicht auffallend, bei Kranken aber sieht man ihn als ein Zeichen an, daß der Tod naht.

Bewa mbeu „rülpsen, aufstoßen“ ist erlaubt als Zeichen, daß einer satt ist. Unnormal aber ist es, wenn einer nicht gegessen hat oder in besonderer Lage; stößt ein Kranker häufig auf, so ist es ein Zeichen, daß er verhext ist, beim Medizinmann Medizinmann, daß er voll magischer Kräfte steckt.

Te donge „gähnen“, ein Zeichen von Schlaf Schlaf oder Heißhunger Hunger , wird als natürliche Äußerung des Körpers betrachtet.

Weitere physiologische Phänomene vgl. S. 57f Physiologie . Körper

4. Wie man von der menschlichen Seele denkt Tod Vgl. auch S. 76ff.

Die Kameruner haben für viele seelischen Fähigkeiten keinen besonderen Namen, sondern man nimmt den Sitz einer Eigenschaften [der menschlichen Seele] Eigenschaft in körperlichen Organen für die Eigenschaft selbst; z. B.: MulemaHerz Herz“ ist Sitz der Mutea ngíny'a mulema „Herzenskraft“ oder der Freundlichkeit und des Mitleid Mitleids mulema ma bwam „Herz der Güte“; Haß >Haß und finsteres Wesen mulema ma bobe bobe „böses Herz“. Die doi la mulema „Stimme des Herzens“ ist unser „ Gewissen Gewissen“; so ist einer zu etwas bereit oder lehnt es ab, weil „sein Herz es ihm so sagt“. Nyingo „Hals, Nacken“ bezeichnet auch „Eigensinn und Hartnäckigkeit“; mulopo „der Kopf, vgl. auch Schädel Kopf“ auch „das Wollen“, den „Starrsinn, Eigensinn“, zugleich heißt senga mulopo „den Kopf empfinden“ auch „Kopfweh haben“. Mulopo mu wam „der Kopf ist leicht“ bedeutet: Der Mensch ist verstandesmäßig oder magisch „hellsichtig“. Mudumbu „der Mund“ spricht für „Beredsamkeit“, aber auch „Schwätzerei und

{44}

[eingeklebter Zettel auf Rückseite von S. 43: zu S. 44 Bei gewissen Medizinmännern sind Träume die Voraussetzung ihrer Auskünfte und Praxis. Dagegen liebt man im Allgemeinen Träume nicht, besonders keine Schreckträume, weil man sie für Erleben der Belästigung durch Hexen hält. Man muß sich gegen solchen finsteren Eingriff wehren. Gewöhnliche Träume spielen im Leben keine Rolle, aber mulopo [?] mundene hält, was die animistische Lehre vom Träumen behauptet.]

Streitsucht“; diso „das Auge Auge“ ist bei Jäger oder Soldat „scharfsichtig“, bei anderen aber auch „hellsichtig“ im Sinne vom zweiten Gesicht, zweites Gesicht: Miso manei, „vier Augen“ haben; diso l’ ekon’ „Auge des Neids“ meint den „bösen böser Blick Blick“. Dia „die Hand“ ist der Sitz für allerlei Tätigkeiten, dia di wam „leichte Hand“ bedeutet „Geschicklichkeit“ und einer dia di nam’ „gesegneten Hand“ gelingt alles. Im dibumBauch Bauch“ hat man seine <Geheimnisse>, gelegentlich auch seine <Weisheit>, aber auch die < Furcht Furcht>, wenn mulema mu kwedi mo o dibum „ihm das Herz in den Bauch gefallen ist“. Senga dibum „den Bauch verspüren“ heißt „Bauchschmerzen haben“. Im Gesicht Gesicht und besonders auf der mbombo „Stirn“ ist einem das „ Geschick Geschick“ geschrieben; entweder bo sangi „es ist rein“, dann gelingt ihm alles, oder bo si sangi „es ist nicht rein“, dann hat er in allem Mißerfolg. Hier sind also die Eigenschaft und ihr Sitz so sehr identifiziert, daß für beides ein Wort genügt. – Daneben gibt es auch eine ganze Reihe von Bezeichnungen für Seelenkräfte abgesehen von ihrem Sitze: NdoloLiebe Liebe“, dipita “Hoffnung“, kumba „Frechheit“, dipama „Trotz“, ndedi „Mitleid“, muyao „Freundlichkeit“, koko „Eigensinn“, pidi „Eifersucht“, malinga „Zorn“, welilisane „Geduld“, sengane „Gehorsam“, dibie „Wissen“, django „Klugheit“, mwano „Fähigkeit zu Planen“, misombaList List“, bongo „Furcht“, munyenge „Freude“, bosingaHaß >Haß“, eyango „Streitsucht“ und manche andere.

Neben der Vorstellung vom Sitz gewisser Seelenkräfte im Körper bzw. Körperteilen, haben die Kameruner auch die Vorstellung der Seele, vgl. auch Lebens- und Schattenseele Seele; diese wird uns auf S. 76 ff. unter Animismus noch weiter beschäftigen, doch seien die kameruner Vorstellungen in diesem Stücke kurz umrissen. Wir betrachten die Ausdrücke, die die Duala gebrauchen. Für das menschliche Lebensprinzip gibt es den Namen mudi; das Atmen und den Atem Atem nennen sie wei, soweit es im Menschen keucht, was aber als Hauch sichtbar wird ist mudi, vgl. S. 9. Da auch in den anderen Kamerunsprachen scharf zwischen „Hauch, Dampf Dampf“ und der „Lebensseele“ geschieden wird, kann man annehmen, daß das auch früher so geschah. Wie mudi, die Lebensseele, im Sterben den Körper verläßt, weiß man nicht. Man sucht sie aus gutem Grund auch nicht zurückzuhalten, denn bringt das ein magisch Gefüllter Gefüllter mit seinen Mitteln nicht zuwege, wie ein ewol’ a moto „leerer Mensch“ mit seinen mechanischen?

Ist diese Lebensseele mudi, in anderen Sprachen elinge oder edengedeng im Körper, so ist er in normalen, in gutem Zustand. Sie kann aber den Körper auch verlassen und zwar auf dreifache Weise: Trennung von Leib und Seele

1) Unwillkürlich: In gewissen Träumen, vielleicht bei allen, soll die Lebensseele aus dem Körper ausgehen, ohne daß der Träumende zunächst sich dessen bewußt wird. Man erfährt das nur, wenn einem der Traum Traum bewußt wird. Hat man aber Alpdrücken oder einen anderen Schrecktraum, der sich in eigenem Gedinge abspielt, so ist eine Hexe, -rei Hexe gekommen, um zu quälen, vgl. S. 78f.

2) Absichtlich: Wer die nötigen Macht, -mittel, -erlebnis Machtmittel besitzt, mulondedi mulondedi „Vollmensch“ ist, kann seine Körperhülle verlassen, um seine Absichten auszuführen. Es ist da vielerlei möglich: Wer ein Nagual, Nagualismus = Individualtotemismus Nagual oder Totem, Totemismus Totem besitzt, geht in dieses ein und deponiert in ihm seine Lebensseele; wer ekong- Medizin, Machtmittel Medizin besitzt, kann in die unsichtbare Welt gehen, in Himmel oder Hades, um dort Reichtum Reichtum zu holen, vgl. S. ---, oder in eine ekong-Versammlung. Wer die Fähigkeit hat, sich zu „ spalten, sich spalten“ (anda mwanda, vgl. S. 39, 48, 260) kann seinen Feinden entgehen. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Z. B. in Gefahr auf der Jagd oder im Krieg Krieg sagt er seinen Spruch und gebraucht sein Mittel und sofort hebt er sich wie ein Vogel in die Luft und begibt sich in Sicherheit; und hängen sich seine Genossen „an seine Rockschöße“, so fahren auch sie mit ihm durch die Lüfte. Andere können sich vor Feinden unsichtbar machen unsichtbar machen, als hätten sie eine Tarnkappe. Als die Regierungstruppen die Überfälle der Ngolo Ngolo züchtigten, wollten ihnen die Balue zu Hilfe kommen. Aber die fanden – so wird erzählt – den Anschluß nicht und stießen auf Regierungstruppen. Aus dieser schwierigen Lage aber kamen sie durch die Hilfe ihres Medizinmannes. Der stellte sie alle in eine Reihe, neben den Pfad, den die Truppen entlangkamen, und machte sie unsichtbar, so daß sie nicht gesehen wurden, obwohl sie die marschierende Truppe sahen. Mit ndjengulan „das sich Verfehlen“, von sengulane „sich verfehlen“, ausgerüstet, geht man einem Sucher aus dem Weg. Man kann immer gerade noch entschlüpfen, bevor der Sucher eintrifft, so daß die Zurückbleibenden dem Frager antworten müssen: Er war eben noch hier, gerade jetzt ist er weggegangen!

{45} 3) Gezwungenermaßen: Wenn die Lebensseele nicht genügend gesichert ist, kann ein übelwollender Mensch einem die „Seele“ rauben, vgl. lemba S. 89. Bei Versehen oder Vergehen kann einem die Lebensseele auch abhanden kommen durch „Schatten“ oder andere Geistmächte. Durch ngad’ a ngad’ a mudumbu mudumbu- Zauber, vgl. auch Magie Zauber, vgl. S. ---, kann man einem aus der Ferne an seiner Lebensseele Schaden zufügen. Der Eintritt des mbeu a nyoloGefahrenzustand Gefahrenzustand für den Körper“ wird offenbar dadurch, daß Krankheit Krankheit eintritt oder ihm ein edim’ „schlimmes Omen Omen“ anzeigt, vgl. S. ---, oder daß dies ein Orakel offenbart. Solche Trennung von Lebensseele und Körper ist immer eine gefährliche Sache. Denn kann die Lebensseele nicht mehr in den Körper zurück, so geht der „Gefahrenzustand“ in den Tod über. Die Seele kann auch bei 1) und 2) eventuell den Rückweg in den Körper nicht mehr finden; sei es, daß der Mensch einen Fehler gemacht, eine Tabu-Regel nicht beachtet hat, sei es, daß eine überlegene Macht die Lebensseele abgefangen hat. Nur wenn es einem mit magischen Kräften „Gefüllten“ gelingt, die drohende Gefahr durch Rückführen der Seele in den Körper abzuwenden, bleibt der Mensch am Leben. Andernfalls stirbt er und Orakel Orakel und Obduktion Obduktion stellen die Todesursache Todesursache fest: Durch eigene oder fremde Hexenkraft zugrunde gegangen.

Zwischen der Lebensseele eines Menschen und seinem Schatten gibt es gewisse Verbindungen; schon daß manche Stämme für beides das gleiche Wort haben, z. B. das edengedeng der Bakosi, bei vielen anderen ist edi Schattenbild (edingedinge) ngedinge „Schattenbild“ nur die Verdopplung des Stammes von elinge „Lebensseele“. Wer keine Lebensseele mehr hat, wirft keinen Schatten mehr, ist allgemeiner Glaube, obwohl doch der Augenschein dagegen spricht. Man kann zwar in den Schatten eines anderen, auch eines Höheren treten, aber wer in der Absicht und Macht, ihm zu schaden, dies tut, ist seiner Lebensseele gefährlich. Der Magier kann in den Ölspiegel seines Topfes die Lebensseele eines Menschen zitieren und sie dort erstechen. Sie wird dann krank und der Mensch kommt in Gefahr und stirbt. Damit hängt auch die Furcht vieler zusammen, sich photographieren zu lassen; man nennt auch die Bilder „Schatten“ und glaubt eine gewisse Beziehung zwischen der Lebensseele und diesem Bild. Durch das Photographieren – so glauben manche – könne man einem die Lebensseele rauben, wie es die ekong-Leute machen, um solche Seelen für sich arbeiten zu lassen. Auch könne man in ihren Bildern die Toten wieder auf diese Welt bringen.

Im Kampf, magischer -, vgl. auch ekumti Kampfe gegen die Schädlinge der Lebensseele mulemba, ba- „ Hexe, -rei Hexe, Neiding“ kommt es darauf an, einen ngang, Kp. nganga nganga „Wissenden“ und bwanga bwanga „Mittel“ zu finden, die stärker sind als die schädigenden Unholde, andernfalls endet der Kampf im Erliegen, „so Gott nicht hilft“. Wacht einer aus Ohnmacht oder Scheintod auf oder tritt bei schwerer Krankheit Besserung ein, so heißt es: Hat nicht der nganga die mudi, andernorts elinge, zurückgebracht?

Solange diese Lebensseele im mana mana-haltigen Körper ist, heißt sie mudi 3, in der Lebensstoff-Klasse; fährt sie aber aus und ist nicht mehr mit dem mana des Körpers erfüllt, so wird der gleiche Wortstamm in der (7.) Sachenklasse zu edi, be-. Als solche geht sie um und wenn einem, der allein oder nachts draußen ist, ein Schreck oder plötzliches Angstgefühl, oft mit Schweißausbruch verbunden, überfällt, so sagt er, er sei einer edi begegnet. Man spricht auch von dem edi eines Vaters oder Großvaters im Kind, wenn man bei ihm schlechte Charakterzüge der Alten wiedererkennt, vgl. S. ---.

Die letzte und endgültige Trennung der Lebensseele vom Leib findet im Tod statt; wie sie vor sich geht und wohin der mudi dann abscheidet, weiß man nicht. Wenn aber eine solche Trennung im Tod nicht stattfindet, also die Lebensseele beim Leichnam bleibt, so wird dieser zum Wiedergänger Wiedergänger, welche Fähigkeit man besonders den magisch Gefüllten und den Hexen zuschreibt; weiteres vgl. S. --- Trennung von Leib und Seele . Seele, vgl. auch Lebens- und Schattenseele

Während nun im Tod die Lebensseele verschwindet und vergeht oder schon vor dem Tod verschwunden und vergangen ist, löst sich die < Schattenseele (edimo) Schattenseele> vom Körper, der nun als Leiche Leiche zurückbleibt und der Verwesung anheimfällt. Solange diese Schattenseele mit dem mana-haltigen Körper verbunden {46} gedacht ist, so, wenn man vom Verstorbenen als Ganzem redet, heißt es mudimo 3, mi-, also „der Verstorbene“, englisch <the late...>. Dagegen eingegangen in den Hades, also ohne Menschen-mana wird die „Schattenseele“ zu edimo, be- in der Sachenklasse. Wie edi = mudi minus animistischer Lebenskraft ist, [so ist] edimo = mudimo minus der gleichen Kraft. Der Glaube an das Weiterleben der Menschen als „Schatten“ ist in Kamerun durchaus allgemein und ist die Grundlage des Ahnenkults, des Hauptzweigs der kameruner Religion, vgl. S. ---ff.

So geläufig den Kamerunern der Gedanke der alten Griechen vom Weiterleben als Schatten ist, so neu ist ihnen die Botschaft des Evangelium Evangeliums von der Auferstehung Auferstehung des Leibes. Denn sie sehen, wie die Tiere sterben sterben und verwesen, so auch der Menschenleib. Darum hat man auch für „auferstehen“ kein rechtes Wort. Beim Begräbnis, vgl. S. 218, werden wir sehen, wie für den Toten und seine Habe das pimba pimbawegwerfen Wegwerfen“ das Versetzen in die andere Welt bedeutet. Dieses Verb versehen mit der Inversiv-Endung -wa wird mit Umlaut (i zu u) zu pumbwa und besagt das Gegenteil vom vorigen, also „wiederkehren“. Zunächst oft, aber nicht immer, in wiedergängerischem Sinne, vgl. S. 90. Aber sobald dieses Verb zu Gott als Subjekt oder Ursächer in Beziehung tritt, bekommt es einen anderen Sinn: Auferstehen. Und welch schönen Sinn: Gott, die Quelle des Lebens, vgl. S. 1, des Lichts, des Guten macht den Toten wieder lebendig, ruft ihn zu neuem Leben, er macht ihn pumbwa „auferstehen“, a mapumbwele mo „er bringt den Weggeworfenen wieder, weckt ihn auf; er (nicht schädigende Mächte) macht ihn auferstehen“. Und darum kann ein solcher auch auferstehen, nicht um die früheren Mitmenschen zu quälen, sondern seinem Schöpfer und „Wiederbringer“ „zu dienen in ewiger Unschuld und Seligkeit“. Verbunden mit dem lebendigen Gott ist den Kamerunern das, was zuvor unvorstellbar schien, Evangelium Evangelium.

Alles das zeigt, daß der primitive Kameruner den Menschen als ein Doppelwesen betrachtet: Der Mensch ist Teilhaber an der Sinnenwelt und der über- , unsinnliche Welt unsinnlichen Welt. Sein nyolo „Körper, Organismus“ besteht aus eyobo eyoboHaut Haut, dem sinnlich wahrnehmbaren Teil des Menschen“ und mudi „der Lebensseele“. Nach dem Tode wird er zu mbimba 3 „Leichnam“, aus dem edimo, be- „die Schattenseele (edimo) Schattenseele entweicht“. – Ist nun die Vorstellung der Kameruner so wesentlich anders als die der Völker der alten Welt? Tod

[nicht zuzuordnende Bleistiftnotiz am Ende der Seite: abgeleitet von dima]

{47a}

[eingelegter handschriftlicher Zettel: Zu S. 47aff.: Zu den schwierigsten psychologischen Problemen gehört die Beobachtung, wie Leute, die ein Tabu übertreten haben, daran sterben, sei es, daß sie plötzlich Krämpfe mit Erstickungserscheinungen bekommen und rasch zugrundegehen oder daß sie langsam dahinsiechen und sterben ohne sichtbare Todesursache. Ihr Gefühl wird psychisch so stark beeindruckt, daß ihre körperlichen Funktionen aus den gesunden Bahnen gerissen werden und zum Tode führen; vgl. auch S. 69. Darum glaubt auch der Primitive, daß der überlegene Magier und seine Fetische Kräfte haben, die krankmachen, ja töten können. Umgekehrt aber können sie auch gesund machen, wenn ihre Voraussetzungen erfüllt werden. Daß die schädigende oder heilende Wirkung sehr oft ausbleibt, hindert den Glauben an die Magie in Kamerun sowenig wie in Europa, schon darum, weil die positiven Wirkungen ins Land hinausgeschrien, die erfolglosen Bemühungen aber verschwiegen werden. Bei Krankheitsfällen, schwerer Geburt u. ä., da man solche magische Ursache vermutet, wird der Leidende auf eine ganze kasuistische Liste von möglichen Ursachen abgefragt. Oft werden die Umstände als Ursachen bekannt, die den Europäer in Staunen setzen, wieso das als Ursache gelten soll. Umgekehrt ist er aber auch erstaunt bei Fällen der Besserung, wenn solche Ursache beseitigt ist bzw. der Gegenzauber wirkt. Wenn vieles, was die Alten als unumstößliche Tatsachen aus alter Zeit berichten, heute nicht mehr im Land angetroffen bzw. erfahren wird, [so] beruht [das] auf der Tatsache, daß das Evangelium vom lebendigen Gott heilend wirkt und die Mächte der Finsternis von seinem Lichte überwunden werden.]

5. Einige Psychologie psychologische und Philosophie philosophische Gedanken Kausalzusammenhang

Nach Levy-Brühl sollen primitiver primitive Mentalität Mentalität logische Kategorien fremd sein; dem prälogischen Zustand sei typisch der Besitz verschiedener Bezeichnungen für die verschiedenen Möglichkeiten einer einheitlichen Vorstellung, für welche die Europäer einen allgemeinen Ausdruck zur Umschreibung für genügend erachten. Das zeigt sich ja auch in den kameruner Sprachen, z. B. unser „brechen“ zerlegt das Duala in bua „entzweibrechen, abbrechen“ und bwa „zerbrechen, zersplittern“; das Duala ala „(zielhaft) gehen von einem Orte weg oder an einen Ort hin“, dangwa „(ziellos) gehen, marschieren, wandern“, yenga „(zwecklos) gehen, spazierengehen“, yombo „umgehen, herumgehen, Umweg machen“ ist zusammengefaßt in unserem „gehen“. So sehr diese Beispiele vermehrt werden können, zeigen doch alle, daß auch wir, sobald wir das „Brechen“ oder „Gehen“ richtig benamsen wollen, auch entweder zu Synonymen greifen oder unsere einfachen Zeitwörter mit beschreibenden Vorsilben oder die Objekte mit Präpositionen versehen müssen. – Der Primitive drücke seine Ideen von Dingen und Handlungen in genau der Gestalt aus, wie sie sich seinem Auge oder Ohr darstellen; er wolle nicht den Eindruck beschreiben, welchen das Subjekt erhält, sondern Gestalt, Umriß, Stellung, Bewegung Bewegung, Art der Handlung von Wesen und Gegenständen, kurz: alles was wahrgenommen und begriffen werden kann; wir suchten klar und deutlich unseren Eindruck auszusprechen, der Primitive beschreibe; wir suchten zu klassifizieren, er individualisiere. Nun, wer z. B. das Klassensystem der Hauptwörter in den kameruner Bantusprachen betrachtet, muß den Eindruck gewinnen, daß diese Leute auch zu klassifizieren verstehen; und ihr Beschreiben wächst aus ihrer Fähigkeit darzustellen, in welchem Punkte sie den Nordländern überlegen zu sein scheinen. – Je mehr sich die Mentalität einer bestimmten Gruppe dem Prälogischen nähere, desto mehr überwiegen die bildhaften Vorstellungen. Dess[en] sei die Sprache Zeuge, die fast aller allgemeinen Bezeichnungen für Allgemeinideen entbehre, aber einen Überfluß an speziellen Ausdrücken habe, die Personen und Dinge bezeichnen, von denen sich ein klares und deutliches Bild in der Seele spiegele, sobald sie erwähnt werden. Nun stellt man uns aber zugleich auch die griechische Literatur darum als Vorbild hin, weil sie gerade so ausgezeichnet bildhaft darstelle, so daß man die Handlung geradezu sieht. Etwas Ähnliches ist in den kameruner Sprachen zu beobachten: Die Sprecher lassen das Objekt vor dem Hörer erscheinen und wollen nicht in erster Linie ihren subjektiven Eindruck wiedergeben. Dazu enthalten die kameruner Sprachen, sonderlich das Duala und seine Nachbarn eine ganze Reihe Allgemeinbezeichnungen wie: Baum, Säugetier, Vogel, Fisch, Mensch, Haus u. a., dazu haben sie die Fähigkeit, leicht Abstrakta zu bilden, so daß wenn die Schlußfolgerungen Levy-Brühl's stimmen, die kameruner Stämme bei weitem nicht auf der ganz primitiv prälogischen Stufe stehen.

Diese sprachlichen Eigentümlichkeiten entsprächen der Mentalität der Primitiven. Ihre bildhafte Sprache Sprache sei eine Art Beschreibung, die zwar eine beschränkte Verallgemeinerung und beginnende Abstraktion aufweise, aber auch eine auffallende Entwicklung Entwicklung des Gedächtnisses, woraus wieder ein Reichtum an Formen und Wörtern erwachse. Dagegen werde da, wo das logische Denken Denken die Oberhand gewonnen [hat], der gemeinsame Schatz erworbener Kenntnisse bewahrt und überliefert mittels Vorstellungen. Indem eine Generation der folgenden ihre Kenntnisse übermittele, suche sie diese Vorstellungen zu analysieren und auszustreichen, was nur möglich sei, wenn die Generationen die Hilfsmittel abstrakten Überlegens und Begründens erkennen und gebrauchen. Dagegen sei bei den Primitiven dieser Vorgang ganz oder fast gänzlich in der Sprache selbst vollzogen. Der vorhandene Schatz müsse unfehlbar übermittelt werden, weil Kinder suchen, die Sprache ihrer Eltern und Kind Eltern ohne ausdrücklichen Unterricht nachzuahmen, ohne den Intellekt zu gebrauchen, sondern nur durchs Gedächtnis. Darum sei auch die primitive Mentalität so wenig dem Fortschritt Fortschritt geneigt. Würden sich daher das Milieu und die Einrichtungen einer sozialen Gruppe, vgl. auch Familie, Sippe, Stamm Gruppe und ihre allgemeine Mentalität nicht ändern, so würde ihr Besitz an bildhaften Vorstellungen unverändert von Geschlecht zu Geschlecht übermittelt. Ändere er sich aber, so inbefolg der Veränderungen seiner Voraussetzungen, und zwar verarme er gewöhnlich. So sei Fortschritt in anschaulichem und abstraktem Denken begleitet von einer Verminderung des beschreibenden Materials, das die mehr konkreten Gedanken auszudrücken half. Daher träten bei einem primitiven {47b} Stamm zwei Phänomena hervor: 1. Eine Überdifferenzierung von Bedeutungsunterschieden auf Kosten der Verallgemeinerung; 2. Ein späterer Fortschritt, der sich durch eine bestimmte Arbeit des Verstandes anzeigt und sich bewegt auf Linien der logischen Klassifikation, die durch abstraktes Denken angeregt ist. – Zu diesem letzten Abschnitt ist wiederum von Kamerun her zu sagen: Die Leute erhalten ihre Ausbildung nicht nur durch Nachahmen der Alten. Es bestand ja bereits vor Ankunft der Weißen eine gewisse Schulung in den Initiationsriten und -schulen, vgl. S. 192, 206. Aber mir scheint, gerade durch diese Schulung in magischen und mystischen Vorstellungen seien die Leute vom logischen Denken abgehalten worden.Die zu sakralen Vorgängen führende Gedankenwelt der Primitiven „liegt in der Andersartigkeit der geistigen Veranlagung dieser Völker, in dem, was oft <das primitive Denken> genannt wird. Die Versuche, die das Denken als ein von dem unseren wesentlich verschiedenes hinstellen, erscheinen wenig einleuchtend; denn die so stark empfundene Andersartigkeit liegt nicht im Denken, sondern in der Weltanschauung der <Primitiven>. 3

Bei allen Einwänden, die gegen die Sätze Levy-Brühl's von Kamerun her zu machen sind, muß zugegeben werden, daß das rationalisierende Denken bei diesen Leuten zurücktritt gegenüber dem praktischen Denken; ihrer Fähigkeit der Darstellung geht ein Mangel an Tiefe parallel. Das zeigt sich auch in dem, was Gottesvorstellung zu nennen ist. Sie sehen viele Einzelheiten und beschreiben und gestalten sie, aber kommen nur schlecht zu rechter Zusammenfassung. Daher bleibt man an Machtmitteln, Seelen-, Geister Geistern-, Hexen- und ähnlichen Vorstellungen haften und stößt nur selten vor zur großen allgemeinen Macht: Gott. Der ihnen eigene monotheistische Gottesgedanke zersplittert ihnen, indem sie gelegentlich allerlei Dingen, Wesen, Geistern u. a. göttliche Eigenschaften zuschreiben und den Menschen selbst im Hexenglauben vergotte Denken n. primitive Mentalität

Der heutige Europäer trennt im Allgemeinen scharf zwischen sinnlicher und über- , unsinnliche Welt übersinnlicher Welt und teilt sie in ein Diesseits und Jenseits. Auf S. 47a ist gezeigt, daß das Denken der Kameruner nicht so sehr dualistisch ist; ihm sind sichtbare und unsichtbare Welt nur zwei Seiten der gleichen Sache und die Verhältnisse auf beiden Seiten wirken mannigfaltig aufeinander ein. Den gewöhnlichen Menschen ist zwar im Allgemeinen der Sinn für solche Wechselwirkung tot, doch tritt sie ab und zu auch ihm ins Erleben. Aber wer sich esoterisches Wissen angeeignet [hat], ist Bürger beider Bezirke. Unser wissenschaftliches Denken wird dem Kameruner ersetzt durch sein magisches Denken und Erleben. Weil er in einer anderen Welt als wir lebt, darum ist sein Denken anderer Art und wäre es auch, wenn die oben gekennzeichneten Merkmale primitiven Wesens geändert wären. Denn der Kulturmensch sucht die Welt zu betrachten, indem er sie Stück für Stück vornimmt und in ihrem Zusammenhang von Ursache und Wirkung vergleicht. Zwar sucht auch der Primitive die Ursache von Geschehnissen zu ergründen und immer wieder stößt er in seinem magischen Denken auf okkulte Mächte als Ursächer, die aus der unsichtbaren Welt in die unsere hereinwirken und doch nicht zu berechnen sind. Das setzt ihn in eine beständige Spannung, die er auf magischem Wege zu lösen sucht. Als Grundlage solch primitiven Denkens halten wir folgende Regeln kurz fest, die später ausführlicher zu behandeln sind, vgl. S. 130ff. Diese Sätze sind allgemein anerkannt, wenn auch kein Eingeborener sie klar ausspricht und niemand dahinter kommt, wann und wie sie entstanden sind.

1. Der Teil eines Ganzen wirkt auf das Ganze (Sympa[the]thische Magie, vgl. auch Kunst Magie). In der Natur Natur sieht man Zusammenfassungen, deren einzelne Teile so zusammengesetzt sind, daß einer auf den anderen einwirken kann und oft muß. Eine Sippe ist ein solcher Komplex; ein Sippenglied kann die ganze Sippe in Verlegenheit bringen: Songa diwo di malouse bonamasonga „Ein Zahn bringt die ganze Zahnsippe in Verruf“. So kann auch ein Teil des Körpers für den ganzen Körper gelten: O madipa te mulopo, masonga ma si mataka e? „Wenn du den Kopf, vgl. auch Schädel Kopf schlägst, leiden dann die Zähne nicht?“ Wenn deshalb von der Opferziege dem Toten nur ein fingergroßes Stückchen mit ins Grab, Gräberkult Grab gegeben wird oder vom Huhn Huhn nur einige Feder Federn ausgerupft und auf das Grab gesteckt werden, so ist das kein Betrug an Ahnen; die Opfergabe wirkt ja magisch und da gilt pars pro toto pars pro toto.

Freilich können bei einem zusammengesetzten Ganzen der eine oder andere Teil wichtiger sein als andere. Der Vorsteher einer Sippe oder die Hauptfrau auf polygynischem Hof sind mit ihrer Sippe inniger verbunden als weniger wichtige Glieder; sie gelten deshalb in mancher Hinsicht mehr als die anderen und sie selbst wirken oder durch sie kann man wirken zum Guten oder Schlimmen der Gruppe, wie man auch am menschlichen Körper die edleren mehr als die gewöhnlichen Teile in acht nehmen muß: Mwende mu si mabwa mbindo {47c} bongo „Der Fuß scheut den Schmutz nicht“. Denn wie das für die Gruppe gilt, so auch beim Individuum. Vor einem Machterlebnis ist besonders das Gesicht Gesicht zu schützen, vgl. S. 52, 70f.; wo sonst jegliche Kleidung Kleidung mangelt, werden doch die edlen Geschlechtsteile bedeckt, besonders im Stande gefahrvoller Unreinheit. Andererseits: Wer ein Stück von mir besitzt ( Haar Haar, Nägel Nägel, Kot, vgl. auch Schmutz Kot, Körperwärme, Kleidung u. ä.), hat Gewalt über mich, vgl. S. 133.

Dieses Gesetz hängt zusammen mit der komplexen Denkweise der Leute, die in manchen Punkten zu beobachten ist. Dazu gehört, daß man bei einer Vielheit zunächst nicht das Einzelne schaut, sondern die Gruppe, die ganze Art, davon das Einzelne nur ein Teil ist. So hat man z. B. drei Hauptnamen für verschiedene Ameisenarten: Sono „die Nichtbeißende“, sao „die Wanderameisen“, selekeTermiten Termiten“. Will man von einer einzelnen Ameise reden, so wird sie als „Auge“ bezeichnet; so spricht man auch von diso la mbasi „Maiskorn“, wörtl. „Maisauge“, diso la ndongo „Pfefferschötchen“, diso la wondi „einzelne Bohne“ u. ä. Ganzes und Teil gehören eben zusammen, so daß auch das Einzelne aufs Ganze wirken kann. Fängt man von der feindlichen Gruppe einen weg, so hat mit damit auch magische Gewalt über die ganze Gruppe; vgl. auch Stellvertretung S. 157ff.; das Huhn trinkt Ordal vgl. S. 165.

Umgekehrt schließt man aber auch Gruppen, die gemeinsame Merkmale haben, zusammen, z. B. bona bona-lonon „die Vogelsippe“, in der alle Vogelarten eingeschlossen sind, ebenso bona-nyama „die Gruppe oder Klasse der Säugetiere“, bona-bato „die Menschheit Menschheit“ u. ä. Man sucht also von der Klasse oder Gattung aus zu einem höheren Zusammenschluß zu kommen. So sind ja auch die vielen Ortsnamen auf bona- oder bei den Bakosi und Nachbarn mwa- aufzufassen, etwa Bonangando oder Mw’ ebag „die Gesamtheit der Leute, die Ähnlichkeit mit dem Ngando oder Ebag haben“. Einzelne Leute aus solchem Zusammenschluß müssen dann mit „Mensch aus“ bezeichnet werden, z. B. mod’ e Mwa-ndjeken „einer aus der Sippe oder Siedlung des Ndjeken“ oder mot’ a Bona-bile „einer aus Bonabile“.

Freilich fehlt bei mancher Gruppe, die wir als verwandt auffassen und auch so bezeichnen, die höhere Zusammenfassung; man kennt nicht „ Palme Palmen“, sondern lende „Ölpalme“, tutu „Raphiapalme“, diwo „Weinpalme“, mbanga „Kokospalme“, siosio „wilde Dattelpalme“, mulongo „Rotanpalme“ u. a.

Die Waldländer sind im Streben nach solchem Zusammenschluß den Grasländern über, obwohl diese wieder einen stärkeren politischen Zusammenschluß gefunden haben als die „demokratischen“ Waldländer. Beide Gruppen haben z. B. Dämonenbünde und jeder hat seinen besonderen Namen, der natürlich überall auch für den Dämonendarsteller gilt. Im vorderen Gebiet existiert aber für die Darsteller noch der Sammelname ekale, vgl. auch Dämonen und Kultbund ekale, bei den Duala und Nachbarn auch das allgemeine isangoGeheimbund, -kult, vgl. auch Wassergeister, Kultsprache Geheimbund“, welch beide Gruppennamen im Grasland fehlen, vgl. S. 269ff.

Auch das Wort Wort, vgl. S. 52f., 66f. 134ff., 135, ist ein Stück vom Menschen und ein Wunsch, ausdrücklich in besonderer Absicht ( Segen (bonam, munam), segnen Segen oder Fluch Fluch) ausgesprochen, erzeugt den begehrten Erfolg. Eyal’ a mutudu e si mako wase ( Sprichwörter Sprichwort) „Das Wort eines Alten (Mundwalt) fällt nicht auf den Boden“, sondern wird in der patriarchalen Sippe geachtet; denn in ihm steckt ein Stück des Alten. Gilt das schon vom gewöhnlichen Wort, dann um so mehr, wenn es in hergebrachtem Ritual und überlieferten Form als Beschwörung Beschwörung zu Nutz oder Schaden ausgesprochen wird.

2. Gleiches (oder Ähnliches) wirkt auf Gleiches (oder Ähnliches) und bewirkt Gleiches (oder Ähnliches) (Nachahmende Magie). Die Gruppe, vgl. auch Familie, Sippe, Stamm Gruppe ist ein Ganzes und innerhalb derselben wirken die einzelnen Glieder aufeinander ein und hängen voneinander ab, z. B. Sippe, Siedlung, vgl. auch Gruppe Siedlung, Stamm, die Europäer u. a., und so in der ganzen Natur. Zwischen ihren einzelnen Gliedern oder Naturelementen muß eine Ähnlichkeit Ähnlichkeit bestehen, und sie müssen nur miteinander in Beziehung gebracht werden, so beeinflussen sie sich auch. Leicht finden Kameruner solche Ähnlichkeiten in sich fremden und gegensätzlichen Objekten oder Erscheinungen, wo für uns vielleicht nicht die geringste Verwandtschaft oder Ähnlichkeit besteht, und sofort erkennen sie eine ursächliche Beziehung zwischen ihnen. Darauf beruht obiger Hauptsatz magischen Denken Denkens und bildet wohl das Haupthindernis des „logischen“ Denkens in unserem Sinne. Denn wo man im Zauber, vgl. auch Magie Zauber die Ursache von Um- und Zuständen sieht, muß man keinen weiteren Kausalzusammenhang suchen. In mancher-

{47d}

[Zwei eingeklebte Zettel auf Rückseite von S. 47c; nichtzuzuordnende handschriftliche Notizen, sehr schwer zu lesen: Erster oberer Zettel: 3. Ein mit Nachdruck ausgesprochenes Wort, Wunsch muß den erwünschten Erfolg haben. In der hierarchisch gebauten Gruppe ist der Führer gewöhnt zu befehlen und daß ihm seine Folgschaft gehorcht. So legt man seinem Wort größtes Gewicht bei „eyal’a mutudu e si mako“ und man erwartet auch im Unsinnlichen die gleiche Erfüllung seines Willens. – So kann man sich denken, wie der Glaube an Wortzauber, Verwünschung etc. entstanden ist. Die Formen solcher verbalen Magie sind zahlreich; vgl. S. 137b etc. Zweiter unterer Zettel: Animismus: Das Objekt hat Persönlichkeit, Willen, Seele und Geist Animatismus: Persönlichkeit und Willen, aber nicht ein besonders getrennter Geist Dynamismus: Die natürlichen Gegenständen innewohnende Kraft ist nicht klar personifiziert, sondern Europäern eine mehr oder weniger unabhängige Energie oder Eigenschaft Daneben ist aber zu beachten, daß die Eingeborenen unterscheiden zwischen Vorstellungen und Praktiken, die individuelles persönliches Gepräge tragen und anderen, in denen sich der Gruppe gemeinsame Überzeugungen äußern. Diese letzteren sind natürlich wichtiger als die von Einzelnen. Sie interessieren uns hier allein.]

lei Weise werden wir dieses „Gesetz“ beobachten können; z. B.

Form beeinflußt Form: Frauen, die in Hoffnung kommen sollen, legt man beim Fruchtbarkeitskult Fruchtbarkeitskult auf dem Ahnenkultplatz einen mit Rotholz Rotholzfarbe bestrichenen Bananenfinger auf die Unterarme; die Frau trägt ihn singend: Ich habe ein Kind bekommen! nach Hause und legt ihn zu sich aufs Bett. Damit hat sie ein Kind bekommen und jedermann erwartet, daß sie nun in Hoffnung kommt; vgl. S. ---.

Farbe Farbe beeinflußt Farbe: Bei einem Sühnefest, wie z. B. beim Lela-Fest der Bali wird ein weißes Huhn oder Schaf Schaf geopfert: die Gottheit ist günstig zu stimmen, vgl. sanga auf S. 73. Beim Kriegsopfer, wo Kräfte gegen den Feind erregt werden sollen, greift man zu einem schwarzen Bock als Opfer, u. ä.; vgl. auf Seite 8f. „Farben“.

Gemachte Bewegung Bewegung beeinflußt gewollte Bewegung: Der Regenvertreiber verjagt die drohenden Wolken Wolken, indem er vor sich ein magisches Bündel an einem Stab, Stock Stab schwingt. Vor dem anrückenden Feind schwenkt man ein Machtmittel, um die Krieger ins Wanken zu bringen und ihre Kugeln zu vertreiben.

Geisteshaltung bewirkt eine ähnliche Geisteshaltung: Das ruhige Verhalten der Frau des Fischers oder Jagd, Jäger Jägers wirkt beruhigend auf das Wild und schließt Gefahren aus; ist daheim Streit und Unrast im Hause, so kommt der Mann draußen in Gefahr. Die geschlechtliche Enthaltsamkeit der Ton, Töpfer Töpferin beruhigt das Feuer Feuer und bewahrt die Töpfe beim Brennen vorm Zerspringen. Ein sonnenbeschienenes Blatt zum Geschoß in den Gewehrlauf gesteckt, macht die Kugel licht, so daß sie das Ziel nicht verfehlt.

Solche Geisteshaltung schreibt man also auch Materialien oder Pflanzen zu. Danach unterscheidet man männliche, d. h. scharfwirkende Medizinen und Mann und Frau, männlich und weiblich weibliche, d. h. milde. Am fünften Tage nach der Geburt Klistier klistiert man den männlichen Bakosi- Säugling Säugling mit einem Absud von Brennesseln, denn er soll harsch, stark und kampfbereit werden, das Mädchen aber mit Balsaminensaft, daß es mild, gehorsam und untertänig werde; vgl. S. 128.

Diese Beispiele sind leicht zu vermehren und auch im ganzen Buch verstreut. Magie, vgl. auch Kunst

Noch ein anderes sei vorweggenommen: Auch beim Kameruner geht das Empfinden und Fühlen dem Denken voraus und beeinflußt es. Wir werden in dem Abschnitt über die religiösen Vorstellungen, vgl. S. 47ff., praktische Beispiele genug finden, um diesem Fühlen und Empfinden näher zu kommen. Hier halten wir nur das Grundsätzliche fest:

In seiner Naturphilosophie ist der Kameruner der Ansicht, daß alles Sein und Geschehen auf Kräfte zurückzuführen ist, die das All und seine Bestandteile, die einen mehr, die anderen weniger beleben und durchwalten, ja daß Stofflichkeit vielfach nur eine Erscheinungsform wirksamer Kräfte aus der übersinnlichen Welt ist. Darum hat er auch keine eigentlichen Schöpfung Schöpfungs Mythe, Mythenbildung mythen: Das was plötzlich in der sichtbaren Welt auftritt, kommt eben aus jener Welt des ndimsi. So wittert er auch hinter jedem Ungewöhnlichen, Außerordentlichen ein Offenbarwerden solcher Macht. Wir reden desweiteren davon bei Dynamismus auf S. 49ff.

Natur Natur und Naturkräfte können aber auch beseelt sein und nach solcher Beseelung schreibt man dem Objekt nicht nur Persönlichkeit und Wille Willen zu, sondern auch Seele, vgl. auch Lebens- und Schattenseele Seele und Geist. Wenn z. B. der Regenbogen Regenbogen als das Nagual, Nagualismus = Individualtotemismus Nagual oder Totem, Totemismus Totem eines Magiers angesehen wird, vgl. S. 88f. und die Schlange Schlange als das Totem eines Stammes gilt, vgl. S. 86ff., so lebt in ihnen – meist nur zeitweise – die Seele des Mannes oder der Vorfahren. Der ekale, vgl. auch Dämonen und Kultbund ekale „Dämonendarsteller eines Kultbundes“ ist besessen vom Dämon, ist nicht nur Mensch, er ist der Dämon, der Mensch ist nur der Leib, die Hülle, darin der Dämon deponiert ist. So sind umgekehrt die Hexentiere, vgl. S. 82 –93b, das „Kleid“ für Menschenseelen. Im edidi und edim, vgl. S. 56ff. kommen oft solche Seelenwesen zur Offenbarung. So ist auch das „Zubehör“, die Wachstumsstoffe Wachstums- und Abfallstoffe Abfallstoffe wie Haare, Kot u. a. beseelt. Diese Vorstellung heißt Animismus Animismus von anima „Seele, Geist“, vgl. S. 76ff. Von ihr ist nicht immer klar zu scheiden die verwandte Vorstellung, wonach Objekte zwar nicht als Geister oder Seelen existieren oder damit erfüllt sind, aber doch mit Persönlichkeit und Willen, dazu zählen neben anderen magischen Mitteln besonders das Orakel Orakel, aber auch das Meer, große Brände, Reichtum Reichtum, der Totenschädel und sehr vieles andere. Gewisse sprachliche {47e} Eigentümlichkeiten setzen diese Denkart voraus. So gibt man „der Reiche“ wieder mit mbwang ma moto „Reichtum nämlich ein Mensch“, als ob in dem mbwang schon etwas von einer Person stecke; solche Gelegenheit sind der Europäer Skandalon, sie sind immer versucht zu sagen: mot’ a mbwang „ein Mensch des Reichtums“, eine Konstruktion, die für sehr viele Nomen üblich ist, wie mot’ a bila, mot’ a django „Mensch des Krieg Krieges, der Jagd, Jäger Jagd“ für „Krieger und Jäger“. Man nennt diese Vorstellung Animatismus Animatismus, vgl. S. 75, weil man die Objekte für animatus „belebt“ (nicht „beseelt“) hält; z. B. wenn mudi „die Lebensseele“ aus einem Menschen gegangen ist, ist er nicht mehr ein Wesen im Sinne des Animismus, er ist auch ohne Lebensseele zunächst noch Persönlichkeit und Wille Wille; er lebt noch. Ist er aber patea „abgerissen“, d. h. das Leben in ihm ist ausgelöscht im Tode, so hört er auch auf ein Wesen im Sinne des Animatismus Animatismus zu sein; der Leichnam gehört in das Gebiet des Dynamismus.

Freilich kann man in der schriftlichen Darstellung nicht alles und jedes so genau abgrenzen; manche Vorstellung und [mancher] Gebrauch gehört etwa zwei verschiedenen Gebieten an oder liegt zwischen ihnen. So kann man etwa die auf Seite 19f. und S. 58f. behandelte mbaki-Vorstellung sowohl dem Dynamismus Dynamismus (als Macht, -mittel, -erlebnis Machterlebnis) wie auch dem Animismus zuschreibe Weltbild, -anschauung, sinnliche und unsinnliche vgl. auch ndimsi n Psychologie . Philosophie Kausalzusammenhang {47f}

II. Religiöse Vorstellungen im engeren Sinn

Einleitendes

Nachdem wir uns vorstehend vergegenwärtigten das Denken der Kameruner über die sinnlich wahrnehmbare Natur und Welt, gehen wir über zur Besprechung der Vorstellungen über geheime Kräfte, Gewalten und Wesen, die in unserer Sinnenwelt und der über- , unsinnliche Welt unsinnlichen Welt und zwischen beiden wirken und die abgesehen von einzelnen Sonderheiten von der Gesamtheit geteilt werden.

Unsere Ansicht über die Welt ist die, daß alles Geschehen in ihr in strengem Kausalzusammenhang steht, d. h. daß alles Geschehen herauswächst aus Ursachen, die dies Geschehen zeitigen müssen: Jede Ursache hat ihre Wirkung, jede Folge entspricht einer Voraussetzung. So ist alles Geschehen geordnet. Dieser Verlauf könnte graphisch dargestellt werden durch aus lauter Pfeilen bestehenden auf- und absteigenden Linien, die bald vor-, bald rückwärts zielen; manche Linie nur kurz, manche sich lang hinziehend, viele endigend in einem Punkt, andere von einem Punkte ausgehend; denn so stellt sich uns das wechselvolle Spiel des normalen Lebens dar.

Der Kameruner aber sieht das Normale in unserer Sinnenwelt als eine gerade Linie, die geordnet ist, wo es keine Überraschungen gibt. Dem Kosmos der Griechen entspricht in Kamerun mundi „die geordnete Siedlung, vgl. auch Gruppe Siedlung“, vgl. S. 2. Ihr Zustand bezeichnet lokomea lokomea „Beruhigung, Kühle“. Erst wenn von außen her auf diesen Zustand eingewirkt wird, wird mundi erregt, onya onya „sie flammt auf, wird ungebärdig, unberechenbar“ und es entsteht mpungu „Aufruhr, Unordnung Unordnung“. Mpungu erst bringt des Kameruner Seele in Erregung und läßt den zuvor gedankenlos Dahinlebenden erschrocken aufhorchen, er hat ein Macht, -mittel, -erlebnis Machterlebnis (Dynamismus) und muß auf Mittel zur Abwehr, d. h. auf mupongoko „Wiederherstellung des normalen Verlaufs“ sinnen, er muß sich zur Magie wenden. Es gibt nun Personen, Objekte, Ereignisse, Zustände, von denen leicht solcher mpungu ausgeht; sie sind daher mit besonderer Vorsicht Vorsicht zu behandeln, zu welcher Vorsicht bestimmte Regeln, Verhaltensmaßregeln, Enthaltungsvorschriften anleiten (Tabu, vgl. S. 60ff).

Woher resultiert nun der Unterbruch des Normalen?

„Alles was geschieht, ereignet sich selten, ohne daß man nicht die Kräfte der unsichtbaren Welt dabei als Ursache wähnt. Die Todesfurcht läßt die Leute glauben, daß, an welcherlei Ursache auch einer gestorben ist, doch auch geheime Künste der ndimsi ndimsi „unsichtbaren Welt“ dabei mitwirkten. Oder wenn einer Erfolg in seiner Arbeit hat, so floß ihm aus geheimer Quelle magische Kraft zu, ebenso wenn Verlust oder mbeu a mbeu a nyolo nyolo ‘Gefahrenzustand’ eintritt.“ (Preisarbeit), vgl. dazu besonders S. 86ff.

Aus der unsichtbaren Welt wirken auf unsere Sinnenwelt Kräfte, Mächte, Geister Geister, Dämonen Dämonen ein, deren Wirken oft durch Menschen vermittelt ist. Diese unsichtbare Welt, ndimsi, ist nun nicht, wie es sich der dualistisch Denkende vorstellen mag, ein ganz anderer Bereich: Das primitive Gemüt stellt sie sich als die andere (unsichtbare) Hälfte zur sichtbaren Hälfte der Welt vor, als eine Parallele zu der normalen Linie unseres Weltgeschehens; von dieser Parallele wirken die mystischen Mächte auf die Sinnenwelt ein.

Deutlich wird uns diese geteilte Einheit an der Vorstellung vom Epas’ a moto Unterscheide davon esungu a moto „kurzer Mensch“, wörtlich: quergespaltener Mensch, worunter man auch Kobolde, Waldgeister u. ä. versteht.

„dem längsgeteilten Menschen“, die im ganzen Bantugebiet anzutreffen ist. Von ihm erzählen die am Kamerunberge siedelnden Bakwiri: Der Epas’ a moto Epas’ a moto west oben auf dem Berge. Wer „vier Augen“ hat, d. h. wer in die unsinnliche Welt blicken kann, sieht gelegentlich seine eine Hälfte. Alle sonst paarweise vorhandenen Körperteile sind bei ihm nur einmal vorhanden: Auge, Wange, nur ein Nasenloch, Arm, Hand, Bein u. a.; die andere Hälfte ist Stein und mit dem Berge verwachsen. Dennoch kann er sich nachts bewegen, seinen Zuckerrohracker pflanzen, Frevler strafen u. a. – Dieser „ Halbmensch Halbmensch“ ist also in Wirklichkeit ein ganzer Mensch, nur spiegelt sich in ihm mundi ma wase „die gegenwärtige Welt“, unsere „Sinnenwelt“ und mundi ma ndimsi „die heimliche Welt“ der Unsichtbarkeit. So ist das Weltbild, -anschauung, sinnliche und unsinnliche vgl. auch ndimsi Weltbild des Kameruners einheitlich-doppelseitig; Diesseits und Jenseits ist eine gespaltene Einheit. Darum können die verschiedenen mystischen Mächte und Geistwesen leicht in unsere Welt hereinwirken und magisch geladene Menschen in das Gebiet der übersinnlichen Welt eingreifen.

Dieses Wechselspiel möge Folgendes veranschaulichen: Da besteht eine Siedlung. Bevor sie gegründet wurde, hatte man von einem nganga „Wissenden“, vgl. S. 54, magische Mittel aufstellen lassen zu dem Zweck, den Platz auszuproben, ob es ungefährlich ist, dort zu siedeln, und sich eventuell zeigende widrige Mächte niederzuringen oder zu vertreiben. Als sich nach Monaten des Wartens nichts Störendes zeigte, der Platz also im Zustand {48} der lokomea „Kühle, Beruhigung“ war, wurde mit dem Anbau begonnen und dabei nicht vergessen, allerlei Sicherungen anzubringen, besonders die madale ma mbando Mbando von banda „beschweren, niederdrücken“, z. B. Baumrinde beim Trocknen, ein Netz im Wasser, unterdrücken von Menschen; übertragen: Mittels Zaubermedizinen ungute okkulte Kräfte drunten halten.

Stein Steine des Niederdrückens (nämlich schädigender Mächte)“ zu setzen und sie immer wieder durch Riten Riten und Mittel zu stärken, vgl. S. 93b. Die Siedlung hat Zuzug, das Feld ist fruchtbar, Kinder und Haustiere mehren sich, der Wildbestand ist der Jagd günstig. Es geht alles wunschgemäß, die Siedlung ist in Ordnung und ruhig fließt das Leben ihrer Bewohner dahin. – Nach Jahren ändert sich die Lage: Das Wild ist abgeschossen oder vergrämt, die Äcker sind arm geworden, Krankheit mindern Menschen und Vieh Vieh, der Zuzug Fremde, Fremdlinge Fremder hat aufgehört; die Armut erzeugt Unzufriedenheit unter den Bewohnern. Das hat zwar alles natürliche Gründe; an sie denkt aber der Primitive nicht, sondern erlebt in diesen Übeln die Offenbarung widriger geheimer Mächte, gegen die die magischen Abwehrmittel der Siedlung nicht mehr aufkommen. Diese Mächte ließen den Ort pungwa „in Unordnung Unordnung geraten“ oder nyama „verderben“. Der besiedelte Boden ist onya onya „erregt“ wie loderndes Feuer Feuer, er zeigt seine unheimliche Macht, die sich in Not, Unglücksfällen und Streit offenbart. Das Machterlebnis ist da. – Es kann Fälle geben, wo solches Machterlebnis so stark ist, daß es zur Umsiedlung drängt oder sich die Einwohnerschaft zerstreut und die Siedlung sich auflöst. Solches Erleben hat das früher so häufige Wandern der Stämme und Sippen veranlaßt. – Man kann aber auch versuchen, die Siedlung wieder pongo „in Ordnung zu bringen“ oder loko loko „zu beruhigen“, indem man die guten Abwehrkräfte mehrt, neue magische Sicherungen anbringt, nachdem man die mystischen Hintergründe des Erlebens beseitigt hat. Dies geschieht, indem das Verhältnis der Bewohner untereinander durch Beichte Beichte, Aussprache und Wiedergutmachung neu geregelt, das Verhältnis zu den Ahnen in Ordnung gebracht wird durch Bekenntnis vorliegender Schuld (und Sühne) Schuld und Bitte und Opfer, vgl. S. 181a; innerhalb des Dorfes sind die balemba „Nei-dinge, Hexe, -rei Hexen“ bloßstellen bloßzustellen und zu bekämpfen und die batudu „Sippenvorsteher“ als Träger der Gruppen durch magische Handlung und Mittel zu stärken. Erst wenn dann das Orakel gezeigt hat, daß alles in Ordnung gekommen, können die Vorsteher der Siedlung durchs Dorf ziehen und singen singen:

„Wir haben die Siedlung neu geordnet!

nun wird die Meerspitzmaus den Mais nicht mehr stehlen,

nun werden die Webervögel den Mais nicht mehr stehlen“ Dieser Gesang, der so häufig auf dem Rückweg von der ndie „Ahnenkultplatz“ laut wurde, heißt wörtlich: 4

Damit darf nun jedermann wieder auf ruhiges Gedeihen hoffen; das widrige Machterleben ist zu Ende gekommen, seine Ursachen sind beseitigt lokomea .

Woher aber stammen nun die guten Abwehrkräfte? Aus der gleichen Welt der ndimsi, wie die schädigenden. Wer sich durch esoterisches Wissen und magische Übungen in den Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kultbünden (losango) und durch private Einführung, vgl. auch Initiation Einführung mit übersinnlicher Macht hat „füllen“ lassen, kann die gleichen Kräfte zum Heil seiner Gruppe anwenden, wie sie der Neiding oder finstere Gewalten zu deren Unheil gebrauchen. Wer über solche Kräfte verfügt, ist ein mulondediGefüllter Gefüllter“, von londa „voll, gefüllt werden“. Damit ist aber nicht gesagt, auf welcher Seite des Freund-Feindverhältnisses er steht; es kommt ganz auf seine Haltung zu seiner Gruppe an und dementsprechend auf die Art des Gebrauchs seiner Macht; er kann sie als weiße oder als schwarze Kunst, weiße und schwarze Kunst verwenden, Helfer oder Neidingshexe sein, vgl. S. 94ff. Wessen Kunst sich nicht nur auf einzelne Gebiete der Magie beschränkt, ist ein mulondedi nundene „ein großer Erfüllter, großer Vollmensch“, wer sich aber in allen Bezirken der geheimen Kunst auskennt, ist mome, pl. myome „ein Mannheitsbewußter, einer der in Wirklichkeit ein Mann, ein Kerl ist“. Ein solcher wirkt mittels seines Könnens und seiner Mittel in allen Gebieten der sichtbaren und unsichtbaren Schöpfung, ihm ist nichts verborgen und nichts unmöglich; die Kräfte der Dunkelheit, der unsichtbaren Welt des ndimsi samt des Hades sind ihm zum Gebrauch in der Sichtbarkeit zu Gebote. Diese Übermenschen werden auch bezeichnet mit ngang a moto, pl. ngang a bato „einer, der Erkenntnis hat, der sich in allem auskennt“. Ein solcher hat die höchste Stufe der Menschen erreicht im Gegensatz zum ewol’ a moto „leeren, hohlen Menschen“; er ist kraft seines Wissens und Könnens Magier und kann Heiland der Seinen sein, aber auch, wenn er will, kann er als Hexe andere „essen“. Er hat durch esoterische Weihen eine höhere Stufe des Lebens erreicht; für alle Gebiete des kulturellen Lebens der Eingeborenen ist er der Weise und Mächtige. Seine Zeit ist hauptsächlich des Nachts; da kann er sich „ spalten, sich spalten“, so daß, während der Körper schläft, die Lebensseele wandert. Doch scheut er auch den Tag nicht, sucht aber die {49} Heimlichkeit. „In alter Zeit mußte jeder Stamm derartige Leute haben; nur so war er imstande, Kämpfe gegen andere Stämme erfolgreich zu führen. Solche Leute griffen zwar nicht mit äußeren Waffen in den Kampf, magischer -, vgl. auch ekumti Kampf ein, sie rüsteten auch nicht nur die Krieger mit den magischen Mitteln aus und schufen so die Vorbedingungen des Sieges; das Wichtigste war, daß sie das magische Arsenal der Feinde zunichte machten, indem sie die balondedi und ngang a bato der Gegner und deren magischen Hilfsmittel ihrer Macht beraubten.“ (Preisarbeit) Solches unsichtbares Ringen der balondedi gegeneinander in der Welt der ndimsi „Unsichtbarkeit“, das Entkräftigen ihrer magischen Mittel und Schätze heißt ekumti ekumti „Kampf der Magier“. Ekumti ist aber nicht nur in kriegerischem Kampf zweier Gruppen nötig, jeder Medizinmann Medizinmann, der sich um die entwichene oder gestohlene Lebensseele eines Menschen bemüht, der einen Kranken behandelt, der die Initiation, Einführung in Kulte Initiation der Jugend leitet, muß neben seinen sichtbaren Manipulationen noch den magischen Kampf ekumti gegen widrige Hexen, Schattengeister, feindliche balondedi u. ä. kämpfen. Solche bewendji ba ndimsi „Kämpfe in der unsichtbaren magischen Welt“ finden statt in der Luft, im Wasser, auf dem Land, im Hades und werden dem Menschen oft als „Macht“ offenbar im Sturm Sturm, der das Meer erregt, die Luft durchtobt, Bäume knickt, Häuser umwirft, Dächer wegträgt oder Erdrutsche an Berghängen verursacht. Hier erlebt der Kameruner die „Macht“, wie auch unsere Vorfahren meinten, in solchem Sturm tobe sich das „wilde Heer“ aus. Der Hintergrund solchen mudi „Sturmes“, der physischen Natur ist ekumti „der magische Kampf“ in der Welt der ndimsi, vgl. auch S. 93a.

Doch sehen wir uns die Vorstellungen im einzelnen näher an:

A.  Dynamismus Dynamismus Kraft, vgl. auch Macht

1. Was Dynamismus ist

Der Kameruner glaubt in den sichtbaren Dingen, Lebewesen, Naturgegenständen und -ereignissen eine unsichtbare Macht latent ruhend; in dem einen Ding oder Ort mehr, im anderen weniger, je nachdem [wie] der Eindruck ist, den man erhält. Von wem letzten Endes diese Macht ausgeht: Kräften und Geistern in der unsichtbaren Welt, Vorfahren oder nichtmenschlichen Naturgeister Naturgeistern ist gleich, der Kameruner forscht i. a. nicht nach den sekundären Ursachen der Erscheinungen, weil er ja im Übersinnlichen seine primäre Ursache glaubt; beeindruckt durch eine numinose Gewalt, die ein Objekt oder Ereignis auf ihn ausübt, vermutet der Kameruner im Objekt die Macht wirken und in der Erregung seiner Psyche wird ihm das Numen Numen bewußt. Solches Machterlebnis hat das Individuum Individuum; es kann auch sein eigenes Individualerlebnis bleiben; es kann aber auch das Erlebnis des Einzelnen der ganzen Gruppe zur Machtoffenbarung werden, wie auch viele Einzelne das gleiche Erlebnis haben mögen. So entsteht eine universelle, sich von Geschlecht zu Geschlecht vererbende Idee von einer übernatürlichen Kraft, die sich in natürlichen Objekten zeigt. Die Kraft hat nicht persönliche Züge wie Geister oder Dämonen, ist aber auch nicht ruhende Materie, sondern einem feinen Fluidum, elektrischer Ladung vergleichbar; sie kann vorhanden sein, sich zeigen oder ruhen, sie kann auch verloren gehen.

Wer in Berührung mit solch geladenen Objekten kommt, wird von der ihnen innewohnenden Macht alea „erfaßt, ergriffen“ und, wenn nicht Gegenkräfte mobil gemacht werden, von ihr ins Verderben gezogen. Weil aber einer mit seiner Gruppe zu organischer Einheit verbunden ist, hat solch persönliches Machterlebnis auch Einfluß auf die Gruppe, so daß was der Einzelne tut oder erleidet, imstande ist, solche geistigen Kräfte zum Vor- oder Nachteil der Gruppe zu beeinflussen.

Die Religionswissenschaft bezeichnet mit einem Ausdruck der melanesischen Sprache der Maori diese „Macht“ als mana mana, in Kamerun entspricht ihm nginya „Kraft, Macht, Wirksamkeit und Wirkung“. Allein dieser Ausdruck bezeichnet nicht nur ein solches Machterlebnis, nginya nginya ist allgemeinerer Natur. Man spricht meist nicht von der sich offenbarenden Kraft, sondern hat für jedes Erlebnis einen besonderen Namen.

Zwei Ereignisse in Nyasoso mögen das Machterlebnis veranschaulichen und zeigen, wie der Kameruner nicht nach der sekundären Ursache sucht, er findet die gewünschte Ursache in übersinnlicher Machtoffenbarung:

189- durchreiste der deutsche Forscher Dr. Esch die Bakosilandschaft; auf einem Hügel am Rande Nyasosos hatte er sein Lager, wohin er sich nach einem Vorstoß in das drei Stunden entfernte Ngombo zurückziehen mußte.

{50} Seine Verfolger lagerten im Dorfteil Mwakole am Fuß des Hügels unter einem großen Baum, entschlossen des Weißen habhaft zu werden. Da ließ Dr. Esch seine Askari eine Salve über das Dorf hin abgeben, um Eindruck zu machen. Allein die Lagernden hatten schon Gewehre knallen hören und glaubten sich durch ihre Machtmittel gegen die Kugeln gesichert; und doch hatten sie ihr Machterlebnis. Getroffen von einer der Kugeln brach ein großer dürrer Ast von dem Baum und rauschte herunter auf Ngombo’s Helden. Das Machterlebnis war da; erschrokken stoben die Krieger auseinander und zogen heimwärts; das Numen hatte sich ihnen in einem Omen gezeigt. Seitdem heißt jener Hügel ekon’ e lokita „Doktorberg“ und die Nyasoso-Leute sagten mir 40 Jahre nach jenem Ereignis, daß sich den Ngombo-Leuten die „Macht“ geoffenbart habe, nicht aus den Gewehren, sondern aus dem Baum.

Einige Jahre zuvor war der verstorbene Missionar Fr. Autenrieth als erster Weißer nach Bakosi gekommen und von dem Häuptling Nnoko in Nyasoso sehr freundlich aufgenommen worden. Als Autenrieth nach einigen Tagen mit dem Versprechen wiederzukommen, abgezogen [war], war man stolz und froh, daß man den Weißen zum Freund gewonnen. Aber nicht lange danach war der Häuptling Nnoko nach kurzer Krankheit gestorben, und der Todesfall wurde mit des Weißen Besuch in Verbindung gebracht: Er hatte den Nnoko „gegessen“, d. h. sich seiner Lebensseele bemächtigt, was den Tod zur Folge hatte, vgl. S. 87. Im Tod des Häuptlings erlebten die Nyasoso-Leute des Weißen „Macht“. Die Folge war, daß sie dem Missionar bei seiner Wiederkehr nach einem Jahr den Eintritt in ihr Land verwehren wollten. Drei Stunden weit war ihre bewaffnete Macht ihm entgegengezogen. Weil er sich aber von ihren Gewehren, Speer Speeren, Haumesser Haumessern und Prügeln nicht beeindrucken ließ, weitermarschierte, nach Nyasoso kam, sich eine Hütte zum Nächtigen anweisen ließ, ihr kultisches Tanzen und schamanisches Lärmen um seine Hütte die ganze Nacht hindurch keinen Eindruck auf ihn zu machen schien, hatten sie ein weiteres Machterlebnis: Es war ihm nicht beizukommen; und darum taten sie ihm nichts, sondern traten ihm sogar nach einigen Tagen einen Platz zur Niederlassung ab.

2. Wo sich diese Kraft oder Macht findet

Sie findet sich überall, denn es gibt nichts, aus dem den Kameruner nicht das Numen Numen numen tremendum ansprechen könnte. Es ist klar, daß der Mensch an gewissen Orten oder bei Gelegenheiten dieses Erlebnis der Macht stärker und häufiger hat als an anderen, z. B. im wilden Wald Wald, auf dem Wasser Wasser, an Gräbern stärker als an gewohnten Plätzen. Nur mundi „die Siedlung, vgl. auch Gruppe Siedlung“ ist bekannter und gesicherter Ort, sonstwo ist man zunächst ungesichert, da wohnt das Grauen [?]. Dort begegnen sich sichtbare und unsichtbare Welt, dort ist die fließende Grenze zwischen Mensch und Tier, Tierwelt Tier (Nagual- und Totemglauben, vgl. S. 82, 93), Mensch und <Schatten>, Jagdwild und Schattentieren, vgl. S. 29. Missionar Oberlerchner berichtet, wie ein Baum Baum bei Bamenka in der Bandop-Landschaft vom Sturm umgedrückt so dagelegen hatte, daß man den Stamm zu einer Ölkelter ausgehölt und seine Äste als Brennholz weggetragen hatte. Nach einem heftigen Regen aber richtete sich der totgeglaubte Baum wieder über 45 Grad auf, denn er hatte wieder Wurzeln geschlagen und die Krone grünte. Da wurde der Baum plötzlich ein Gegenstand der Verehrung, er wurde eingezäunt und ihm wurde geopfert. Der natürliche Vorgang des Wiederanwachsens, der um so tiefer wirkte, als der Baum schon in Gebrauch genommen war, war zu einer Offenbarung übersinnlicher Macht in dem Baum geworden. – Das [ist] nur ein spezieller Fall; aber in allen Bäumen webt und west etwas von dieser Macht. Und zusammen bilden die Bäume den Wald, wo der Waldbewohner seine Schrecken und Überraschungen erlebt wie Schiffer und Fischer auf dem Wasser. Der Medizinmann benützt Säfte vieler Bäume als Drogen, vgl. auch Medizin Drogen; was liegt dann näher, als daß er Rindenstücke als Machtmittel und Amulett Amulette benützt. Darum sind auch alle Bäume in der bo-mi-Klasse der Klassen der Substantive Substantive, der Klasse der Machtmittel. Der Wald ist dem Kameruner die große Drogerie, daraus er Mittel entnimmt, um den Lebenskampf bestehen zu können. Der Wald gilt aber auch als Übergang aus der Sinnenwelt in die unsinnliche Welt; des Waldes Wild sind die „Haustiere“ der Geister und das kleine Getier des Waldes kommt aus der Unterwelt, die meisten Begegnungen mit Geistern hat man im Wald und viele andere Umstände erhärten des Kameruners Ansicht, daß der Wald machtgeladen ist.

Ebenso ist der Stein Stein mit solcher Macht geladen, vielleicht weil er so hart ist, daß er den Werkzeugen der Primitiven Widerstand leistet; wem nicht beizukommen ist, den muß man verehren, fürchten. Wer sich auf der Wanderung (Reise) Wanderung auf einen Stein setzt, bespuckhaucht, vgl. S. 136, ihn zuvor, um schädliche Kräfte zu bannen, die zuvor auf ihm ruhende ungute Menschen oder Gei- {51} ster darauf zurückgelassen haben. – Wenn jemand, besonders ein Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kind, einen Stein auf den Kopf nimmt, ohne daß es zuvor darauf gespuckt hat, so wächst es nicht mehr, denn in den Stein gebanntes Unheil, vgl. mbeu a nyolo auf S. 97, könnte auf es übergehen. – Steine gelten als Sitz der magischen Kräfte der Sippe und des Stammes. Besonders sind das Steine, die eigens zu diesem Zwecke gesetzt sind und eine Art Opfersteine darstellen, vgl. S. 16, 93b. Wo solche Ahnensteine liegen, bei den Bakosi nyo (Ko.) nyoSchlange Schlange“ genannt, ist der Gruppe Gedeihen, Fruchtbarkeit Fruchtbarkeit und Fortbestand garantiert; vgl. the golden Stool der Asanteer oder auch die Aufgabe des Bergkristalls im Schüttel- oder Körbchenorakel Schüttelorakel auf S. 161; oder das auf S. 10 zu ndjolandi, auf S. 17 zu den Phallussteinen Gesagte. Mit dem mudiki-Steine klopft man bei einer verwünschen Verwünschung den Ahnengeistern unterm Boden, vgl. S. ---, und bannt in kleine Steine bei einer Sühnefeier das Unrecht und wirft es mit ihnen nach hinten von sich. Steine und Felsen spielen auch überall dort eine Rolle, wo man im Meere, Flußstrudeln, Wasserfällen menguWasserdämonen djengu Wasserdämonen“ vermutet, die in diesen Steinen siedeln und mit den Steinen sich im Wasser bewegen können, vgl. S. 117ff. Aber nicht nur sind die gefährlichen Stellen im und am Wasser verrufene Orte verrufen, es gibt allerorts auch solche auf dem Land, wo etwa ein Bergrutsch stattgefunden [hat] oder wo an feuchten, sonnigen Plätzen sich gerne Kriechtiere aufhalten, vgl. ngokume der Bakosi, vgl. S. 92f, wo mit Bergen etwas Auffallendes verbunden ist, das sich dann vielfach die Geheimbünde als Sitz ihres Dämon auserküren. Stein

Statt vieler sei da nur einer genannt: In dem zerklüfteten Barombi- (fälschlich Rumpi-) Gebirge steht in der Balue-Landschaft zwischen Dikume und Itoki der Kongwe Kongwe, vgl. S. 90, ein Berg, der sich etwa um 200 m von seiner Umgebung abhebt. Von vielen Plätzen des Gebirges ist sein brauner, baumloser Kegel zu sehen. Alle Kundu Kundu-stämme der Landschaft: Bakundu, Mbonge, Baloe, Ngolo Ngolo Batanga, Bayi, Ekombi verehren den Berg und selbst entfernter wohnende Stämme haben eine hohe Meinung von ihm, obwohl sie oft kaum seinen Namen kennen. Man hält den Berg für besonders machtgeladen und den Geheimbund, -kult, vgl. auch Wassergeister, Kultsprache Geheimbund dio für den Besitzer dieser Macht. Man verbindet diese Macht mit den abgeschiedenen Mitgliedern dieses Kultbundes und glaubt, wenn die dio- Trommel, Fell-, Schlitz- Trommel in einem Dorf der Umgegend geschlagen werde, so treten auch jene Geister Geister zum Tanz Tanze an, und wer über die nötigen Kräfte verfügt, höre den Lärm ihres Tanzes neben dem Gesang im Dorf.

Ihob, ihob, ihob, dio of Kongwe oeka?

Yohohoho,yohohoho, yohohoho, o Konwe o! Oeka dio!

„Horch, horch, horch; hörst du die dio- Dämonen Dämonen auf dem Kongwe?

Hallo, hallo, hallo, ja, auf dem Kongwe, da hörst du die dio-Dämonen!“

In diese Geistergemeinschaft im Kongwe werden nur die Angesehenen der Stämme zugelassen, die die Riten Riten und Weihen des dio-Bundes durchlaufen haben; alle anderen scheiden an einen armseligen Ort ab. – Der machtgeladene Berg ist natürlich für alle Nichteingeweihten, besonders für die Frauen tabu und immer wieder werden furchterregende Geschichten von ihm erzählt, wie solche, die sich ihm nahten, von Geistern verjagt wurden, wie der oder jener im Dickicht unterhalb des Berges gefangengehalten wurde, wie Jäger, die sich dem Berg nahten, plötzlich von Nebel umfangen den Rückweg nicht finden konnten; das Kleingetier im Fluß dort sei „trocken“, so daß dort nicht gekrebst werden könne. Und passiert einem, der sich in die Richtung auf den Berg zu begeben [hat], etwas, trifft ihn gar unterwegs ein Schlaganfall, dann enthüllt das Orakel ganz gewiß, daß die dio-Dämonen ihre Hand im Spiel hatten. – Vgl. dazu die auf S. --- geschilderte Parallele von Kupe und Abi de Nkasi, Manenguba-Seen S. 191ff.

Aber auch Lebewesen und Teile von ihnen hält man für machtgeladen, gefährliche für immer und andere nur unter gewissen Umständen. Es wundert nicht, wenn einer beim Begegnen mit einem großen wilden Tier, Tierwelt Tier erschrickt und ein Machterlebnis hat; diese Tiere gelten dann vielfach auch als Totem, Totemismus Totem oder Nagual, Nagualismus = Individualtotemismus Nagual, vgl. S. 82ff, 86ff. Aber auch andere Tiere hält man nicht für ganz harmlos, mag man sie nun als dem Mensch nahestehend oder ihm in gewissen Stücken überlegen ansehen, sie gelten als außerordentlich. Am Tier bewundert der Primitive Kunst und Gewandtheit, List List, Kraft und Schnelligkeit. So malt er sie im Märchen Märchen: Die Schildkröte Schildkröte ist Orakler und Richter, der große Betrüger, die Zwergantilope Zwerg Antilope antilope der in allen Lagen überwindende Held, der Reinecke Fuchs, der Elefant Elefant der Herrscher im Reiche des Waldes, der Leopard Leopard der Tollpatsch, das Chamäleon Chamäleon das Aschenbrödel, verachtet und gefürchtet, der Bringer des Todes. Andere sind verdächtig wegen des Ortes ihres Aufenthaltes. Die Waldtiere, die ja so geheimnisvoll aus der Verborgenheit auftauchen und wieder dahin entschwinden, die Kriechtiere, die am und unter dem Boden leben, sind mächtig, denn sie stehen mit der unsichtbaren Welt in Verbindung. – Wie könnten sich die Vögel Vögel in die Luft erheben, wären sie nicht machthaltig. {52} Und da ja immer das Außergewöhnliche zu besonderem Erlebnis wird, gelten sonderlich solche Wesen für machthaltig, die von der Regel abweichen. Eule Eulen und Ziegenmelker gelten allerorts für hexenbesessen, denn die anderen Vögel sind ja nur am Tag zu sehen und zu hören. Wenn aber ein Tagtier bei Nacht Nacht erscheint oder ein Nachttier am Tag, so erlebt man in ihm eine besondere Macht, z. B. Fledermaus, gewisse Ratte Ratten, Eule, Schlange auf dem Wege bei Tag, oder der große Tausendfuß >Tausendfuß, die Gottesanbeterin bei Nacht. Ebenso werden Tiere gefürchtet, die etwas Ungewöhnliches an sich tragen: Wenn ein Exemplar einer dunkelfarbigen Art hellere Farbe Farbe trägt oder umgekehrt; oder in Ngusi, Bakosi-Landschaft, erlebte ich ein Schaf mit fünf Beinen, das nicht geschlachtet wurde. So liegt es auch nahe, daß Verrückte oder Leute, die sonst etwas Eigenes an sich haben, als machtgeladen, oft als Hexen verschrien werden.

Glaubt man, daß gewisse Tiere in besonderer Weise mit der Welt der ndimsi „Unsichtbarkeit“ in Verbindung stehen, so werden sie oder Teile von ihnen auch als Machtmittel benützt, vgl. die Vogelspinne auf S. 158 oder die Bestandteile des Schüttelorakels S. 161. Tier, Tierwelt

Macht wohnt aber vor allem auch im Menschen, im lebenden sowohl als auch im toten und seinen Teilen, wenn auch nicht in allen gleichmäßig. Auf S. 2f. ist bereits von solchen machtgeladenen Menschen berichtet. Sie sind <mächtig> nicht aus physischer oder psychischer Überlegenheit, sondern weil sie mit Macht geladen sind: Kultbundmitglieder, Häuptling Häuptlinge, Medizinmänner, Orakler, Jagd, Jäger Jäger, Fischer Fischer, Krieger; als solcher wird man nicht geboren, sondern wird mit der Kraft <gefüllt>; ngang, Kp. nganga nganga „der über esoterisches Wissen und magische Kräfte Verfügende“, kann andere mit solcher Macht laden.

Mit der Geschlechtsreife werden Menschen besonders machtgeladen. Darum finden bei ihrem Eintritt auch die Initiationsriten statt, vgl. S. 192 – 207, und gewisse Handlungen, bei denen die unsichtbaren Mächte nicht erregt werden dürfen, können nur von unentwickelten Kindern oder sterilen Frauen verrichtet werden, vgl. S. ---.

Macht wird aber auch erzeugt und erworben durch Gebet Gebet, Opfer, vgl. auch Kulte und Ahnenkult Opfer und andere kultische Handlungen und magische Mittel. Daher die Jugendweihe und Schulung dafür, die Mysterienkurse und Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kulte der Geheimbünde, das Einführen der <Wissenden> in ihren Beruf als Orakler und Medizinmänner u. ä., die Übungen zum Herbeiführen von Halluzinationen ( elielie elielie etc., vgl. S. 234ff.), Ausrüsten von Häuptlingen, Kriegern, Jägern u. ä. zu ihrem Beruf.

Ein Machterlebnis wird aber auch verhindert, z. B. dadurch, daß man nicht dahinsieht oder sich dort aufhält, wo eine solche Offenbarung der Macht zu erwarten ist, vgl. auch Tabu S. 70ff.

Das Machterleben kann auch periodisch wechseln, wie z. B. die monatliche Regel der Frau; so ist ja auch die Zwillingsgeburt ein besonders gefährliches Machterlebnis; ebenso sind es die Initialweihen, die Trauerzeit mit dem vorangehenden Todeserlebnis. In dieser Zeit brauchen die Gefährdeten eine besondere Behandlung, auch um die Gruppe vor der geoffenbarten Macht zu schützen und die Befallenen aus dem Gefahrenzustand zu befreien.

Ist ein Körper mit Macht geladen, so muß man ihn auch besonders pflegen: Salben, Bestreichen mit Rotholz Rotholzfarbe, Waschen mit Drogen u. ä. ist in erster Linie nicht Hautpflege, sondern nötig zur Erhaltung und Mehrung der Macht. Ähnliches bezwecken Amulette und mancher „ Schmuck Schmuck“, getragen in allerlei Gestalt und an den verschiedenen Körperstellen; auch Impfung im Genick, auf dem Handrücken und anderswo, Klistier Klistiere, Beschneidung Beschneidung, Zahnverstümmelung Zahnverstümmelung u. a. sollen Macht mehren und erhalten.

Soweit die Bezeichnungen für Körperteil Körperteile nicht zur di-ma-Klasse (Namen für paarweise Vorhandenes oder symmetrisch Teilbares) oder als Medium einer besonderen Kraft (z. B. Lungen, Magen, Penis, Scheide u. a.) zur e-be- (Sachen-)Klasse zählen, gehören sie der mu-mi-Klasse (Bezeichnungen für Kraftträger) an, z. B. Kopf, vgl. auch Schädel Kopf, Rumpf, Rückgrat, Lenden, Fuß, Finger, Herz Herz, Muskel, Schlund, Gedärme, Vorhaut, Hintern, Nabel, Nase, Unterkiefer, Mund, Schnabel, Ader, Schwanz, Runzel u. a., aber auch Abfallstoffe Abfallstoffe wie Urin Urin, Halsschleim, Tränen, Hauch, Darmgase Darmgase. Zu dieser Nominalklasse der Kraftträger gehören auch viele Krankheit Krankheiten: Aussatz Aussatz, Bruch, Bauchgrimmen, roter Hund, Fußgeschwüre, Nasenbluten, Schürfung, Würmer, Starrkrampf, Haut jucken jucken u. a.; ebenso Bezeichnungen für Erregungszustände: Zittern, Aufregung, Raffgier, Quälerei, Habgier, Wildheit, Schrecken, Hast, Ungeduld usf.

Auch in Kamerun ist Blut Blut geschätzt und gefürchtet, daher seine Verwendung zum Opfer, und früher war es nicht nur Tierblut wie heute. Man muß sein Blut schützen; wer einem anderen eine Wunde Wunde beibringt, muß gestraft werden oder muß Sühne leisten; eifrig beseitigt man das Blut, das aus einer Wunde tropft, damit es niemand zu magischen Zwecken verwendet; wegen des Blutbundes vgl. auch S. 151. – Auch die Wachstumsstoffe Wachstumsprodukte spielen eine besondere Rolle: Nägel Nägel, Haar Haare, besonders Schamhaare Schamhaare werden auf allerlei Weise verwendet, vgl. S. 234. Zahn Zähne werden als Amulett Amulette und Talisman Talismane getragen. Früher hob man in den Kulthäusern außer den Schädeln auch die Zähne der für den Kult Erschlagenen auf; sie waren in ein Brett geschlagen und wurden bei kultischen Tänzen gezeigt. Auch die Zahnverstümmelung, vgl. S. 196, hängt mit dem Geladensein der Zähne zusammen.

Die Abfallstoffe oder Ausscheidungsprodukte sind machtgeladen. Der Speichel Speichel gehört zum Spuckhauchopfer, vgl. S. 136, und dient dem Segen (bonam, munam), segnen Segen und der Abwehr, auch zur Stärkung von Heilmitteln. Weniger wichtig ist der Schweiß, vgl. auch Schmutz Schweiß als Mittel, zeigt aber beim Schamane Schamanen doch, daß seine Tätigkeit voller Kraft ist; und der von Schweiß und Fett gebildete Hauttalg wird zusammen mit Haaren, Nägeln u. a. zur Bereitung von Amuletten verwendet, vgl. S. 146, 150 u. a.

Auch das Wort Wort, in besonderer Absicht gesprochen, vgl. Fluch und Segen auf S. 134, ist machtgeladen und hat seine unaufhaltsame, von der Gottheit weithin unabhängige Wirkung. Hier ist auch das Sprach-Tabu der Initiierten, vgl. S. ---, und das Verpöntsein mancher Wörter zu beachten.

{53} Mit schamanischen Gesängen vergrößert der Medizinmann Medizinmann die Kraft seiner Mittel. Aber auch Sprüche und Lieder können machthaltig wirken, z. B. solche, die zu Opfern gesungen werden, etwa das in Bakwiri:

„Ziegenkind, stirb, damit das Menschenkind lebe!“ Vgl. S. 188, das dort bei keinem Opfer für Kranke fehlt.

Freilich sind Segensworte und ihr Gegenteil, die Flüche und ihre Aufhebung von einer symbolischen Handlung begleitet; diese wollen aber nicht das Wort verdrängen oder abschwächen, sondern erst recht wirkungskräftig machen; beiden, Wort und Handlung, wohnt Macht inne.

Aber auch der tote Mensch, und nicht nur einzelne, vgl. mbimba 3 „die Leiche Leiche“, ist machthaltig. Daher hütet man sich besonders, einen fremden Leichnam anzugreifen; wer einen Leichnam berührt ( Totengräber Totengräber, Witwen), hat sich besonderer Reinigung, rituelle Reinigung zu unterziehen, vgl. S. 217ff. Von fremden Leichnamen hält man sich besonders fern und distanziert sich von ihnen; so etwa, daß die ganze Dorfschaft an einem fremden Leichnam vorbeigeht, jeder ein bestimmtes Baumblatt auf ihn legt; vgl. S. 71.

Wie besonders von Gemordeten noch eine besondere Macht ausgeht, ist auf S. 58ff., mbaki, gezeigt. – Der Leichnam „lebt“ gewissermaßen weiter, nicht etwa nur der der Wiedergänger, sondern auch andere, vgl. besonders die Ahnenopfer auf S. 227ff. Denn weil man die Toten noch für „mächtig“, in gewissem Sinne für „lebend“ hält, gibt man dem Leichnam auch „Opfer“ mit, wodurch man seine Macht noch erhöhen will. Mit Großen des Stammes begrub man früher Sklave, Sklaverei Sklaven oder Vieh Vieh, vgl. S. 215. Wenn statt des als Opfer gegebenen Stückes Vieh heute nur oft ein fingergroßes Stückchen Fleisch ins Grab, Gräberkult Grab gelegt wird oder andernorts nur die Hühnerfedern aufs Grab gesteckt werden, so erinnere man sich an die magische Wirkung des pars pro toto pars pro toto, vgl. S. 187. Man läßt ja am Grab des Sippenvaters eine Röhre offen, die vom Munde der Leiche an die Oberfläche führt und in die von Zeit zu Zeit das Trankopfer geschüttet wird, vgl. S. 171. Viele Beerdigung Beerdigungssitten haben im Machtglauben ihren Grund. Was soll es etwa bedeuten, wenn die Leichen der Bameta-Häuptlinge mit Lianen umwickelt werden und ihnen ein Topf über den Kopf gestülpt wird? Man will sich vor ihrer Macht schützen, wie man es auch bei anderen „Geladenen“ tut. Denn von den Toten gehen noch magische Kräfte aus, die sich förderlich oder schädigend für die Hinterbliebene Hinterbliebenen auswirken können. Daher auch die Beerdigung in der Hütte oder möglichst weit weg von jeder Behausung im Busch = ungepflegter Wald Busch, vgl. S. ---.

Außerdem sucht man auf magischem Wege sich auch der Kräfte Getöteter zu allerlei Zwekken zu bedienen.

„Wie andere Kamerunstämme gebrauchten auch unsere Väter mot’ a benama ‘einen leibhaftigen Menschen’ als yom’ a bwanga ‘Machtmittelsache’. Es wird berichtet, daß, als Häuptling Bell 1885 die Deutsche Deutschen aufgenommen hatte, ein Teil der Duala-Dorfschaften nicht einwilligten und sich verbanden, um einen Aufstand zu erregen und den Häuptling Bell samt den Deutschen zu bekriegen. Zu ihrer Verschwörung fingen sie eine alte Sklavin, banden sie fest an einen langen Prügel, so daß sie sich nicht mehr bewegen konnte, und verbrannten sie vollständig. Ihre Asche Asche wurde dann unter die Dorfschaften verteilt, die sich zu dem Aufstande verschworen hatten. – So auch, wenn in alter Zeit bei dem Tode eines angesehenen Mannes seine Angehörige und Anhänger einige Leute, etwa Sklaven, töteten und sie ins Grab legten zusammen mit der Leiche des angesehenen Mannes.“ (Aus der Preisarbeit des --- über den Duala-Stamm.)

Die Asche solcher bei einem Bundesschluß verbrannter Menschen wurde in Bündeln in den Kulthäusern aufbewahrt und verpflichtete die Verschworenen zum Zusammenhalten und Erfüllung der Verschwörung, weiteres vgl. S. 137a.

Die Knochen Knochen sind der beständigste Teil des menschlichen Körpers, darum hält man sie auch für sehr machthaltig, besonders den Schädel Schädel und die Zahn Zähne. Darum trieb man mit den Schädeln großer Männer, Häuptling Häuptlinge u. ä. einen besonderen Kult, vgl. S. 225f., und in manchen Gegenden wurden noch Menschen gejagt, auch wo man nicht auf den Genuß von Menschenfleisch aus Fleischhunger angewiesen war. Man wollte nur ihrer Schädel habhaft werden,

{54}

[handschriftliche Notiz auf Rückseite von S. 53: Vgl. die mbamba Kerne des bokombole-Baumes zum Massieren.]

die bei Totenfeiern gezeigt wurden. Solchen Schädeljagden lag ein besonderer Kultbund ob, der epanga epanga, vgl. S. 208.

Natürlich stehen die Knochen auffallender Menschen in besonderem Rufe, z. B. die der Albino Albinos sind von Medizinmännern sehr gesucht; sie werden geschalt und das Mehl in Trinkmedizinen aufgelöst.

Die Macht der Toten ist aber nicht nur begehrt als Hilfsmittel, man sucht sich ihrer auch zu erwehren. Denn der Tote erweckt maladi „Grauen“, was sich auch auf Grab und Friedhof überträgt; solche Plätze werden gemieden, wie ja die Menge der Totengebräuche auf den Glauben an die Macht im Toten zurückgeführt werden, z. B. die Lage der Leiche ist besonders zu beachten, sie darf etwa nicht in die aufgehende Sonne Sonne sehen, sonst wird der Verstorbene zum Wiedergehen, vgl. S. 99, angeregt; mancherorts ist noch in Erinnerung, daß die Toten nicht beerdigt, sondern in den Fluß geworfen wurden. Gefährliche Menschen sind auch besonders zu beerdigen, vgl. bei Obduktion auf S. 96. Man steckt ihnen den Kopf in einen Topf, bedeckt sie mit Dornen, schneidet ihnen zwischen Fingern und Zehen durch, legt sie auf das Gesicht Gesicht. Wiedergänger Wiedergänger werden ausgegraben und verbrannt.

Der über esoterisches Wissen verfügende ngang, Kp. nganga ngangaMedizinmann Medizinmann“ kann natürlich solche mit Macht geladenen Naturobjekte gebrauchen, um sie zu besonderen Mitteln zu verarbeiten. In diesen künstlich hergestellten Gegenständen ist dann auch etwas von der Macht der „Geladenen“ konzipiert. Das zeigt sich schon darin, daß diese Mittel auch tabu sind, ohne daß sie in besonderer Weise ihre Macht durch ein besonderes Erlebnis manifestieren, während man bei den meisten der genannten Naturobjekte erst durch das Machterlebnis erschrickt. Diese hergestellten Machtmittel haben den allgemeinen Namen bwanga bwanga, 13, my- „Machtmittel“. Dies[es] Wort ist gleichen Stammes mit dem schon genannten nganga: -ganga. Danach wäre ngang (Du.) oder nganga (Kp. und andere) „Arzt, Schamane Schamane, Medizinmann, Wissender, der magischer Mittel Mächtige“ und bwanga, my- „magisches Machtmittel“, vgl. S. 152.

Dieser magischer Mittel ist Legion, sie lassen sich aber in besondere Gruppen teilen:

Talisman Talismane und einfache Amulett Amulette zum Anhängen an den Körper sind ndjum; sie heißen gemeinhin auch bema be matate nyolo „Gegenstände, die den Körper bewachen“; vielfach sind es Dinge aus einem Stück, wie Zähne, ein Stück Baumrinde, oder auch einfach zusammengefügt wie „ Abfallstoffe Abfallstoffe“ in einem Säckchen, oder eine Kaurimuschel gefüllt mit Blutgerinnsel oder anderem.

ndjou Ndjou 6 ist ein etwas größeres Anhängsel, Amulett und dient zum Schutz durch Machtmittel, Medizin Schutz der Habe, von Haus, Acker, Feldfrucht, Baum u. ä. Hierzu gehören auch gewisse Insignien der Kultbünde, etwa Stöcke, Wedel Wedel; teils sind es einfache Naturgegenstände, teils künstlich angefertigte Objekte: Geschnitzte Figuren oder Sträuße von Drogen, vgl. auch S. 20.

Wo die Geheimbund, -kult, vgl. auch Wassergeister, Kultsprache Geheimkulte als Bünde nicht große Bedeutung hatten, mußte jedes Gehöft für seinen eigenen Schutz selbst sorgen. Da finden sich denn in oder bei den Gehöften allerlei größere Mittel zum Schutz der Hofstatt und ihrer Insassen und deren Fruchtbarkeit; vgl. z. B. die auf S. --- aufgeführten Fetisch, -ismus Fetische der Bakwiri. – Hierher sind auch zu zählen die Felle der im Grasland erlegten Leoparden. Sie sind dem Häuptling abzugeben, der sie gebrauchen oder verkaufen oder verschenken kann. Besonders tabu ist aber das Leopardenfell, das der Häuptling Häuptling über seinen Häuptlingsstuhl breitet, wenn er darauf sitzt. Dies ist unveräußerlich, wie auch kein anderer auf diesem Fell oder auf dem meist schön gearbeiteten Häuptlingsschemel sitzen darf. Ebenso sind die schön gearbeiteten und meist schweren, aus einem Stück gearbeiteten Bettstellen der Häuptlinge unveräußerlich. Der Bafut-Häuptling hat dem Bett Bett seines verstorbenen Vaters im neuen, nach europäischem Stile gebauten Haus ein besonderes, sonst nicht gebrauchtes Zimmer gewidmet. Solche Betten, wie auch die Schemel, werden immer wieder gesalbt, mit Rotholz Rotholzfarbe bestrichen, gelegentlich auch mit Blut besprengt, wie man es mit einem Phallussteine tut oder gar mit einem lebenden Menschen. – Zu dieser Gruppe gehören auch die Mittel, die man bei den verschiedenen Systemen des Orakel Orakels gebraucht. Ihnen allen wohnt eine besondere Macht inne. Näheres dazu vgl. auf S. ---. Als Ganzes gehört manches Orakel-

{55a}

[eingeklebter Zettel, nicht zuzuordnen: Fußnote zu S. 55a: 1) ndjimbidi, Kp. --- „Schnitzerei, etwas Geschnitztes“, besonders Figuren, aber auch Pfostenkapitäle u. a., erst in übertragenem Sinne ‘Götze’, aber im Sinne des Dynamismus ‚geladener Gegenstand‘, nicht eigentlich ‘Fetisch’.]

geräte zu den Fetischen, denn ihm wird auch geopfert.

Großfetische sind eine ganze Kombination von verschiedenen Mitteln, die mittels magischer Handlungen, unter Bekenntnissen und Reinigungen in Gehöften und Dörfern aufgestellt werden und oft auf Jahre hinaus für die Zugehörigen das bedeuten, was wir gemeinhin mit „Götzen“ bezeichnen. Vgl. dazu ndjom, mfam, epume epume u. a. auf S. ---.

{55b} Wie aber auch harmlos anmutende Objekte mit Vorsicht Vorsicht zu behandeln sind, weil eine gewisse Macht in ihnen ruht, sei am Herd Herd gezeigt:

Der kameruner Herd besteht aus drei länglichen Steinen, die in den Boden eingelassen sind und auf denen der Kochtopf steht. Inmitten der drei Steine brennt das Feuer, das durch Zuschieben von Scheiten und Prügeln zwischen den einzelnen Steinen gespeist wird. Die Steine sind von der Hausfrau gesetzt und geweiht, vgl. S. 62f., doch ohne besondere Kraftmittel. Diese fügt meist der Mann hinzu. Hat der Mann die Steine entfernt und damit das Eheverhältnis gelöst, so ist – falls dieser Streit wieder in Ordnung kommen soll – ein Gemeinschaft, -smahl Gemeinschaftsmahl zwischen den beiden Sippen zu halten. Und zwar muß dies auf einem neuen Herd gekocht sein, den die Frau gesetzt hat, der Mann aber muß das zu schlachtende Sühnetier stiften.

Der Herd ist gewissermaßen das Zentrum der Familie, vgl. auch Gruppe Familie; darum vergräbt man dort auch gern Mittel, die die Familie schädigen soll. So vergräbt dort z. B. ein Feind des Ehepaares den Zauber ewole ewole „das Schwächende“, vgl. S. 131, oder sonst ein ungutes Mittel, um die Ehe Ehe des Paares zu stören. Umgekehrt vergräbt dort der Ehemann das gleiche Mittel, wenn seine Frau durchgebrannt ist. Das Mittel soll dann die ungute Brunst in ihr schwächen, so daß sie ohne Ruhe umherschweifen muß und nirgends seßhaft werden kann, bis sie wieder in ihr Eheverhältnis zurückkehrt und dort bleibt. – Führt man einen Todesfall in der Familie auf Hexe, -rei Hexerei zurück, so gräbt man einen Topf (Medizin) Topf epume- Medizin, Machtmittel Medizin, vgl. S. 146, unter die Steine, muß sich dann aber hüten, Wasser Wasser in die Nähe zu schütten, weil dann das Mittel „kühl“ wird, vgl. S. 14. Dann darf man aber auch an die, welche man als Ursächer des Todesfalles vermutet, aus der Feuerstelle keinen Brand entlehnen, denn auch das würde das Mittel wirkungslos machen. Mit dem Vergraben des epume soll die Lebensseele dessen, der den Menschen „gegessen“ hat, vertrocknen (Ko. edenedeng e kindat „die Lebensseele trocknet aus“).

So steht der Herd in besonderem Ansehen: Zur Beteuerung der Wahrheit seiner Aussage tupft der Mukwiri mit seinem Zeigefinger auf die drei Herdsteine, leckt den Finger ab und spricht dabei Na lio na lea moleli! „Beim Herd, von dem ich zu essen pflege!“ Schwört er falsch – so glaubt man –, dann wird ihm die auf dem Herd gekochte Speise zum Unheil ausschlagen. Er kann zwar den Herd nach dem Schwur ändern, aber das macht seinen falschen Schwur offenbar. – Bei den Bakosi nimmt einer eine Hand voll Asche Asche, wenn er schlecht geträumt hat oder ihm sonst ein Unheil droht, berührt damit die drei Herdsteine, fährt sich dann mit der Hand um den Kopf herum und bläst darauf die Asche von der Hand weg mit den Worten: Nheb etok „Ich habe das Unheil weggeblasen“. – Hat ein Nkosi ein Huhn Huhn gekauft, so nimmt er es, bevor es freien Auslauf bekommt, an seinen Herd, reißt ihm eine Schwungfeder aus, sengt sie am Feuer an und läßt dann das Huhn „mit dem Schnabel und dem Hintern daran riechen“. Darauf klopft er das Huhn an die drei Steine und läßt es laufen; denn nun weiß es seine Heimstatt und wird sich nicht mehr verlaufen.

Bei den Bakwiri läßt die junge Mutter, vgl. auch Eltern Mutter ihre ersten Milchtropfen auf ihre Herdsteine fallen, denn so werden „ihre Brüste Brüste gereinigt“. Man betrachtet nämlich die erste Muttermilch als mit „ unrein Unreinem“ behaftet und in jedem Stamm hat man eine besondere Zeremonie, um die Brüste zu reinigen, bevor das Kind sie bekommt, vgl. S. 191.

Wenn dem Herde solche Bedeutung zukommt, wundert es nicht, wenn seine Macht auf mancherlei Weise „gesichert“ ist, weiteres vgl. S. 62f. Kraft, vgl. auch Macht

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3. Wie man nun ein Machterlebnis hat

Einleitendes

Diese geheimnisvolle Kraft der über- , unsinnliche Welt unsinnlichen Welt wird in verschiedener Weise erlebt, wie auch schon auf S. 49f. gezeigt. Man kann aber in der Hauptsache drei Arten unterscheiden: Einmal kommt diese Macht erst allmählich dem Menschen ins Bewußtsein, weil sie nicht plötzlich erlebt wird, sondern sich in einer Zeitfolge auswirkt; die beiden anderen Arten aber werden plötzlich erlebt, wie das Zucken, Blitzen aus einer verborgenen Welt. Davon ist die eine Erlebnisart, bedimi (Kp.) genannt, ein schlimmes Omen Omen, ein Anzeichen dafür, daß „ Unordnung Unordnung, Unheil“ bereits eingetreten ist; das andere bedidi, ist ein Anzeichen, daß etwas bevorsteht, das, je nachdem [wie] der Mensch darauf reagiert, zu seinem Vorteil oder Schaden ausschlägt. Wir wollen uns diese drei Arten an praktischen Erlebnissen vergegenwärtigen:

a. Manche tragen Glück oder Mißgeschick an sich

Einer Frau gelingt es, Reis immer so zu kochen kochen, daß er gut gar und doch in einzelnen Körnern in die Schüssel kommt. Im Laufe der Zeit stellt es sich heraus, daß sie bewußt oder unbewußt über eine besondere Macht verfügt, die ihr das gute Kochen des Reises ermöglicht, während eine andere Frau diese Macht nicht besitzt. Man spricht dann nicht von besonderer Geschicklichkeit, Vorsicht, Technik, die ihr das Kochen gelingen läßt, sondern sie erlebt eine in ihr wirkende Macht. In vielen anderen Gelegenheiten wird solche Macht festgestellt und benutzt. Da hat eine Töpfer Töpferin gemerkt, daß kein Topf beim Brennen zersprungen ist, als ein gewisses Mädchen das Feuer angezündet hatte, vgl. S. ---, eine Bauersfrau erfuhr, daß der Yams gut anwuchs, als ein gewisses Mädchen den ersten Keimling pflanzte; es ging gut, als ein gewisses Mädchen den Jagdhunden die Rassel Rassel umband – wieviele ähnliche Gelegenheiten gibt es? –, die Erfahrung macht man sich zunutze und immer wieder wird ein solches als machtgeladen (für den besonderen Zweck) geltendes Mädchen zur betreffenden Arbeit gerufen werden. Daher vererbt sich auch in einzelnen Familien das Recht oder die Pflicht Pflicht, das Opfer für die Gruppe darzubringen oder den Sturm zu beschwören u. ä. – Wer zu Vermögen kommt, verdankt das nicht seiner Sparsamkeit, Fleiß, Sorgfalt, Verstand, sondern der geheimen Macht, die er in sich trägt, ganz abgesehen davon, ob er magische Mittel anwendet oder nicht. Es ist klar, daß man solche Menschen zu irgendwelchen Aufgaben gerne heranzieht, denn man hofft, daß sich bei jeder Aufgabe diese Macht offenbart. Dies gilt mutatis mutandis beim Wettringen, Wettrudern, Jagen, Fischen, Krieg Kriegen u. ä. Neuerdings kommen auch die hinzu, welche ein europäisches Examen zu bestehen haben. Denn eine solche Prüfung ist ja auch ein Machterlebnis, dem man nur mittels magischer Mittel begegnen kann, und belgische und amerikanische Firmen, die „in Psychologie und Anthropologie“ machen, schicken mit jeder Post Annoncen ihrer Talismane an Schüler und Lehrer; denn die europäische magic ist natürlich noch stärker als die einfachen bwanga, my- der Kameruner.

Man sagt dann, daß solche Leute bene musimaGlück, -sgut Glück haben“. Musima 3 „Glück“ ist gedacht wie eine günstige Macht, die man erlebt in dem, was der Europäer „Glück“ nennt. Oder man sagt von einem solchen: Boso bao bo sangi „sein Gesicht Gesicht ist rein“ oder mbomb’ ao e sangi „seine Stirn ist hell“, d. h. Gesicht oder Stirn sind nicht mit etwas Schädigendem behaftet; sie sind mit etwas begabt, daß alles vor ihnen Liegende ihnen günstig gestaltet. Diese Macht setzt man in Beziehung zur Sonne und zum Himmel (vgl. das Wort der Basa auf S. 3), als wären sie die Macht, die in ihnen wirkt, „helle“ macht. Das was er so erlebt und nicht ändern kann, bezeichnet er mit loba lam’ din’ „das ist mein Geschick Geschick“, wörtlich „Himmelsglanz“. Freilich weiß man auch, daß solchem Geschick nicht zu trauen ist; wann könnte auch der Heide vertrauen? Die Bakosi sagen: Etane e de ngane „der Himmel, vgl. auch Loba, Firmament Himmel, die Sonne Sonne (= das Geschick) ist ein Märchen Märchen“ d. h. es ist veränderlich, vgl. S. 126.

Denn wie sich so das Machterlebnis im günstigen Sinn über eine ganze Zeit erstrecken und erst nach und nach bestimmt bewußt werden kann, so auch im ungünstigen Sinn. – Da ist ein junger Bursche im Wachstumsalter, dem schmeckt das Essen nicht mehr recht, er ist müde, magert ab, hat Durchfall, wird blaß. Man macht sich Gedanken, wendet Hausmittel an; es hilft alles nichts, bis ein Gang zum Orakel die Sache klarstellt. Aber nicht erst mit dem Orakelbescheid trat das Machterlebnis ein, die Macht wirkte schon zuvor und man stand unter ihrem Eindruck. – Ein ähnlicher Fall bei einem Bakwiri-Mädchen.

{56}

[handschriftliche Notizen auf Rückseite von S. 56: Erdrutsche so bedim, vgl. S. 93 so auch esukudu am Tage, nachts Hexenvögel seleke Termiten [?] handschriftliche Notiz am Ende von S. 56, nicht zuzuordnen: Im Süden glaubt man, daß eine Termitenart die wegen Altersschwäche aus dem Totenreich Ausgestoßenen auffressen, sie sind als bedim angesehen, wenn man sie antrifft, da sie einem den Weg überqueren.]

Durchfall und Abmagerung u. ä. sind vorläufige Anzeichen, daß eine Macht es „ergriffen“ hat, nur ist noch nicht klar, welcher Art die „ Wasserdämonen djengu Wasserdämonen“ sind. Ein nganga wird gerufen und man weiß: Auf wessen Lied das Mädchen reagiert, dessen Dämonenart hat es in ihren Besitz genommen. Das Mädchen und die Eltern und Kind Eltern haben das Machterlebnis, bevor es sich unter des Schamane Schamanen Gesang ganz offenbarte; weiteres vgl. S. 203ff.

Kranke sind unter einer solchen Macht. Damit die guten Kräfte nicht ganz abhanden kommen, darf sich der Kranke nicht waschen, er wird nicht geschoren, er trägt seine alte Kleidung Kleidung. In besonderem Maße stehen die Verrückten, die an ndjou ndjou, vgl. S. 54, leiden, unter der Macht, die in einem solchen Abwehrmittel wirksam ist; sie hat die Betreffenden nach dem Volksglauben erfaßt und läßt sie nicht los. Das Orakel in irgendwelcher Form, vgl. S. 157ff., ist dem Auskunftholenden Machterlebnis.

Natürlich hat nicht nur ein Einzelner solch ein Machterlebnis, sondern auch ganze Gruppe, vgl. auch Familie, Sippe, Stamm Gruppen. Wird z. B. einer beim Baden am Strande von einem Haifisch weggeschnappt, so ist nicht nur der Getötete, auch nicht nur seine Familie getroffen, sondern die ganze Siedlung und sie steht meist hinter den Hinterbliebene Hinterbliebenen, die die Hexe suchen, welche in dem Tier sich deponiert hatte; vgl. S. 82ff. Der Ältester Älteste muß dann für die Gruppe als ihr Mundwalt eintreten, z. B. bei einem Gewitter Gewitter Sturm sturm. Hält sich ein solcher Tornado in mäßigen Grenzen, so denkt man nicht weiter darüber nach und die [doch] nachdenken, halten ihn für ein vom Schöpfer gesetztes Mittel, Regen Regen zu bringen, die Luft zu reinigen, den Himmel zu klären, dem Gewächs Feuchtigkeit zu bringen. Braust der Sturm aber mit Ungestüm durchs Land, so vermutet man hinter der sich physisch auswirkenden Kraft ein ekumti ekumti oder ewendj’ a ndimsi „Streit, Krieg Krieg finsterer, unheimlicher, magischer Gewalten“, gewirkt durch „Gefüllte“ oder andere Mächte. Diese knicken im Sturm Bäume, zerreißen Häuser, schwellen Flüsse, daß Leute ertrinken, und richten bei ihrem wilden Rennen allen möglichen Schaden an, ja werfen oft gar ihren ndjolandi-Stein, vgl. S. 10. Wenn aus Anzeichen geschlossen werden kann auf einen Sturmesausbruch, tritt ein vorsorglicher Hausherr in seinen Hof, spuckt seine zerkauten Kardamomum Kardamomum-Kerne gegen die Sturmwolken und ruft seinen Zauberspruch: Ich will euch nicht hier, geht und tobt euch sonstwo aus, aber lasset mich und das Meinige in Ruhe! Kommt der Sturm aber doch und schwillt an, so werden in den Höfen die Schlitz Trommel, Fell-, Schlitz- trommeln mit aller Macht geschlagen, um die Unholde abzuschrecken. Und hilft auch das nicht, so schießt man, besonders wo es im Gebirge schwere Wetter gibt, mit den Donnerbüchsen durch das Mattendach des Hauses. Die Erreger solchen Sturmes können die wegen Verstoßes wider eine Tabu-Regel oder sonstigen Fehler wildgewordenen „Schatten“ sein; auch ein „ Gefüllter Gefüllter“ kann seine Macht in diesem Sturm zum Schaden anderer loslassen; aber auch das in gegenseitiger Eifersucht uneins gewordene ekong ekong-Heer kann sich in solchem Sturm austoben, vgl. S. 10, 89. Stirbt eine solche Hexe o ekong „im Hexenwesen“, so auch der Mensch im Irdischen. Sturm

b. Das Schreckzeichen bedim Zeichen (Omen)

Bedim’ (Du.), bedimi (Kp.), bidim (Ya.) ist „Machtoffenbarung, Schreckzeichen, ein schlimmes Machterlebnis“. Das Wort ist wohl gleichen Stammes wie das schon genannte ndimsi (Du.), ndimisi (Kp.) „unsichtbare, über- , unsinnliche Welt übersinnliche Welt“, vgl. S. 2. Auf S. 224 ist motio „das Kriegstanzopfer“ der Bakwiri geschildert. Wenn der zum Abhauen des Kopfes des Opfertieres Bestimmte fehlt, wird offenbar, daß ihm eine unsichtbare Macht wehrt; sie hat seinen Körper in „unguten Zustand versetzt“, vgl. mbeu a nyolo auf S. 97. In dem mißlungenen Hieb hat er an sich und seine Begleiter an ihm die fremde Macht erlebt. Er wirft das Haumesser weg und verläßt den Platz, während die anderen rufen: E se bedim’! „Ist das ein Machterlebnis!“, d. h. das ist ja erschrecklich! Wird diese fremde Macht durchs Orakel erkannt, so kann man versuchen, Abhilfe zu schaffen durch den ngang, Kp. nganga nganga und seine magischen Mittel; bleibt sie unentdeckt, so führt sie des Gezeichneten Untergang herbei. Möglich ist in diesem Falle

entweder: Es steht eine Sache zwischen dem Führer des Haumessers und dem Verstorbenen, der darum das von jenem dargebrachte Opfer ablehnte. In Vereinbarung mit des Verstorbenen Vertreter auf Erden, dem derweiligen mutudu „Vorsteher“ seiner hinterlassenen Sippe, kann unter Mithilfe des nganga die Aussöhnung mit dem Verstorbenen und infolge davon Wiederherstellung des normalen Zustandes des Gezeichneten erfolgen;

oder: Der Opfernde ist an sich schon aus irgendeinem Anlaß mbeu a nyolo „im Gefahrenzustand Gefahrenzustand“ und er kann darum nicht den bedeutungsvollen Hieb ausführen. Hier hat nun das Orakel Orakel festzustellen, was die Ursache des mbeu a nyolo ist; etwa daß gegen die Sitte Sitte verstoßen wurde, oder der Betreffende verunreinigt ist oder ihn ein Machtmittel „besessen“ hat, oder daß er ein Gebot der Ahnen übertreten, gegen sie gefrevelt hat, oder er besitzt ein Machtmittel, dessen Vorsichts[maß]regeln er nicht beachtet [hat], oder seiner Lebensseele ist durch Hexerei oder anderes ein Unheil zugestoßen. Ngambi „Orakel“ und nganga „Wissender“ können ihn, wenn es gut geht, lösen auf dem Weg der Wiederherstellungsrite, vgl. S. 265ff.

Beispiele dafür: Auf der Leopardenjagd wird einer lebensgefährlich verletzt. Nicht seiner Ungeschicklichkeit oder Unzuverlässigkeit seiner Waffe oder anderem Mißgeschick wird der Unfall zugeschrieben, sondern sein Körper war in „ungutem Zustand“; er hatte die Tabu-Regeln nicht beachtet, in der Nacht zuvor mit seiner Frau Verkehr, geschlechtlicher Verkehr gehabt und sich trotzdem von der Jagd, Jäger Jagd, Jäger Jagd nicht abhalten lassen. – Eine Frau hat Schwierigkeiten bei der Geburt, gebären Geburt, nicht hervorgerufen durch zu enges Becken oder durch verkehrte Lage oder ein anderes natürliches Hindernis. Die Schwierigkeiten sind Signale dafür, daß aus zunächst noch unbekanntem Grund ein Gefahrenzustand eingetreten ist; und zwar ist nicht die schwierige Geburt selbst die Gefahr, das Unglück, sondern ist davon die Folge. Darum wird die Kreißende aufgefordert zu bekennen bekennen, notfalls wird auch der Mann dazu gerufen. Und es gibt immer Gründe, die hier zu erwägen sind: Untreue der Frau oder des Mannes, nagualistische oder totemistische Verbindungen der Frau (etwa mit Wildschweinen, vgl. S. 129), Vergehen gegen die Ahnen, Nichtbeachten von Tabu-Regeln während der Schwangerschaft u. v. a. Erst das Beseitigen des Hindernisses, mindestens das Bekennen und Versprechen der Gutmachung der Schuld (und Sühne) Schuld und Hilfe durch den nganga ermöglichen die Geburt, vgl. S. 17.

Es kann einem aber auch ein bedim’ werden, ohne daß er in unmittelbare wirkliche Gefahr kommt; z. B. gilt in manchen Landschaften das Antreffen eines verrotteten Waran oder Leguan Warans oder Stachelschweins oder Buschratte oder Meerkatze als ein arges Unheilszeichen. Dennoch nimmt man von solchem Kadaver an sich, was noch irgendwie zu genießen ist und verzehrt es. Unheil bringt auch das Antreffen einer unbekannten Leiche, vgl. S. 71, das Begegnen mit einem mbaki-Beladenen, vgl. S. 58. Mancherlei weist natürlich auf einen Todesfall hin: Läßt sich eine Spinne, vgl. auch Vogelspinne Spinne direkt vor einem an ihrem Faden herunter, so zeigt dies einem die Leiche Leiche oder den Sarg eines Verwandten oder Bekannten an. Hört man im Boot den mwen-bolo „Kanuseher Theresticus hagedash“ von vorn oder von hinten her schreien, so ist am Bestimmungs- oder Herkunftsort der Tod eingekehrt; wenn noch nicht, so wird dort ein Kranker sterben und wäre er noch so sehr durch Magie ‘festgemacht’. Das anhaltende Miauen einer Katze kündigt die Totenklage Totenklage für einen in der näheren Umgebung oder in der Verwandtschaft an. Zwillingsgeburten in der Familie, Unregelmäßigkeiten bei Gebur-

{57a}

[handschriftliche Notizen auf Rückseite von S. 56: Mweu bolo, vgl. S. 27. Zeichen geben auch eyungu der Geierseeadler Hypohierax angolensis edobe die Bachstelze]

ten, beim Zahnen gelten als bedimUnglück, -szeichen Unglückszeichen“, bei den einen Stämmen mehr, bei anderen weniger, überall aber sind Abwehr- oder Ablenkungsmaßnahmen erforderlich.

c. Das Warnungszeichen edidi

Außer dem immer schlimmen bedim gibt es auch eine harmlose Art „Vorzeichen“, genannt bedidi, sing. edidi „das Omen Omen, Warnungszeichen“; beide sind wesenhaft voneinander verschieden. Zeigen die ersten an, daß sich der Betreffende bereits in ‘ungutem Zustand, Gefahrenzustand Gefahrenzustand’ befindet, der nur durch kultisch-magische Mittel zu beheben ist, so wollen die bedidi gleichsam nur ein aufgehobener Finger sein, wollen guten Rat geben, daß und oft auch wie Schlimmes verhütet werden kann. Ereignisse zeigen sich aus der unsichtbaren Welt im Voraus an und je nachdem [wie] man sich zu dieser Voranmeldung stellt, erlebt man etwas Arges oder kann es vermeiden, oder man darf Gutes erwarten, das durch törichte Handlung gestört wird.

Denn wenn dem Kameruner Sinnen- und über- , unsinnliche Welt unsinnliche Welt ein Stück ist, vgl. S. 47, so stehen beide Hälften auch in Kontakt und aus der einen Hälfte kommende Ereignisse werfen in die andere ihren Schatten voraus. Damit hängt zusammen, daß solch angekündigtes Geschehen auch eintreffen muß, falls nicht seine magischen Voraussetzungen geändert werden. So wollen bedim und bedidi wie auch das noch zu besprechende ngambi „Orakel“, vgl. S. 153ff., nicht nur enthüllen, sondern diese Omen sind mit dem wirklichen Geschehen verbunden wie die Blüte mit der Frucht, wie der Schuß mit dem Knall. Die günstigen Vorzeichen haben gleichsam die Kraft, Günstiges eintreten zu lassen und umgekehrt die ungünstigen.

Eines der bekanntesten bedidi ist kobo dibao „ein Hindernis anhaken, stolpern stolpern“; mit dem rechten Fuß ist es ein günstiges, mit dem linke Seite linken ein ungünstiges Zeichen; bei manchen Stämmen ist die Deutung für die Frauen gerade umgekehrt. Denn die ‘Linke’ ist woman handMann und Frau, männlich und weiblich weibliche“, die ‘Rechte’ man hand „männliche Hand“; vgl. auch das über Glück, Gesicht, Stirn Gesagte auf S. 55; andere Vorzeichen vgl. S. 98ff. und öfters.

Beim tu 5, ma-, Ko.: atug, Bobe Bobe: litukuDampfbad Dampfbad, Inhalation“ setzt man den Kranken über einen Topf mit Wasser Wasser, in dem verschiedene Kräuter Kräuter gekocht werden. Kranker und Topf sind mit Tücher o. ä. verhängt, so daß der Kranke den Dampf Dampf einatmen muß. Kocht nun der Topf über und das überlaufende Wasser löscht das Feuer aus, so ist das ein gutes Omen; die sich im Topf offenbarende Kraft wirkt auch im Kranken.

Die meisten Vorzeichen werden an Tier, Tierwelt Tieren beobachtet; solche Tiere müssen nicht besonders nützlich oder schädlich sein, auch nicht in besonderem Verruf stehen; z. B. läuft bei den Bakwiri ko „die Erd Ratte Ratte ratte“ oder minge 3 „eine kleine Mausart“ über den Weg, dann steht eine schlechte Reise bevor. Trifft man beim Buschroden oder Planieren eines Bauplatzes am ersten Tage eine fe „Puffotter“, so taugt der Platz zum gewählten Zweck nicht; die Otter deutet Schlimmes an. Trifft eine Witwe während der Trauerzeit dieses Tier auf dem Acker, so ist ihr das ein Zeichen ihres verstorbenen Gatten, daß er die Trauer Trauer nicht haben will und sie legt die malebo-Zeichen ab, vgl. S. 219. Dem Wanderer sperrt eine über den Weg liegende Schlange Schlange unbedingt die Weiterreise, ebenso den Weg kreuzende Vögel Vögel wie mundjole 3 „Honigsauger“ oder diwese 5 „der Eisvogel Halcyon senegalensis“ oder manche Käfer Käfer. Schreit bei den Belong auf dem Manenguba modu (Du. ido) „die Zwergtaube“ rechts des Wegs, fliegt lon, der genannte „Honigsauger“ von links über den Weg und schreit sein „wäd wäd wäd“, so führt der Ausgang zu nichts Gutem, während Gelingen durch umgekehrte Zeichen vorgebildet werden, vgl. S. 262 oben, das Begegnen beim Jagdgang.

Freilich achtet man nicht bei jeder Kleinigkeit auf diese Zeichen, sonst wäre das Leben zu sehr gehindert, sondern nur bei wichtigen Sachen: Jagd, Jäger Jagd- und Marktgang, Schulden einziehen, Darlehen aufnehmen, Heiratspalaver, Handelsreise u. ä. Auch gelten diese Zeichen meist nicht der Sache, sondern nur dem Tag zunächst. Es ist auch ein Stück weiße Kunst, weiße und schwarze Kunst, Sprüche und Handlungen zu kennen, um solche Anzeichen zu umgehen, oder man kennt allerlei Trick Tricks, die Omina unwirksam zu machen, z. B. man erhebt ein großes Geschrei oder hält vor Antritt des Unternehmens einen Tanz Tanz, um warnende Vogelstimmen u. ä. nicht zu hören. Oder nach ungünstigem Zeichen geht man wieder nach Hause und legt sich schlafen, als ob es Nacht wäre; später ver-

{57b}

[handschriftliche Notiz auf Rückseite von S. 57a: Ko.: Wenn jemand beim Schlachten eines Rindes faustgroße Gebilde findet (Koprolithen), so schließt man daraus, daß er für immer Glück im Viehbesitz haben wird. eingeklebter Zettel mit handschriftlichem Text: zu S. 57b Glaubt ein Bali auf seinem Palmwein etwas Auffallendes entdeckt zu haben, so hält er dies für ein ungutes Vorzeichen und schüttet ihn aus. Beißen im Auge führen die Ko. auf folgendes zurück: Ein Ahnengeist des Betreffenden webt [?] durchs Land. Er macht seine Genossen aufmerksam und sagt: Schau, dort steht einer meiner Nachkommen! Der andere sagt: Welcher von denen, die dort stehen? Da spritzt der erste ein Ingwerkorn seinem Verwandten ins Auge. Und wenn dieser das beißende Auge reibt, so sagt der Ahne: Guck, der sich dort das Auge reibt, der ist einer von den Männern! Darum sagt auch einer, den sein Auge beißt: Eben hat mich einer meiner Ahnen erkannt und mich einem anderen zu erkennen gegeben.]

sucht man den gleichen Gang nochmals, als ob unterdessen ein neuer Tag angebrochen wäre; manchmal entfernt man sich dann auch zunächst in verkehrter Richtung aus seinem Haus. Oder man wendet bei ungünstigem Vogelflug sein Boot; so erscheint der Vogel auf der Glücksseite. – So ist es ja auch manchmal beim Befragen des Orakel Orakels, daß man bei ungünstigem Bescheid die Sache nochmals bespricht und dem Gerät aufs Neue vorträgt oder sich besinnt, was etwa vergessen sein könnte, und erst dann das Orakel nochmals befragt, ob es nun vielleicht günstigen Bescheid gebe, vgl. S. 157. Fällt einem beim Gang durch den Bananenhain eines der großen Blätter entgegen, so zeigt dies an, daß ein naher Verwandter sterben muß. Greift man aber beherzt zu und reißt das Blatt rasch ab, so tritt der Todesfall nicht ein. – In um die Ohren summenden Bienen Bienen meldet sich ein Gast an, der unterwegs ist, andere Insekten zeigen die Nähe von unholden Mächten: Moskitos Moskitoschwärme deuten auf die Anwesenheit von mengu- Geister Geistern, vgl. S. 118, Sandfliegen künden dem Jäger auf Anstand, daß sich der Leopard anschleicht, vgl. S. 261.

Diese Beispiele zeigen, daß manche Omen neutraler Natur sind und je nach Lage der Dinge Günstiges oder Schädliches ankünden; andere Zeichen aber sind immer nur gut oder nur übel. Schreit der <kinder schmieden schmiedende> Flughund Flughund in der Nähe eines Gehöfts, vgl. S. 6, so ist das ein gutes Zeichen für kommende Schwangerschaft Schwangerschaft, während sich im Eulenruf eine Hexenversammlung kundgibt, die unbedingt zu stören ist, vgl. S. 95. Das Erscheinen gewisser Sternbilder an Oktober- oder Novemberabenden, vgl. S. 7f., ist günstig für die Feldbestellung; Windlassen beim Gang zu kriegerischer Unternehmung kündet Verhängnis an und führt zum Ausscheiden des Betreffenden. Die genannten Belung achten darauf, ob bei einem wichtigen Gang einem als erste Person eine Frau oder ein männliches Wesen entgegenkommen; im letzteren Fall weiß man, daß der Gang ganz umsonst ist; dagegen kündet die Frau guten Erfolg an, vgl. S. 128, 262.

Manche Vorzeichen sind harmloser Natur und man spricht doch davon, z. B. wenn während des Regens die Sonne scheint, so gebiert draußen im Walde ein Elefant Elefant: Beides [sind] ungewöhnliche Ereignisse (große Geschehnisse werfen ihre Schatten voraus!). Regnet es in einem Jahre erstaunlich viel, so ist ein <Regenbesitzer>, vgl. S. 86ff., gestorben; gibt es in einem Jahre viel Hochwasser, so ist einer gestorben, der Gewalt über den betreffenden Fluß hatte, d. h. einer aus einem Dorf am Oberlauf des Wassers; in einer Feuersbrunst zeigt eine Hexe ihre Gewalt, die sie übers Feuer Feuer hat. Tier, Tierwelt

Eine Menge physiologischer Phänomene betrachtet man als bedidi. Ich gebe einige, die ich bei den Belung über jucken Jucken und Nervenzucken gehört: <Zittert das Blut>, d. h. juckt es [jemandem] im linken Handteller, so fühlt er damit, daß ihm etwas Gutes in die Hand gelegt wurde, vgl. S. 262; er bespuckhaucht die Hand, schließt sie und steckt das <Erhaltene> in die Tasche; aufgrund des Ähnlichkeit Ähnlichkeitszaubers erwartet er, daß ihm in den nächsten zwei, drei Tagen etwas Schätzenswertes gegeben wird. <Er fühlt den Strick, an dem er eine Ziege oder Schaf führt>, wenn es ihm an der rechten Hand zwischen Daumen und Zeigefinger zuckt und am entgegengesetzten Rande des Handtellers, und er erwartet, daß er bald das Angezeigte erlebt. Jucken oder Zucken oberhalb der Handgelenke ist als <Fessel> zu deuten; er wird wohl bald gebunden werden oder [es] stößt ihm sonst ein Unglück zu. Juckt es einem auf dem Rücken, so <fühlt er den Tragekorb, den sein Weib trägt>, und er weiß, daß sie demnächst ihm untreu werden und davongehen wird. Jucken im Augenlid deutet an, daß er <beim Zerlegen eines Tieres beteiligt sein> wird; ist das Jucken rechts, dann handelt es sich um ein männliches, links um ein Mann und Frau, männlich und weiblich weibliches Tier. Jucken an den Hinterbacken bringt <Schmerzen vom Fallen auf den Boden oder langem Sitzen>; demnächst wird in der Verwandtschaft jemand sterben, dabei werfen sich die Frauen nach Landesbrauch auf den Boden oder sitzen als Klageweiber tagelang herum, vgl. S. 218. – Röchelt der Speichel Speichel oder Schleim im Hals oder fährt einem beim Sprechen etwas Wasser aus dem Mund, so <winkt Fleischgenuß in den nächsten Tagen> (das tertium comparationis ist das Schmatzen)., vgl. auch „Um Kupe und Maneng“, S. ---. Omen

d. Das Feindschaftszeichen mbena mbena

Zwischen bedim und bedidi liegen noch eine andere Art von Vorzeichen; sie heißen mbena 9, vom Zeitwort bena „hassen, grollen“ und künden an, daß ein feindlich gesonnener Mensch oder [eine] Schattenseele (edimo) Schattenseele etwas Übles gegen einen unternehmen will; in schädlichen Vorzeichen senden sie ihre Vorboten voraus, und weil ein Zeichen die angekündigte Handlung herbeiführen kann, so macht auch das Hinwegtun des Vorzeichens die üble Handlung unmöglich, ja {57c} man erwartet auf Grund des Seelenglaubens, vgl. S. 85, daß man in dem Abtun des Vorzeichens auch die es herbeiführende Hexe tödlich trifft. Darum tötet man solche Unglücksbringer, z. B. Schlange, vgl. S. 25, Chamäleon, vgl. S. 26 u. a. Zumeist bedienen sich solche Hexe, -rei Hexen eines Tieres (Nagual) als Vorzeichen; bei den Bakwiri und anderen gelten als solche eine kleine Art des Chamäleons, der Unheils Tausendfuß >tausendfuß mweyo mo ngole „Armbandtausendfuß“ und die haarige Raupe ikuku, die vorn und hinten rot, in der Mitte gelblich ist; wer solche unterwegs trifft, weiß, daß ihm ein Hasser demnächst ein Unglück, -szeichen Unglück bereiten wird; daher tötet man die Tierchen; kommt der Tausendfuß ins Haus, so bringt er Unglück über die Familie, darum schlägt man ihn mit einem Knüppel tot wie eine Schlange und verbrennt ihn draußen im Hofe, vgl. Note 1, S. 71. Springt auf der Kanufahrt ein von einem anderen verfolgter Fisch aus dem Wasser ins Boot oder kann man am Strand einen Fisch fangen, so weiß man: Nun naht ein Unglück. Man läßt sich aber trotzdem in beiden Fällen den Fisch schmecken. In argem Verruf stehen die Nachtvögel: Eule Eule und Ziegenmelker gelten immer als ‘Hexentiere’, vgl. S. 95. Ebenso auch sonst von der Norm abweichende Tiere (etwa in der Farbe Farbe oder daß ein Tagtier nachts oder umgekehrt erscheint). Man rührt solche Tiere meist nicht an, aber sucht sie umzubringen. Hexen zeigen ihre Nähe oft dadurch an, daß sie Grillen hinterm Haus lautauf grillen lassen; krächzen Eulen des Nachts, so zeigen sie den Tod eines Nachbarn an. Rufen sie mehrere Nächte hindurch auf dem gleichen Baum, so zeigt das, daß Hexen hier ihre Behausung aufgeschlagen haben; ein Medizinmann muß (so bei den Belung) unter dem Baum ein magisches Mittel vergraben, das die Hexen tötet.

All dieser Aberglaube wird mehr oder weniger ernst geglaubt. Doch geben diese Zeichen nur für die unmittelbar bevorstehende Handlung Bescheid. Will man sein Schicksal Schicksal wissen und Erklärung geheimer Dinge haben oder Rat, wie man sich vor drohendem Unglück schützt, einen Gefahrenzustand meidet, so muß man sein Heil beim Orakel suchen, davon es einfachere Arten gibt, die etwa dem Loswerfen ähneln und kompliziertere Arten, zu ausführlicherer Auskunft, vgl. S. 153 Zeichen (Omen) . Macht, -mittel, -erlebnis

{58} In das Gebiet des Dynamismus Dynamismus gehört auch die merkwürdige Vorstellung des

4.  mbaki Mbaki Vgl. eben der Kosi, S. 245f., das „Anhängsel“ eines Mord, Mörder Mordes

Wenn ein Mensch oder ein Großwild getötet, ein gefürchteter Baum, vgl. S. 19, beschädigt worden ist, so geht von dem Gemordeten bzw. dem getöteten Tier oder beschädigten Baum etwas auf den Mörder über, das mit mbaki, wörtlich wohl „Anhängsel“, dem Sinne nach eine Art „ Bann Bann, Fluch Fluch, Schuld“, bezeichnet wird, und das den Getöteten gleichsam am Mörder rächen rächen will. Was übergeht, hängen bleibt, ist nicht eine Seele, sondern eine Macht, die zuvor im Menschen, Tier oder Baum, besonders im Blut oder Saft, geschlummert haben muß und nun beim Tod auf den Mörder als rächende Macht, Bann übergeht. Der so Behaftete kommt dadurch in einen für ihn und seine Umgebung gefährlichen Zustand. – Es kann sein, daß auch dieses „Anhängsel“ sich, wie die schon bei

Dynamismus beschriebene Macht, in dem Mörder zunächst ruhig verhält, sich vielleicht bei seinen Lebzeiten nicht meldet, sondern stillschweigend auf seine Nachkommen übergeht und bei ihnen erst onya onya „aufflammt“ und ihr vernichtendes Werk tut. Jedenfalls wird das Aussterben von Sippen zurückgeführt auf das nicht durch Beseitigung des Blutbannes gesühnte Morden, ausgeführt von einem oder mehreren der Vorfahren. Darum ist es ratsam, solche Gefahr möglichst bald zu bannen (beim Baum Baum“frevel“ geschieht das ja schon vor der Tat), will der Mörder nicht in beständiger Gefahr stehen und seine Nachkommen nicht in mißliche Umstände bringen. Ich habe in Nyasoso (Bakosi) eine Reinigungsfeier erlebt, die zwei Söhne ihrem zehn Jahre zuvor verstorbenen Vater für einen schon dreißig Jahre zuvor begangenen Mord hielten, vgl. S. 221.

Wer besitzt nun diese Macht oder besser: Von wem kann sie ausgehen? Einmal von einem Gemordeten oder im Krieg Erschlagenen, sodann von einem Fremde, Fremdlinge Fremden, der im Busch gefunden wurde, also in der Fremde starb und deshalb nicht rituell beerdigt wurde. An Großwild sind es Elefant Elefant, Flußpferd Flußpferd, Wal Wal, Krokodil Krokodil, besonders aber der Leopard Leopard, mancherorts auch der Büffel, von denen mbaki ausgeht. Es sind das Tiere, die vorzüglich als Nagual Es liegt hier wohl genießender Totemismus vor und man muß sich gewissermaßen vor dem erlegten Seelentier bzw. -baum entschuldigen; vgl. S. 19 und Note S. 86.

gelten. Es geht auch aus von einem, gegen den ein Blutbund Blutbund gebrochen wurde. Da die Sache bei Bäumen bereits besprochen worden ist, sei sie diesbezüglich hier übergangen.

Nach dem Töten des Großwilds, vgl. S. 263, 265ff., wird die Reinigungsfeier zusammen mit dem Schlachtfest vorgenommen, für die, die einen im Kriege getötet haben, bei der Friedensfeier. Nur bei wirklichem Mord wird die Sache häufig aus verschiedenen Gründen auf die lange Bank gezogen; meist wohl aus dem Grunde, weil hier der Einzelne bzw. seine Sippe die nicht geringen Kosten des Sühnekultes zu tragen hat, während sonst sich die Kosten – wenn solche überhaupt entstehen – auf die Gruppe verteilen.

Was ist nun das mbaki, das auf den Mörder übergeht? Es ist nicht mudi „die Lebensseele“, die ja bei jedem Todesfall verschwindet, aber auch nicht edimo „die Schattenseele (edimo) Schattenseele“, die in den Hades eingeht und für die Hinterbliebene Hinterbliebenen ein Gegenstand der Verehrung, seinen seitherigen Feinden aber ein feindliches Gespenst, vgl. Spuk, Wiedergänger Gespenst wird; außerdem besitzen ja weder Bäume noch Tiere solche „Schattenseelen“ und doch geht mbaki von ihnen aus. Das Wort mbaki 9 dürfte zurückzuführen sein auf den Verbalstamm *baka mit der mutmaßlichen Bedeutung von „in Schuldzustand sein, sich mit Verhängnis, Fluch beladen“; doch ist das einfache Verb nicht in Gebrauch, dagegen Ableitungen: {59} Intransitiv bakele (sese, tue, ndjom u. a.) „sich (in bezug auf Schmerz, Armut, Schuld) in einen unguten Zustand setzen“, d. h. diese Zustände „vorschützen, heucheln“, applikativ bakele „einem etwas anhängen“, z. B. bakele moto ndjom „einem die Schuld zuschieben, einen beschuldigen“; inversiv bakwa „das Anhängsel wegtun (durch Urteilsspruch etc.)“, d. h. Rechtswesen, vgl. auch Gericht Recht sprechen, den Unschuldszustand wieder herstellen“; davon mbako 9 „Rechtsspruch“, während mibakan 4 „Beschuldigung, Verleumdung“ und unser mbaki von obigem, nur hypothetisch erschlossenem Wortstamm abzuleiten ist.

Die Idee des mbaki setzt eine nahe Verbindung zwischen Mensch und Tier, Tierwelt Tier, mindestens einzelner Tiergruppen voraus. Will man nicht annehmen, daß die ganze Idee aus einer Zeit stammt, da man noch nicht grundsätzlich zwischen Mensch und Tier unterschieden hat, so bildet der gerade in Kamerun so starke Totem- und besonders der Nagualglaube leicht die Verbindungslinie. Lassen doch gerade die Tiere das mbaki ausgehen, die die vornehmsten Nagualtiere sind. Jedenfalls wächst die Idee heraus aus der instinktiven Furcht Furcht, daß das vergossene Blut Blut eines Menschen oder eines gefürchteten Tieres, das ja nicht dem Jäger gehört, ihm auch nicht wie z. B. Antilope Antilopen, „das Kleinvieh der Schatten“ von den Ahnen überlassen worden ist, nach Rache schreit, [vgl.] 1. Mose 4,10. Sie erzeugt Reue und das Verlangen, durch eine Sühnehandlung die eingetretene Verunreinigung Verunreinigung und Belastung hinwegzutun, damit kein Unglück eintrete. Tiere, die nicht als Nagual Seelendeponenten sind, wirken nicht durch mbaki: Haustiere sind ja Eigentum Eigentum, das gewöhnliche Wild (Antilopen, Stachelschweine, Zibetkatzen u. ä.) sind „Haustiere“ der Ahnen, die sie den Jägern zuschicken. Da handeln Schlächter und Jäger als rechtmäßige Eigentümer und weder regt sich [deren] Gewissen Gewissen, noch werden schädliche Wirkungen von der Tiere Tode gefürchtet.

So zeigt sich in der mbaki-Idee jedenfalls etwas vom kameruner Gewissen und es wäre wünschenswert, daß dieser Idee auch in anderen Stämmen nachgegangen würde.

Wie man vom mbaki- Bann Bann freizuwerden sucht, ist unter Reinigungsriten, S. 236ff. nachzulesen.

Abschließend zum Abschnitt über Dynamismus Dynamismus ist zu sagen: Die ganze seelische Haltung des Kameruners, der für das Geistige sehr empfindsam ist, ist bedingt durch das Macht, -mittel, -erlebnis Machterlebnis in seiner primitiven Art bis zu visionären Erlebnissen, die dem Primitiven nicht sachlich verschieden sind. Denn die „Macht“ durchdringt das All in allen seinen Teilen, äußert sich aber in manchen Objekten in besonderer oder häufigerer Art. Der Kameruner macht auch keinen Unterschied zwischen Natürlichem und Unnatürlichem; denn die Natur Natur ist ihm nicht die Gesamtheit unpersönlicher Kausalgesetze, sondern Zusammenfassung von geistigen Kräften und Willen. Diese Kräfte können freundlich oder feindlich wirken und daher Glück oder Schaden bringen. Daher gilt es, sich möglichst viel solcher magischer Macht zu erwerben, denn sie und nicht Geschicklichkeit, Fleiß, Verstand, Mut und geistige Werte sind ausschlaggebend im Lebenskampf. In den sogenannten Zaubermitteln ist diese Macht konzentriert, durch Initiation, Einführung in Kulte Initiation und kultische Riten Riten wird sie persönlich erworben.

Diese Macht ist oft erregt oder inspiriert von einem geistigen Wesen, vgl. wie lobaHimmel, vgl. auch Loba, Firmament Himmel“ zu Loba „Gott“ wird, S. 3 und 123ff. Jedenfalls stammt diese Macht aus der über- , unsinnliche Welt übersinnlichen Welt. Darum ahnt in ihr der Kameruner etwas von der Existenz des Göttlichen. Das Machterlebnis erweckt in seiner Seele Scheu und Ehrfurcht Ehrfurcht und lenkt zu kultischer Handlung und Gebet. Es ist deshalb wohl nicht falsch anzunehmen, daß ihm das Machterlebnis eine niedere Stufe der Religion ist (Minimalreligion).

Da die Kameruner für Macht und Machterlebnis in anderen Ausdrücken als von Geist und Seele, vgl. auch Lebens- und Schattenseele Seele reden, ist zwischen beidem genau zu unterscheiden. Von der Seele ist unter „Animismus“ zu reden. Das Vorstehende zeigt aber, daß „Macht“ und „Seele“ doch in Wechselbeziehungen stehen. Wir werden sehen, wie sich die „Macht“ gewisser Menschen darin äußert, daß ihre Seele in ein Tier übergehen kann (Totemismus und Nagualismus, vgl. S. ---ff.). Im Erscheinen eines solchen Seelentieres, wenn es etwa den Acker verwüstet oder ein Kanu umwirft, wenn im ekale, vgl. auch Dämonen und Kultbund ekale „Darsteller“ eines Kultbundes die Anwesenheit des {60} Dämon von den Zuschauern erlebt wird, tritt Macht in Erscheinung, so daß sich Seele zu Macht wie Ursache und Wirkung verhalten können.

Auf die Frage, wie nun ein schädliches Machterlebnis abgewehrt werden kann, sucht der folgende Abschnitt Antwort zu geben Mord, Mörder . mbaki

B. Der Tabu-GlaubeVgl. Kundu-Sprichwörter, Nr. 56, 66.

1. Allgemeines

Der Kameruner weiß sich also mit seiner Gruppe, vgl. auch Familie, Sippe, Stamm Gruppe in einer Welt, darin sich magische Mächte in für Menschen gefährlichen Formen äußern können und immer wieder im Machterlebnis äußern. So ist es verständlich, wenn der Primitive auf Sicherungen sinnt. Der Sinai, der nicht ganz geheuer war, wurde mit einem Zaun umgeben zu solcher Sicherung, [vgl.] 2. Mose 19, 12 und 23, wie der moderne Mensch in eine elektrische Leitung „Sicherungen“ einbaut zum Schutz von Leben und Habe und der Staat Belagerungs- und Kriegszustand verhängt, um sein geregeltes Leben zu gewährleisten. So wie die Sicherungen der elektrischen Leitung und die Bestimmungen des Staates im wesentlichen Verbot Verbote sind, so sichert auch der Kameruner sein Leben durch verbietende Regeln, um an Gefahrenzuständen, resultierend aus machtgeladenen Objekten oder Zeiten, vorbeizukommen. Ohne diesen Sicherungen wirken sich die drohenden Gefahren hemmungslos aus.

Danach ist die Meinung derer, die die Kameruner für eine Horde ohne Recht und Regel halten, ebenso falsch, wie die, welche glauben, eine kameruner Sprache Sprache habe keinen grammatikalischen Aufbau, oder die „Naturmenschen“ seien von Haus aus gut, darum bedürften sie keines äußeren Zwanges. In Wirklichkeit ist das Leben des Primitiven ganz eingeschnürt in einen Haufen von Regeln und Verboten, um sich zu schützen gegen Wirkungen aus der unsichtbaren Welt, die bewußte und unbewußte Vergehen gegen sie straft oft bis ins dritte und vierte Glied.

Nach einem polynesischen Fremdwort sagt man nun von machtgeladenen und darum unantastbaren Objekten, sie seien tabu, d. h. „verboten“ und darum mit besonderer Vorsicht Vorsicht zu behandeln, will man nicht Gefahr laufen. Die Bestimmungen, die im Umgang mit solchen Objekten zu beobachten sind, heißen Tabu-Regeln und sind vorzügliche Enthaltsamkeitsvorschriften.

Für den Bereich unseres Berichtsgebiets ist gebräuchlich

ia ia vom Stammwort kila, Perf. imeiden meiden, sich enthalten von, Tabu-Regeln beachten“.

Davon das Kausativ ise „einen enthalten machen“, vom Säugling „entwöhnen“;

das Hauptwort ist eyia eyia, be- „Tabu-Regel, Enthaltsamkeitsvorschrift, Vorsichtsmaßnahme“.

Damit ist benda, perf. bendi „ein Verbot geben, Gesetz erlassen“ nicht zu verwechseln. Benda ist mehr bürgerlicher Art, wenn auch manchmal ähnlich dem Vorigen gebraucht. Davon mbenda 9, pl. mbenda 10 oder mambenda 6 „Gesetz, Ge- oder Verbot“. Dieses Wort bezweckt nicht den Schutz vor unsinnlicher Macht, sondern die allgemeine Regelung des öffentlichen Lebens.

Ebenso ist ia nicht zu verwechseln mit kandane, wörtlich „sich trennen Vgl. Jaounde kándèn „sich trennen“.

, abgespalten sein von“, z. B. kandane dafasten, vgl. auch ia fasten“, kandane muto „sich der Frau enthalten“. Kandane ist gleichen Stammes wie anda „spalten, auseinanderlegen“. Kandane übt man, weil man irgendwie gehindert ist, ia, weil eine „geheiligte“ Vorschrift, ein Verbot vorliegt. Kandane hört auf, wenn die Hinderung von außen wegfällt.

Gegen ein öffentliches Gesetz „verstoßen“ ist nyam’se mbenda „ein Gebot verderben, es übertreten“ oder bulele mbenda „ein Gebot zerstören, auflösen“;

{61}

[drei handschriftliche Absätze auf Rückseite von S. 60: „Heiße“ Personen müssen sich meiden, daher ist die Frau bei gewissen Sachen ausgeschaltet und junge Mädchen oder alte Frauen haben dafür einzutreten. Yams-Bauern dürfen nicht vor dem Jägerfest ihre Knollen ernten. Mengu-Leute dürfen ein Haus, in dem Yams ist, nicht betreten, bevor die Bundesleitung den Genuß freigegeben [hat]. Wußten die Eingeborenen seit sehr langer Zeit, was europäische Wissenschaft erst kürzlich feststellte, daß nämlich frischer Yams gesundheitsschädlich ist? Es ist eine tabu-artige Bestimmung, daß Salböle nicht im Haus oder Dorf gekocht werden dürfen, weil sonst das Haus und Dorf voller Moskitos würde. Wer auch immer das Exempel auf diese Regel machen würde, könnte nur die Erfahrung machen, daß der dabei entstehende schwere Dunst und Rauch die Moskitos vertreiben würde. Der wahre Grund ist, daß das Auskochen der Ölkerne im Haus leicht zu Feuersbrünsten führt, darum ist das Verbot entstanden. Man begründet es aber nicht auf diese natürliche Weise; magische Vorstellungen machen das Verbot wohl einleuchtender.]

dagegen wer gegen ein eyia eyia verstößt, a mabula „verstößt“ gegen eine aus innerlichen Gründen von allen zu beachtende Regel, zu der er entweder durch seine Zustimmung oder aus hierarchischen Gründen verpflichtet ist. Durch bula verletzt einer den Gemeingeist und bringt die Gruppe in Gefahr; es kommt dieses Wort also nur bei Verletzung von beyia, sing. eyia beyia-Regeln in Anwendung, wenn durch den Verstoß auch andere in Gefahr kommen; davon gebildet ist ebula, be- 1. „Vergehen, Verstoß gegen solche Abmachungen oder bestehende Bräuche“, 2. „wegen solchen Verstoßes festgesetzte Straf- und Sühneleistung, Konventionalstrafe“, te ebula „einen solchen Verstoß feststellen“, dane moto ebula „einen mit einer Konventionalstrafe belegen“.

Alles was aus der über- , unsinnliche Welt unsinnlichen Welt her, unmittelbar oder vermittelt durch Objekte der sichtbaren Welt, dem Einzelnen oder der Gruppe Gefahr bringt, muß gemieden werden. Darum wird es unter eine Art Acht und Bann getan, sei es ein Gegenstand oder Person oder Handlung oder Zeit. Wenn dem Tabuierten ein Ungeschützter naht oder in Berührung mit ihm kommt, geht die im vorgehenden Abschnitt gesprochene Macht auf ihn über und richtet Schaden an. Wer sich also durch das Tabu nicht warnen warnen läßt, handelt unfromm, frivol; die Folgen sind die Gefahren, deren er sich und seine Gruppe aussetzt, denn auch bei Individual-Tabus kann durch Vergehen des Einzelnen seine Gruppe in Gefahr kommen.

Wie kommt es nun zu der einzelnen Regel? Das ist darum nicht einfach zu sagen, weil die meisten Tabu-Regeln alter Überlieferungen Überlieferung entspringen, die niemand mehr nachkontrollieren kann. Doch sei versucht, das Entstehen solcher Regeln zu erklären:

Auf S. 50 ist als tabu angegeben, sich unterwegs auf einen Stein Stein zu setzen, man habe ihn denn zuvor bespuckt. Wie kam es zu dieser Regel? Es ist wohl oft beobachtet worden, daß Einzelne, nachdem sie auf solchem Steine geruht, Erkältungen gefühlt, rheumatische Schmerzen o. ä. empfunden haben. Für uns ist die Sache leicht erklärlich: Der erhitzte Körper wurde auf dem kühlen Stein stark abgekühlt, daher die Erkältung. Der Primitive sieht aber nicht in der Abkühlung die Gefahr, sondern vermutet in dem Stein die Macht, die ihn erkältete. Vor ihm hatte einer auf dem Steine gerastet, etwa ein „Schatten“ oder ein mit schädlicher Macht behafteter Mensch, und der hat diese Macht im Stein zurückgelassen, damit sie ein anderer auflese, denn so wird er davon frei. – So lassen sich eine Menge Tabu-Regeln erklären: Man hat nach einer gewissen Handlung einen Schaden erlitten, der mit der Handlung oft nur in zeitlichem Zusammenhang steht, also ist die Handlung zu meiden, denn post hoc, ergo propter hoc.

Dies ist dann besonders der Fall, wenn das Gefühl durch Schreck, Krankheit Krankheit, Tod Tod, Hungersnot so sehr bewegt worden ist, daß jede vernünftige Überlegung ausgeschaltet ist, vgl. den Schluß der Nyasoso-Leute beim Tod ihres Häuptlings: Verkehr mit Europäern ist tabu, vgl. S. 50; oder: Kochen von Palmölsalbe im Hause ist tabu, vgl. S. 15. So sind die physiologischen Tabus, vgl. S. 40ff. und S. ---ff. aus dem Wunsch erwachsen, die Gefahren zu bannen, welche rituelle Unreinheit oder der Übergang von einer Lebensperiode in eine andere hervorruft. Individual-Tabus gehen oft auf Anweisung durch Traum Traum oder Orakel zurück.

Auf solche Weise lassen sich manche Tabu-Regeln psychologisch erklären; und noch leichter fielen uns solche Erklärungen, wenn wir uns besser in den animistischen und dynamistischen Vorstellungen der Kameruner auskennten.

2. Allerlei Arten von Tabu-Regeln

Um die Menge der Tabu-Regeln zu übersehen, fassen wir sie in Gruppen, sind uns aber dabei bewußt, daß wir damit nicht alle umfassen.

a. Natur-Tabus

Durch gewisse Handlungen wird die in Naturobjekten schlummernde Macht erregt, so daß sich Gewitterstürme erregen. Das Schießen mit Gewehr, vgl. auch ngad’ a mudumbu Gewehren in der Umgebung von Seen ist tabu, weil dadurch das Wasser steigen und das Land überschwemmen könnte; das pfeifen (Pfeife, Flöte) Pfeifen während einer Kanufahrt auf dem Meer oder großem Fluß würde die Flut erregen,

{62}

[handschriftliche Notiz auf Rückseite von S. 61: 1) Tabus, die einem Einzelnen bald auf dem [?] Gebiet [?] gegeben werden 2) Tabus, die der ganzen Gruppe auf Lebenszeit gelten 3) Tabus, die nur für gewisse Perioden des Lebens gelten (Schwangerschaft, Reisende, Krankheit, Übergangsriten) 4) Tabus, die gewissen Berufen und Arten gelten]

so daß die Wellen Fahrzeug und Leben bedrohen. Man muß daher Pfeifen oder Zurufen unterlassen und sich durch sombo „mit den Lippen oder den Zähnen schnalzen“ verständigen, wenn Zeichen mit der Hand oder Gesichtsmimik nicht zureichen.

Auf dem Land ist es verboten, nach Einbruch der Dunkelheit zu pfeifen, weil man dadurch ‘ Hexe, -rei Hexen rufe’. Pfeift jemand doch nachts und in der Nacht fühlt sich jemand von ‘Hexen gequält’, d. h. er träumt von solchen oder hat Alpdrücken, so erkundigt er sich nach dem Pfeifer und macht ihm Vorwürfe (Bakosi). In der Nähe von Gartenopferplätzen [?] ist Pfeifen, Singen, Lärmen (außer bei Kultfeiern) besonders verpönt. Feldarbeit Feldarbeit nach Morgenregen oder Hagel Hagel oder am Ruhetag Ruhetag verdirbt den Acker.

Der Herd Herd ist zwar nicht an sich tabu, aber vielfach sind darunter allerlei Macht, -mittel, -erlebnis Machtmittel vergraben. Dennoch bestehen eine Menge Tabu-Regeln; z. B. dürfen gewisse Holzarten nicht zum kochen Kochen verwendet werden, weil ihr Feuer Feuer die Speisen nicht gar werden oder verderben läßt. Hierher gehören vor allem alle Liane Lianen, der Drachenbaum, Parasiten und Epiphyten, aber auch andere Bäume; z. B. bei den Bakwiri wuma „Wollbaum Ceiba pentandra“, womba „die Cordia irongii“, das „Bitterlaub“ ndole (zwei Vernonia-arten);

bokombo,

bonasamba

wando

elundu,

wondjendja

wondjangandjanga

u. a. Außerdem dürfen „Hexentiere“ wie der Tausendfuß >Tausendfuß u. a. oder wegzuwerfende Machtmittel nicht auf dem Herd verbrannt werden, sondern in besonderem Feuer auf dem Hof.

Während des Kochens darf man sich am Herdfeuer nicht mit Buschmessern oder anderen Waffen Waffen zu schaffen machen, denn damit könnten Menschen umgebracht worden sein und den, der von der Speise Speise ißt, würde ein Verderben, das Verderben, etwa Wassersucht oder ähnliches, befallen. – Wärmt sich jemand am Feuer, so darf er seine Füße nicht an die Herdsteine stellen, der Herdbesitzer könnte einen Mord begangen haben und das mbaki, vgl. S. 58, ginge dann auf den Wärmesuchenden über. Bei den Bakosi ist dies zwar Alten erlaubt, junge Leute aber bekämen Gliederweh. – Trägt man nachts Speise in offener Schüssel aus der Küche heraus, so muß man eine glühende Holzkohle dazulegen, sonst kommen Schattengeister und nehmen die Speise weg (d. h. das Nährende in ihr), so daß sie den Esser nicht nährt. Man darf auch nachts keine Speise im Hof Hof verzehren, weil man in den Hof die Speise für die Geister Geister schüttet. Sie könnten durch den Duft angelockt werden und wären enttäuscht, wenn sie doch nichts bekommen. Bei manchen Stämmen unterscheidet man zwischen dem hinteren Hof (für die Schatten) und dem vor dem Hause (für die Lebenden). – Ist in einer Speise Palmöl, so darf man darunter nicht mit Palmkernen oder -schalen heizen, sonst bekommt man Wassersucht; nur die Schmiede gebrauchen auf ihrer Esse Palmkernschalen.

Da man früher nur mühsam Feuer entzünden konnte, lieh man sich meist etwas Brand, wenn das eigene Feuer erloschen war. Dabei war darauf zu achten, daß man nicht ein angebranntes Scheit verlieh, das der leihen Leiher noch zu ungutem Zweck (Zauberei) verwenden konnte, sondern nur einzelne Holzkohlen, die schnell verbrennen. Und wer etwas zum Verkauf kocht (etwa Ölkuchen), verleiht überhaupt kein Feuer, sonst gäbe er sein „ Glück, -sgut Glück“ hinweg; es würde auf dem Markt keiner zu ihm kommen zum Kaufen und Bezahlen, sondern nur zum Borgen und zum Leihen. – Von der Feuerstelle einer Wöchnerin Wöchnerin, einer Kultbund-Initiantin, beschnittenen Burschen, Medizinmännern entnimmt man überhaupt kein Feuer, denn bei ihnen ist alles tabu.

Die drei Herdsteine sind von der Frau des Hauses gesetzt. Geweiht wurde der Herd dadurch, daß ein Tier geschlachtet und sein Blut Blut über die Steine geschüttet wurde. Dem Herd sichert man dadurch munamSegen (bonam, munam), segnen Segen“, daß man das Fleisch dieses Tieres als erstes darauf kocht; so wird der Herd immer Fleisch zu kochen haben. Diese Steine dürfen dann später nicht mehr ausgewechselt werden, sonst „wechselt die Frau die Geburt, gebären Geburt“ (d. h. statt einem Kind gebiert sie Zwillinge) oder es treten Unregelmäßigkeiten in ihrer Periode ein. Ebenso ist es verpönt, brennende Scheite zwischen den Steinen auszuwechseln; nach den einen bekommt dadurch der Esser Durchfall, nach anderen „wechselt man damit sein Leben an einen anderen Ort“, d. h. man begibt sich in Todesgefahr. Dem Mann ist es streng tabu, Herdsteine herauszureißen; er stört damit die Ehe Ehe mit der Herdeignerin. Reißt er sie heraus und wirft sie in den Hof, so hat er damit sein Eheverhältnis zu der Frau aufgelöst, sei es, daß sie noch im Haus ist und damit das Zeichen erhält, daß sie gehen kann, oder daß es des Mannes Antwort auf das Davonlaufen der Frau ist.

{63} Auf die Feuerstelle darf man kein Salz Salz bringen, sonst ruft man dem Regen Regen. Herd

Daß gewisse Tier, Tierwelt Tiere tabu sind, ist schon verschiedentlich erwähnt, und zwar wollen solche Regeln nicht nur vor Nagual und Totem schützen, weil diese mit einem magisch „gefüllten“ Menschen ja eine Lebensseele gemein haben, sondern vor allem auch vor Hexentieren wie Eule Eule, Ziegenmelker, großem Tausendfuß, der Mantis Mantis religiosa, welche man töten töten oder verjagen muß, oder dem Chamäleon Chamäleon, das man nicht anrühren darf, oder wieder andere, die man nicht töten darf, wie z. B. ngule „die gemeine Eidechse Eidechse“. Tier, Tierwelt

Tote muß man so beerdigen, daß sie nicht zur aufgehenden Sonne Sonne schauen, denn weil Ähnliches Ähnlichem ruft, würden solche Tote zum Aufstehen und Umgehen ermuntert, vgl. S. 46, während der Blick nach Westen sie <hinabsteigen> läßt wie die untergehende Sonne.

Tabu-Bestimmungen beim Anlegen eines Ackers, Haus, -bau Hauses u. ä., beim Baumfällen sind an den bezüglichen Stellen erwähnt. Man will verhindern, daß die Macht, die an der betreffenden Stelle west, erregt wird. So sind auch Tabus bei Aus Saat, -fest, säen, Samen saat, Ernte Ernte, Aufbewahrung u. ä. zu beachten.

So ist es z. B. verboten, mit Eisen Eisen zu hantieren, wo Ahnengeister hausen. So darf man z. B. auf den bloßliegenden Steinen im Manengubakrater Eisen, Gewehr, vgl. auch ngad’ a mudumbu Gewehre etc. nicht auf den Boden setzen, eisenbeschlagene Stöcke sind waagerecht oder umgekehrt beim Überschreiten solcher Stellen zu tragen. Ebenso muß Feuer Feuer solchen < verrufene Orte verrufenen> Stellen fernbleiben.

Es gibt Messingringe, die die magische Kraft des nia nia, vgl. S. ---, eine Kraft zum Unschädlichmachen eines gefährlichen Gegenübers, in sich haben. Wird nun ein Träger solcher Ring Ringe mit den Ringen an der Hand beerdigt, so ruft das ein gefährliches Hagelwetter herbei (Bakwiri), wie Verstöße gegen Natur-Tabus i. a. Gewitter Gewitter und Stürme zur Folge haben.

Rote Abend Wolken wolken sind bedidiOmen Omen“ und rufen gewisse Tabus in Erinnerung: Am folgenden Tag, wie auch nach den Erscheinen des neuen Mondes darf man gewisse Arbeiten, besonders solche, bei denen etwas Schlimmes sich ereignen kann, nicht vornehmen.

Nicht alle Tabus lassen sich in eine Gruppe allein einordnen; so z. B. wenn man gewisse Stellen in der Natur scheut aus Rücksicht auf Ahnengeister oder, wie auf S. 117 gezeigt, auf mengu „Nixen“ u. ä. Es sind das Plätze, da den Ahnen oder Wassergeistern geopfert wird; z. T. waren es wohl alte Kultstätten oder Orte, die mit gewissen Gefahren verbunden sind. Es seien einige Plätze aus Bakosi kurz skizziert:

Beim Dorf Nkang in der Mwambong-Landschaft ist ein Bergkegel, dessen Spitze mit dichtem Busch = ungepflegter Wald Busch und dessen Abhänge mit hohen Gras bedeckt sind. Seine Lage und sein Aussehen machen, daß er weithin den Blick auf sich zieht; man sagt <Ahi de Nkang sieht überall hin>. So eignet sich dieser <verzauberte Berg> der Mwambong-Leute gut als Stützpunkt des Mythe, Mythenbildung Mythos. Sein Name „Falle von Nkang“ hat wohl keine besondere Bedeutung. – Man sagt, auf dem Berg hausen <Ahnengeister>, wie auch an anderen Orten, wo man Tonscherben gefunden haben will. Daher darf den Berg niemand betreten; die Abhänge dürfen nicht bebaut werden, sonst müßte man Feuer dorthinbringen, was streng tabu ist. Öffentliche Sühne müßte geleistet werden, denn Frevel bringt die Gruppe in Gefahr. Nachts sammeln sich dort oft die ekong ekong- Hexe, -rei Hexen der Landschaft, vgl. S. 88ff., und holen dort Schätze. Will sonst ein gewöhnlicher Mensch den Berg besteigen, etwa ein Jäger, so befällt dichter Nebel seine Augen, so daß er nicht mehr sieht und den Heimweg nicht findet. So erging es angeblich dem englischen Bezirksbeamten Dundas, der beim Aufstieg auf einmal den Berg nicht mehr gesehen habe und umgekehrt sei. In Wirklichkeit hat der Beamte die Entfernung des Berges unterschätzt und weil er in dem hohen Elefantengras keinen Pfad mehr fand, verzichtete er auf die Aussicht. – Warum der Berg verschrien ist, weiß keiner zu sagen. Es ist aber am Fuß des Berges ein Ahnenkultplatz ( ndie (Ko.) ndie) und ein Stück oberhalb davon der Platz, wo beim jährlichen Ahnenfest das Ahnenopfer abgelegt wird, vgl. S. 169ff. Man sagt auch, wenn man auf dem Kultplatz die Ahnen anrufe, antworten sie gelegentlich von oben. Wenn das früher geschehen sei, sollen alle Leute schnell ins Dorf in ihre Häuser gesprungen sein, um von den hungrigen „Schattengeistern“ nicht eingeholt zu werden; dabei sei mancher gestürzt und habe sich verletzt, darum meide man jetzt diesen Kultplatz. Das Wild des Berges ist tabu; geht ein Jäger auf den Berg zur Jagd, Jäger Jagd, so verirre er unbedingt und könne nur durch allerlei magische Mittel im Dorf wieder gelöst werden. Vereinbaren zwei ein Zusammentreffen an dem Bergeshang, so werden sie sich unweigerlich verfehlen; im Nebel irren sie rings um den bewaldeten Gipfel herum, bis sie müde sind, und mancher ist nicht mehr heimgekehrt.

Jedes Dorf hat ein solche Stelle, vgl. ngokume (Ko.) ngokume auf S. 92f., wenn auch nicht alle so hervorragen wie Aki de Nkang. Wo an solcher Stelle ein öffentlicher Pfad vorbeiführt, darf man nicht pfeifen oder singen singen, das würde die Geister Geister beunruhigen; Grasschlagen und -verbrennen, Äckeranlegen ist verboten; solche Stellen heißen im hinteren Bakosi aseng. – Ein solcher ist u. a. ein Berg bei Ekante-Elung, ein halbkreisförmiger Kraterüberrest, vgl. S. 171ff., halb den Ninong Ninong-, halb den Belung-Leuten gehörig. Wer am Hang des Berges einen Acker anlegt und sein Feuer dabei auf die tabuierte Spitze überspringt, er also das Tabu verletzt, muß sich durch eine Sühneleistung reinigen: Hier muß er die Führer der Landschaft zu einem Gemeinschaft, -smahl Gemeinschaftsmahle laden und dazu stiften: Je Zahl neun schwarze Ziegen oder Schafe, neun Hühner, neun große Kalebassen Palmwein Palmwein, neun Kalebassen Wasser, zwei kleine Kalebassen Palmöl, je zwei Päckchen Mais- und Bohnenpudding, zwei Päckchen Salz Salz. Mit einem herbeigerufenen Medizinmann Medizinmann verzehren die Dorfältesten samt der Sippe des Sühnenden das Mahl auf dem Berge, wobei ein Teil der Speisen und Getränke für die Geister, die Eigentümer der Bergspitze, ausgeschüttet wird unter Fürbitte für den Frevler. – In waldfreien Gegenden ist meist eine auffallende Bergspitze für ein Dorf ein solcher ngokume-Platz, im Waldland ein See, Sumpf oder eine andere auffallende Stelle, die zum Machterlebnis werden kann.

Im Hof des Häuptlings zu Pola, dem höchstgelegenen Dorf auf dem Manenguba Manenguba, schaut ein Fels etwa 6 cbm aus dem Boden. Der gilt dort für ngokume, vgl. S. 92. In ihn gehen nachts die Totemhexen, vgl. S. 86ff., um Vermögen zu holen. Die Lebensseele der Häuptlinge und anderer großen ekong-Hexen sollen nach dem Tod in diesen Stein eingehen, nachdem sie in ihrer ndjeb „Beratungshütte“ beerdigt sind. Man sagt von solchen „Steinbewohnern“, sie seien in Wirklichkeit nicht gestorben; ein solcher habe sich früher „selbst geboren“, d. h. er war für einige Zeit aus der unsinnlichen Welt in unsere Sinnenwelt gekommen; nun sei er wieder verschwunden mit all seiner Macht, Klugheit, Schnelligkeit, Reichtum und anderen Kräften in die Unsichtbarkeit. Dort besitzt er diese Fähigkeiten zum Wohl der Siedlung weiter.

Wie Leute mit „vier Augen“ dies sehen können, so auch, daß der obere Teil des Manenguba voller Höhlen sei, wo ebenfalls von den Angefüllten des Stammes magische Güter geholt werden können.

Pola = Poala wird auch gedeutet: puog = po ’ala „Bohrungen im Fels“, d. h. Höhlen. ekong

Das führt uns [zum nächsten Abschnitt:]

b. Religiöse Tabus

Die Ahnen sind die Vertreter der Überlebenden in der über- , unsinnliche Welt übersinnlichen Welt; darum sind sie mit besonderer Scheu und Achtung zu behandeln; ebenso aber auch ihre irdischen Vertreter, die batudu, sing. mu- „Sippenführer, -mundwalt, Ältester Ältester“. So stehen die Alten, Grauhaarigen den Ahnen zeitlich nahe und daher auch in besonderem Ansehen.

Es ist tabu, zu pflanzen, bevor nicht die Ahnen ihre Zustimmung gegeben [haben], vgl. S. 229; von manchen Feldfrüchten (Yams, Mais etc.) darf nichts gegessen werden, es sei denn eine Art Erstlingsopfer gebracht, vgl. S. 187, 231. In der schon genannten Eidechse Eidechse ngule investiert sich der Geist eines Verstorbenen, darum darf die Eidechse nicht getötet werden, außer auf dem Grabe eines Wiedergängers durch einen „Gefüllten“, vgl. S. 99, der Ahnenkultplatz ist natürlich durch besondere Tabus geschützt; Holz darf auf ihm nicht geschlagen werden noch Früchte gepflückt, die in seiner Umgebung wachsen; sie stehen nur den Ältesten zu, denen die Aufsicht über den Platz obliegt. Ein schweres Vergehen ist es, die hierarchische Ordnung der Gruppe, vgl. auch Familie, Sippe, Stamm Gruppe zu verletzen, indem etwa ein jüngeres Glied Handlungen unternimmt oder Rechte übt, die nur dem noch lebenden Ältesten zustehen. Man sagt in solchem Falle: A tombi mulopo ma mbo „Er geht über den Hundekopf hinaus“. Dieser Ausdruck erinnert an den Hund Hund als Opfertier, von dem dem Ältesten der Kopf zusteht. Wie vieles andere zeigt auch dies, wie sich im Ahnenkult das soziale und das religiöse Leben der Gruppe berührt, vgl. den Tabu-Brauch auf S. 93.

Die Hütten all derer, die mit besonderen Kräften ausgerüstet sind, sind tabu. Will man von einem sagen, daß er voll solcher magischer Kräfte sei, so weist man nur darauf hin, daß er weder Tag noch Nacht seine Haus schließe und doch werde daraus nichts gestohlen. Umgekehrt darf ein solcher nicht in einer Hütte sterben sterben, in der noch gebärfähige Frauen verkehren; er wird in eine besondere Hütte verbracht oder er stirbt draußen.

Die persönliche Hinterlassenschaft Hinterlassenschaft eines Menschen ist tabu; daher

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[drei kurze handschriftliche Bemerkungen auf Rückseite von S. 63: Umgekehrt ist den Initianten und Eingeführten manches tabu, vgl. S. jengaisedi. Bestimmungen über [das] Baden Geschlechtsverkehr unter Verwandten]

wird die sasa sasa „zerhackt“, d. h. unbrauchbar gemacht, und pimba pimba „weggeworfen“, d. h. hier: auf einem Gestell vor dem Dorf ausgelegt, vgl. S. ---.

Wegen nagualistischer und totemistischer Tabus vgl. S. 82ff., 86ff.

c. Die soziale Verhältnisse sozialen Tabus

wollen die gesellschaftliche Ordnung (primitive) Ordnung schützen, denn wird sie verletzt, so kommt die ganze Gruppe in Gefahr. Vorhin ist schon angedeutet, daß es tabu ist, den älteren Bruder zu überflügeln. Die Älteren oder der Häuptling Häuptling muß [beim] Pflanzen und Ernten den Anfang machen, religiöse Übungen ordnen sie an, das Gerichtswesen liegt in ihren Händen. Daher sind auch viele beyia, sing. eyia beyia nur zu verstehen, wenn man den Wesensgrund des Lebens der Kameruner überblickt. Wo wir das Natürliche setzen, steht ihm das Magische. Und ein Gebiet des Tabu webt um den Satz: Ähnliches erzeugt und gehört zu Ähnlichem.

Auf diesem Gedanken beruht auch die Regel, daß kein anderer als der sango a mboa „Heimherr“ den Rest einer Palmweinkalebasse trinken trinken darf. In diesem Rest hat sich die Hefe „gesetzt“; so ist auch der Hausherr der, der sikimeye „sich gesetzt, fest angesiedelt hat“. Wer sich nun an dem vergreift, das ihm zusteht, bringt die von ihm vertretene Ordnung in Gefahr, a buli „er verstößt gegen Geheiligtes“, vgl. S. 61. Wird Palmwein Palmwein getrunken und der Hausherr oder sonst in einer Gruppe der Ältester Älteste ist nicht anwesend, so hebt man ihm „das Stümple“ auf, oder ist er länger fort, so ist sein Stellvertreter, der Nächstälteste oder sein ältester Sohn oder seine Frau zu diesem Trunk berechtigt. Will die Frau nicht trinken – manche Frau trinkt nicht oder mag den schweren Satz aus der Kalebasse nicht –, so nimmt sie die Kalebasse an den Mund und gibt sie einem anderen zum Trinken weiter. Wird beim Opfer auch Palmwein getrunken, so schüttet man den Ahnen den Bodensatz auf die Erde.

So steht auch alles, was mit dem Geheimbund, -kult, vgl. auch Wassergeister, Kultsprache Geheimkult zusammenhängt, unter Tabu. Nicht-Initiierte dürfen die Hütte nicht betreten; die für die Bünde bereitete Speise darf kein Uneingeweihter genießen; hier schließen sich auch Männer- und Frauenbünde gegenseitig aus. Tiere, die dem Bund gegeben wurden, waren geheim zu schlachten schlachten und wurden, von einer alten Frau gekocht, im Kulthaus verzehrt. Hält ein Kultbund seinen Umzug, so müssen alle Nichtmitglieder hinter verschlossenen Türen verschwinden; ist die Straße durch einen Kulttanz gesperrt, so müssen die Passanten hinter den Häusern ihren Weg suchen.

Die Ehe Ehe ist durch Tabu-Regeln geschützt, sonderlich aber besondere Perioden. Darum sitzt die junge Ehefrau etwa drei Monate lang ein, ohne daß sie arbeitet, aber auch der Mann muß sich zurückhalten; ein Jahr lang darf er sich nicht an einem Kriegszug oder Streitereien im Dorf beteiligen, denn ein Unglück würde sofort ihn, der in einer Übergangsperiode Übergangsperiode lebt, treffen. Die junge Mutter, vgl. auch Eltern Mutter ist 2 – 3 Jahre lang tabu. Bei den Bakosi trug eine solche Frau eine ingwerähnliche Frucht mbongolo als Warnzeichen am Hals; damit stand sie unter öffentlichem Schutz. Wer es mit der Frau eines Verstorbenen hatte, durfte an dessen Begräbnis nicht teilnehmen; wer mit einem Toten nicht ausgesöhnt ist, darf das motio-Opfer, vgl. S. 224, für ihn nicht ausführen. Es ist für Gäste tabu, auf dem Ehebett bzw. Bett Bett der Frau oder deren Schemel zu sitzen; ebenso darf eine Frau einen Fremde, Fremdlinge Fremden nicht auf das Bett ihres Mannes bringen, sonst wird der Mann ndoko „impotent“.

Durch Blutsfreundschaft Blutsfreundschaft, vgl. S. 151, ist jegliche unaufrichtige oder feindselige Handlung gegen den Blutsbruder und seine Genossen verboten.

Alle Gefahren- und Übergangszeiten im menschlichen Leben sind durch eine Menge Regeln geschützt; sie sind darum so streng zu beachten, weil außer dem Übertreter auch dessen ganze Gruppe in Gefahr kommt. Dazu gehören vorzüglich auch die Toten-Tabus. Die machthaltige Leiche Leiche wirkt auf ihre Umgebung; am meisten sind davon betroffen, die in ehelichem Verkehr mit ihr standen. Daher sind die Witwen, vgl. auch Trauer Witwen ein besonderer Stand; sie müssen während der Trauerzeit geradezu ein anderes Leben führen, als wären sie andere Wesen; darum ist dieser Zustand auch durch eine besondere Feier abzuschließen, vgl. S. 212ff. Ebenso ist es mit denen, die in besonderer Behandlung stehen, z. B. die in einen Geheimkult oder andere Aufgaben eingeführt werden, die Kranken, die Krieger u. a.

Man darf auch morgens nicht mit einer „ Zahnbürste Zahnbürste“ an jemandes Türe klopfen klopfen,

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[handschriftliche Notiz auf Rückseite von S. 64, nicht zuzuordnen: Wer einen umgebracht [hat], muß auch nach der dindo „Reinigung“ ein Abzeichen tragen; in manchen Gegenden ist dies eine Rote Schwanzfeder des Graupapageis [?]. Es ist dies Tabu-Zeichen und Auszeichnung zugleich. Abzeichen ist ja stets beides Trophäe und Tabu, Schmuck und Warnung.]

sonst bringt man dessen Sippe um Vermögen.

In dem Bestreben, die soziale Ordnung zu schützen, war auch begründet, daß man Vergehen eines Sklave, Sklaverei Sklaven oder Niederstehenden schärfer ahndete als bei einem Angesehenen und Freien. So sind die Häuptlingsfrauen, besonders im Grasland, wo sie als Zeichen eine Kaurischnur, vgl. S. 22, um den Kopf tragen, vor Belästigungen geschützt, wogegen sich der Häuptling selbst viele Übergriffe gestatten durfte, ohne gegen Tabus zu verstoßen.

Für solche, die über schwarze Kunst, weiße und schwarze Kunst verfügen, ist ein wichtiges Tabu, daß man nicht die gleiche Handlung doppelt tun dürfe, d. h. in unserer realen und der magischen Welt, denn betimbedi ngedi iba bebwese mom’ a kudungu „doppelte Wiederholung brachte das Turakomännchen zu Tode“ ( Sprichwörter Sprichwort: Es kehrte dahin zurück, wo ihm der Jäger schon einmal aufgelauert [hatte] und wurde nun getötet.) So lädt der das mbaki mbaki auf sich, vgl. S. 58, wer als Hexe gegen den Blutsbruder fehlt; beim Bundesschluß hat er von seinem Blut in realer Weise getrunken, „frißt“ er ihn nun als Hexe, so muß er zugrunde gehen. Der ewusu ewusu-Besitzer darf von dem durch sein „Tier“ nach Hause gebrachten Raub Raub nichts genießen, wenn das Tier schon im Wald davon gefressen hatte, vgl. S. 82ff. Der ekong-Besitzer erwirbt zwar die magische Schlange, doch erst seine Nachkommen dürfen sich von ihr bereichern lassen, vgl. S. 86ff., 151. Vgl. Opfer. Darauf ruht auch die Ansicht, daß mit der Beschneidung, vgl. S. 195ff., der Mensch [?] gegeben ist und ihn die übersinnlichen Mächte nicht nochmal holen dürfen, vgl. S. 41.

Das Brechen sozialer Tabus zerbricht die Gemeinschaft, -smahl Gemeinschaft und hier reagiert sie am heftigsten gegen die Hexen, vgl. S. 94ff. soziale Verhältnisse

d. Physiologische Tabus

schützen vor solchen, die im Stande einer Gefahr, Schwachheit oder Verunreinigung Verunreinigung, und solchen, die in Änderungen ihres Leibeslebens stehen; zu diesen letzteren gehöre z. B. nicht nur Schwangere oder Wöchnerin Wöchnerinnen, Trauernde, Initiierende; sondern auch Krieger oder Mord, Mörder Mörder. Denn Krieger treten durch das Begehen gewisser Riten Riten so sehr in die geheimnisvolle Sphäre der Macht der unsinnlichen Welt ein, daß sie fast als andere Wesen gelten, besonders redet man so von Kriegern, an denen das eyabo, vgl. S. ---, vollzogen worden ist. Mörder aber sind durch das auf S. 58ff. beschriebene mbaki so sehr belastet, daß sie auch für ihre Umgebung eine Gefahr bedeuten.

Solchen, die in unrein Unreinheit oder [einem] anderem Gefahrenzustand Gefahrenzustand stehen, ist manches verboten; sie sind Gefahren, die von irgendwoher drohen, zugänglicher als andere Leute, und bilden auch für andere eine besondere Gefahr. Daher sind sie tabu und [der] Umgang mit ihnen ist zu meiden meiden. Erst wenn sie durch eine Reinigungsperiode mit allerlei Sühnen, Meidungen und Waschungen hindurchgegangen sind, werden sie durch einen kultischen Tanz Tanz wieder in die soziale Gruppe aufgenommen. Andere Zustände können aber nie beseitigt werden, sondern gelten immer. So ist es z. B. mit allem, was den Kultbünden angehört oder den Machtmitteln, vgl. S. ---.

So stehen etwa Totem- oder Nagualbesitzer unter mancherlei besonderen Regeln, die sie zu beachten haben, soll die magische Kraft, die sie besitzen, nicht ihnen selbst zu großem Schaden oder gar Tod gereichen. Das gleiche gilt von solchen, die besondere Macht, -mittel, -erlebnis Machtmittel besitzen, sie müssen immer fürchten: <Ein Sklave, Sklaverei Sklave kann seinen Herrn umbringen.> ( Sprichwörter Sprichwort).

Mehr als die Männer sind die Frauen unter Tabu-Regeln geknechtet. Einmal hängt das zusammen damit, daß ihr Körper viel mehr Veränderungen unterworfen ist als der des Mannes; und jede solche Übergangsperiode Übergangsperiode ist besonders zu schützen. Sie sind das schwächere Geschlecht und darum leichter anfällig; die Männer aber legen ihnen wohl auch aus Schläue mancherlei Enthaltungsgebote auf, besonders hat man diesen Eindruck, wenn man die vielen Fleischverbote bedenkt, unter denen die Frauen stehen, besonders in der Zeit ( Schwangerschaft Schwangerschaft, Wochenbett), wenn sie kräftige Nahrung Nahrung am nötigsten hätten. So fällt auch Hurerei Hurerei unter die Tabu-Gesetze, weil man fürchtet, durch die Untreue bekomme das sich Verfehlende „böses Blut“. Sonderlich müssen sich Frauen auch enthalten von allem, was mit dem Tod zusammenhängt (hier sind natürlich Angehörige ausgenommen; in solchem Fall bedeutet ja die Trauerzeit mit ihren mancherlei besonderen Vorschriften eine Gefahrenperiode, die durch besondere Sühnen abzuschließen ist, vgl. S. ---. Sonst soll aber keine Frau jemand sehen, der beerdigt wird, selbst der Mann einer hoffenden Frau darf in kein offenes Grab schauen, sonst folgt ein Mißfall, wenn nicht besondere Reinigung, rituelle Reinigungen vorgenommen werden.

Ebenso ist es Frauen streng verboten, dahin zu gehen, wo Leiche Leichen sind, oder Gegenstände zu berühren, die mit Blut Blut zu tun hatten (Waffen; vgl. S. 67).

Zwischen diesen physiologischen Tabus und den schon genannten mbaki mbaki-Regeln stehen allerlei Tabus, die den Frauen gelten. In ihnen mag sich etwas von dem Ringen zwischen Mutter- und Vater Erbrecht erbrecht spiegeln, weshalb auch die Stellung zu diesen Tabus in den einzelnen Stämme verschieden ist. So dürfen gewisse Fleischsorten in manchen Stämmen von Frauen nicht gegessen werden; bei manchen Stämmen gelten solche Verbot Verbote allen, bei anderen nur den gebärfähigen, bei wieder anderen nur den hoffenden Frauen, z. B. ist verboten Fleisch Fleisch von Schwein Schweinen, weil diese Eigentum Eigentum des mungi mungi „Feme-Dämons“ sein sollen, Fleisch von Widdern, weil sie die Stimme des mungi haben, Fleisch vom Rotbauchducker so, weil man aus seiner Haut die Felle der mungi-Trommeln fertigt, Fleisch vom Schuppentier Schuppentier, weil seine Schuppen

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[handschriftliche Notiz auf Rückseite eines eingeklebten Zettels auf S. 66: Vgl. auch Erklärung S 64b. Ko: Werdende Mütter müssen heiße Speise meiden, sonst kommt das Kind mit Brandwunde oder Muttermal zur Welt. Das Kind bekommt schönes Aussehen, wenn [die] Frau wohlschmeckende Speise ißt.]

zum Orakeln benützt werden, Hühnerfleisch, weil das Huhn Huhn „zu den Schatten (es scharrt im Wald) geht“, bei den Stämmen am Balombi-Gebirge, weil es dem angesehenen Kultbund dio eigen sei. Eigen sind oft die Begründungen der Tabu-Gebote; so war den schwangeren Frauen in manchen Stämmen allen kein Hühnerfleisch verboten; weil das Huhn ja seine Jungen nicht säuge, lasse sein Genuß die Milchquelle bei der Frau versiegen. Genuß verschiedener Fische Fische soll Frauen unterleibskrank machen; in manchen Stämmen im Waldgebiet gehen die Frauen dem Fischfang Fischfang mehr nach als die Männer, dürfen aber von ihrer Beute doch nichts genießen. Bei den Bakosi dürfen hoffende Frauen nichts von der nsib- (Du. ndjibo-) Antilope Antilope verzehren, denn das verletzte Tier blute sehr stark, nur durch Vermeiden dieses Fleisches wird starker Blutverlust bei der Geburt, nach anderer Meinung: bei dem Kind starkes Nasenbluten, verhindert. Solche Regeln sind bei den verschiedenen Stämmen Legion und früher wußte man: Genießt eine Frau solches nur den Männern zustehendes Fleisch, so muß sie sterben sterben oder sie kann nicht mehr gebären.

Frauen müssen sich besonders auch hüten vor allem, was mit Männer-Kultbünden zu tun hat; am strengsten war es beim mungi, vgl. o.; Frauen, die dessen Dämonendarsteller gesehen oder ihn an der Stimme erkannt und dies ausgeplaudert hatten, wurden umgebracht. Umgekehrt aber müssen sich auch Männer zurückhalten, wo es sich um Frauenkultbünde handelt, vgl. djengu auf S. 202ff. und djololo djololo der Bakwiri auf S. 228.

Aber auch den Männern schwangerer Frauen sind Tabu-Regeln auferlegt: Nicht bei Verenden von Tieren und Sterben von Menschen zusehen, nicht ein Loch mit Erde füllen (sonst schließt der Muttermund), kein Chamäleon Chamäleon berühren, nichts mit Leichnam[en] zu schaffen [haben], nicht im Zug Hexenameisen zu schreiten [?].

[wohl als Erinnerungshilfe gedacht:

Leichen tragen - Schwierigkeit im Lehrerkurs in Nyasoso.

Bemerkung über Personen boni und baloki.]

Frauen müssen besonders Dinge meiden, die als amba amba „schwierig“ gelten, vgl. S. 128, z. B. Männerwaffen; ihre einzige Waffe ist der Stampfer; sie dürfen ihr Haumesser Haumesser nicht nach Art der Krieger in einer Scheide unter der Schulter tragen, auch nicht in der Hand, sondern im Korb; sie dürfen nicht [die] Fell- oder Schlitz Trommel, Fell-, Schlitz- trommel schlagen; öffentliche Bekanntmachungen im Dorf sind ihnen untersagt; a masamba nde mbembe momene „sie geht nur mit der Wehklage den Dorfweg entlang“.

Jeder Mann trägt gewisse Kräfte in sich, ‘Geladene’ erst recht. Nun kann man diese Kräfte durch gewisse Handlungen loko loko „dämpfen“. Solche elokon elokon, be- „eine Handlung, durch die man sein Glück, -sgut Glück oder gute Kraft schwächt“, sind natürlich zu meiden. Für einen Fischer Fischer wäre das pfeifen (Pfeife, Flöte) Pfeifen ein elokon, vgl. S. 62, daher ist es während des Fangs zu meiden. Gibt ein Händler etwas auf Borg, bevor [er] an diesem Tage schon etwas in bar verkauft hat, so wird er an diesem Tag überhaupt nichts mehr einnehmen, jeder will von ihm geborgt haben wie der erste. Ebenso darf eine Frau von ihrem Herde kein Feuer Feuer weggeben, wenn ihr Essen noch nicht gar geworden [ist]. Erwidert ein Jäger, ein Medizinmann oder sonst ein ‘Geladener’ auf einem Berufsgang einen Gruß und sein Gang wird erfolglos, dann führt er das darauf zurück, daß der Grüßende ihm den Mißerfolg bereitete und er selbst dazu ‘ja’ sagte, als er den Gruß zurückgab.

Der Übergang von einer Lebensperiode zu einer anderen ist nach dem Machtglauben von mancherlei Gefahren bedroht. Daher sind für die, welche sich in solcher Periode befinden, mancherlei Objekte oder Handlungen tabu, so sehr, daß diesen Leuten in den Einführungsriten das Geleite durch diese Zeit gegeben werden muß. Wer von einem niedrigen zu einem höheren Stand steigt, durchschreitet eine Grenzperiode, er scheidet aus einem Stand, um im anderen aufgenommen zu werden. Dieser Zwischenzustand ist nicht eigentliche Verunreinigung, sondern eher eine Art Schwachheitszustand, der mit dem Wachstum, Älterwerden u. ä. zusammenhängt. Das Binden der Hanf Schnüre schnüre bei Säuglingen, die Entwöhnung Entwöhnung, die Pubertät Pubertätszeit mit Kultbundweihen, Beschneidung Beschneidung, tätowieren Tätowierung, Zahnverstümmelung Zahnverstümmelung, die Ehe, besonders die sombo-Zeit, vgl. S. ---, die Lehrzeit eines nganga oder ngambi, die Trauerzeit sind geschützt durch Tabus.

Alle Tabu-Regeln dieser Gruppe scheinen von der Vorstellung auszugehen, daß rituelle Unreinheit wie das Hinüberschreiten in eine andere Lebensperiode eine Gefahr bedeutet, der man nur durch Enthaltungsregeln Enthaltungsregeln entgehen kann.

e. Von den Sprachen-Tabu Sprachen-Tabus,

die eigentlich zu den Sozial-Tabus gehören, kennt man zwei Arten. Die eine bezieht sich auf Gebräuche in den Dämonenbünden. In manchen dieser Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kulte wird eine besondere Geheimsprache geübt. Den Initianten dieser Kulte ist während der Einführungszeit die Muttersprache verboten, nachher aber wieder gestattet. Umgekehrt ist Nicht-Eingeweihten die geheime Kultsprache verboten. Die Initianten bekommen auch einen neuen Name, Namensgebung Namen, denn sie sind ja nun auch andere Wesen geworden. Der alte gilt nicht mehr, und sie auch nach Abschluß der Initialweihen noch mit dem alten Namen zu rufen, würde Unheil ( Krankheit Krankheit, Besessenheit Besessenheit) auf den Initiierten legen. Bei manchen Bünden ist zwar nicht eine ganze Sprache Sprache neu zu erlernen, sondern es sind nur gewisse Ausdrücke der landläufigen Sprache zu meiden und durch andere zu ersetzen.

Daneben gibt es aber auch Wörter, die sind für alle tabu; es sind Ausdrücke, die als obszön gelten und im gewöhnlichen Leben nicht gebraucht werden dürfen. Wer sie dennoch gebraucht, wird mindestens gescholten; man sagt ihm etwa: „Es ist doch etwa kein großer Mann gestorben!“ Solche Zurechtweisung mag uns eigentümlich klingen. Aber bei dem Tod Tod eines Großen, der ja die ganze Gruppe, vgl. auch Familie, Sippe, Stamm Gruppe in den Stand der Unreinheit versetzt, vgl. S. ---, ist manches geboten, was sonst verboten ist. Obszön sind besonders gewisse Bezeichnungen für den Geschlechtsakt und die einzelnen Teile der Geschlechtsorgane u. a. Um obszöne Wörter zu meiden, hat man gewöhnlich Ersatzwörter oder Umschreibungen; so sagt man wite musondje „huren“ statt lua (Ku. luka)?, statt nya lobi „zu Stuhl Stuhl gehen“, sagt man „an den Strand gehen, in den Wald Wald gehen, auf den (liegenden) Baumstamm gehen“ oder umschreibt noch mehr „den Weg der Hühner gehen“, im Grasland gar: Den König besuchen (weil man diesen Gang auch alleine gehen muß). Das verpönte eyo „Penis“ ersetzt man durch „Ding des Mannes“ und ewombo „Vagina“ durch „Ding der Frau“.

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[Eingeklebter Zettel mit handschriftlicher Notiz: Bei uns Europäern [herrscht] vielfach die Meinung, die Wilden hätten ein völlig gesetzesfreies Leben. Darum wollen manche ja auch frei von christlichen Bindungen werden und gar Neuheiden werden. Das Leben wirklicher Heiden aber, wie wir sie in Kamerun finden, ist völlig in Banden des Gesetzes geschlagen durch Tradition und Sitte. Diese Verbote sind 1) Tabu-Regeln, 2) sittliche Grundsätze.]

Dieses Verbot Verbot gemeinschaftsstörender Wörter gilt aber nicht in Zeiten, da in der Gruppe ohnedies die soziale Ordnung (primitive) Ordnung gestört ist, z. B. während Trauerzeit, während gewisser Riten, der Umlegung des Dorfes u. ä.

In der Fremde hält man seinen Name, Namensgebung Namen geheim und gibt sich einen Decknamen, denn mittels des richtigen Namens kann man die Seele, vgl. auch Lebens- und Schattenseele Seele des Besitzers in seine Gewalt bekommen. Daher die Wirrnis der Namen etwa auf Pflanzungen, so daß man nie recht weiß, wer mit einem Namen gemeint ist. Vielleicht hängt mit dieser Ansicht auch die Gepflogenheit der Stämme im Süden, z. B. bei den Basa, zusammen, eine verheiratete Frau außerhalb ihrer Sippe nicht mit ihrem persönlichen Namen zu nennen, sondern als „Tochter des Soundso“, nicht mehr ..., sondern ngon Yamben „Tochter des Jamben“. Sprachen-Tabu

f.  Vorsorge-Tabu Vorsorge-Tabus

mögen um so auffallender vorkommen, als die Lebensweisheit der Sprichwörter Z. B. O s’ ene sombo, nde o bongsane nongo e? „Ohne daß du deine Hochzeiterin siehst, willst du schon ein Ehebett bereiten?“ Ba mabusise myondjo o ’boko, ke mbua e si mayole e? „Bringt man Schüsseln (zum Regenwasserauffangen unter [der] Dachtraufe) in den Hof, wenn es noch nicht regnet?“ O si ya muna, nde o woso mukuta e? „Webest du einen Tragsack, wenn dir noch kein Kind geboren?“

so häufig Vorsicht und Voraussicht in mannigfacher Weise fordert. So ist es aber tabu, ein Haus zu bauen, bevor man eine Frau heimgeführt hat, ein Bett Bett zu erstellen, bevor man verheiratet ist, vor der Geburt einen Kindertragesack oder andere für einen Säugling nötigen Dinge zu besorgen. Man sagt, man störe durch solche Vorsorge den guten Verlauf der Dinge. Man will auf diese Weise, wie mit den <unnützen Namen> widrige Mächte in der über- , unsinnliche Welt unsinnlichen Welt nicht auf sein bevorstehendes Glück aufmerksam machen. Solche mina ma tete „Namen für nichts und wieder nichts“ gibt eine Mutter ihrem Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kind, der zuvor schon andere Kinder weggestorben sind. Damit ihr die finsteren Mächte nicht auch dieses Kind wegnehmen, gibt sie ihm eine sonst nicht als rechten Menschennamen gebrauchte Bezeichnung, etwa edimo EdimoGespenst, vgl. Spuk, Wiedergänger Gespenst“, moto, pl. bato Moto „Mensch“, Dibue „Abgebrochenes“, in Bakosi: Enonengene „Du schauest umsonst“, Ndobe „Erde“ u. ä., in Bankon Mise „Erdboden“ und sonst.

g.  Macht, -mittel, -erlebnis Machtmittel-Tabus

werden gegeben, wenn ein wichtiges Machtmittel irgendwo eingeführt wird. Diese Regeln sind zu beachten, wenn die Macht des Mittels in geordneter Weise wirken und sich nicht etwa in schädigender Weise gegen den eigenen Besitzer wenden soll. Viele dieser Regeln haben keinen für uns verständlichen Sinn, andere aber ähneln sehr den in den „Zehn Geboten“ niedergelegten Grundgesetzen menschlichen Zusammenlebens, die ja auch bei den kameruner Stämmen bekannt sind und beachtet werden sollen.

Zu den Machtmitteln gehören auch die Waffen Waffen der Männer: Speer Speer, Dolch, Gewehr, vgl. auch ngad’ a mudumbu Gewehr, zweischneidiges Haumesser Haumesser. Frauen dürfen diese Waffen nicht berühren, sonst verlieren sie die Gebärfähigkeit. Sie dürfen das auf dem Acker zu gebrauchende Haumesser auch nicht in einer Scheide um die Schulter oder unterm Arm tragen, das ist Kriegerart; sie legen ihr Acker-Haumesser in den Korb. Waffen

Das Tabu von Machtmitteln ist auch ansteckend, übertragbar. Wenn man z. B. ein Machtmittel auf seinen Acker oder Hof steckt oder ans Haus hängt, geht die Macht des Mittels auch auf das zu schätzende Objekt über. Noch mehr gilt dies von den Insignien eines Kultbundes. Setzt z. B. ein Bund sein Zeichen ( Stab, Stock Stab, Tasche, Stuhl, Wedel Wedel o. a.) auf einen Acker, so ist mit Beschlag belegt, was auf dem Acker wächst, selbst der Eigentümer darf darauf nichts mehr holen, will er nicht krank werden. Setzt ein Bund sein Zeichen in den Hof vor den Hauseingang, so ist der Eigentümer selbst im Bann Bann, bis er den Bund befriedigt hat und das Zeichen entfernt ist.

Auf diese Weise werden auch die Kulthäuser zu einer Freistatt Freistatt. Kann sich ein Verfolgter dahin retten, so darf ihm nichts geschehen, selbst wenn das Haus seinen Feinden gehört. Ergreift er eines der dort niedergelegten Kultzeichen, so kann er damit die Hütte verlassen und zu seiner Gruppe zurückkehren unbehelligt. Daheim gibt er das Symbol Symbol seinem Mundwalt (Ältesten) und berichtet ihm seinen Fall. Der Ältester Älteste schickt das Kultzeichen zu den Vorstehern des feindlichen Dorfes zurück und vereinbart mit ihnen einen Termin, an dem die Sache offen besprochen wird. Zu dieser Verhandlung im feindlichem Dorf erscheint auch der Verfolgte und niemand darf ihm etwas tun, bis seine Sache entschieden ist.

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[handschriftliche Notizen auf Rückseite von S. 67: ...oft bei oder kurz nach Geburt vom Vater des Kindes bekanntgegeben. Aber nicht man selbst will dem Kind etwas auferlegen, sondern offenbart damit der Ahnen Willen, der ihm durch Traum oder Orakel bekannt geworden [ist], damit das Kind vor Unglück und Tod bewahrt bleibe. Sobald das Kind etwas verstehen kann, prägt man ihm sein Lebensgesetz ein. Auf solche Weise kann man durch Autosuggestion seinen Tod herbeiführen. Besengabang, Schüler, ist daheim in Ferien (Tanti [?] oder Tale), ißt unbewußt ka-Fleisch – für ihn tabu – als er es erfährt, erschrickt er und stirbt bald infolge von Krämpfen. Es gibt kaum ein Lebensgebiet, das nicht Gegenstand solcher Tabus werden kann, vgl. auch Krankheit S. 267.]

Selbst wenn ein Mord, Mörder Mord vorliegt, kann so die Sache im Frieden erledigt werden.

Wer unter den Jaunde nicht tätowiert war, durfte kein Fleisch Fleisch essen; man mußte also zuerst gewisse Riten durchleben. Schaf- und Ziegenfleisch war den Frauen ganz verboten, nur tätowieren tätowierten Männern erlaubt; die anderen mußten sich an kleineres Getier halten.

Ein Medizinmann Medizinmann mußte sich an Behandlungstagen des Fleischgenusses u. a. enthalten und ein Kranker hatte im Notfall eben zu warten, bis der Magier das gerade gegessene Fleisch verdaut hatte.

Im Grasland Grasland ist es Zwillinge Zwillingen verboten, Leopardenfleisch zu essen; sie verlieren sonst Mut und Kampfeskraft; wiederum darf niemand von einem für einen Zwilling gebratenen Huhn essen, wenn er gesund bleiben will.

Damit wird ein Punkt im Rechtswesen, vgl. auch Gericht Rechtsleben der Kameruner berührt, der uns Europäern nicht leicht verständlich ist. Der eigentliche Richter ist nämlich nicht ein Mensch, etwa ein Häuptling, sondern das Machtmittel; das beim Prozeß angestrebte Verfahren nicht ein „Richten“, sondern ein „Schlichten“. Wo das nicht möglich ist oder nicht gestattet werden darf, schaltet man den „Richter“ ein, indem man die Sicherungen vor dem Machtmittel entfernt. Darum überläßt man auch die Austilgung eines Menschen einem Machtmittel und wenn man dessen oft langsame Wirksamkeit nicht abwarten will, muß der mungi mungi „Feme-Dämon“ den Menschen abtun. Wo aber doch eine öffentliche Hinrichtung vorgenommen wurde, konnte das nur einer ausführen, der sich vor der Handlung magisch gesichert hat und danach das mbaki durch einen Sühneakt von sich tut, vgl. S. 58ff. Macht, -mittel, -erlebnis

h. Individual-Tabus Individuum

nimmt ein Einzelner freiwillig auf sich oder sie werden ihm von einem Überlegenen auferlegt. Ich hatte zwei Schüler aus verschiedenen Dörfern, denen durfte nach einem ihnen von ihren Eltern auferlegten Tabu der Kopf nicht gestoßen oder geschlagen werden. Einen stieß einmal ein schwarzer Lehrer mit einer Schiefertafel, die er einem Jungen zurückgeben wollte, unabsichtlich an den Kopf; dem anderen hatte ein Mitschüler eine Kopfnuß gegeben. Beide verfielen darauf in einen eigentümlichen Zustand halber Bewußtlosigkeit und Raserei. Ich hatte Gelegenheit, die Anfälle bald nach ihrem Beginn bis zu ihrem Ende zu beobachten und konnte sie nicht als Verstellung oder als von den Befallenen absichtlich herbeigeführt erklären. Die Raserei dauerte trotz Zuredens, Beruhigungsversuchen, Anwendung von Gewalt stundenlang, bis ein eingeborener Medizinmann sie behandelte. Beide Jungen klagten über Kopfschmerzen und waren außer sich vor Schmerzen. Der Medizinmann tröpfelte beiden einen Kräuterabsud in die Augen und [die] Nase, ließ sich die am Kopf schmerzende Stelle zeigen und massieren massierte unter Einreiben von Drogen von dieser Stelle an abwärts, sich von Zeit zu Zeit immer wieder versichernd, wo das „Etwas“ saß, vgl. S. ---, wo nun der Schmerz empfunden wurde. Zuletzt saß es in der einen großen Zehe, dort machte der Magier kleine Einschnitte und massierte das „Etwas“ mit dem austretenden Blut heraus. – Hier hatte also nicht der Tabu-Träger gegen das Tabu gehandelt, sondern Fremde und doch hatte das Tabu seine schädigende Macht an dem Träger geoffenbart.

Es können also mit Tabu-Verboten umhegt sein: Personen, Tiere, Dinge, Orte und Zeiten. Es kann solches Verbot Verbot zeitlebens gelten, wie z. B. bei „Gefüllten“ wie Medizinmännern, Häuptling Häuptlingen, Herd, Machtmittel oder zeitweilig, wie bei Jägern, Kriegern, Frauen in den verschiedenen Übergangszeiten ihres Lebens; besonders deutlich ist es zu sehen bei den „Dämonen-Darstellern“ eines Kultbundes, die nur tabu sind in der Maskierung. – Das Tabu regelt körperliche, politische, soziale Dinge, das Triebleben, Ehe Ehe, Obrigkeit Obrigkeit, Eigentum Eigentum u. ä. oft in relativ vorteilhafter Weise Andererseits sind viele Tabu-Regeln außerordentlich fortschritthindernd und schädlich. Nur ein Beispiel, das Schwester Anna Schuler aus ihrer Praxis unter den Bakosi schildert: „Eine Frau in Mpako hatte geboren, die Nachgeburt machte Schwierigkeiten. In der Nacht wurde ich zur Hilfe gerufen und doch in aller Weise gehindert. Denn ich traf schon das Haus voll von Medizinmännern, die Rinden und Kräuter zu Mitteln rieben, womit sie die Frau ‘säubern’ wollten. Die Mutter saß auf einem Holzklotz beim Feuer, vor ihr auf dem Boden lag das Neugeborene. Um einen Eingriff machen zu können, wollte ich das Kind zur Seite legen, wurde aber mit lautem Geschrei zurückgehalten, weil der Frau etwas Schlimmes zustoße, wenn das Kind nicht vor ihr liege. Die Quacksalber beherrschten das Feld; sie schütteten der Frau ihre Mittel ein, um die Nachgeburt abzutreiben, dann rief einer draußen der Frau Namen und klopfte heftig an die Wand, denn so sollte die entflohene Lebensseele der Frau wieder zurück (vgl. S. 95). So mußte ich in der Nacht wieder die zwei Stunden Wegs zurücklaufen, ohne geholfen zu haben.“

. Wer den Haag des Tabus durchbricht ungeschützt, setzt sich dem Eingriff der in geladenen Personen, Tieren, Gegenständen, Zeiten und Orten schlummernden Macht aus. Krankheit Krankheit, Unfruchtbarkeit und Tod werden als Erweis dieser strafenden Macht angesehen. – Das Tabu-Verbot schafft strenge Unterschiede und Gegensätze: Unantastbar – allgemein zugänglich, verschrieen – harmlos, unrein unrein – rein, verboten – erlaubt, Fest- oder Ruhetag Ruhetag – Alltag, Kulthütte – Landschaft, Asyl – Öffentlichkeit, mboko mboko „tabuierter Platz“, Gerichtsrasen (mboko) Gerichtsrasen – eboko „offener Platz vorm Haus“ u. ä. Individuum

3. Uneigentliche Tabus

Es ist nicht möglich, alle Arten von Tabus einzeln aufzuführen; außer wirklichen Tabus, deren Übertretung eine Strafe unbedingt und selbsttätig nach sich zieht, gibt es auch Enthaltungsvorschriften, die nicht eine Strafe nach sich ziehen, sondern die aus einem Ekel Ekelgefühl heraus (lonyonyo) beachtet werden. Hier handelt es sich hauptsächlich um den Genuß von mancherlei Fleisch, Tier, Tierwelt Tieren und anderen Speisen. Es ist aber weder Furcht Furcht noch Ekelgefühl in allen Stämmen gleich, ja auch innerhalb des gleichen Stammes tritt dieses Empfinden nicht gleichmäßig bei allen auf; z. B. genießen Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kinder manches, was Erwachsene als ekelerregend ablehnen, ebenso die niederen Volksschichten. Sklave, Sklaverei Sklaven u. ä. sind wahlloser als die Herrenschicht. Außerdem ist zu beobachten, daß in diesem Punkt die Haltung der Kameruner nicht stabil ist; manches, was früher abgelehnt wurde, wird heute gegessen (Krokodilarten, Rieseneidechsen u. a.) Das kann zum Teil damit zusammenhängen, daß mit dem Schwinden des Totemglaubens auch manche durch ihn veranlaßte Enthaltungen weniger streng beachtet werden. Anderes lehnt man heute ab, was früher fast allgemein gegessen wurde, z. B. Affe Affen, Schlange Schlangen u. ä. Das kann durch das Beispiel der Europäer veranlaßt sein. Die Jugend verzehrt mit gutem Appetit kleines Getier: Maden des Palmbohrers, Grillen, Libellen, Raupen u. a., gegen das Erwachsene eine Abneigung zeigen; in manchen Stämmen verhalten sich aber Frauen und Sklaven nicht so ablehnend dagegen. Es gibt auch Tiere, die sind bei manchen Stämmen tabu oder doch als ekelerregend {69} angesehen, bei anderen nicht. Dann gibt es wieder Tiere, die sind bei gewissen Stämmen tabu, solche aber, die ihnen ähnlich sehen, werden auch abgelehnt, obwohl sie selbst nicht tabu sind. So z. B. das Krokodil Krokodil bei den Duala; sie lehnen aber auch andere krokodilähnliche Tiere ab, weil sie wie die Krokodile <den Bauch auf der Erde schleifen>. In anderen Stämmen gelten gerade sie als besondere Leckerbissen; die Duala mögen den ndondondume „Fahak“, einen Fisch, nicht, wegen seines großen Bauches, weil man sonst auch einen „dicken Bauch“, d. h. die Wassersucht, bekommen könne; den Aal mundjondjo lehnt man wegen seiner Ähnlichkeit Ähnlichkeit mit einer Schlange ab. Einzelne Leute lehnen Schaf Schaffleisch ab, weil man sich dadurch die „Schafkrankheit“, d. i. Fallsucht, anesse. Weil Eingeben von Leopardenschnurrhaaren ein Mittel ist, um bei einem Feinde den eyosos’ a ndjo „Leoparden Husten husten“, d. h. Schwindsucht, zu erregen, meiden meiden viele Leoparden- und Katzenfleisch. Andere verzichten auf den Genuß von Mäusen, Fledermäusen, Eule Eulen, Geierseeadlern, Weihen u. a., weil sie tabu sind oder doch Bauchweh erregen, andere wieder genießen sie. Entenfleisch verschmäht mancher, weil sie ekelerregende Tausendfüßler verzehren; gewisse Landkrabben, weil sie Menschenkot fressen.

Zu den uneigentlichen Tabus ist auch das Verbot Verbot zu zählen, daß man auf etwas, dem man nicht schaden will, mit dem Finger deutet. Es ist das nicht tabu, aber weil es schädigen soll, reizt man damit den anderen. So ist es auch untersagt, daß man auf die Sonne Sonne oder den Mond, Monat Mond mit dem Finger deute. Ein Sprichwörter Sprichwort warnt: Das Deuten mit dem Finger machte, daß die Ziege Zwillinge wirft, vgl. S. 123ff. Man umgeht dieses Deuten dadurch geschickt, indem man mit den Lippen oder Unterlippe auf den Gegenstand deutet. Negerlippen sind ja beweglicher als die unseren.

Auf ihren Holzspeicher über der Hausdecke können die Bakosi nur mittels einer Leiter kommen. Bei Nichtgebrauch darf diese Leiter nicht aufrecht stehen bleiben, sondern ist waagerecht aufzuhängen oder zu legen. Dies hat den vernünftigen Grund, daß die stehende Leiter in dem engen Haus keinen Platz unnötig versperren soll. – Damit begründet aber niemand das Verbot, den magischen Grund aber kennt jedermann: Menschen, die aus dem Himmel stammen, vgl. S. 39b, sollen nicht durch eine stehende Leiter in Versuchung geführt werden, daran in die Höhe, d. h. in den Himmel zu steigen auf Nimmerwiedersehen, wenn ihnen die Erde verleidet ist.

4. Welche Folgen der Bruch eines Tabus hat

In vielen Fällen nimmt der den Frevler in Strafe, der das Enthaltungsverbot aufgestellt hat; das gilt besonders für zeitlich oder örtlich beschränkte Tabus; z. B. der Tag ist tabu, der vom Ortsvorsteher als Saat, -fest, säen, Samen Saat- oder Erntefest Erntefest ausgerufen ist; an ihm darf niemand zur Feldarbeit Feldarbeit gehen. Wer dennoch geht, erleidet irgendeinen Verlust. Man schlägt ihm ein Stück Vieh tot oder erschießt es; oder man fängt, fesselt und verprügelt ihn. Will er sich dagegen wehren oder Klage erheben, so findet er kein Gericht, denn die Richter haben ihm ja den Schaden zugefügt oder zufügen lassen. Besitzt er nichts, so tötet man das Tier eines anderen, womöglich aus seiner Sippe. Der so Geschädigte hat einen einklagbaren Anspruch auf Ersatz gegen den Frevler, der immer auch die zu drastischen Mitteln bereite öffentliche Meinung gegen sich hat. – Ein Kultbund hat einen Umzug durchs Dorf angezeigt. Nun läßt ein Einwohner seine Ziegen auf der Dorfstraße herumspringen. Es ist alte Bestimmung, daß für den Umzug die Straße und alles, was darauf ist, dem Bund gehört. Anhänger des Kultes fangen nun eine Ziege, die anderen entkommen. Eine Frau springt hinter der geschlossenen Tür ihrer Hütte hervor, um die Ziege an sich zu reißen. Es gelingt ihr nicht, mehr noch, sie wird gepackt, in die Kulthütte gezerrt und ihr eine Strafe zudiktiert. Daneben kann aber auch noch eine magische Strafe eintreten durch die Ahnen (in ersterem Falle) oder den Kultdämon (im anderen Fall).

In einer großen Reihe von Übertretungen liegt die Strafe in den Händen der Ahnengeister, die die Regeln der Hierarchie, die Gesetze der Mäßigkeit, der Nachkommen Verhältnis untereinander, die Verpflichtung der Nachkommen gegen die Ahnen u. a. genau überwachen. Sie strafen strafen hauptsächlich mit Vorenthaltung des Fruchtbarkeitssegens in jeder Form und anderem.

Vor allem rächen rächt sich das tabuierte Ding oder Person selbst an seinem Frevler, es bringt dibomaVerderben, das Verderben, Unglück, -szeichen Unglück“ über ihn: Elefantiasis, Auszehrung, Krankheiten aller Art, vor allem auch in der Familie, bei den Kindern. Am häufigsten aber führt man Wassersucht, Schwellen des Bauches, der Beine auf den Bruch von Tabu-Regeln in irgendeiner Art zurück. Eiterpusteln, Frambösie, Tropengeschwüre, Krebs können kaum einen anderen Grund haben; auch die Unfähigkeit zu zeugen oder zu gebären sind Frevlern gegen Tabu-Regeln angedroht.

Wie der Bruch der Tabu-Regel „Du sollst nicht töten töten“ durch das mbaki geahndet wird, ist auf S. 58ff. zu lesen.

Wie die Gesellschaft den aus ihrer Mitte stößt, der sich ihren Tabu-Sitten nicht fügt,

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[zwei handschriftliche Notizen auf Rückseite von S. 69: Abends beim Aufstehen [?]: „O si ja wan!“ Daß der Primitive aufgrund der Verletzung der Tabus (besonders Individual-Tabus) stirbt, kann ich nur so erklären: Er ist in einer uns nicht vorstellbaren Weise psychisch so stark beeindruckt durch dieses Machterlebnis infolge seines Glaubens ans Tabu. Es wirkt ja auch nur, wenn er erfährt, daß ers übertreten [hat].]

so führt die unsinnliche Macht der Tabus (ob das nun Ahnen, Dämonen Dämonen oder „Mittel“ sind) selbst den Untergang des Frevlers herbei, falls er für seinen Frevel nicht Sühne leistet. Sowohl die Gesellschaft, wie auch die durch Tabus umhegte Macht, kann einen Gesühnten wieder in die Volksgemeinschaft bzw. in den Unschuldsstand aufnehmen. Darüber ist bei „Schuld und Sühne“ zu reden, vgl. S. ---ff.

Man kann natürlich ein Tabu auch unbewußt aus Unachtsamkeit oder Unkenntnis verletzen; aber auch hier gilt: Unkenntnis des Gesetzes schützt vor Strafe nicht! Vgl. das Behandeln der Rindenschachtel weiter unten oder das Sitzen etc. auf Steinen, Seite 50f., oder [das] Sprechen mit einem moto nyambi „schwierigen Menschen“, d. h. einem, der über unnatürliche Kräfte verfügt; oder wenn etwa eine hoffende oder stillende Mutter, vgl. auch Eltern Mutter dem Anfall eines Epilepsie Epileptikers zuschaut, so kann die Krankheit auf ihr Kind übergehen. Mancher, der sich in ungutem Zustand (mbeu a nyolo, vgl. S. 97) befindet, kann suchen, o pele mbeu a nyolo n moto nupepe „einem anderen seinen unguten Zustand anzuhängen“. Darum müssen sich solche, die solcher ‘Anstekkung’ besonders zugänglich sind, z. B. Frischbeschnittene, Wöchnerin Wöchnerinnen, Schwerkranke u. ä. doppelt vorsichtig sein, daß sie nicht kata diboa „eine Krankheit Krankheit überschreiten“, d. h. sie sich durch Überschreiten eines Zaubers zuziehen, vgl. S. 146.

5. Wie man die schlimmen Folgen eines Tabu-Bruches beseitigen kann Schuld (und Sühne) Vgl. auch zu S. 195c.

Molindo mo Ndjombo, Emil Pastor, gestorben 1942 Molindo mo Ndjombo berichtete mir, daß ihm angesehene Ngolo Ngolo-Leute in den westlichen Hängen des Barombi-Gebirges gesagt [haben]: Wenn (eine bestimmte Erwartung Wirklichkeit wird), so töten wir uns selbst. Ich lachte und sagte: Das glaubst du doch nicht; ihr Schwarzen habt ja doch euer Leben viel zu lieb, um euch umzubringen, nur um einer erwarteten Schwierigkeit aus dem Weg zu gehen. Molindo erwiderte: Sie wollten nicht sagen, daß sie Selbstmord im offenbaren Sinn begehen würden; sie würden nur gewisse in ihren Dämonenbünden geltende Regeln nicht einhalten, dann würden sie infolgedessen zugrunde gehen; ihre eigenen Machtmittel, nicht mehr durch beobachtete Tabus umhegt, würden ihren Tod herbeiführen.

Dies zeigt, daß der Glaube besteht, Nichteinhalten von Tabu-Regeln sei äußerst gefährlich. Und es sind in Kamerun Todesfälle bekannt, die von den Eingeborenen auf solchen Bruch des Tabus zurückgeführt werden und die auch Europäer nicht anders erklären können, als daß Autosuggestion und Suggestion Suggestion dabei eine große Rolle spielten.

Ist es so gefährlich, unter den Folgen eines Tabu-Bruches zu stehen, so müssen Mittel und Wege gefunden werden, diese Gefahren zu meiden meiden, drohende abzuwenden und wirkenden Einhalt zu tun.

Gefahren zu meiden fordert etwa, daß man an den Ort, woher die Gefahr droht, nicht blickt. Einige Beispiele mögen das zeigen:

Es ist tabu, aus Behältern, darein jemand seine Sachen aufbewahrt, etwas zu nehmen; um aber nicht in diese Versuchung zu kommen, ist es gut, gar nicht in sie hineinzuschauen, denn der andere könnte darein magischerweise etwas verborgen haben, das beim Anblick auf einen überspringt. Will man nun solches Gefäß doch öffnen, so muß man es hinter seinem Rücken, im - tun Rücken öffnen. Geht dann die gefährliche Macht aus dem Behälter heraus, so geht sie doch nicht auf den Schauer über. Denn das Gesicht Gesicht ist die Pforte, durch die solch eine Macht in einen Menschen eindringt. Diese Vorsicht ist in unendlich vielen Fällen zu beobachten.

Die Frau hat ihre Habseligkeiten in einer Rindenschachtel auf der Darre über dem Herd, der Mann trägt sie mit sich in einer Basttasche, die er über der Schulter unterm Arm trägt. Schaut nun ein Lüsterner in diese Behälter und der Eigentümer hat darin seine lemba, ma- lemba „Hexenkraft“ aufbewahrt, weil er sie gerade nicht gebrauchen will, so kann diese Macht auf den Schauer als Last übergehen und er wird damit selbst zur Hexe, -rei Hexe. Darum öffne einen solchen Behälter hinter deinem Rücken! Ebenso auch das Bündel eines Unbekannten, er könnte ja eine schädigende Kraft hineingebunden haben. – Weil Ähnliches Ähnliches bewirkt, zerbricht man eine Doppelbanane, bei der zwei Finger zusammengewachsen sind, hinter seinem Rücken. Denn schaut man beim Zerbrechen auf eine solche „Zwillingsbanane“, so könnte die Zwillingsgefahr auf einen selbst oder auf ein Verwandtes übergehen und im nächsten Falle würden Zwillinge geboren, vgl. S. 120. Diese Vorsichtsmaßnahme ist besonders für Eheleute wichtig. – Tabu ist es, Machtgeladene von vorn zu sehen. Darum müssen sich ja die Nichteingeweihten von der Straße entfernen, wenn ein Kultbund mit seinen Dämonen einen Umzug hält oder ein einzelner Dämonendarsteller, in manchen Gegenden auch andere Machtgeladene über die Straßen gehen. Es ist nicht immer möglich, sich in einer Hütte hinter verschlossener Tür zu verbergen. Im offenen Feld muß man ein Stück vom Weg weichen und sich verstecken, mindestens nicht hinschauen und wäre es, daß man sich mit den Händen das Gesicht bedeckt. Darum müssen Frauen und Sklave, Sklaverei Sklaven von dem Weg gehen, wenn der Häuptling Häuptling kommt und als Warner Warner geht ihm ein Rufer oder Trompeter voraus. Darum gehen Burschen, die in den Initialweihen stehen, gebückt durchs Dorf. Darum müssen Mädchen, die mengu-besessen sind, vgl. S. 202f., hinter der Tür ihres Zimmers stehen und das Gesicht zur Erde richten, wenn ihr Vater oder Mutter kommt und mit ihnen spricht, und auch diese müssen sich

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[handschriftliche Notiz auf Rückseite von S. 70: Stenoschrift na boman mbimba a ngea, ngambi e wea mba Stenoschrift]

hüten, die Besessene anzuschauen. – Darum geht eine solche „Besessene“ rückwärts in ein anderes Zimmer und vorsichtige Leute gehen rückwärts in einen Raum, der nicht ganz geheuer ist. Gewisse Personen sieht man nicht direkt an, wenn man vor ihnen erscheinen muß. Solche, die mit einem angesehenen Graslandhäuptling sprechen, müssen es in gebückter Haltung mit dem Blick Blick auf den Boden und der Hand vor dem Mund tun. So spricht man nach den Märchen auch im Hades mit den Schattengeistern.

Wird ein Vermißter gesucht und einer findet seinen Leichnam, so darf er den anderen nicht offen zurufen: Da liegt er! sondern er muß die Totenklage Totenklage anheben. Das ist das Zeichen, daß der Leichnam gefunden ist. Wird diese Regel außeracht gelassen und das Finden des Leichnams durch Zuruf kundgetan, so geht das Verhängnis ( mbaki mbaki) auf den Rufer und seine Sippe über und bringt sie zum Erliegen, werden nicht andere Mittel angewendet.

Ähnlich ist es, wenn man unvermutet auf einen fremden Leichnam stößt und dies im nächsten Dorf bekannt macht. Macht er es bekannt, so muß er sich einer kostspieligen Reinigungszeremonie unterziehen. – Vielleicht liegt dieser Forderung die Meinung zugrunde, wer einen unbekannten Toten bekannt gibt, steht in dem Verdacht der Mörder zu sein. In der Sühnehandlung wird öffentlich festgestellt, daß er nicht der Mörder und frei von Schuld ist. Wer zufällig auf einen fremden Leichnam stößt und die Folgen des Tabu-Bruches von sich abwenden will, rupft ein Blatt oder Zweiglein von einem Baum (die Baumart wechselt bei den verschiedenen Stämmen) und wirft es auf die Leiche Leiche mit den Worten: Du selbst hast dir deine Sache angerichtet, nimm sie auch mit hinunter (in den Hades); ich habe nicht Schuld an deinem Tod! Auf diese Weise sucht man sich des mbak’ a maya „Blutfluches“ zu erwehren. „Der Tausendfuß ist ein schlimmes Vorzeichen (vgl. S. 57b). Trifft einer dieses Tieres Leichnam am Weg, so kann er seinen mbena ‘bösen Einfluß’ hindern, wenn er Blätter zerfasert (sola) und damit das Tierchen wie mit einem Leichentuch zudeckt. Selbst wenn tausend Leute diesen Weg entlanggehen würden, so machten doch alle dieses Zeichen.“ (Preisarbeit).

– Ebenso verhält man sich, wenn man mit einem zusammentrifft, der dem Ordal, Gottesgericht, -urteil Ordal erlegen ist oder sonst zum Tode verurteilt wurde oder aufgehängt werden soll.

Diese Vorsichtsmaßnahme verursacht, daß fremde Leichen oft lange liegen, bis sie <entdeckt> werden, in abgelegenen Gegenden können sie heute noch bis zur völligen Verwesung liegen. Auf dem Gebiet der Likomba-Pflanzung steht zwei Meter von der sehr belebten Viktoria-Tikostraße eine Holzhütte der Regierung. Im Dezember 1939 kam den Europäern der genannten Pflanzung zu Ohren, daß in dieser Hütte ein Toter liegen müsse, denn es stinke gewaltig; da die Europäer diese Straße mit dem Auto befahren, hatten sie nichts gemerkt. Die Regierung untersuchte den Fall und konnte nur feststellen, daß der Tote schon seit August liegen müsse. Es war ein Fremde, Fremdlinge Fremder, der wohl krank in der Hütte Schutz gesucht hatte. Keiner der vielen Eingeborenen, die die Straße täglich begingen, meldete die Sache aus Furcht vor dem mbaki des Toten.

Kocht man auf fremdem Herd Herd, so muß man ihn erst mit Wasser Wasser „kühlen“, es könnten schädigende Macht, -mittel, -erlebnis Machtmittel darunter vergraben sein, deren Wirkung man entgehen möchte. Fremden tritt man freundlich entgegen und beschenkt sie. Durch Annahme des Geschenks ist die magische Kraft des Fremden gebrochen, vgl.: „Eine Pfeife Tabak Tabak rettet einem das Leben.“; „Der gespeiste Besuch erhebt keine Forderung mehr.“

Wer unter dem Tabu-Verbot steht, muß sich von den anderen absondern. Darum wohnen Schwerkranke, Zwillingsmütter, Leute, deren Zustand einen Reinigungsakt erfordert, Trauernde u. a. in einer besonderen Hütte, oft im Wald. Nach Beendigung ihres Zustandes sind sie durch eine öffentliche Handlung zu reinigen, zu desinfizieren, damit die Gefahr beseitigt sei, wenn sie wieder zur Gruppe zurückkehren.

Vor allem aber werden eine Menge Schutz durch Machtmittel, Medizin Schutzmittel, vgl. S. 143ff., angefertigt, getragen oder am Aufenthaltsort aufgestellt, um drohende Gefahren abzuwenden oder zu bannen, sonst wäre ja das Leben gar nicht tragbar vor den lauernden Gefahren. Hier werden nun die Medizinmänner und Orakler die unentbehrlichen Helfer für das Volk, denn sie kämpfen den magischen Kampf, magischer -, vgl. auch ekumti Kampf für die anderen und rüsten sie mit Abwehrmitteln aus, wie die Waffenfabriken ein modernes Heer. Diese „Gefüllten“ finden die magischen Ursachen des Leids und der Not heraus, liefern aus ihrem Arsenal die Mittel dagegen, bauen in Riten Riten und Anwendung der Mittel eine ganze Wissenschaft Wissenschaft auf, um die Gruppe zu schützen. Und da sollten sie im Kampf gegen Verunreinigung Verunreinigung, Unglück, Krankheit, Tod und allen anderen Gefahren nicht die wichtigsten Leute sein? Vgl. ---.

{72a} Man kann durch ein Versehen ein Tabu-Gesetz verletzt haben und dadurch in Gefahrenzustand Gefahrenzustand gekommen sein. Das verletzte Tabu straft aber nicht sofort; es kann lange Zeit dauern, bis es einen „erhascht“. Man kann aber auch bewußt ein Tabu gebrochen haben, ohne die Gefahr durch eine Sühne zu beseitigen. Aber auch da gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Einmal kommt die Stunde, wo es sich zeigt, daß das verletzte Tabu zugegriffen hat. In Krankheitsfällen, Unglücken fragt man nach der Ursache und schließlich stellt sich ein solches „Verbrechen“ heraus. Besonders ist eine schwere Geburt, gebären Geburt eine solche Gelegenheit. Da setzt man der Kreißenden und ihrem Mann mit einer ganzen Liste von kasuistischen Fragen zu, ob sie nicht in dem oder jenem gefehlt haben. Erst nach erfolgtem Bekenntnis kann Sühne folgen.

So besteht z. B. in Bakosi die Regel: Es ist tabu, etwas, das auf einem den unsichtbaren Mächten gehörigen Platz gefallen ist, wieder aufzuheben. Denn was nach unten fiel, gehört auch den <Unteren> im Hades. Auch in Alt-Germanien hob man gefallene Speisebrocken nicht auf; sie gehörten den Toten.

Solche Plätze sind etwa der Ahnenkultplatz und dabei esag e mwankum „der Hain Hain des Feme-Dämon, ngokome, der Aufenthalt der magischen Schlange Schlange“, vgl. S. 92ff.; solche Plätze sind zumeist an feuchten Stellen, so daß es leicht möglich ist, daß dort jemand ausrutscht und entweder seine Last fallen läßt oder selbst zu Fall kommt. Ist es eine Kleinigkeit, die dort fällt, so läßt man sie liegen. Von etwas Größerem, etwa einem Bananenbündel, reißt man ein Stück ab und wirft es den Unholden zum Fraß hin; bei wichtigen Sachen ein entsprechend größeres Opfer. Kommt man selbst zu Fall, so ist man eben selbst den unsinnlichen Mächten verfallen. Man kann sich nun durch die Dorfältesten, die über diesen Platz wachen, bei einem nkanag, vgl. S. ---, lösen lassen und muß Sühne leisten; z. B. in Ndjom bei Mwaku in der Ninong-Landschaft hat man dafür zu leisten: eine Ziege Ziege, ein Huhn, ein Bündel Kochbanane Kochbananen. Die Tiere werden auf dem Kultplatz geschlachtet und ihr Blut Blut rinnt in den Boden. Zugleich wird die Person von den Ältester Ältesten mit Kräuterabsuden bestrichen. Die Sühnegabe wird dann verteilt: Die Ahnengeister bekommen eine Hand Bananen, einige Hühnerfedern und das Blut beider Tiere, der Sühneleistende erhält einen Ziegenschenkel und einen Hühnerschlegel und eine Hand Bananen; das andere ist der Priesterlohn der Ältesten. Nach unserer Auffassung kommen also die Geister am schlechtesten weg, allein pars pro toto pars pro toto!

Durch diese Entsühnung ist der Gefahrenzustand, in den die Person geraten war, wieder beseitigt. Die Geister Geister und die Person haben sangilane „die Sache (die zwischen ihnen war) in Ordnung gebracht“, vgl. S. 73.

Mancher sucht natürlich solche Sühne absichtlich oder [un]absichtlich [?] zu vergessen und hofft, er komme ungerupft durch. Allein es ist allgemeiner Glaube, daß solcher Frevel doch eines Tages offenbar werde; das verletzte Tabu rächen rächt sich; bei Frauen vielfach in einer schweren Geburt, bei Männern dadurch, daß ihnen ein Kind nach dem anderen wegstirbt. Kommt dann dem Frevler nicht von allein der Frevel in den Sinn, so muß oft das Orakel Orakel seine Stimme erheben und auf den ungesühnten Fall auf einem verrufene Orte verrufenen Platz aufmerksam machen.

Es gibt freilich noch einen anderen Weg, die Schwarzen zu befreien: Weiße Weiße, die für die Befallenen [?] Autorität sind, können seine üble Vorstellung überwinden. Vor allem aber der eine Glaube Glaube an den lebendigen Gott, der stärker ist als alle Tabu-Gesetze. Hier ist ein Gebiet der Einzelseelsorge.

{72b} Tabus und die dadurch angedrohte Gefahr können auch außer Kraft gesetzt werden. Dafür sind Beispiele auf S. 19 und 68 [aufgezeigt], wo eine tabuierte Handlung begangen wurde, nachdem die angedrohte Gefahr schon zuvor beseitigt worden war. Weiter wollen mancherlei Weihen dazu helfen, daß das verletzte Tabu nicht sofort wirkt, sondern aussetzt mit der Strafe, bis rechte Sühne geleistet werden kann. So z. B. wenn Jäger, Krieger, Bluträcher mit magischen Kräften ausgestattet werden, bevor sie zu ihrer Aufgabe aufbrechen. Das ist Aufgabe besonders berufener „ Gefüllter Gefüllter“ und der Kultbünde.

Diese Vorsichtsmaßnahmen fordern aber, daß nach ausgeführter Handlung die üble Wirkung des Tabu-Bruches beseitigt wird. Dies wird erreicht in einer öffentlichen Sühnehandlung; vgl. kema auf S. [247] u. a. O.

In Übergangszeiten, die gefahrbeladen sind, und darum durch Tabu-Regeln geschützt werden müssen, sind umgekehrt mancherlei im gewöhnlichen Leben geltende gute Anstands- und Sittlichkeitsregeln außer Kraft gesetzt, vgl. --- auf S. ---. Wo die ganze Gruppe in solcher Übergangszeiten steht und die Christen Christen in der Minderzahl sind oder sich sonst nicht gegen die übrige Gruppe durchsetzen können, schließen sie sich für diese Zeit oft freiwillig aus der Christengemeinde aus; so etwa in Trauerzeiten, beim Erwerben eines besonderen Machtmittels durch die Sippe, bei Reinigung des Dorfes von Hexen, bei Wiederaufbau eines verbrannten Dorfes oder Neuanlegen einer Siedlung u. a., wo nach alter Anschauung jedes Gruppenglied mittun muß, soll die Sache Erfolg haben. Dies zeigt schon, wie der Tabu-Glaube tief in die soziale Verhältnisse sozialen Verhältnisse der Gruppe eingreift. Schuld (und Sühne)

6. Der Tabu-Glaube in seiner sozialen Bedeutung Gruppe, vgl. auch Familie, Sippe, Stamm

Oberflächlich betrachtet mag es oft aussehen, als seien die Tabu-Regeln und als Voraussetzung dafür die Furcht Furcht vor drohendem Unglück, -szeichen Unglück von herrschsüchtigen Menschen: Häuptlingen, Magiern, Priester Priestern u. ä. gebildet und angeregt worden und würden immer wieder aufs Neue in eigennütziger Weise verbreitet und genährt. Es steht gar nicht in Frage, daß die Furcht und der Tabu-Glaube sehr häufig zwecks Bereicherung und Ausbeutung anderer genährt und verbreitet werden. Allein der Ursprung von Furcht und Tabu-Glauben gehen doch nicht auf absichtliche menschliche Erfindung zurück. Beides wird spontan erlebt von Einzelnen und der Gruppe, wenn der Kameruner glaubt, mit der über- , unsinnliche Welt übersinnlichen Welt in Berührung zu kommen. Solches seelisches Erleben wirkt in Furcht und Zuflucht ein Erschaudern und eine Scheu, zugleich aber auch zeitweilige Zuversicht und Vertrauen. Und in diesem Erleben beginnt des Kameruners Religion, vgl. auch Synkretismus Religion, die sein ganzes Leben durchzieht.

Denn nicht der Einzelne (obwohl das auch vorkommt, vgl. S. 68, Individual-Tabus) stellt zunächst Tabu-Regeln auf, sondern die Gruppe, die sich schützen will. Darum ändern sich auch die Tabu-Regeln nicht von Person zu Person, sondern nur von Stamm zu Stamm und manche sind in allen Stämmen gleich. Die Gruppe führt die Regeln durch Gewohnheit ein, wacht darüber durch ihre bedemo „allverbindliche Sitte Sitten, Gewohnheiten“ und löst Frevler aus dem Bann Bann. Dem widersprechen die genannten Individual-Tabus nicht. Denn auch diese sind i. a. keine Erfindung des Einzelnen, sondern sie gelten nach anerkannter Gewohnheit ihm für seinen besonderen Fall; unter den gleichen Umständen hat der Stammesgenosse die gleichen Regeln zu befolgen. Nichtbefolgen des Einzelnen kann die Gruppe in Gefahr bringen.

Die Gruppe ist es auch, die die verschiedenen „Erfüllten“ wünscht, braucht, schafft als Führer und Vorkämpfer; vgl. mwanediHäuptling Häuptling“ von anea „kämpfen für jemand“; weil einer „Vorkämpfer“ auf dem Gebiet der übersinnlichen Mächte ist, wird er auch Häuptling des Dorfes in politischen oder sozialen Sachen. Der Europäer kennt gewöhnlich nur den „Häuptling“ als kleinen Potentaten in europäischem Sinne; wer aber sucht, die Hintergründe kameruner Erscheinungen zu erkennen, kommt an dem „Vorkämpfer“ im magischen Sinn nicht vorbei. Denn die Macht, das Herrschen, das Recht und die Sitte, auch die alles durchdringende religiöse Sitte wächst aus dem Macht- und Tabu-Glauben des Gemeinschaftskreises heraus. Die „Gefüllten“ jeglicher Art gehen aus der Schulung während der Initialweihen hervor. Das Tabu ist der Träger der Gemeinschaft, -smahl Gemeinschaft, gibt dem Führer Gewalt, indem es von ihm gewisse Beobachtungen fordert und ihn mit Kräften ausstattet. Der mulondedi mulondedi „Gefüllte“ ist nicht für sich selbst mit Kräften erfüllt und darum tabu, sondern zum Wohle der Gemeinschaft, und wird zur Hexe, vgl. Obduktion {73} S. 96, wenn er seine gewonnenen Kräfte in selbstsüchtiger Weise mißbraucht zum Schaden seiner Gruppe. Ist dies zu Lebzeiten festgestellt, etwa durch Ordal, vgl. S. 164ff., oder ist sein Vergehen offenbar geworden, so sind Tod Tod, Ausweisung oder Boykott seine Strafe, die Rache der Gruppe an ihm; erfolgt die Feststellung als Hexe, -rei Hexe erst durch die Obduktion Obduktion, dann erfolgt Beerdigung Beerdigung in Unehren auf besonderem Platz, vgl. S. ---.

So beruht auch das Rechtswesen, vgl. auch Gericht Rechtsbewußtsein auf dem Tabu als der Gesamtheit der Sitten und der Gebräuche der Gruppe. Der Tabu-Glaube ist die Waffe, mit der sich die Gruppe nach außen und innen schützt. Das tabuistische Herkommen regelt die öffentliche Ordnung (primitive) Ordnung und weist alle von außen kommende Neuerung ab. Wie der Macht liegt das Tabu auch der Rechtspflege zugrunde (vgl. kultische Geheimbünde) und schafft die Anfänge stammlicher Zivilisation Zivilisation.

Beim Bewahren der Tabu-Regeln scheinen die Frauen konservativer zu sein als die Männer, weshalb Neuerungen wie Schule, Christengemeinde u. ä. in mutterrechtlich geordneten Verhältnissen schwerer Eingang finden als sonstwo.

Mit dem Tabu erreicht die Zivilisation aber nur eine gewisse Höhe; darüberhinaus aber ist sie der größte Hemmschuh, der das Familienleben, das öffentliche Leben, die Wirtschaft Wirtschaft niederhält. Denn es darf keiner über das allgemeine Maß hinaus in Können, Wissen, Besitz, Macht, sonst erregt er alsbald Verdacht, Neid Neid und Feindschaft Feindschaft. Das Tabu würgt guten Fortschritt Fortschritt ab. Darum wird so vielerorts von Männern und Frauen das Neue, auch das Evangelium Evangelium als befreiende Macht erlebt und begrüßt, und mit dem Tabu-Glauben bricht die ererbte Religion zusammen.

Ohne Zweifel: Das Tabu wirkt in der Gruppe und im Leben des Einzelnen als ein Gesetz, aber nicht als ein sittliches, sondern als magisches Gesetz. Immerhin bereitet es aber auf Beachtung des Sittlichen und Schicklichen vor, konzentriert das Gemüt auf das Übernatürliche und weist auf ein höheres Leben hin.

Wie hier Körperliches, Magisches, Rechtliches, Sittliches zusammenhängt, sei an einem Wort gezeigt, das in all diesen Beziehungen gebraucht wird: sángà sángà Sángà körperlich „rein, hell, klar, weiß werden“; z. B. dibato de masanga „das Tuch ist weiß“, mboti e sangi „das Kleid ist sauber“; magisch „frei werden von okkulter Macht oder gefahrvollem Zustand“; z. B. mbombo oder boso bo sangi „seine Stirn oder Gesicht Gesicht ist rein“, d. h. er hat Glück, weil ihm nichts anhaftet, das ihn in Gefahrenzustand Gefahrenzustand bringt; rechtlich „im Rechtswesen, vgl. auch Gericht Recht sein“, so daß man ihm rechtlich nichts vorwerfen kann; z. B. bwambo bao bo sangi „seine Rechtssache ist rein“, d. h. sie ist klar dargelegt, durchsichtig, und es ist daran nichts zu tadeln; er muß daher freigesprochen werden. So haben z. B. die Bakwiri die Sitte, daß einem, der freigesprochen wird, ein Alter weiße Erde oder Asche Asche an die Stirn strich; a mote fembe „er hat ihm weiße Erde angestrichen“, um diesen Vorgang symbolisch darzustellen. Religiös ist dieses Wort erst durch die christliche Predigt richtig in Gebrauch gekommen, wurde aber sofort verstanden. [Randnotiz: Vgl. aber das Verhältnis zu Loba S. ---] Seit alters war hier eine Ableitung des einfachen Verbs üblich: Sangìlane „sich gegenseitig aufklären und damit das getrübte Verhältnis wieder in Ordnung bringen“; z. B. mome na muto ba ta bwambo, nde tatan’ ba timbi sangilane „Mann und Frau lebten in Streit, aber jetzt haben sie sich wieder ausgesöhnt“, indem sie durch Aussprach, Reue, Entschuldigung, Verzeihung das rechte Eheverhältnis wiederherstellten. Freilich gehen die verschiedenen Beziehungen, in denen das Verb stehen kann, oft ineinander über; z. B. nyol’ ao e si sangi „sein Körper ist nicht rein“. Das kann verstanden werden von körperlicher Reinheit; der Ausdruck meint aber zumeist: Es hängt ihm etwas an, es haben sich Vorzeichen gemeldet, daß er sich in einem Gefahrenzustand befindet und es deshalb gewagt ist, daß er, bevor nicht dieser Zustand beseitigt ist, sich zu gefahrbringender Hantierung schickt.

{74} Außer den vorstehend besprochenen Tabu-Regeln gibt es noch eine Menge anderer Bestimmungen und Einschränkungen, unter denen sich der Kameruner stehen weiß und die er beachten muß. Der Unterschied zwischen diesen Einschränkungen und dem Tabu ist der, daß sie nicht wie dieses notwendig mit Gefahr verbunden sind. Sie werden in einem späteren Abschnitte behandelt, vgl. kameruner Moral S. ---ff. Hier sei zunächst noch die Frage angefügt: Gruppe, vgl. auch Familie, Sippe, Stamm

7. Wie verhalten sich in Kamerun Tabu, Heiligkeit und Moral, Moralität Moral zusammen?

Nachdem wir vom Tabu geredet [haben], sehen wir uns um nach dem Begriff des Heiligen, Unantastbaren, Ehrwürdigen. Man gebraucht das Wort bangan bangan „erhaben, unantastbar“. Es ist schwer, hinter den Sinn dieses Nomen zu kommen, denn ein einfaches Verb, von dem es abzuleiten wäre, ist nicht in Gebrauch. Zur Hilfe nehmen wir zwei abgeleitete Verben:

Bang-wa „nähen“, d. h. mit Hilfe von Nadel und Faden zwei getrennte Stücke zu einer Einheit zusammenfügen. Trennen wir die Inversivendung -wa ab, so bleibt als einfaches Verb *banga, das dann den Sinn haben müßte „auseinanderhalten, etwas absondern“. Daß es sich bei bangwa ursprünglich nicht um ein „Nähen“ im engeren Sinn handelte, sondern nur um ein „Zusammenfügen“, zeigt das von diesem Verb abzuleitende Nomen dibango „die an einem Tage auf dem Acker geleistete Arbei, das bearbeitete Ackerstück“.

Bang-isane „einen vergessen, etwas versäumen“, d. h. unter Beachtung der Endung -isane „einen von sich abtrennen lassen“, so daß auch hier für das theoretisch zu erschließende einfache Verb die Bedeutung bliebe „abtrennen, absondern“. Danach bedeutete bangan „das Abgetrennte, Abgesonderte“, über das einer kein oder kein alleiniges Verfügungsrecht hat. Unterscheide davon sanga „zwecks Abgabe an jemand etwas von einem Ganzen abtrennen“, vgl. S. ---.

In diesem Sinn wird es auch gebraucht von Sachen, die entweder einem Unbekannten oder einer ganzen Gruppe gehören; z. B. ein Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kind ist mun’ a bangan „unantastbares Kind“ für seinen Vater, weil die Sippe die Mutter hat mitkaufen helfen und auch der mütterliche Onkel (Mutterbruder mulalo, Vaterbruder sango musadi) Onkel des Vaters gewisse Ansprüche an das Kind haben kann. In diesem Worte bangan schlummert etwas von unserem Begriffe Heiligkeit und hat mit Tabu eigentlich nichts zu tun. Das mun’ a bangan ist für den Vater nicht unantastbar, weil er ein rächen rächendes Tabu zu fürchten hätte, sondern weil es für ihn unsittlich wäre, in die Rechte anderer einzugreifen. Bangan ist das dem frechen Zugriff Entzogene.

Eine Gruppe von Leuten gibt es, die auch für andere „abgesondert und unantastbar“ sind, man nennt sie aber nicht bangan; ihre Bezeichnung ist mutudu „der Ältere, Sippenvorsteher, Mundwalt“. Er ist die unantastbare Spitze der hierarchischen Staffelung der Sippe, die von den Sippengliedern wie etwas Heiliges, Unverletzliches angesehen wird. Der mutudu ist von den anderen sonderlich für den Ahnendienst „abgesondert“. Man kann dieses Verhältnis fast mit „ heilig heilig“ wiedergeben, obwohl die Kameruner keinen besonderen Ausdruck dafür haben, mit dem Namen mutuduÄltester Ältester“ ist den Sippengliedern alles gesagt.

Wenn nun manche Gelehrte meinen, diese Idee des „Unantastbarseins, des Heiligen“, sei erwachsen aus der Tabu-Idee, so muß zugegeben werden, daß manches darauf hindeuten kann. Andererseits ist es ein anderes Fühlen, das man dem durch Tabus geschützten mulondedi mulondedi „Gefüllten“ gegenüber hat. Mit dem mutudu verknüpft einen Liebe Liebe, Ehrfurcht Ehrfurcht, sittliche Heiligkeit, mit dem nicht ganz geheuren mulondedi magische Furcht Furcht. Gerade beim Gegenüberstellen dieser beiden Personen wird einem klar, daß der kameruner Begriff der Heiligkeit doch nicht ohne weiteres von der Tabu-Vorstellung abzuleiten ist: Das Verhältnis zum mutudu ist ein sittliches, das zum mulondedi ein magisches.

Ähnlich ist das Verhältnis von Tabu zu Moral. In manchen Fällen kann man vermuten, die Moral-Idee sei aus der Tabu-Idee hervorgegangen. Im tiefsten Grund hat aber Moral mit Tabu gar nichts zu tun, ja geht dem Tabu voraus, z. B. beim Diebstahl Diebstahl. Wäre die Moral-Idee, die gegen das Stehlen spricht, aus der Tabu-Vorstellung hervorgegangen, so müßte Eigentum Eigentum nicht nochmals durch magische Mittel, die tabu sind, geschützt werden, sondern könnte sich selbst „schützen“ und „rächen“. Daran aber denkt gar niemand. Fast genauso liegen die Verhältnisse bzgl. des Gebots „Du sollst nicht ehebrechen“.

Ähnlich ist es mit der Milde und Freundlichkeit gegen Fremde, Fremdlinge Fremde. Je mehr einer nach meiner Beobachtung in Tabu-Vorstellungen befangen ist, desto verschlossener ist er gegen Fremde und zieht sich vor ihnen zurück.

{75} Der Gegensatz zwischen Moral und Tabu ist auch zu merken in dem Zusammenstoß mit den neuen Ideen des Evangelium Evangeliums, wo alles Magische abgelehnt wird, während die sittliche Bindung bestehen bleibt. Solche Personen, die das Wesen des Evangeliums erfaßt haben und suchen, seine Wahrheit in ihrem Leben zur Ausgestaltung zu bringen, lassen in ihrem täglichen Verhalten den Unterschied zwischen Tabu und Moral am besten erkennen. Die christliche Sittlichkeit Sittlichkeit handelt nicht aus magischer Furcht heraus, wie der vor dem Tabu Erschrockene sich nicht von der Stimme des Gewissen Gewissens leiten läßt, sondern aus Furcht vor magischer Gefah bangan r Moral, Moralität . Mensch

C. Der Animatismus Animatismus

Grenzt man Animatismus ab gegen Dynamismus Dynamismus als „belebt“, als „mit Persönlichkeit und Willen begabt“ und gegen Animismus als „nicht beseelt“, so hat er seinen Platz zwischen Dynamismus und Animismus und es zählt zu ihm, was wir schon unter Dynamismus als bwanga bwanga „Machtmittel“ und ngambiOrakel Orakel“ zusammenfaßten; vgl. auch S. 47d und e.

Bei ngambi ngambi ist es ganz deutlich, daß ihm keine „Seele“ eignet, sondern Kraft, dynamis, vermöge deren er nur anzeigt wie edim’ und edidi, vgl. S. 56ff., der Mensch erst kann aus dem ngambi heraus sehen, hören, empfinden. Ngambi kann offenbaren, denn es weiß alles, was in der Luft, auf und unter der Erde, auf und im Wasser vor sich geht, denn ihm ist die über- , unsinnliche Welt unsinnliche Welt erschlossen, Verborgenes gibt es für ihn nicht, denn ihm tut sich die über- , unsinnliche Welt übersinnliche Welt kund. Ist diese in edim’ und edidi unveranlaßt tätig, so handelt sie im ngambi auf Geheiß des Menschen, der Macht über das Orakelgerät hat. Weiteres darüber vgl. S. 153ff.

Dagegen vermag bwanga bwanga „das Macht, -mittel, -erlebnis Machtmittel“ alles in der sichtbaren und unsichtbaren Welt, vgl. S. 54f. und S. 128ff.; dazu gehört auch alles zu den Kultbünden gehörige, vgl. S. ---ff. Hierher gehören auch alle Gegenstände und Plätze, in und an denen sich „Macht offenbart; vgl. bei Dynamismus S. 50ff.

Die Himmelskörper werden zwar für beseelt gehalten, doch nur insoweit sie als Totem von „Gefüllten“ in Anspruch genommen werden, was mit der Sonne und dem Himmel selbst nie geschieht; an sich aber sind die Himmelskörper „belebte“ Wesenheiten; wegen der Himmelskörper vgl. S. 2ff. und bei Totemismus, S. 88ff.; bezüglich des Himmels selbst sei auf S. 123ff. verwiesen. [Randnotizen, nicht sinnvoll entzifferbar]

Das animatisch Belebte hat keine „Seele“, z. B. die mit mbaki behafteten Pflanzen und Tiere, vgl. S. 19f. und S. 58ff. und die Himmelskörper. Man darf annehmen, daß diese animatischen Vorstellungen älter sind als die animistischen, vgl. S. 76ff., bei deren Bildung wohl die Todeserfahrung eine wichtige Rolle gespielt hat; das Animatische ist im Erschaudern (vgl. Dynamismus) erlebt, das Animistische in Traum Traum, Vision, Ekstase, Krankheit Krankheiten u. ä.

Wenn die Lebensseele mudi, vgl. S. 44f., den Körper verlassen hat und der Mensch doch noch lebt, ist der Körper kein Wesen im Sinne des Animismus, sondern des Animatismus, denn er ist zwar „entseelt“, aber noch „belebt“; ist der Körper aber gestorben und das edimo edimo in Erscheinung getreten, so ist er ein Wesen im Sinne des Dynamismus; vgl. auch S. 19ff., wo belebte Pflanzen beschrieben sind.

So zeigt es sich, daß Animatismus nie etwas für sich Alleinstehendes ist, sondern mindestens einer der anderen kameruner religiösen Vorstellungen verbunden. – Es ist klar, daß die animatischen Objekte auch alle durch Tabus geschützt sind. Animatismus

{76}

D. Animistische Vorstellungen

1. Einleitendes

Wir fassen hier Animismus Animismus nicht im weitesten Sinn als Ausdruck für die gesamte kameruner Religion und Weltbild, -anschauung, sinnliche und unsinnliche vgl. auch ndimsi Weltanschauung [zusammen], auch nicht im engsten Sinn als Ausdruck nur für die Vorstellungen über die menschlichen Seelen. Denn vieles gibt es in den kameruner religiösen Vorstellungen, das mit anima, der Seele, nichts zu tun hat, z. B. alles Dynamistische und Animatische, vgl. njum’bwele auf S. 19, oder das über den Himmel und die Gestirne Gesagte; andererseits sind Dämonen Dämonen und Ähnliches doch als geistig, seelisch gedacht, vgl. Nagual auf S. 82ff. und Totem auf S. 86ff.; sie sind jedenfalls nicht Materie allein in unserem Sinn, sondern verkörpern sich erst in der Materie, vgl. Kultbünde, S ---.

Wer die animistischen Vorstellungen der Kameruner von Seele und Geist verstehen will, muß suchen, sich freizumachen von dem, was wir Europäer unter Seele als der Gesamtheit der geistigen Fähigkeiten eines Menschen verstehen. Der Kameruner meint unter „ Seele, vgl. auch Lebens- und Schattenseele Seele“ ein geistig-feinmaterielles Wesen, das daher auch in einzelnen Teilen des Körpers „Von altersher glaubt man bei uns, daß der Mensch aus drei Teilen besteht: Nyolo ‘der leibliche Körper’ ist gleichsam das Kleid, damit edimo ‘die Schattenseele’ bekleidet ist (vgl. S. 97ff.); auch diese ist wie ein Körper, ähnlich dem sichtbaren. Darinnen steckt mudî ‘die Lebensseele’ (vgl. S. 77). 5

M’ boa „der Gefesselte“, und eboa „die Fessel, der Block Block“;

m’ banga „Nuß“, die ausschlagen oder gegessen werden kann, und ebanga „die Spielnuß“;

misaka „große Überschwemmung“, welche Gefahr birgt, und esaka „Regenpfütze“;

mboko „Versammlungsplatz“, durch Mittel und Gebrauch tabuiert, und eboko „der freie Platz vorm Haus“ zu privatem Gebrauch und Spiel Spiel;

mudimo „der Verstorbene“ als gewesene Persönlichkeit, nicht die Leiche, und edimo „Schattengeist“; mudi „Lebensseele“, das geistige Wesen des Menschen, und edi „die gespenstisch vom Körper gelöste Lebensseele“.

Wir unterscheiden nun in unserer Darstellung die Vorstellungen über die menschliche Seele und die über andere dämonische Geistwesen.

2. Vorstellungen über die menschliche SeeleVgl. auch S. 43f.

Während wir heute von einer Seele des Menschen reden, unterscheidet der Kameruner deren mehrere, von denen mudi, mi- „die Lebensseele“ und edimo, be- „die Toten- oder Schattenseele (edimo) Schattenseele“ die wichtigsten sind; vgl. bei Homer thymos „Lebensseele“ und psyche „Totenseele“, welche Unterscheidung weit verbreitet ist.

Bei Beantwortung der Frage, wie wohl diese Seelenvorstellungen bei den Kamerunern entstanden sein mögen, werden wir auch auf zwei Ausgangspunkte geführt, nachdem man über die erste Erkenntnis, nämlich daß das Wesen der Welt eine doppelseitige Einheit sei, vgl. S. 47, hinausgeführt war.

Die Erfahrung mußte über diese erste Erkenntnis von der sichtbaren und unsichtbaren Seite des Alls hinausführen; man erlebte, daß der Mensch ein Selbstbewußtsein hat. Wie ist dieses Erleben wohl vor sich gegangen?

In manchem Traum Traum schaut man mit geschlossenen Augen und schlafenden Sinnen Fremdes, örtlich und zeitlich Entferntes; ebenso in Ekstase oder Vision. Ebenso gibt es Menschen, die über mehr geistige Fähigkeiten verfügen als andere. Da gibt es z. B. Menschen, und sie scheinen bei den Primitiven häufiger zu sein als bei uns, mit „zweitem Gesicht, zweites Gesicht“, vgl. S. ---. In solchen und ähnlichen Erfahrungen erlebte man gleichsam, daß im lebenden Menschen außer seinem materiellen Leib noch ein anderes stecken müsse, etwas, das sich als seelisches Prinzip von dem Stoff unterscheidet und dem Menschen eine Art Selbstbewußtsein gibt. So erfaßte sich der Kameruner als Wollender und Handelnder, weil er ein Doppelwesen ist, bestehend aus der treibenden Kraft (Seele) und dem Leib, Körper, ein kleines Widerbild seiner Welt, der doppelseitigen Einheit, vgl. S. 47. Traum

Im Todeserlebnis trat dem Kameruner vor Augen, wie sich diese Einheit für immer in ihre Bestandteile trennt. In der Leiche Leiche fehlte das, {77} was seither den Körper bewegte, was wollte, dachte, sprach, antrieb, belebte, Gemeinschaft wirkte. Das mußte mit dem Eintritt des Todes verschwunden sein. Der Kameruner nennt es

a. mudi, die Lebensseele.
(1) Allgemeines

Was die Duala mudi nennen, heißt in anderen Stämmen ndinge 3 oder elinge 7 „Lebensseele“, während das Du. edinge eine andere Bedeutung hat, vgl. S. 80. Es ist das feinmateriell gedachte Lebensprinzip, [eine] Lebenskraft, [die] den ganzen Menschen durchflutet und auch im Blut, den Wachstumsstoffe Wachstums- und Ausscheidungsprodukten wirksam ist. Diese Seele ist an den Körper gebunden, kann sich aber auch in einer Reihe von Fällen vom körperlichen Träger lösen. So getrennt vom machthaltigen Körper heißt sie edi, was nicht ein neuer Name für eine neue Sache ist. [Randnotiz: Die Stammsilbe -di bezeichnet die gleiche Sache.] Die Änderung der Klassenvorsilbe deutet nur den tatsächlichen Vorgang an: Die Seele ist entkleidet von der magischen Macht des Körpers.

Über das eigentliche Wesen des mudi spricht man nicht viel. Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kinder, die früh sterben sterben, haben von dem Schöpfer Schöpfer und den Ahnen kein mudi mitbekommen, alte Leute sterben infolge Verbrauchs des mudi; diese Seele kann auch gestohlen und sonstwie gebraucht werden. Daher ist eine gewisse Prä- und Postexistenz des mudi anzunehmen. Sterben einer Mutter, vgl. auch Eltern Mutter hintereinander mehrere Säuglinge, so nimmt man an, daß es sich um das gleiche Kind handelt, das kommend und gehend die Eltern und Kind Eltern zum Besten hat. Solche Kinder werden nicht bewehklagt, denn sie sollen nicht meinen, man betrauere sie und begehre sie wieder zurück. Auch der Gedanke wird oft geäußert, daß in einem Enkel der Großvater oder die Großmutter Wiedergeborenwerden, das wiedergeboren sei und man gibt ihm des betreffenden Name, Namensgebung Namen. Großkinder, -mutter, -vater Auch ein auf blutige Weise Umgekommener, für den Ersatz geleistet wurde (te pu pu), soll im Kind der in die Sippe gegebenen Jungfrau weiterleben; der Umgekommene wird nicht mehr erwähnt, er lebt ja in seinem Namensträger weiter.

Mudi oder edi können nicht gesehen werden, während „Schattenseelen“, vgl. S. ---, zwar gesehen, aber wie wirkliche Schatten nicht gegriffen werden können. Wenn aber jemand ohne ersichtlichen Grund zusammenschauert, besonders wenn er nachts draußen und allein ist, sagt man, es sei ihm ein edi begegnet. Ist mudi das tragende Lebensprinzip des Körpers, so muß dieser zugrunde gehen, wenn ihn das mudi als edi dauernd verläßt; wie das geschehen kann, ist später zu zeigen, vgl. S. 82, 93b. Bewußt wird man seiner Seele im Traumerlebnis und ähnlichem.

(2) Traumvorstellungen Traum

In vielen kameruner Stämmen hat man das Wort für „Traum“ verloren und man sagt dafür „ Kopf, vgl. auch Schädel Kopf“, dieser Ausdruck spielt auch ins Duala herein, wenn man von einem Traum, der wirklicher Erfüllung entspricht, mulopo mundene „großer Kopf“ sagt. Verwechslung mit einem realen Kopf ist nicht möglich, denn „sich legen oder liegen, d. h. Schlaf schlafen, in bezug auf den Kopf oder großen Kopf“ kann nur „träumen“ bedeuten. Im Duala heißt ndoti „Traum“ und nanga ndoti „schlafen in bezug auf einen Traum“, d. h. „träumen“.

Man erachtet nun nicht alles Träumen gleich. Die meisten Träume sind auch in Kamerun beim Erwachen wieder vergessen; es war kein wirkliches Erlebnis und hat deshalb keine Bedeutung. Andere Träume wieder erregen so sehr die Seele, daß sie beim Erwachen wie ein wirkliches Erlebnis vor einem stehen und man gern geneigt ist, sich durch den Traum in seinem Entscheid und Handeln leiten zu lassen. So etwa, wenn einer in Krankheitsnot Erfreuliches träumt, daß ihm etwa im Traum gezeigt wurde, welche Heilkräuter er anwenden soll und wo sie zu finden sind, wird man gern den Traum als Fingerzeig nützen. „Man glaubt schnell, daß einer in solchem Träumen wirkliche Dinge wahrnimmt und Ereignisse erlebt. Solche Wahrträume nennt man wie das hellsehen Hellsehen <großer Kopf>.“ Mit solchem <großen Kopf> ist der Mensch aus der gewöhnlichen Tageswirklichkeit in die mystische Wirklichkeit, in den Bereich des übersinnlichen ndimsi eingetaucht. Kopf, vgl. auch Schädel Auf S. 70 und S. 73 ist schon gezeigt, wie man mit dem Gesicht oder der Stirn, also dem unbehaarten Teile des Kopfes, ein Machterlebnis haben, mit der unsinnlichen Welt

{78}

[2 Notizen auf Rückseite von S. 77: Vgl. Notiz wegen Ankunft der Weißen in Esosong Hagen berichtet in seiner „Bule Grammatik“ S. 128, wie Zama, Sohn des Jakombo, Sippe Ndum, in Mbung vor Eintreffen der Weißen aufgrund von Träumen bekannt gegeben zu einer Zeit, da die Bule noch nicht mit den Deutschen zusammen gekommen waren. Weiße Leute werden kommen, die Bule werden gegen sie kriegen bei Krabi [?]. Wenn die Weißen nach Bule vordringen, werden wir sie alle töten und ihre Sachen rauben. Wir wollen sie nicht in unserem Land haben, die Weißen sind Totengeister. Keiner verfolge sie [?], es sind schlimme Leute, mit denen nicht zu spielen ist. Denn sie verstehen sich auf den Krieg. Im Englischen [?] Monatsblatt (Kamerun) 1909 S. 48 berichtet G. A. Tutu von [?] zwei Männern Nkongo Mpesa und Bosinga ’m Ndjanga, die ein angesehenes Orakel besaßen und in der ganzen Gegend berühmt waren. Da wurde Bosinga schwer krank. Eines Tages sah er im Traum einen Mann in weißem Kleid zu sich kommen, der ihm sagte: Wenn du dich nicht bekehrst, dein Orakel läßt und Christ wirst, so stehst du von diesem Krankenlager nicht mehr auf! Kaum war er erwacht, so sammelte er seine Orakelgegenstände und ging an den Fluß und warf sie hinein; das Wasser trug sie davon und nach zwei Tagen war er gesund. Bald ging er auch in den Taufunterricht. Das gab ein großes Aufsehen im Land, da Bosinga alles Orakeln für eitel Betrug erklärte; die Freundschaft mit Nkongo Mpesa ging in die Brüche, denn der konnte sich mit seinem Orakel nicht mehr sehen lassen und wurde Bosinga so feind, daß er ihn töten wollte, denn er war um Ansehen und Einkommen gekommen.]

Kontakt haben kann. Von den Träumen zu unterscheiden sind

edinge edinge, be- „Hellsehen, Hellsehekraft“, vgl. auch S. 80, 163a;

ediedie, wörtlich „Finderei“, die Kunst, ein Medium Medium in Trance Trance fallen zu lassen, vgl. S. ---;

bedjongo „Halluzination, Somnambulismus Somnambulismus“; von ihnen ist später zu reden, davon zu unterscheiden ist das zweite Gesicht.

Am meisten erregen die Träume die Seele, da man nicht die mystische Widerspiegelung irdischer Verhältnisse zu sehen glaubt, sondern wo die Seele eingetreten ist in das unsichtbare Geisterreich. Dies ist besonders der Fall, wenn Ohnmächtige oder Scheintote aus ihrem tiefen Schlaf erwachen und nun berichten, was sie in ihrem Zustand gesehen [haben]. Es handelt sich dabei meist um Blicke in die andere Welt sowohl bei Christen Christen als [auch] bei Heiden. Natürlich spiegeln sich in ihrem Geschauten Dinge der Gedankenwelt wider, in der sie leben. Heiden erzählen etwa, wie sie in den Hades gekommen [sind] und dort Ahnen getroffen [haben], die in ähnlichen Verhältnissen leben wie hier auf Erden; wie sie freundlich aufgenommen, ihnen aber doch gesagt wurde, sie seien noch nicht reif für den Hades und müßten daher wieder zurück. Andere wurden wieder auf dem Gang in den Hades von Feinden überfallen, verprügelt, verjagt, daher seien sie wieder auf Erden erwacht. – Christen sehen etwa weißgekleidete Gestalten, den Heiland und mancher hat schon ausgeführt beim Erwachen, was er in seiner Schau gesehen. Andere berichten auch von einem Gang an der Hölle vorbei, von einem Blick in den Himmel, vom Zurückgesandtwerden zur Besserung oder zur Mahnung an die anderen.

Einige solcher Träume seien kurz skizziert; sie sind mir persönlich erzählt worden:

1913 erwachte in Bonepea am Wuri eine Frau von einem ohnmachtsähnlichen Traum. Die Heidin erlebte dabei den Eintritt in das Reich der Schatten. Dort war sie von ihren Sippenangehörigen empfangen und zum Häuptling der Siedlung geführt worden. Der hielt „Gericht“ über sie, und der Spruch wurde gefällt, daß sie nicht bleiben könne und zurück müsse, weil sie Schnaps Schnaps trinke. So sei sie wieder zum Bewußtsein gekommen. Das Schnaps trinken trinken aber hatte sie seitdem aufgegeben.

1928 ging durch die ganze vordere Bakosi-Landschaft das Gerücht, das in dem Dorf Ndibendjok unterhalb Nyasoso einer „vom Tod wiedergekehrt sei“. Es handelte sich um einen jungen Christen, der wohl in eine tiefe Ohnmacht gefallen war. Schon beklagte man ihn als tot, als er wieder zu sich kam. Er berichtete dann, daß er in der anderen Welt war, aber dort nicht Aufnahme gefunden habe, weil er mit dem Zahlen seiner Kirchensteuer im Rückstand war. So mußte er auf diese Welt zurück, ob er gleich gerne im Jenseits geblieben wäre. Der Schrecken aber war ihm so in die Glieder gefahren, daß er seinen Steuerausweis sofort in Ordnung brachte.

Im Elange-mbu, dem Kalender der Basler Missionskirche in Kamerun, 193-, S. ---, ist ein anderer Fall solcher Wanderung im Jenseits geschildert. [unklare Zuordnung der Notiz: Kombone]

Diese Beispiele von Träumen von Heiden und Christen könnten leicht vermehrt werden. Träume spielen ja im Leben von Primitiven eine große Rolle und werden oft weit verbreitet. Alle zeigen: 1) daß die Träume mindestens momentan auf die Träumer Eindruck machen und in ihrer Umgebung Aufsehen erregen, und daß vielfach religiöse Ansichten von Träumen her gebildet oder doch beeinflußt werden; 2) daß sich in den Träumen – wie wir das ja aus eigener Erfahrung wissen – der Träumer Leben und Umgebung, ihre Gedankenwelt widerspiegeln. Wie viele Vorstellungen vom Jenseits durch Träume gebildet sind, so spiegelt sich umgekehrt in den Träumen der Menschen Erleben wider. Der Christen Träumen vom Jenseits ist meist anders gebildet als das der Heiden. Ich schildere noch kurz zwei Beispiele:

Im Jahre 1930 lag ein alter Heide in Mpako bei Nyasoso in schwerer Krankheit. Er sagte, er sei als ekong ekong-Mann, vgl. S. 89ff., auf einem Gang in die Unterwelt zu seinen Ahnen gewesen. Unterwegs sei seine „Lebensseele“ von den „Schatten“ aus dem früher feindlichen Ndom (Nachbarort) abgefangen worden und werde noch dort gefangen gehalten. Medizinleute wurden gerufen und mußten ihre magische Kunst erproben, um die abhanden gekommene Lebensseele wieder [nicht zuzuordnen: Vgl. S. 91] {79} zurückzuholen; allein ihre Anstrengungen waren umsonst. Die Fesseln feindlicher schwarzer Kunst, weiße und schwarze Kunst spotteten ihrer weißen Magie. Laut schrie der als „Gefüllter“ bekannte Kranke in seiner Todesnot und starb zuletzt in dem Bewußtsein, daß ihn seine eigene magische Kunst ins Unheil geführt habe, vgl. S. 94ff. Ob ihm seine Meinung von dem Gang in den Hades – eine häufige Übung der ekong-Hexen – und Gefangennahme daselbst im Traum geworden oder durch ein Orakel mitgeteilt war, konnte ich damals nicht feststellen.

Im Februar 1931 träumte ein Christ aus Eka mbeng (Ninong-Landschaft) auf seiner etwa zwölf Marschstunden entfernten Farm in Tombol. Da wurde ihm gesagt, er solle in seine Heimat gehen und dort berichten, daß in sechs mal Zahl neun Tagen etwas außerordentlich Schweres geschehen werde; über sie werde ein Ereignis hereinbrechen von einer Art, deren sich auch die ältesten Leute nicht entsinnen könnten. Obwohl ihm nicht klar war, um was es sich handele, hatte das Traumerlebnis seine Seele doch so ergriffen, daß der Mann seine Arbeit verließ, um in seine Heimat zu gehen. Unterwegs in Nyasoso erzählte er den Traum auch meinem Freund, Herrn Missionar J. Erne Erne, Jakob - Missionar . Noch ehe die gesetzte Frist verstrichen war, hatte der Mann einen zweiten Traum; darin ward ihm gesagt, er solle ins Nachbardorf Nkikog gehen und den alten Häuptling Ekongwe mahnen, Christ zu werden, sonst werde er ein Unheil erleben. Fast auf den angegebenen Tag kamen in die Landschaft um den Manenguba Manenguba – der Träumers Heimat – ungeheure Heuschrecken Heuschreckenschwärme aus dem Grasland, die bis ans Waldgebiet heran alles kahl fraßen und besonders dem Mais, dem Haupt Nahrung nahrungsmittel jener Bergstämme, so zusetzten, daß [eine] Hungersnot entstand. Solches hatte freilich keiner der Alten erlebt; man wußte wohl von kleineren Schwärmen mehr vom Hörensagen. Damit war natürlich die Gabe des Träumers bestätigt und Häuptling Ekongwe ließ in seinen alten Tagen noch seinen Namen in das Heft für die Taufbewerber eintragen und ist später als Christ gestorben.

Bei der Wichtigkeit, die man den Träumen im primitiven Leben zuschreibt, sucht man natürlich auch Träume hervorzurufen, wendet Mittel dafür an oder wünscht wenigstens in schwierigen Fragen Handleitung durch sie.

Im Traum erlebt man aber nicht nur, wie die eigene Seele sich aus dem Körper entfernt und ihr eigenes Wesen hat, sondern man erlebt auch, daß sich andere Seelen, nämlich Hexenseelen einem in böser Absicht nahen. So deutet man jeden Traum, darin man etwas Schweres erlebt, Angstträume und Alpdrücken u. ä. als Hexeneinfluß; wie dieser stattfindet und wie darauf zu reagieren ist, lese man auf S. --- nach.

Wer im Traum laut redet oder gar aufschreit, ist von Hexe, -rei Hexen verfolgt oder gequält; man weckt den Betreffenden und fragt, was los ist. Noch offensichtlicher liegt Hexerei vor bei Alpdrücken und sonstigen schweren Träumen; Gegenmittel vgl. S. 145ff.

Manche Orakler verlassen sich auch für ihre Auskünfte auf Träume; andere geben auch vor, ihre ganze Kunst dadurch bekommen zu haben, daß ihre Vorfahren oder verstorbene Lehrmeister ihnen die nötigen Mittel im Traum bekanntgemacht haben.

Träume sind natürlich eine Art Omen Omen bedidi oder gar bedim’, vgl. S. 56f., und man läßt sich durch sie leiten. Man hat aber auch Wege, das Angezeigte zu umgehen. Träumt z. B. einer während eines Unternehmens, etwa Hausbau, daß sich dabei ein Unglück ereigne, so stellt er die Arbeit für eine Zeit ein. Wiederholt sich dann der Traum nicht, so kann er in der Arbeit fortfahren. Nach mehreren Träumen aber zieht er das Orakel Orakel zu Rate, wenn ihm das Träumen nicht deutlichen Bescheid gegeben [hat]. Sah jemand einen anderen in der Nacht als Hexe zu sich kommen, um ihn zu schädigen, so hat er das Recht, den Geschauten am anderen Morgen zur Rede zu stellen und zwar unter Zeugen. Leugnet die „Hexe“, so kann einer von ihnen zum andern sagen: Bringe menyolSchmutz (Zubehör, Abfall) trinken, wegwerfen Schmutz“ [Randbemerkung: Ja menolok Urin], vgl. S. 150, her, ich will es trinken. Wird darauf der Trinkende in absehbarer Zeit krank, so ist erwiesen, daß die Anschuldigung entweder richtig oder unrecht war, je nachdem, an wem sich der Trunk als wirksam erwies.

Das Zusammenrufen der Sippe zur Besprechung nach einem schweren Traum bei den Bakwiri ist auf S. --- geschildert.

Mit einem Traum hat auch schon mancher seinen unguten Antrag an eine Frau motiviert.

Träume oder eine Art Gesicht, zweites Gesicht, in denen Kranken oder ihren Angehörigen das richtige Kräutlein gezeigt wird, spielen in Krankheitsfällen eine Rolle.

Dem Traum verwandt ist Somnambulismus Somnambulismus oder Halluzinationen, bedjongoAm Kamerunberg sagt man: Emeofo me mo lembi „Köpfe haben ihn befallen, in Beschlag genommen“.

, ein Zustand, der sich bei jüngeren Frauen ohne Absicht einstellen soll. Wenn eine solche, naßgeworden, sich am Herd sitzend zu trocknen und zu wärmen sucht, soll der Zustand leicht über sie kommen. Sie falle in eine Art Schlaf Schlaf, in dem sich Krämpfe einstellen. Sie muß dann geschützt werden, daß sie nicht ins Feuer kommt oder sich an einem harten Gegenstand beschädigt. Die Frauen machen in ihren Äußerungen den Eindruck, daß sie von Geister Geistern bedrängt und gezwungen werden, ihre Medien zu sein. Umgekehrt suchen auch die Umstehenden durch diese Medien Auskunft aus dem Schattenreich sowohl über die dortigen Zustände und das Ergehen Einzelner zu erhalten, wie auch Anweisung und Rat in irdischen Umständen und Verhältnissen; insbesondere fragt man um Rat in Krankheiten und anderen Anfechtungen. Die Befallene, die zu ihrem Schutz oft in Matten eingebunden wird, gibt zum Schluß auch noch ein Mittel an, etwa einen Pflanzensaft, der ihr in die Augen zu tröpfeln ist, damit sie wieder zu sich komme. Nach dem Erwachen weiß die Frau nicht, was mit ihr vorgegangen [ist]. Allmählich verläßt sie das Fieber und sie erholt sich. Als Erklärung für diesen Zustand sagt man: „Leute, die über schwarze Kunst, weiße und schwarze Kunst und magische Kräfte verfügen, lassen eine Frau in den Zustand des bedjongo bedjongo fallen“. Bei den Küstenstämmen glaubt man beobachtet zu haben, daß die mengu „Meergeister“ nicht zu gleicher Zeit beides können: Eine Frau in bedjongo fallen zu lassen und das Meer erregen; darum kommen solche Anfälle nur an sturmfreien Tagen vor. Somnambulismus

Während bedjongo irgendeine Frau ohne äußeres Zutun befällt, wird ediedie „das Fundorakel“ absichtlich herbeigeführt; beides ist aber im Effekt gleich. Ediedie ist die Technik, eine Frau zum Medium Medium zwischen sichtba- {80} rer und unsichtbarer Welt, zwischen Menschen- und Geisterwelt zu machen. Die künstliche Herbeiführung dieses Zustandes ist auf S. 294ff. unter „Gebräuchen“ beschrieben.

Daneben besteht noch die Vorstellung, daß besonders einzelne Frauen beständig mit der Geisterwelt in Verbindung stehen sollen. „Wahrsagefrauen hatten Verbindung mit den Totengeistern, denn sie besaßen die Kraft, sich mit ihnen zu besprechen. Diese Frauen wußten auch häufig Heilmittel anzugeben, besonders bei Kinderkrankheiten; sie hatten die Mittel auf Befragen von den Totenschatten genannt bekommen. Viele solcher Frauen waren auch Geburtshelferinnen. – Heute gibt es solche Wahrsagefrauen, welche Leute mit den Totenschatten verbanden, nicht mehr.“ (Preisarbeit); vgl. dazu den Bericht auf S. 163a.

Sie behaupten, Geister drängen sich an sie im Wachzustand heran und raunen ihnen ihre Mitteilungen ins Ohr, wie sie selbst auch Fragen an die Schatten stellen können.

Alle diese dem Wahr- und Weissagen ähnelnden Äußerungen werden topo bedinge „in Hellsichtigkeit reden, wahrsagen wahrsagen“ genannt und man sagt: A kwedi bedinge „sie ist in Hellsichtigkeit gefallen, sie weissagt“. Dieses Du. edinge edinge ist zwar das gleiche Wort wie das auf S. 77 genannte elinge anderer Stämme, hat aber eine andere Bedeutung. Du. edinge ist meist gebraucht im Sinne von „Fähigkeit zum Wahrsagen, hellsichtig“. Es scheint aber auch die Vorstellung bestanden zu haben, daß dieser Fähigkeit auch das Instrument entsprochen habe, so daß also edinge eine Art „Traumseele“ wäre. Bei allen Stämmen wird aber diese „Hellsichtigkeit, Traumseele“ nicht mit der Lebensseele mudi verwechselt, vgl. Du. mudî „Lebensseele“ und edinge „hellsichtig“, bei anderen Stämmen ndinge oder elinge „Lebensseele“ und mofo „( Kopf, vgl. auch Schädel Kopf), hellsichtig“.

Durch Verdopplung des Wortstammes ist gebildet Schattenbild (edingedinge) edingedinge „der (natürliche) Schatten“, wie ihn jeder Gegenstand im Lichte wirft. Dieses Wort dient in manchen Inlandsprachen zugleich auch als Bezeichnung der „Lebensseele“, z. B. Ko. edengedeng „natürlicher Schatten und Lebensseele“, im Grasland --- mit gleicher Doppelbedeutung. – Man sieht hier, wie der gleiche Wortstamm bei verschiedenen Stämmen eine verschiedene Bedeutung erhält und wie es nötig ist, in jedem einzelnen Stamm festzustellen, in welchem Sinn der betreffende Wortstamm jeweils gebraucht wird.

Mit edingehellsehen Hellsehen“ ist nicht zu verwechseln bene miso manei „vier Augen, d. h. das zweite Gesicht, zweites Gesicht haben“. Diese Fähigkeit erwirbt man sich durch magische Übungen und magische Mittel und zwar hauptsächlich Männer, doch auch manchen Tieren schreibt man sie zu, z. B. gewissen Hunden. Solche können in die unsinnliche Welt schauen, allen „Gefüllten“ soll diese Fähigkeit eignen; vgl. S. ---.

Das „Hellsehen“ ist eine Eigenschaft, die einen besonders zum mot’ a ngambi „Orakelmann“ fähig macht, wie es ja auch solche gibt, die ihr Orakel geben nicht vermittelt durch irgendein Orakelgerät, vgl. S. 157ff., sondern aufgrund einer inneren Schau oder eines Traumes. Als ein solcher galt Kome Ngwane aus dem Dorfteil Ndab e Mepene in Ndom (Bakosi). 1925 sagte er zehn Tage zuvor, an welchem Tag die Weißen auf der benachbarten Pflanzung Esosong eintreffen werden und drei Tage vor dem Eintreffen gab er die Tageszeit bekannt, wann dies geschehen werde; und so ist es zugetroffen. – Der auf S. 50 erwähnte Häuptling Nnoko hat den Missionar Fr. Autenrieth nur darum freundlich in seinem Dorf aufgenommen, weil er ihn ihm den Weißen wiedererkannte, den er einige Wochen vorher im Gesicht gesehen [hatte], wie er in guter Absicht in sein Dorf kam. – Solche Beispiele ließen sich leicht vermehren.

Natürlich spielen Träume und verwandte Vorgänge auch ins religiöse Leben herein, ändern hergebrachte Formen und helfen neue zu bilden, vgl. baf [?] ekong Diese Vorgänge sind heute wenig zu beobachten, wie ja solche Wandlungen meist nur allmählich vor sich gehen. Doch sind solche „Offenbarungen“ Anlaß zu Ausführung oder Unterlassung von bestehenden Bräuchen geworden und werden es heute noch. Auf diese Weise untermauern sie natürlich immer wieder alles, was mit dem Seelenglauben zusammenhängt. In solchen Gesichten wird dem Kameruner immer wieder aufs neue die Unterscheidung zwischen Leib und Seele eingeprägt mit allen ihren abergläubischen Vorstellungen Traum . hellsehen

(3) Allerlei Verkörperungen der Lebensseele

Bei allen Verkörperungen der Lebensseele handelt es sich um ein Trennen von Leib und Seele; Du. moto a manda nyolo „der Mensch Mensch spaltet den Körper“, Ko. mod a yalad „der Mensch spaltet sich“. Während der Leib schläft, geht die Seele aus, nimmt in einem anderen Körper Platz und handelt so als das zweite Selbst des betreffenden Magiers. Die Angabe, daß ein solcher Menschenleib keinen Schatten mehr werfe, ist europäische Verwechs- {81} lung nicht mehr recht verstandener Vorstellungen. Zweifel, ob ein Leib nicht mehr von der Lebensseele durchlebt ist, kann nur beheben, wer „vier Augen“ hat. Die Lebensseele kann außerhalb ihres Körpers nur gesehen werden in Verkörperungen: Schreckgespenstern, Totem- und Nagualtieren u. ä., als ihrem zweiten Selbst, hier kann sie aber auch der gewöhnliche Mensch nicht sehen, sondern nur der mit dem „zweiten Gesicht, zweites Gesicht“; bezüglich des Erlebens eines fremden edi vgl. S. 77.

(a) Der Schatten

Vorhin wurde der „Schatten“ erwähnt und gesagt, daß der natürliche Schatten an und für sich nichts mit der Lebensseele zu tun habe. Andererseits gilt er u. U. aber doch als ein „Stück“ des Menschen und ein dazu mächtiger Magier kann den Schattenwerfer schädigen, wenn er mit dieser Absicht in den Menschenschatten tritt oder gar mit einem Stab, Stock Stock oder Speer Speer hineinsticht. Mit dem Wort für „ Schattenbild (edingedinge) Schattenbild“ bezeichnet man auch Bilder und Photographien; doch auch in diesen Bildern vermutet man i. a. keine Lebensseele. Seelendiebstahl ausführen können nur besondere Leute, vgl. ekong S. 86ff. und lemba S. 94ff. So wird auch das Spiegelbild im Wasser nicht für etwas Magisches gehalten und hat mit der Lebensseele nichts zu tun. Aber ein Magier kann die Seele eines Menschen in einen Topf (Medizin) Topf mit Drogenabsud oder Palmöl zaubern; er gibt dann vor, die Seele dieses Menschen im Flüssigkeitsspiegel zu sehen und kann ihr einen schädigenden Stich beibringen. So hat auch dieser „Schattenstich“ nichts zu tun mit dem natürlichen Schatten des Menschen, sondern mit seiner Lebensseele. Darum bezeichnen wir auch mudi „die Lebensseele“ nicht als „Schattenseele“, sondern gebrauchen dieses Wort im Sinne Homers für die Abgeschiedenen im Hades und andere Totengeister, vgl. S. 99ff.

(b) Schreckgespenst Schreck Gespenst, vgl. Spuk, Wiedergänger gespenster

Es gibt aber sonst eine ganze Reihe von Vorstellungen, wonach sich die Lebensseele eines Menschen als edi aus seinem Körper entfernen und verkörpern kann. Freilich ist auch dies nicht jedem Menschen möglich, sondern nur solchen, die über die betreffenden magischen Kräfte verfügen, den „Gefüllten“. Solche Schreckgespenster sind z. B. ekelekete Mit ekelekete wird auch der Oger, ein menschenverschlingendes Ungeheuer mit einem bis zehn Köpfen, bezeichnet. Er kommt nur in Märchen vor und begegnet Menschen im Wald. Er heißt auch Yoma’ ndene „Großes Ding“, d. h. Ungeheuer, oder ekolo-ma „das Große (in bezug auf) Hände“, d. h. das Allvermögende. Zuletzt tritt ein Held auf, tötet den Oger und befreit die verschlungenen Menschen, vgl. Heilbringer auf S. ---.

, be- eine lange hagere Gestalt mit großem Kopf, das ein „ Gefüllter Gefüllter“ aus seiner sich vom Körper lösenden Seele schafft, um andere zu erschrecken erschrecken; es ist gleichsam sein Nagual, Nagualismus = Individualtotemismus Nagual. Mit ekelekete wurde oft auch der Verschlinger [?], vgl. S. 36, 110 bezeichnet.

Auch mutike, mi- soll ein solch hohes, oft bis zum Himmel reichendes Gespenst sein, das Feuer auf dem Kopf trägt und schreckhaft aussieht; gesehen hat ein solches natürlich noch niemand. Man schreibt diese Verwandlung hauptsächlich Hagestolzen zu, die ihr edi ausgehen lassen, während die „leere“ Körperhülle zu Hause liegt. Das Gespenst soll oft an Ecken, Waldrändern stehen, aber auch durch die Straßen gehen und auf die Häuser schlagen.

Auch enongnong, be- ist ein unförmliches, langes „Schreckgespenst“; eines, das über das Mittel makembi verfügt, um andere damit zu schrecken oder gar zu schädigen; es macht sich meist nur ängstlichen Leuten sichtbar.

Ekalabandja, be- ist eine ihm ähnliche lange, hagere Gestalt.

Wer eines dieser Gespenster Diese Schreckgespenster sind wohl zu unterscheiden von edimo, be- „Schattengeist, Ahnengeist, Waldgeist, Gespenst“ nicht nur in der Gestalt (die letzteren stellt man sich meist als besungu ba bato „kurze Leute“ vor, vgl. Note S. 47), sondern auch im Wesen. Die bedimo sind die „Schatten“ verstorbener Menschen und gehören der unsinnlichen Welt an, vgl. S. ---ff. und sind nicht etwas Verwandeltes wie jene Schreckgestalten, die eine Art Nagual oder Totem, die zweite Körperhülle der Lebensseele eines noch lebenden Menschen [darstellen].

, die als bedim’ „Gefahrzeichen“ gelten, sieht, wird krank und stirbt gar, wenn ihm nicht magischerweise geholfen werden kann. Doch sagt man, wenn einer angesichts solcher Gestalt beherzt genug ist, ihr mit einem Messer zwischen die Zehen zu stechen oder mittels eines Pflockes ihr die große Zehe festzunageln, so sinkt die große Gestalt zur normalen Größe ihres „Besitzers“ zusammen und entpuppt sich als ein Mensch, der beschämt vor dem Mutigen steht, seinen Namen nennt und um Lösung bittet. Der Mutige hat den Bann Bann gebrochen und stirbt nicht; das „Gespenst“ aber muß für den Spott im Dorf nicht sorgen.

Ohne Zweifel gehen diese und andere Vorstellungen zurück auf Nagualismus und Totem, Totemismus Totemismus Nagual aus Nahualli, einem Worte der Nahuatel-Indianer mit der Bedeutung „Schutzgottheit in Gestalt eines Tieres, Pflanze oder leblosen Gegenstandes oder atmosphärischen Erscheinung“. Näheres vgl. im Folgenden. 6

{82} In den Bereich der über- , unsinnliche Welt übersinnlichen Welt sucht der Mensch aber auch absichtlich mit Hilfe der Magie, vgl. auch Kunst Magie einzudringen. Da er gewisse Tiere als aus dem Bereich der Übersinnlichkeit stammend betrachtet und in ihnen überlegene Kräfte erkennt, sucht er solche Kräfte durch Verbindung mit den Tieren zu erlangen. In der Mythe vom „Halbmenschen“, vgl. S. 47, hat er sich ja ein Bild gegeben, wie man nach primitiver Anschauung „Bürger zweier Welten“ sein kann.

Im Folgenden werden einige solcher in Kamerun vorgestellter Seelenverbindungen zwischen Mensch und Tier besprochen. Man glaubt da an eine solche Verbindung, daß beide völlig voneinander abhängig sind so sehr, daß, was dem einen zustößt, auch dem anderen begegnet, oder was sich an der Hexenseele während des Ausgangs ereignet, auch dem Menschen passiert. Im Tode gehen beide Körper (Mensch und Tier) zugrunde; die Seele bleibt meist in Verbindung des „Gefüllten“, denn er ist ja „Besitzer“; ihr gilt notfalls der Kampf, magischer -, vgl. auch ekumti Kampf der Gruppe bis zu ihrer Vernichtung, vgl. S. 164ff.

Die, welche durch Riten und Mittel in den Besitz solch magischer Kräfte gekommen und „Gefüllte“ geworden sind, halten sich schlichten Menschen in ihrem Stamm gegenüber als weit überlegen; diese sind gerade gut genug, um von ihnen beherrscht und ausgebeutet, wenn nicht gar gegessen zu werden. Auch unterm Volk gelten sie als die Starken, als die bato bambi „schwierige Menschen“, mit denen nicht leicht umzugehen ist; sie haben „vier Augen“, können also in beide Welten schauen und so auch die unsichtbaren Kräfte in ihren Dienst zwingen. Diese doppelte Sicht bringt sie auch immer in Versuchung, Neiding zu werden zu eigenem Nutz; daher auch die Obduktion Obduktion ihrer Leichen. Keiner, der in dieser Welt zu etwas kommt, bringt das ohne Hexenkräfte fertig, wenn es auch nicht gerade die schlimme Art der lemba, ma- lemba ist, vgl. S. 94ff. Weil sie, wie alle Hexe, -rei Hexen, ihr Wesen hauptsächlich nachts treiben, nennt man sie auch euphemistisch „Leute der Nacht Nacht“. Da verlassen sie unbemerkt ihre Hütte (falls sie nicht ein Machtmittel daran hindert, vgl. S. 142ff.), verbinden sich mit ihrer Tierhülle und eilen so zu ihrem finsteren Werk. Je mehr das Treiben der verschiedenen Hexengruppen als „nächtlich“ empfunden wird, desto mehr setzt sie der Volksglauben in Verbindung mit nächtlichen Vögel Vögeln und Tierchen, vgl. mbena S. 57b und c. Ertönt deren Schrei, dann nimmt der Hausherr oder ein anderer Hausbewohner als sein Vertreter ein brennendes Holzscheit, bespuckthaucht es und springt damit in den Hof und schreit, daß Hexen ihn bedrohen, und sucht die Störenfriede zu vertreiben.

Dem < Tier, Tierwelt Tier> wird kein eigentlicher Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kult dargebracht, aber in magischen Tänzen sucht der Mensch das Tier darzustellen, zu mimen, wie man ja auch sucht, die Kraft der Ahnen durch Körperbewegungen (z. B. Darstellung des Begattungsaktes, Wildheit u. ä.) zu zeigen und zu mehren. Das Totem wird besonders durch Maske Masken veranschaulicht, wobei die Darsteller selbst als Totem-Dämonen gelten; vgl. S. 270 Schreckgespenst . Gespenst, vgl. Spuk, Wiedergänger

(c) Nagual

Man sagt von dem, der als Einzelner seine Seele mudi, edi in einem einzelnen Tier oder Hi-körper [Hilfskörper?] deponieren kann: A ben’ ni nyama „er besitzt dieses Tier“. Man sagt auch a mawengisane musono „er wechselt die Farbe Farbe, das Aussehen“, vgl. S. 8; oder atonde elinge (Bakwiri) „er ändert sich (in bezug auf) die Lebensseele“. Die Fähigkeit aber, solchen Wechsel vorzunehmen, ist ewusu ewusu , be-, sonst efula; und [man] sagt von ihm, a ben’ ewusu „er hat die Fähigkeit, sein Ich, seine Lebensseele in einem anderen Körper, meist Tierkörper Wenn unsere Art, Menschen mit Tiernamen zum Schimpf zu belegen, bei den Kamerunern keinen Eindruck macht, so hat das wohl seinen Grund in diesem eigentümlichen Glauben; aber auch darin, daß sie mit dem Tier andere Vorstellungen verbinden als wir. Der Kameruner schmäht, indem er den Vergleich nennt. Tama moto nyama „einen ein Tier schelten, lästern“ ist darum verpönt, weil damit dem Menschen das Ende eine Tieres (ohne Pflege, ohne rechte Beerdigung u. ä.) angeflucht wird.

zu investieren“. Ewusu entspricht dem in der Wissenschaft gebräuchlich gewordenen NagualVgl. auch [Art. 19] „Nagualismus“ im Religionskundlichen Beiblatt [IV Nr. 4, Dezember 1934, S. 14 + 15].

, vgl. Note auf vorheriger Seite. Dieses Tier oder [der] Gegenstand, der solch magischer Seelenträger sein kann, gehört nicht unserer natürlichen Schöpfung Schöpfung an, sondern gehört ins Reich des ndimsi, der unsinnlichen Welt, und ist das Werk magischer Kunst. Dieses Tier bzw. Gegenstand ist zwar für einen gewöhnlichen Menschen entweder nicht sichtbar oder von natürlichen Tieren nicht zu unterscheiden. Nur wer die Macht hat, in die unsinnliche Welt zu sehen, d. h. der „vier Augen“ hat, kann solche magischen von natürlichen Tieren unterscheiden, bzw. sie geben ihm ein Erkennungszeichen. Solche Nagual-Tiere heißen entweder mbot’ a nyama „Tierkleid“ oder eyobo a nyama „Tierhaut“ oder eku a nyama „Tierschildkröte (-panzer)“ oder esok’ a --- „Geheimnis von (etwa: Elefant oder Leopard Leopard)“. Diese Bezeichnungen wollen sagen: Es ist das kein rechtes Tier, sondern es dient einer Menschenseele nur als Hülle. Es ist bei dieser magischen Kunst jedenfalls so, daß einer menschlichen Lebensseele zwei Körper zur Verfügung stehen: ein natürlicher menschlicher und ein magisch tierischer oder sonstige siderische oder irdische Erscheinung. Und ist die Menschenseele in das Nagual eingegangen, so ist der Zusammenhang so innig, daß, was dem einen Körper zustößt, auch der andere erlebt an Vorteil und Schaden. „Wenn ein solcher ewusu-Besitzer ausgehen will, d. h. seine Lebensseele in das Nagual eingehen läßt, so schläft er etwa auf seinem Bett, sein Ich aber verläßt den Körper und geht mit einem anderen Körper aus, um seine Zwecke zu verfolgen. Er darf aber dann nicht geweckt werden.“

Mit dem ewusu-Besitz wird man nicht geboren, noch kann man ihn erben. Es kann ihn ein Vater seinem unmündigen Kind verschaffen, was aber später dem Kind zur großen Gefahr werden kann, wenn es aus Unkenntnis oder Leichtsinn die mit seinem magischen Besitz verbundenen Tabu-Regeln nicht befolgt. Das Gewöhnliche ist, daß ein Magier oder Besitzer eines Nagual einem Klienten die magische Kunst vermittelt.

Isak Mongenya mo Lifefe la Ngule a Ekambi a Ndjunge a Wotongo bw’ Isaka a Yeye a Liomo „Isaak Mongenya(, Sohn) des Lifefe, des Ngule, des Ekambi, des Ndjunge, des Wotongo, des Isaka, des Yêyè, des Liomo“ erzählte mir von sich Folgendes:

„In Buea-Bakwiri aufgewachsen ging ich 1912 etwa im Alter von 20 Jahren hinunter nach Yoke-Balong zu meinem Schwager. Der machte mich mit einem bekannt, der über geheime Kräfte verfügte. Der war ein in der Kindheit nach Balong verkaufter Banyangi-Mann namens Mukete. Er konnte sich mittels besonderer Mittel in einen Leoparden verwandeln, wechseln verwandeln. Das ist eine besondere Kunst, birgt aber auch Gefahren in sich. Wendest du dies Mittel an, so liegst du daheim in deiner Hütte, während deine Lebensseele in ‘deinem Tier ausgeht’ und ausführt, was du begehrst. Hast du einen Elefant Elefanten, so geht er und verwüstet den Acker deines Widersachers und sättigt dich zugleich mit den Ackerfrüchten; dein Leopard schlägt draußen Ziegen und Schafe, trägt sie nach Hause und legt sie vor deine Hintertür. Wehe aber, wenn du geweckt wirst, ehe deine Seele wieder aus dem Tier zurück ist: Du gehst zugrunde, wenn dir nicht ein Magier Hilfe schafft. Trifft ‘dich’ draußen {83} etwa ein Jäger und bringt deinem Tier eine Wunde bei, so bekommt dein Menschenleib den gleichen Schaden; wer den ‘Werwolf’ erledigt, tötet auch dich. Dein Leopard kann die geschlagene Ziege im Wald verzehren, er kann sie auch nach Hause bringen. Hat er aber im Wald von dem Tier [ge]zehrt, und du genießt daheim den Rest, so gehst du daran zugrunde. Merkt ein Seelentier, daß der Jäger es töten will, so kann es sich auf ihn stürzen, ihn töten und seine Glieder im Wald zerstreuen. – Mich stach der Wunderwitz und ich wollte einmal sehen, was es mit dem ewusu sei. Für 30 Mk. wollte mir Mukete die magische Kunst beibringen. Dazu gehörte, daß er mich auf beiden Hand- und Fußrücken und oberhalb der Nasenwurzel mit der Asche Asche von Leopardenhaaren und Kräutermedizinen impfe und mir einen Absud in die Augen träufele, so daß ich mich in einen Leoparden ‘verwandeln’ könne; das eigentliche Mittel aber war eine getrocknete Leopardentatze, die mit einer Hanfschnur um die Hüfte gebunden wurde vor dem Einschlafen.

Eines Tages band mir Mukete diese Tatze um, ich legt mich schlafen und bald ging ‘ich’ als Leopard aus. Während mein Rumpf Mensch geblieben [war], hatten sich Hände, Füße und Gesicht in die eines Leoparden verwandelt. So ging ich den Weg entlang, von Vorübergehenden ungesehen und unerkannt; ich aber sah alle und der und jener war mir bekannt. Während die Leute mitten auf dem Pfad gehen, schleicht man sich am Wegrand dahin. Außer ‘Gefüllten’ mit vier Augen können einen in solchem Zustand auch hoffende Frauen sehen, denn die haben ja auch ‘vier Augen’ und zwei Seelen. Sie können etwa einem anderen erschrocken zurufen, daß da ein Leopard sei, aber ein anderer sieht nur die Fußabdrücke, die möglicherweise in einiger Entfernung in die eines Menschen übergehen.

Um mich gelüsten zu machen, in den vollen Besitz des ewusu zu kommen, ging am anderen Tage Mukete selbst als Leopard aus. Bald hörte ich, wie eine Ziege im nahen Busch geschlagen wurde, bald brachte sie auch ‘Mukete’ ein, und ich habe selbst von ihrem Fleisch gegessen. Trotzdem wagte ich nicht, mich impfen zu lassen und die Leopardenklaue zu erwerben, denn ich fürchtete, das ewusu könne mir den Tod bringen. Denn es ist eine gefährliche Sache, sich als ‘wildes Tier’ dem Speer und Gewehr eines Jägers auszusetzen oder an einem Versehen gegen die Tabu-Regeln einzugehen. Darum ließ ich den Mukete mit seinem Hexenzauber.

Will man aus der Verwandlung wieder zurückkehren, so entledigt man sich der Leopardentatze an den Hüften und legt sie beiseite. Im Zustande der Verwandlung kann man mit Blitzesschnelle von einem Ort an einen entfernten kommen.“

Soweit des Isak Mongenya Bericht, der den Eindruck erweckt, ein Traum, vielleicht veranlaßt durch die umgebundene Tatze, ließ ihn die Verwandlung „erleben“.

Ein anderer hat mir den Erwerb eines Naguals so geschildert: Mit seinem Führer geht der Klient in der Dämmerung an den Waldrand hinter seinem Haus. Dort legt der Medizinmann ein Bananenblatt auf den Boden und darauf ein kleines Bällchen Drogen, vgl. auch Medizin Drogen, rund wie ein kleiner Stein. Eine Pflanze – sie wechselt bei den verschiedenen Nagualtieren – wird dann in einen Blattrichter ausgedrückt und der Saft dem Klienten in Augen, Ohren, Nase und in die Knie- und Ellenbogenbeugen getröpfelt. Dadurch wird er mit höherer Macht begabt, so daß er das Gesicht für die unsinnliche Welt („vier Augen“) bekommt und damit auch die Fähigkeiten des betreffenden Tieres: Stärke, Gelenkigkeit, Witterung u. ä. Der gleiche Saft wird nun auch auf den Brocken Drogen geträufelt unter des Führers Zaubersprüchen. Darauf soll der Brocken unter Streicheln des Magiers wachsen, zunächst wie eine Maus, dann wie eine Katze, Hund, Ziege und zuletzt stehe der ausgewachsene Leopard – einen solchen nehmen wir einmal als Beispiel – da. Der Klient bekommt den Auftrag, das „Tier“ mit einem Strick anzubinden, damit es sich nicht weiter entferne als gewünscht und jederzeit wieder zurückgerufen werden könne. Nun kann das Tier seinen ersten Ausgang halten. Soll es wieder zurückkommen, so kann der Mensch dies mittels des Strickes veranlassen. Beim Zurückkommen ist es wichtig, daß der Mensch vor diesem Tier nicht erschrickt, sonst wird es wild und läuft zurück in den Wald und der Mensch muß, losgelöst von seiner Lebensseele, in die größte Not kommen. Steht das Tier wieder vor

{84}

[auf Rückseite S. 83: Ende Juli 1913 war ich von einer 4-wöchigen Reise zurückgekommen. Noch nicht im Haus, berichtete mir Sukise Nkongo: „Ein Glück, daß du nicht hier warst, du hättest sonst einen Mordsprozeß bekommen; die Dorfleute sagten: Der vor den Ferien geschossene Habicht gehörte dem N. N. und jedermann erwartete, daß dieser nun krank werde und zugrunde ginge. Weil dann in den 4 Wochen dem Mann nichts passierte, beruhigte sich alles und nahm an, es müsse doch ein anderer Habicht gewesen sein.“ Wieso weiß man, daß N. N. einen Habicht „besitzt“? Weil er viele Hühner hat, die ihm sein Habicht zuträgt.]

dem Mann, so träufelt dieser nochmals von dem Pflanzensaft auf das Tier, das sich dann unter Streicheln verkleinert und zuletzt wieder als Brocken auf dem Blatt liegt und dann von dem Klienten, der nun „Besitzer“ des Tieres geworden ist, verschluckt wird. Seine „Seele“ ist nun in ihn eingegangen, um bei nächster Gelegenheit wieder erbrochen zu werden, wenn der Besitzer selbständig „sein Tier“ ausgehen lassen will.

Vor allem sind es gefürchtete wilde, dem Menschen in irgendeiner Weise überlegene Tiere, die solchen Tierbesitz darstellen darstellen, und zwar hält man gerade die gefährlichen Exemplare der betreffenden Gattung, die Einzelgänger, besonders wenn sie groß sind, für solche Menschentiere: Krokodil Krokodil und Flußpferd Flußpferd, Elefant Elefant und Leopard Leopard, hie und da auch Büffel und Rinderantilope sind die hauptsächlichsten der Männer, Wildschweine die der Frauen.

Kleinere Hexentiere, wie Fledermäuse, Eule Eulen, Ziegenmelker, sollen – wie das auch alter germanischer Aberglaube ist – der Hexe direkt aus dem Mund ausfliegen und wieder zurückkehren. Doch handelt es sich dabei mehr um lemba, ma- lemba „schwarze Kunst, weiße und schwarze Kunst“, vgl. S. 94.

Andere Vögel Vögel, Insekten, aber auch siderische und Meteorologie meteorologische Erscheinungen wie Mond, Stern Sterne, Regenbogen Regenbogen, Nebel Nebel kann ein Magier besitzen, damit sie ihm bedidi „Vorzeichen“ geben und er sich durch sie vor Unglück oder Überraschung schützen kann. Weil, vgl. S. 4f., die Vorstellung besteht, daß die Mondscheibe jeden Monat neu wird, daß auffallende Sterne, der „Hof“ um den Mond, Monat Mond, Nebel, Regenbogen nur gelegentlich auftreten, also jedesmal ein anderes Neues sei, so habe auch jedes Exemplar einen besonderen Besitzer, der es herausstellt; so sind auch Botschaft bringende Insekten, Käfer Käfer, Bienen Bienen jeweils ein zu besonderem Zweck von dem ewusu-Besitzer geschaffene Wesen, vgl. auch S. ---.

Wie auch Tiere, z. B. Leopard, Elefant u. a., kleinere Tiere als ihr Nagual gebrauchen, ist auf S. --- zu ersehen.

Zweck und Absicht bei solcher Tierverbundenheit ist, sich ein höheres Lebensgefühl anzueignen. Man sieht in den Tieren Eigenschaften und Fähigkeiten, die über Menschenmacht hinausgehen. Diese glaubt man sich auf diesem magischen Wege zu verschaffen zu eigenem Nutz und zum Schaden des Feindes.

Wie Tiere nach dem Nagual-Glauben ihren „Besitzern“ helfen sollen, zeigt die Vorstellung, die bei den Balondo und ihren Nachbarn angetroffen wird. In der Gegend wird viel Palmöl gewonnen und jeder Palmbauer sorgt dafür, daß er drei Tiere als sein helfendes ewusu bekommt:

1. Ngoso „Kakadu, Grau Papagei papagei“, der selbst gern Palmnüsse knabbert. Er kann überall hinfliegen und Ausschau nach reifen Ölfrüchten halten. Er läßt dann seinen Besitzer wissen, wo reife Früchte auf Ölpalmen hängen, so daß dieser [es] nicht nötig hat, hohe Stämme zu ersteigen und zu finden, daß die Früchte noch nicht schlagreif sind.

2. NgwiFlugeichhörnchen Flugeichhörnchen“; es krallt sich in den Kronen der Palmen fest und kommt nie zu Fall. So hilft es seinem Besitzer, daß auch er sich ebenso festhalten kann und vor Absturz bewahrt bleibt.

3. EwakeSchimpanse Schimpanse“, der sich aus einem Sturz von einem Baum nicht viel macht. Man sagt, nach einem solchen Absturz hocke er sich etwas hin, entleere sich und gehe dann seines Weges weiter. So soll die glückliche Verbindung mit einem solchen Tier dem Besitzer einen Absturz leicht ertragen helfen, so daß er keine schlimmen Folgen hat. Stürzt dann einer doch ab, dann nicht, weil der Stamm zu glatt oder feucht war oder der Steiggurt gerissen ist, sondern weil er gegen die Tabu-Regel gefehlt hat oder weil er fremder schwarzer Kunst erlegen ist.

Im Kultbund der Palmbauern wurde diese [?] Kunst erworben.

Wie alle Machtmittel durch Tabu-Regeln zur Sicherung Unbeteiligter wie auch ihrer Träger zu umhegen sind, so auch solch magischer Tierbesitz. Denn auch dieser birgt seine Gefahren. Werden daher die zu diesem Besitz gehörigen Tabu-Regeln nicht gehalten, so wird der Mensch krank oder stirbt, wenn er kein Gegenmittel erhält. Aus diesem Grund soll ja auch durch die Obduktion Obduktion festgestellt werden, ob der Betreffende an fremder schwarzer Kunst zugrunde ging oder ob er infolge Mißachtung der ihm gegebenen Schutzregeln starb.

So darf ein „Tierbesitzer“ nicht selbst verwerten, was ihm sein Tier zugetragen, will er nicht in Gefahr kommen. Hat z. B. in Hunger Hungerszeit ein „Elefant“ seinem Besitzer ein Bündel Planten aus einer fremden Farm zugetragen und hinter sein Haus gelegt, so darf nicht der Besitzer selbst davon essen, sondern nur seine Angehörigen. – Von einem getötetem „Menschentier“ darf weder sein Besitzer noch seine Familie etwas genießen, noch darf davon in ihren Töpfen gekocht werden. Die Angehörigen suchen nur, ein Stückchen von diesem Tier zu erlangen. Lassen sie sich davon ein neues Tier machen, so bleibt der „Besitzer“ am Leben, denn seine „Lebensseele“ hat dann ihre Stätte und kann von da wieder in des Besitzers Körper zurückkehren.

Da ein gewöhnlicher Mensch ein Menschentier von einem gewöhnlichen Tiere nicht unterscheiden kann, ist für Großwildjäger das Eingeführtwerden in die unsinnliche Welt so nötig auch aus dem Grund, daß er vor ihm erscheinende Tier unterscheiden kann. Diese Einführung, vgl. auch Initiation Einführung ist ein Teil der Einführungsriten in einen Kultbund, aber auch besonderer Riten. Durch diese Einführung und besondere Mittel erhält einer „vier Augen“ und kann damit die magischen von den natürlichen Tieren unterscheiden. Auch geben die magischen Tiere einem Jäger ja auch Erkennungszeichen. Ist ein solches magisches Tier ein Mann, so pflegt es die rechte Vorderhand wie zum Gruß zu erheben; ist es eine Frau, so zeigt sie auf ihre Brüste Brüste, daß der Jäger sie schone. Läßt sich dadurch ein Jäger nicht raten, so mag er vielleicht das „Menschentier“ töten, aber er wird dann der Rache kaum entgehen, denn er hat das Tabu verletzt. Einmal hat er die Rache anderer Seelentiere zu fürchten; zum anderen aber folgt, wenn die Obduktion des „Besitzers“ Tod durch einen Jäger ergeben hat, die Frage an das Orakel und das Trinken des Ordal, Gottesgericht, -urteil Ordals.

{85} Es kursieren da im Lande Berichte über eigenartige Verhängnisse. Die Mongo-Fähre zwischen Kumba und Nyasoso bediente bis anfangs 1939 der Bakosi-Mann Martin ---, ein katholischer Christ aus Meked; er hat mich oft über den Mongo-Fluß gesetzt. Nach einem Heimaturlaub traf ich ihn nicht mehr, er war in seine Heimat zurückgegangen. Warum? Er hatte seinen Jagdfreund erschossen. Wieso? Beide waren miteinander auf Schimpansenjagd gegangen. An einer Stelle im Wald trennten sie sich. Es dauerte nicht lange, da sah Martin auf einem Baum einen Schimpansen sitzen. Er legt an, schießt, das Tier fällt herunter und Martin sieht zu seinem Schrecken nicht einen Schimpansen, sondern seinen Freund in seinem Blut unter dem Baum liegen. Er wird noch in sein Haus getragen und stirbt nach einigen Stunden. Martin, des Mord, Mörder Mordes angeklagt, wird vom englischen Richter freigesprochen, denn es traten Zeugen auf, die aussagten, der angeschossene Freund habe noch vorm Sterben gesagt, Martin sei unschuldig, denn der Verstorbene habe sich nach dem Trennen von Martin in einen Schimpansen verwandelt und sei auf den Baum geklettert; darum sei das Unglück passiert. Und Martin hatte wohl nicht „vier Augen“ gehabt.

Von einer anderen Gefahr berichtete man: Itoe aus Bakundu wollte sein „Tier“ ausgehen lassen. Er hatte aber zuviel Droge auf das werdende Tier getröpfelt und es zu lange gestreichelt. Dadurch wurde es schrecklich groß. Daher kam’s, daß Itoe erschrak, als er das Tier zurückkommen sah, und er lief davon. Da sprang auch das Tier zurück in den Wald und Itoe war um seine „Seele“ gekommen. In seiner Not schickte er zu einem zuständigen Magier; dem gelang es, das erregte Tier wieder zurückzubringen und es so schrumpfen zu lassen, so daß Itoe es wieder verschlucken konnte. Dadurch war er gerettet.

Ist ein Menschentier verwundet, so trägt der wirkliche Mensch auch diese Wunde Wunde an der gleichen Körperstelle; ist das Tier getötet, so muß der Besitzer auch sterben sterben. Es werden Fälle berichtet, da ein Tierbesitzer plötzlich erschreckt und sagt, nun sei sein „Tier“ im Wald getötet worden, er müsse jetzt auch sterben; und bald sei der Tod eingetreten, da Hilfe nicht zu schaffen war. Wird das getötete Tier ins Dorf gebracht, so muß sich die Sippe nur ein Stückchen Fleisch des Tieres verschaffen und daraus ( pars pro toto pars pro toto) mittels Machtmittel ein neues Tier bilden lassen und er ist gerettet. Nun wird aber oft im Dorf beschlossen, ein allzu großen Schaden stiftendes Seelentier abzuschießen. In solchem Fall wird besonders achtgegeben, daß dem „Besitzer“ kein Stück davon zukommt, und er muß schon einen guten Freund bestechen bestechen, daß er ihm ein Stück verschafft und ihn so vom unvermeidlichen Untergang rettet.

Ein Seelentier wird aber nicht immer getötet, oft nur verwundet; da muß auch der Besitzer die entsprechenden Schmerzen erleiden. 1937 [sah] ich einen Alten durch das Bomboko-Dorf Bomana humpeln mit lahmen Bein. Auf meine Frage nach seiner Krankheit antwortete er nicht, sondern ging verschmitzt lächelnd weiter. Ein anderer Alter verriet mir aber nachher, woher der Schmerz in des Lahmen Bein rühre: Sein Seelenelefant hat im Wald einen Schuß ins Bein bekommen und die Kugel steckt noch darin; daher die Schmerzen des Mannes. Und solange des Elefant Elefanten Bein nicht geheilt sei, habe auch der Alte im Dorf ein steifes Bein.

Beispiele für Besitz eines Tierkörpers [?] als Nagual vgl. S. 84. Nagual, Nagualismus = Individualtotemismus

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(d) Totem, Totemismus Totem

Ausgesprochener Sozialtotemismus, Verbindung einer Gruppe, vgl. auch Familie, Sippe, Stamm Gruppe oder eines Einzelnen mit einer Tiergattung (Abstammung), ist nur in verschwindenden Anzeichen vorhanden, z. B. unter den Bakosi gibt es einzelne Sippen, die von einzelnen Tiergattungen nichts essen; sie geben vor, erbschaftshalber in besonderer Beziehung zu dieser Tiergattung zu stehen. Sie können das Nähere aber nicht erklären und haben für diese Beziehung auch keinen besonderen Namen. Es ist ihnen nicht erlaubt, ein solches Tier zu töten. Geschieht das aber doch, so darf man davon nichts genießen. Nur in diesem Fall kann man etwa annehmen, daß sich der Totemglaube auf ein Blutverwandtschaftsverhältnis gründe, daß jedenfalls eine altererbte Verbindung zwischen der Sippe und dem betreffenden Tier vorliegt; jede andere Verbindung zwischen Tier und Mensch, sei es nun ewusu oder ekong oder lemba, ist Seelenverwandtschaft, bei ewusu Einzelmensch mit Einzeltier, bei ekong sind die einzelnen Ältesten als Vertreter ihrer Sippe zu einer magischen Gruppe in Form des isango oder des ndjangi zusammengeschlossen und ihr Totem ist zumeist die „Schlange“, an Flüssen häufig auch das Krokodil. Die lemba-Hexen, vgl. S. 94ff., haben einzeln ihre Verbindung mit einem magischen Wesen, sind aber auch zu einer Art Hexen-isango zusammengeschlossen. – Da das Totem das Blutsverwandtschaftsverhältnis nur selten andeutet, hat es auch kaum Bedeutung für die Exogamie.

In Kamerun schließen [sich] alle, die etwas sind und sein wollen, zu Geheimbünden zusammen, vgl. S. ---ff. Die Meinung von einem höheren Lebensbewußtsein wird ihnen durch den vorstehend beschriebenen Glauben an „Tierbesitz“ [vermittelt], wie auch durch die Riten Riten, die sie als Einführung in einen Geheimbund, -kult, vgl. auch Wassergeister, Kultsprache Geheimbund zu durchlaufen haben. Erst dieses höhere Bewußtsein macht sie den anderen überlegen. Dieser Zusammenschluß der einzelnen „Besitzer“ von einzelnen Tieren im ewusu ewusu führt nun über zu ekong ekong, wo man meist als Vertreter einer Gruppe Seelengemeinschaft mit einem Tier oder anderen Erscheinungen hat.

Es gibt aber bei allen Stämmen des Küstengebietes bis weit hinein ins Landesinnere die Vorstellung, daß eine Gruppe mit einer Mythe, Mythenbildung mythologischen Riesenschlange, vgl. auch Schlange Riesenschlange verbunden sei, mit der allerdings nur das Haupt der Gruppe magische Verbindung unterhält, während die anderen Gruppenglieder nur die feststehenden Tabu-Regeln für dieses Verhältnis zu beachten haben. Es ist also nur insofern Sozialtotemismus, als er geübt wird zum Besten der Gruppe. Das Totem kann verschiedenes sein, weithin spielt aber die „ Schlange Schlange“ in diesem Aberglauben eine große Rolle. Manche Stämme, wie die Bakosi, schildern sie nicht näher, andere beschreiben sie als ein schatzhütendes, verderblichen Brodem atmendes Ungeheuer mit einem leuchtenden Stein auf der Stirn, dem auf S. 27 erwähnten „Kiesel der Riesenschlange“. Da dieser „Edelstein“ den Bergbewohnern unbekannt ist, bei den Stämmen am Wasser aber ein Rolle spielt, ist anzunehmen, daß durch Infusorien hervorgerufenes Leuchten im Wasser diese Vorstellung bilden half. In Besitz dieses Totem kommt man durch Kauf oder Zauber; sehen kann dieses Totem nur, wer „vier Augen“ hat. – Ich schildere die Vorstellungen, wie ich sie bei den Banyangi, Balombi, Bakosi u. a. gehört [habe], wobei auch klar wird, daß in den verschiedenen Stämmen die gleiche Vorstellung sich ändert.

Wer [sich] unter den Banyangi eine solche mbong oder ngem-amu „Riesenschlange“ mit dem ntae ngem-amu „Schlangenstein“ auf dem Kopf zulegen will, geht zu einem Magier, der das vermitteln kann. Dessen Hauptaktion ist, daß er an einem Ende einer Schnur drei Kaurimuscheln Kaurimuscheln (die beiden Augen der Schlange und der Stein darüber) befestigt und dies mit einem Drogenabsud bestreicht. Um Mitternacht muß der Klient diese Schnur verschlucken. Scheidet er diese „Schlange“ auf dem natürlichen Wege aus, so ist er in den Besitz der magischen Schlange gekommen; muß er sie wieder erbrechen, sich erbrechen, so klappt die Sache bei ihm nicht. Ihm selbst soll aber dieses Totem bei Lebzeiten nichts nützen, macht aber seine Gruppe, die Nachkommen reich. Bei Lebzeiten des Mannes hält sich die Schlange in einer Untiefe des Flusses auf; nachts verläßt sie oft ihr Versteck und vorbeikommende Leute mit „vier Augen“ können dann den von ihrem „Stein“ erstrahlenden Glanz sehen oder auch ihr nächtliches Hämmern hören, wenn sie die vom Besitzer am Tag gewünschten Vermögensstücke: Messer Messer, Speer Speere, Tücher, Geld und andere Waren „schmiedet“. Diese Güter verschlingt sie, um sie seinerzeit wieder von sich zu geben. Die Schlange verzehrt, während sie arbeitet, nichts außer etwas von dem Boden, wo sie sich gerade aufhält. Fühlt ein solcher „Besitzer“ sein Ende nahen, so teilt er seinen Angehörigen den Aufenthalt seiner Schlange mit und bezeichnet den, welcher seinen Schatz haben soll, [als] seinen Haupterben. Mit dem Saft eines Zwiebelgewächse Zwiebelgewächses macht sich der nun durch Bestreichen fest, so daß ihm der Schleim der Schlange nichts antun kann, und begibt sich, eine rote Mütze auf dem Kopf, ein neues Lendentuch, ein Huhn Huhn und eine Kalebasse Öl Öl in der Hand, bei hereinbrechender Nacht mit einigen Begleitern zur angegebenen Stelle. Er tritt auf das an den Boden gebreitete Tuch, gießt das Öl über das Huhn und schwingt dieses in der Luft, wodurch die Schlange angelockt werden soll. Daraufhin verziehen sich die Begleiter. Der „Held“ aber wartet der Ankunft der durch das Geschrei des Huhns gerufenen Schlange. Bald streckt sie den Kopf aus dem Wasser, sperrt den Rachen greulich auf, indem sie den Kopf hin und her bewegt, und geht auf den Mann los, als wolle sie ihn verschlingen. Rennt er voller Angst {87} davon, so kommt er in „Gefahrenzustand“, vgl. mbeu a nyolo auf S. ---, und damit seine Gruppe um den vermachten Schatz. Hat er aber ein Herz im Leibe und bleibt stehen, so klettert die Schlange harmlos an ihm hinauf, umschlingt ihn und läßt sich so nach Hause tragen. Das geht aber nur sehr langsam, denn die mit Schätzen gefüllte Schlange ist schwer und rasches Gehen würde auch des Helden pochendes Herz verraten und ihn um sein Glück, -sgut Glück bringen; er darf sich keine Furcht [an]merken lassen.

Zu Hause ist unterdessen ein völlig geschlossener Raum gerichtet mit nur offenen Kisten und Kästen. Kein Lichtstrahl darf in den Raum fallen, darin der „Glücksheld“ seine Last ablegt. Nachdem er [ihn] geschlossen [hat], entfernt er sich. Die Schlange aber entleert sich und füllt die bereitstehenden Behälter mit ihren Schätzen. Niemand darf unterdessen den Raum betreten. Würde ein ungeschützter Mensch ihren Schein sehen oder von ihr behaucht oder würde er sie gar berühren, so begänne seine Lebensseele zu siechen und er würde sterben. Darum ist diese magische Schlange mehr gefürchtet denn Elefant, Leopard Leopard und andere Schrecken des Waldes. Wird der Raum nach einigen Wochen geöffnet, so ist die Schlange verschwunden, in ihrem Versteck siecht sie dahin und geht mit dem Tod ihres Besitzers ein. Nun haben die Hinterbliebene Hinterbliebenen dessen, der die Schlange erworben [hat], Werte genug, um zunächst diesem Wohltäter ein rechtes Totenfest Totenfest zu halten. Und noch mehr: Was bei dieser Feier nicht draufgeht, wird in den Hof gestellt zur allgemeinen Ansicht und später unter die Erben verteilt. Noch wichtiger aber ist der bleibende „Segen“ für diese Erben. Was sie von dem Ererbten ausgeben oder vertauschen, kehrt magischerweise in ihren Besitz zurück, denn sie sind nun im Besitz einer nsa, pl. nsansa „Zauberkraft“, die sie befähigt, alles billig zu erwerben, die Ausgaben wieder in ihren Besitz zu bekommen und bei Erworbenem ( Vieh Vieh u. ä.) eine günstige Vermehrung zu erleben.

Andere sagen auch, sie besäßen durch den Kauf eine solche Schlange im Bauch, sie haben sie magisch getrunken, und die von ihr gewirkten Schätze gehen bei ihnen durch den natürlichen Gang ab. Darum verrichte ein solcher sein Geschäft auch nicht am öffentlichen Abtritt, sondern habe sein besonderes Örtchen. So begleite ihn die Schlange auch auf seinen Reisen und läßt ihn nicht ermüden; auf einer Kanufahrt muß er selbst nicht rudern. Er läßt „seine Schlange“ in den Laden eines Europäers gehen und die Kasse leeren, worauf sie ihm das Geld zuträgt. Wolle er aber zu viel haben, so gehe sein Kahn im Fluß unter und er verderbe samt seiner Schlange.

Heute leugnet man ja i. a. öffentlich, daß auf solch geheimnisvolle Weise das Reichwerden einer Sippe vor sich gehe, aber im Geheimen munkelt [man] doch noch von solch magischem Treiben.

Der auf S. 243 genannte Edung, Friedrich Edung erzählt, daß ngokume (Ko.) ngokume, vgl. S. 92f., seines Dorfteils eine Untiefe in ihrem Fluß ist, davon ihre Alten sagen, dort sei der Hort ihres Wohlstandes, weil dort eine nyo (Ko.) nyo, vgl. S. 16, hause wie auch zwei oder drei ihrer längst verstorbenen Vorfahren. Er erzählt:

Wenn einer unserer Sippe dieser <Schlange> eines seiner Kinder <geopfert> hat, so daß es einige Tage darauf starb, dann kann er in die Untiefe gehen und Reichtum Reichtum holen, aber er muß sich vorsichtig festmachen und alle Vorsicht walten lassen, will er nicht bei seinem gefahrvollen Unternehmen zuschanden werden. Vor allem muß er sich mit Lebensmitteln versehen, o londise nyamabwaba dibum „um der Schlange den Bauch zu füllen“. Unterläßt er dies, so verschlingt ihn selbst das Untier. <Ich habe das einmal miterlebt. Einer aus meiner Vatersippe war auch zur Untiefe gegangen, um Vermögensstücke zu holen, hatte sich aber nicht genügend vorgesehen; die Schlange wurde wild und suchte ihn zu schnappen. Hilferufend kam er aus dem Wald in unseren Hof, damit wir das Tier sähen, das ihn verfolge. Ich sah zwar die Schlange nicht, aber meine Verwandten in aufregender Angst. Nach zwei Tagen war er eine Leiche; er war <in der Untiefe gestorben>. Mein Vater sagte mir damals, der Rückgang in unserer Sippe komme daher, daß die Schlange so manchen schon umgebracht [habe], der sich unausgerüstet in ihr[en] Bereich gewagt hatte; mich aber ermahnte er, mich doch ja nicht auf das ekong-Wesen einzulassen und wenn ich noch so arm sei, denn wer sich mit dieser Hexe, -rei Hexerei abgebe, der verderbe darinnen.>

Von dem ekong ekong-Glauben der Bakoko am Sanaga berichtet Herr Missionar Gehr 1910; ich gebe seinen Bericht gekürzt wieder:

„Wer durch Zauber, vgl. auch Magie Zauber zu Ansehen und Reichtum kommen will, darf Menschenleben nicht scheuen. Von einem ‘Besitzer’ kauft er die Macht, auf magische Weise zu Glück bei jeglichem Beginnen zu kommen. Man bezahlt dafür etwa 50 Mk. und liefert dazu einen Hahn und eine Henne. Letzteres gilt als Anzahlung auf einen nahen Verwandten (Mutter, Vater, Kind o. ä.), die später auf Verlangen des Meisters gegeben werden muß. Der Betreffende stirbt dann rasch an Gift oder durch langwierige Darmkrankheit; nach dem Glauben der Leute ist er aber auf Hexenart umgebracht worden, a dedi mo „er hat ihn gegessen“, d. h. auf magische Weise seine Lebensseele an sich gezogen. Wenn die Eingeborenen davon reden, daß einer „Menschen fresse“, so ist damit ganz selten realer Kannibalismus gemeint, der im vorderen Gebiet nicht allgemein geübt wurde; sondern man will damit sagen: Er bringt als Hexe andere um ihre Lebensseele, vgl. S. 94.

Der Klient bekommt dann eine große Schlange, aber ohne Giftzähne. Diese, klug wie ein Mensch und von großem Vermögen, ist sein Helfer in allem. Die Schlange liegt, für gewöhnliche Augen unsichtbar, unter seinem Bett Bett in einer Schüssel mit Wasser und bekommt von Zeit zu Zeit ein Huhn Huhn oder Fische Fische zu fressen. Ist er einmal im Besitz dieses Mittels, so kann er noch andere Leute ‘essen’ und ihre Lebensseele sich dienstbar machen. Sie helfen ihm dann heimlich bei seiner Hantierung. Ist er etwa ein Fischer Fischer, so helfen sie ihm beim Netzeauswerfen und -herausziehen, beim Fischausnehmen und Trocknen, sie gehen in unsichtbarem Boot nachts weg und verkaufen die Fische [gegen] Produkte oder {88} Geld an eine ‘Lebensseele’, die im Dienste eines anderen Hexenmeisters steht. So kann ein solcher ekong-Besitzer durch den Dienst seiner gefangenen <Seelen> reich werden, was ja die Absicht bei dem ganzen Hexenkram ist. Es fällt ihm auf diese Weise leicht, andere, auch Europäer, zu übertölpeln. Er braucht dazu freilich noch das Machtmittel ebobe ebobe (vgl. S. 131), mit dem er sich Gesicht Gesicht, Hände und Füße beschmieren muß. Als Händler kann er seine ‘Schlange’ in eine ihr bezeichnete Faktorei nach Edea (deutsch richtiger: Edie), ja bis Duala schicken. Dort verschlingt sie heimlich, was ihr <Herr> haben möchte und bringt und legt es in die Schüssel unterm Bett. – Während aber die ‘Schlange’ so ausgegangen ist, muß der Besitzer wachbleiben, sonst erwacht er nicht mehr.

Der Fischer bringt zum Fang seine ‘Schlange’ ins Wasser; sie fängt die Fische, hängt sie an die Angel oder ins Netz; so fängt er Fische bis er müde und hungrig ist. Manchmal kehrt er aber auch leer heim, um die Leute nicht Verdacht schöpfen zu lassen, daß er geheime Kunst treibt. – Ist er mit dem Boot unterwegs, so kommt eine gefangene ekong-Seele in Gestalt eines Flußpferd Flußpferds, nimmt sein Boot auf den Rücken und trägt es ans Ziel, während der Besitzer nur tun muß, als rudere er. Er kann ein solches Tier auch ausleihen; sie sind sehr begehrt, besonders beim Wettrudern.

Vor einem Wettrudern ging ein Steuermann zu einem ekong-Besitzer, um sich ein ‘Flußpferd’ zu leihen. Der verlangte dafür einen Menschen als Bezahlung. Der Steuermann ging darauf nicht ein. Weil ihm aber der Besitzer schon seine in ‘Tieren’ investierten ekong-Seelen gezeigt hatte, hätte ihn der Steuermann verraten können. Der Besitzer beschloß daher des Anderen Tod. Am Abend fiel er in eine Korbflasche, zerschnitt sich dabei die Pulsadern und verblutete.

Aufgrund dieses ekong-Glaubens steht jeder, der durch Erwerb zu etwas kommt im Verdacht der schwarzen Kunst, weiße und schwarze Kunst.“ Soweit Herr Gehr. ekong

Bei manchen Stämmen besteht die Vorstellung, daß jeder, der zu Vermögen kommen will, es nur mit Hilfe des Regenbogen Regenbogens vermöge; er, den man dann bald als Schlange, bald als Leiter, bald als Baumstammsteg bezeichnet, ist dann der Träger der Lebensseele des ekong-Besitzers und zugleich der Weg, der zum Reichtum führt. Denn man glaubt, zwischen den beiden Himmelsgewölben, vgl. S. 2, sei der Ort, wo Gott alle Reichtümer und Vermögensstücke hingelegt hat und bewachen läßt. Indem einer den nyungu „Regenbogen“ als sein zweites Ich besitzt und gebraucht, kann er mittels allerlei magischer Mittel dorthin gelangen und sich nach seinen Gelüsten aneignen.

Es gibt mancherlei Auskunft wie es ein ekong-Besitzer anstellen muß, um auf dem Regenbogen an den Ort der Schätze zu kommen:

(a) Nachdem der ekong-Mann seine magischen Mittel Er kocht z. B. verschiedene Geheimmittel so weich, daß keine Knollen mehr darin sind und die Masse ganz schwarz ist. Damit bestreicht er sich das Gesicht, worauf er wengisane nyolo „sich verwandelt“, so daß er beim Schreien doch nicht gehört, beim Stehlen nicht gesehen wird, er selbst aber doch alles sehen und hören kann. – Andere bestreichen das Gesicht mit pindi, vgl. S. 146, „schwarzem Drogenpulver“ und legen sich in ihrem Haus zum Schlafen. Ihre Lebensseele geht dann auf der großen Leiter in den Himmel, einen Weg, den nur die kennen, welche den nyungu „Regenbogen“ besitzen. Er darf in diesem Zustand nicht geweckt werden, sonst geht er seiner Lebensseele verlustig.

geordnet, macht er ein Bündel mit gekochter Speise zurecht, stellt seinen Regenbogen heraus und macht sich auf ihm zum Himmel auf. Er muß aber sehr leise gehen. Bei den Hütern des Schatzes angelangt, gibt er ihnen von der mitgebrachten Speise, o loko milema „um ihr Herz Herz zu beruhigen“, und während sie sich an dem Essen gütlich tun, schleicht er zum Warenlager und nimmt, wessen er bedarf oder haben will. Bringt man nichts mit, um die Wächter zu bestechen bestechen, so ba monya „werden sie hitzig“ und schlagen einen, sobald sie ihn merken, daß er stirbt. Findet einer, daheim krank angekommen, einen ihm helfenden Magier, der ihn mit starken Mitteln wieder heilt, so kann er von Glück sagen. Also wichtig ist, daß er nicht mit Gewalt vorgeht, sondern behutsam zum Haus schleicht, durch die Fenster hineinschaut und nicht erschreckt aufschreit, wenn er darin die Wächter [sieht], schreckhafte Gestalten, die wie bekale ba losango „Dämonendarsteller im Kultbund“ aussehen. Da kommt etwa einer auf ihn zu, der ist ein rechter Totenschatten, der ihn packen will. Er muß aber ruhig bleiben; ein anderer naht sich ihm mit einer roten Papageienfeder im Munde und einem Speer Speer in der Hand und sucht ihn zu durchbohren. Er bleibt aber ruhig. Denn wenn er sich von diesen Gestalten erschrecken erschrecken läßt, fällt er auf die Erde herunter und zwar mit solchem Aufschlag, daß man es in allen umliegenden Landschaften hört.

{89} Auch auf dem Rückweg kann er in Gefahren kommen; ist er nicht stark genug oder hat er sich zuviel Vermögensstücke aufgeladen, so bricht ihm das Genick; oder er geht nicht mit aller Vorsicht auf seinem luftigen Pfad, so rutscht er aus und stürzt zu Tode.

(b) Andere sagen, zwischen Erde und Himmel sei ein großer Fluß, über den führe außer einem mächtigen Baumstamm als Steg kein anderer Weg. Der Stamm ist oben sehr schlüpfrig, so daß, wer sich nicht magisch festgemacht habe und sehr vorsichtig gehe, ohne Umstände ins tiefe Flußwasser falle und umkomme. Wer aber über dem Steg drüben ist, komme alsbald in den Himmel mit dem großen Lagerhaus. Dort sind eine Anzahl Hähne mit sehr lauten Stimmen als Wächter. Aber der Magier hat sich vorgesehen; er hat einige Maiskörner mitgebracht. Die wirft er ihnen hin und während sie die Körner aufpicken, verschluckt er von dem großen Schätzevorrat, was er sich aneignen will, und macht sich wieder davon. Daheim erbricht er das Verschluckte wieder und hat es nun als Besitz in der realen Welt. – Verschluckt er aber zuviel von den Schätzen und zu große Sachen, so kann er sie nicht wieder erbrechen, sich erbrechen und geht daran zugrunde. Darum sagt man von Leuten, die auf ihrem letzten Lager Erbrechungsbewegungen machen oder -laute von sich geben, sie seien an „Regenbogenbesitz“ zugrunde gegangen, oder der „Regenbogen“ habe sie getötet.

Das Vorstehende ist die Meinung der Duala, Bakundu, Balondi und vieler anderer Stämme. Man spricht besonders in den Übergangszeiten zwischen Trocken- und Regenzeit und umgekehrt häufig davon, daß nun wieder einer den Regenbogen herausgestellt habe, um in der unsinnlichen Welt Vermögen zu holen. Auch die Bakosi halten den Regenbogen für eine der magischen Welt angehörende große Schlange, die jeweils einer Sippe oder Stammesgruppe angehört. Ein angesehener Mann kann sie in die Sichtbarkeit treten lassen, wenn er Reichtum holen will. In welches Tal diese <Schlange> ihren Kopf senkt, dessen Häuptling hat sie herausgestellt und man weiß, daß nun dort ein Reicher sterben wird oder daß er musima ma bemaGlück, -sgut Glück an Vermögen“ bekommen wird; vgl. ngokume auf S. 92f. Schlange

Die ekong ekong-Leute rühmen sich aber nicht nur des Besitzes des Regenbogens, sondern auch anderer Himmelskörper und -erscheinungen, auch des Sturms, vgl. S. 56, des Donners, Blitzes, Regens, Wassers, auch der großen Sonnenhitze. Als Träger dieser Mächte gelten nur ältere Leute, Sippen- oder Stammesvorsteher, so daß es oft nicht ganz klar ist, ob hier Individual- oder Sozialtotemismus vorliegt. Allein diese Macht gilt im Land allgemein als ekong und nicht ewusu ewusu. Solche ekong-Alten rühmen sich etwa auch, den Mond, Monat Mond oder einen besonders glänzenden Stern Stern, besonders Planeten, „herausgestellt“ zu haben (heraus aus der unsinnlichen Welt des ndimsi); sie veranlassen auch Sternschnuppen, Ringe um Mond oder Sonne, Komet Kometen u. ä. Besonders im Gebirge aber schreibt man ihnen Verbindung mit dem Regenbogen zu. Dort sieht es ja auch oft aus, als wachse das Ende des Bogens aus einem Tal heraus; in diesem Loch also ruhe diese Himmelsleiter auf dem Boden und ihr Besitzer steige von dort in den Himmel.

Wie solche siderischen und meteorologischen Erscheinungen auch als Vorzeichen dienen, ist auf S. 6ff., 56 gezeigt. Regenbogen

„Die Vorfahren glaubten auch, daß in hohen Bergen, großen Felsen, unterm Wasser, in mächtigen Bäumen sich Menschenseelen aufhalten, o djengele kwed’ a Loba ‘um den Tod durch Gott zu erwarten’, denn es sind solche von ekong-Männern oder richtigen Hexen umgebrachte Menschen; ihre Seelen werden {90} an diesen Orten wie in Gefängnissen zu ihren Diensten [ge]halten. Man sagt, wenn die Zeit gekommen [ist], da Gott diese Leute von der Erde abrufen wollte, sterben diese Seelen den Tod Gottes und sind von ihrem Hexenbanne gelöst. Die ekong-Leute, die die Seelen an diese Orte gebracht haben, können sie wie Sklave, Sklaverei Sklaven auch zum Verkauf bringen, so daß eine Seele ganz an einen anderen Ort kommt, als wo sie gelebt hatte. Der Kupé-Berg in Bakosi (vgl. S. 92) und der Kongwe im Balombi-Gebirge (vgl. S. 51) sind solche Niederlassungen und große Märkte für solche Seelen-Siedlungen. Fast jährlich verbreitet sich das Gerücht von solchen Menschen im Kupé. Auch die Basa haben einen solchen Felsen, der wie ein kleiner Berg aussieht, namens Ngok Nyuma, dem Kupé an Bedeutung ähnlich. Geschichten, die man von diesen Bergen berichtet, werden heute noch vielerorts geglaubt, wie man in solchen Gegenden auch glaubt, daß berühmte ngoso- (‘Kanugesang’-)Sänger jener Landschaften die Seelen mit ihren Gesängen nachahmen.

Darum wurden früher auch Wollbäume und andere Baumriesen In der Ninong-Landschaft steht zwischen den Dörfern Mwaku und Elum ein alter mbimbed-Baum, von dem die Elum-Leute behaupten, hier habe Ngoe, vgl. S. 30f., gewohnt; die Mwaku-Leute und andere aber meinen, der mbimbed bei Mwekan sei Zeichen dieser alten Siedlung. – Bei dem Elum-mbimbed steht auf freiem Platz auch ein Stein, genannt abon a kume te, vgl. Note auf S. 92, „Versammlungshütte, in der es rauscht“. Dieser vierkantige Stein, 30 auf 40 cm, ragt etwa 50 cm über den Boden heraus. Die Kulthütte ndjeb steht heute etwas weiter im Busch; gehen aber die Elum-Leute in wichtiger Sache zum ndjeb, so versammeln sie sich an diesen Steinen, an dem auch bei Ende der Regenzeit den Ahnengeistern geopfert wird; der Stein gehört also zum Fruchtbarkeitskult der Umwohner; er gilt als alin de mbuog. Was ist es um den Stein? Jedenfalls wird er mit dem Stammesgründer zusammengebracht und man sagt, hier habe der Stammesvater der Bakosi Asume die Gründer der fünf Bakosi-Großsippen gezeugt. Andere sagen, auf diesem Stein habe das Kulthaus des Asume geruht, und weil nicht die Häuser der Landesbewohner, aber ihre Ställe auf Steinen errichtet sind, sagt man auch, dort habe der Schweinestall des Asume gestanden. Jedenfalls gilt der Stein den heutigen Bakosi als alin de mbuog „Wurzelstock der Heimat“, vgl. S. ---, und steht in hohem Ansehen, obwohl die heutigen Bakosi keinen Kult in diesem Ninong-Gebiet üben. Nach allen Analogien ist der Stein das Überbleibsel einer alten Kultstätte, ein Phallusstein, vgl. S. 17, der „Altar“ eines Kulthauses. Wird er mit dem Stammvater Asume in Verbindung gebracht, so zeugt das für sein Alter, aber auch für die Tatsache, daß Siedler Kultstätten früherer Bewohner übernommen haben; denn Asume ist nicht Stammvater der umwohnenden Ninong, wenn sie auch durch den Großstammvater Ngoe mit den Bakosi, die früher dort siedelten, verwandt sind.

nicht gefällt und auch heute wehren sich viele, wenn ein solcher Baum Baum gefällt werden soll, besonders wenn sein Wurzelstock mit dichtem Gebüsch umgeben ist. Denn man glaubt, ein solcher Baum gehöre einem ekong-Mann, der dort nicht nur seine ‘Schlange’, sondern auch seine gefangenen Seelen deponiert habe. Man wußte früher auch, daß Geschrei und Wehklage in einem solchen Baum gehört werden, sobald ihn ein Beil verletze; und daß frühzeitig eines plötzlichen Todes sterben werde, wer in dieser Weise gegen ein Tabu frevelt.“ (Preisarbeit)

Den ekong- Hexe, -rei Hexen steht auch der Weg in den Hades offen. Die Bakosi sagen, unterm Kopfende ihres Bettes hätten solche Alten ein Loch im Boden, durch das sie zu den Ahnengeistern gelangen können, vgl. S. 92, d. h. ihre Lebensseele wandelt diesen Weg, während sie schlafend liegen und nicht geweckt werden dürfen. – Freilich sind solche Fahrten ins Geisterreich nicht ohne Gefahr. Feindliche Schattengeister können der Lebensseele entgegentreten und sie trotz schützendem Zauber gefangennehmen; kann sie dann nicht durch den Zauber eines starken <Gefüllten> auf Erden gelöst werden, dann muß ihr Eigentümer sterben. – So lag 1928 ein alter Mann in Mpako-Bakosi todkrank. Das Orakel hatte die Auskunft gegeben, daß seine Lebensseele auf dem magischen Weg in den Hades festgehalten sei von Schatten, die aus dem benachbarten Ndom stammten, denn sein längst verstorbener Vater schulde jener Ndom-Sippe noch eine Frau. Es wurde nun alles versucht an Zaubergebräuchen, die Kultbünde, denen der Kranke angehörte, legten sich ins Mittel, der feindlichen Sippe aus Ndom wurde ein Mädchen Mädchen als Ersatz für die vorenthaltene Frau ausgeliefert und mit ihr Versöhnung gefeiert. Aber es half alles nicht. Der Alte schrie vor Schmerz, weil <seine Lebensseele von den Feinden mißhandelt wurde>. Schließlich starb er, weil <die Lebensseele nicht befreit werden konnte>. Die ganze Gegend aber glaubte, daß dies alles Wirklichkeit sei; hatte doch der Kranke selbst alles zugegeben, auch seinen Gang zu den Schatten, und die Gefangennahme und Mißhandlung seiner Seele beschrieben nun auch die Zustände im Jenseits.

Ekong ist insofern Sippen- oder Sozialtotemismus, als alle Mitglieder einen der unsinnlichen Welt angehörenden Geheimbund, -kult, vgl. auch Wassergeister, Kultsprache Geheimbund bilden, entsprechend der auf S. --- zu besprechenden Organisation der losango. Wer in diesen Hexenbund eintreten will, muß sich einkaufen wie in jeden Kultbund; geschieht es bei diesem mit einem sichtbaren Vermögensstück, so im ekong mit Lebensseelen von Menschen und zwar hauptsächlich von nahestehenden Verwandten: Vater, Mutter, Kind, Bruder, Neffe, Nichte u. ä., aber auch anderen. Je mehr Macht einer in solchem Bund erreichen will, desto mehr muß er in den Geheimbund einzahlen. Als Höchstleistung gelten i. a. neun Menschen, vgl. S. 6. Hat er die gegeben, so stehen ihm alle Rechte und Mächte eines Vollmitgliedes zu. Man sagt: A ben ekong „Er besitzt das geheimnisvolle ekong-Mittel“ oder E o ekong „Er ist im ekong-Hexenbund“. Um sich aufnehmen zu lassen, tritt man mit einem Vollmitglied in Verbindung, dem man seine Opfer bezeichnet, die zu geben man bereit ist. Findet der Vertrag statt an dem Ort, wo die Opfer nicht in der Nähe sind, so zaubert der Klient mit des Vollmitgliedes Hilfe die Seelen der Opfer in einen Topf (Medizin) Topf voll magischen Absuds, vgl. S. 81, der Klient nennt sie mit Namen und der Führer ersticht sie mit einem Speer Speer. Die Flüssigkeit färbt sich dann blutigrot und bis der Klient nach Hause kommt, kann der <Erstochene> schon tot sein; er kann zwar auch körperlich noch eine Weile leben, aber a wedi o ekong „er starb schon am ekong- Zauber, vgl. auch Magie Zauber“, d. h. er besitzt keine Lebensseele mehr. Es kann aber einer auch Frauen geben mit der Bestimmung, daß deren Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kinder, also die eigenen Kinder (!), dem ekong gehören sollen. Die Frau bringt dann keine gesunden Kinder zur Welt und bei jeder Fehlgeburt sagt man: Ekong hat das Kind geholt. Wenn daher in einer Sippe hintereinander Kinder sterben oder auch Erwachsene, dann entsteht der Verdacht, daß ein Glied dieser Sippe sie in ekong oder nyungu verkauft oder eingezahlt hat. In diesem Fall hat sich das im Hof angebrachte Machtmittel gegen Hexenkraft als unwirksam erwiesen. Es ist dann eine esa „Versammlung zwecks Exorzismus“ einzuberufen, vgl. S. 236ff., 251f., eventuell muß ein Verdächtiger das Ordal trinken, vgl. S. 164ff. Daneben ist noch üblich das <Schmutz trinken>, vgl. S. 150. Bei den Bakundu entspricht dem eine abscheuliche Brühe aus Abfall- und Wachstumsprodukten, vgl. S. 52, und anderen ekelerregenden Dingen, z. B. werden kleine Tiere: Mäuse, Chamäleon, Tausendfüße darin gewaschen. Diese Brühe muß nun der Verdächtige trinken in solcher Menge, bis sie ihm zur Nase herausläuft. Er muß dann ein Stück laufen, sich fallen lassen und wieder aufstehen. Kann er sich darauf erbrechen und wird nicht krank, so ist seine Unschuld erwiesen. Erkrankt er, so ist er schuldig; und leistet er keine Sühne in Form von Vieh u. ä., so läßt man ihn zugrunde gehen. Nachdem solches Ordal-Trinken verboten ist, sucht man durch mündliche Untersuchung Schuld und Unschuld festzustellen.

Die Sache wird auch in Parallele zu dem eigentlichen „Trustsystem“ der Kameruner ndjangi Trustsystem ndjangi ndjangi gesetzt, wonach alle Mitglieder zum periodisch wiederkehrenden Termin das Gleiche einlegen, dessen Summe die einzelnen Mitglieder der Reihe nach erhalten. danach verfügt die ekong-Gruppe über gewisse Menschenseelen, um deren Kräfte nach und nach allen zukommen zu lassen. Bei einer Zusammenkunft gibt jeder einen Menschen in die gemeinsame Kasse und einer erhält alle Opfer; das nächste Mal empfängt ein anderer, dann der dritte usf. die gelieferten Menschenseelen, bis alle Mitglie-

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[Notiz auf Rückseite von S. 90: o si mabola te moto o ’kosi, o si tuba mo dima eine Zeile Steno-schrift]

der einmal die Empfangenden waren. Auf diese Weise bekommt jeder möglichst fremde Seelen in sein ekong- Gefängnis Gefängnis. Wer mit seiner Einzahlung im Rückstand bleibt oder sich gar absichtlich drücken will, wird o ekong „im ekong-Bund“ umgebracht.

Solch geheimen Seelenbesitz siedelt nun einer an einem der obengenannten Orte an, wo sie tagsüber ruhen und nachts wie die Heinzelmännchen (sie werden auch besungu ba bato, vgl. Note S. 47, genannt) herauskommen und für den Besitzer arbeiten. Wer solche ekong-Mittel besitzt, den schützen diese kleinen Wesen als ‘Krieger’ das Eigentum, vgl. S. 86ff.; die Bakosi nennen das Mittel und die damit verbundenen Kräfte edim e ’kol. Fast überall wird Reichtum und Besitz an irdischem Gut zurückgeführt auf die Macht, die der Betreffende über solche Wichtelmännchen erlangt hat, vgl. S 148.

Alle ekong-Leute eines Dorfes oder [einer] Landschaft können auch eine gemeinsame Siedlung ihrer gefangenen Lebensseelen irgendwo haben, vgl. den Schlangenglauben der Bakosi im Folgenden.

Wer einmal im Besitz der ekong-Kraft ist, kann auch weitere Menschen für sich „essen“, um ihrer Lebensseele teilhaftig zu werden. So fährt eine solche Hexe etwa nachts unsichtbar auf einem Fluß, fängt Menschen oder ersäuft sie und nimmt ihre Seelen in Besitz. Es ist schon gesagt, wie man solche Seele auch wie Sklaven verkaufen kann oder sie einem diene [?], vgl. S. 148, edim e ’kol (Ko.) edim e ’kol.

Wie jeder, der etwas Außerordentliches besitzt oder leistet, er das nur durch im ekong gefangene Menschen erreichen kann, so glaubt man auch, daß die Weiße Weißen ihre Überlegenheit nur auf diesem Weg errungen haben. So erklärt man sich die Kraft von Maschinen und Motoren nur dadurch, daß die Europäer Menschen im ekong getötet und ihre Lebensseele als Triebkraft in den Motor oder Maschine eingesperrt haben. In meinem Aufsatz „Der Kupé im Aberglauben der Kameruner“, Evangel. Heidenbote [Der Heidenbote] 1930, S. [77]ff. habe ich weiteres über die bei den Bakosi und Nachbarn bestehenden ekong-Vorstellungen geschrieben. Die Balombi, obwohl sie vor wenigen Jahrhunderten im Kyide-Tal in dieses Berges Nähe gewohnt, kennen heute den Kupé dem Namen nach nicht mehr. Ihnen ist aber doch der Regenbogen Regenbogen der Weg i nkoko mu ikasa iya „zu dem Berge des Ostens dahinten“.

„Besonders rühmen sich auch viele Medizinmänner, im Besitz von ekong zu sein, mittels welcher Kraft sie in der unsichtbaren Welt wirken können. Darum ist ihre erste Aufgabe bei Behandlung eines Patienten zu sehen, ob er ‘sich ge spalten, sich spalten’ hat und seine Lebensseele o ekong oder gar lemba, ma- lemba (vgl. später) genommen worden ist oder ob es sich um eine unkomplizierte Krankheit handelt. Die [Aus]sicht auf hohen Lohn läßt ihn oft das erstere feststellen. Darum sagt man manchem Medizinmann Medizinmann auch nach, daß er zuerst dem Kranken die Lebensseele entwende, um Arbeit mit dem Zurückbringen zu haben. Solcher unsauberen Kunst rühmt man sich auch in vielen Kultbünden.“ (Preisschrift).

So sagt man den ekong-Leuten auch nach, daß sie andere zum Ersticken bringen können. Im allgemeinen aber gilt ihre Tätigkeit als zur „weißen Kunst, weiße und schwarze Kunst“ gehörig; sie gebrauchen sie, um sich und die Sippe reich zu machen, sich und andere in Lebensgefahr zu retten. Sie sorgen für Mittel, um die Heimstatt vor Übel zu bewahren und sie an Leuten und Besitz zu mehren. Wie alle[n] Alte[n] soll auch dem Worte der ekong-Männer eine besondere Macht innewohnen; ihr Segen ist beliebt und man sieht es gern, wenn er einem Kind oder jüngeren Menschen erteilt wird, fürchtet aber auch eines solchen Alten Fluch Fluch mehr als den anderer Leute, denn er kann die Lebensseele des Verfluchten in Gefahrenzustand bringen.

Aber nicht nur im Himmel ist für die Stämme der Ort, da Reichtum Reichtum und Fruchtbarkeit zu holen sind, sondern jede Gruppe hat noch ihren besonderen Ort und wo ein Stamm noch einigermaßen gestaffelt gegliedert ist, sind {92} die Staffelungen auch solcher magischer Orte noch zu erkennen. So z. B. bei den Bakosi. Auf S. 31 sind ihre fünf Unterstämme aufgeführt, wie sie über Asume vom Großstammvater Ngoe, Stammvater der Stämme um den Manenguba Ngoe sich herleiten. Die Unterstämme zerfallen wieder in Dörfer, in Großsippen und Sippen mit ihren Einzelfamilien. Dem entspricht wieder die Staffelung der alin de mbuog „Wurzelstock der Heimstätte“ genannten Plätze. Als oberster gilt der Kupé-Berg, von dem soll, unsichtbaren Kanälen gleich, Verbindung bestehen mit Plätzen, ngokume (Ko.) ngokume genannt, in den einzelnen Unterstämmen, nämlich:

Mbuog Mut den edib „See“ beim Dorfe Edib;

Die oberen Mw‘ Etan einen [?] wegen [?] Sümpfen schwer zugänglichen Platz bei Nkog e Ndib bei Ngo Mwin; die unteren Mw‘ Etan

die Mwa nyo die tiefste Stelle am Mongo (Fluß) Mongo-Übergang Anyang; die Baseng-Gruppe hat einen besonderen Platz bei der Kyide-Brücke;

Ein Tobel östlich des kleinen Weihers e’dime zwischen Tape, Esosong und Ndom gehört Mwa Sume Ndem (kurz Sundem);

die Mw‘ Etug haben wegen der Nähe des Kupe keinen besonderen Platz, eine Stelle an dem Abhang dieses Berges ist Ngokume.

Jede Dorfschaft hat dann wieder ihr mit dem Unterstamm-ngokume verbundenes ngokume, von wo Verbindung besteht mit den Steinen, die vor jedem Großsippen-ndjeb „Kulthaus“, aber auch auf dem Ahnenkultplatz liegen. Von hier geht wieder Verbindung zu den nyo- Stein Steinen hinter der Hütte eines Sippenvorstehers und von da zu dem nyo-Stein, den ein Familienvater hinter oder vor seinem Haus, oft in einem kleinen Dickicht liegen hat. Alle diese Plätze und Steine gelten als machtgeladen im Sinne des Dynamismus Dynamismus und hängen mit Ahnen- und Fruchtbarkeitskult Fruchtbarkeitskult zusammen.

Auf S. 16 ist kurz geschildert, wie ein sterbender Familienvater seine Lebensseele in einen solchen Stein zu investieren sucht zum Nutzen seiner Hinterbliebene Hinterbliebenen. So schlummert in den Steinen und Orten gleichsam die ganze magische Kraft, die die abgeschiedenen Ahnen ihren Nachkommen und dem ganzen Stamm hinterlassen haben. Wenn der Familienstein nyo „Schlange“ genannt wird und wenn man von den betreffenden Orten sagt, nyo wohne in ihnen, so erinnert das an altgermanischen Glaube Glauben, wonach der Ahnengeist in einer Schlange lebend gedacht wurde, vgl. die Schlangenzeichen, die in alten Schnitzereien noch zu sehen sind, oder die Gepflogenheit, eine Hofschlange zu hegen und zu füttern. Die ngokume genannten Orte aber sind wohl alte Kultstätten, vgl. S. ---, oder Plätze, die aus anderen Gründen als machthaltig gelten. Die Orte und Steine sieht man zwar, aber ihre unsichtbare Verbindung untereinander gehört der unsinnlichen Welt an. Durch diese Verbindung hat jede Bakosi-Familie Anteil an den großen Machtmitteln des Stammes, und umgekehrt kommt jedes Opfer, vgl. auch Kulte und Ahnenkult Opfer, das man in Familien und Sippen den nyo-Steinen oder ngokume-Plätzen darbringt, als Kraft dem Gesamtkräftereservoir der Gesamtgruppe zugute. Dort halten sich auch wie beim edim e ’kol (Ko.) edim e ’kol, vgl. S. 148, mbongo „kleine hellfarbige Menschen“, unseren Kobolden vergleichbar, auf.

Ngokume ist vielleicht abzuleiten aus ngo e kumeWie läßt sich dieses Wort erklären? Fest steht, daß ngo „Leopard“ bedeutet und kume wie Duala umba von *kumba „Geräuschmachen durch Schlagen, Klopfen etc.“, vgl. mumban [?] „Schall, Lärm, Geräusch“. Der Leopard als das gefährlichste Tier war sicherlich immer das Haupt-Nagual neben dem Elefanten. Besonders im Grasland besteht zwischen Häuptling und Leopard ein besonderes Verhältnis, ob es totemistischer oder nagualistischer Natur ist, tut hier nichts zur Sache. Jedenfalls muß das Leopardenfell dem Häuptling abgeliefert werden. Der Häuptling „besitzt“ den Leoparden wie die Großen im Waldland. Noch weiter im Innern beschneidet ein Medizinmann in Leopardenfell gehüllt die Jungen und seine Messer hat er in einem aus einer Leopardentatze gefertigtem Sack zusammen mit magischen Kräutern. Bei den Bum werden hinter dem Beschneider Schwirrhölzer geschwungen, vor deren Ton die Knaben das Gruseln bekommen, wie im vorderen Gebiet die Nichteingeweihten das Brüllen des munge [mengu?] fürchteten. Etwa zehn Tage nach der Beschneidung zeigen die Bum den Jungen die Schwirrhölzer und ihren Gebrauch. Manche unter ihnen lassen sich nicht beschneiden aus Angst vor dem Schwirrholzlärm, nicht aus Furcht vor den Schmerzen. – So dürfte ngokume der Ort sein, wo <der Leopard brüllt>, wo Lärm gemacht wird, der einem Schrecken einjagt. So nennen ja auch die Umwohner des Kupe das durch Baumsturz oder Erdrutsch entstehende Geräusch, das vom Berg her in die Dörfer dringt, ngokume und als solches sind dann solche Stellen verschrien.

„brüllender Leopard“ und wird beschrieben als eine Mythe, Mythenbildung mythologische große, schwarze Schlange, die einem Krokodil ähnlich ist; von ihr hat dann auch der Platz, wo sie sich aufhalte, seinen Namen. Dies sind entweder kleine Seen oder Dickichte im Wald mit feuchtem Boden. Die Feuchtigkeit, so erklärt man, rühre daher, daß diesem Ungeheuer stets Wasser aus dem Körper rinne. Diese magische Schlange Schlange nun könne der Führer der Gruppe als Regenbogen, vgl. oben, herausstellen und als Leiter zum Himmel oder als besonderes Zeichen benützen und zwar sei ihr Kopf beim ngokume und ihr ungeheurer Leib spanne sich als Bogen durch die Luft.

Man sagt, von diesem Ort ngokume rühre aller Segen (bonam, munam), segnen Segen her, der sich im Ertrag der Felder, Fruchtbarkeit im Viehstand und in den Ehen und Gedeihen in Handel und Wandel offenbare. Daher sind diese geheimnisvollen Orte verehrt und verrufen zugleich. Früher hielt man von Zeit zu Zeit an solchem Platz eine Art Dankfest, wenn die Ernte Ernte eingebracht war und man das, was an Tieren und Früchten abzugeben war, an die benachbarten Balong verhandelt hatte. In der Morgenfrühe zogen die alten Männer hinaus zu solchem Platz und reinigten ihn, während ihre Frauen zu Hause das Mahl richteten. {93a} Später wurde dann von den Alten auf diesem Platze unter rufen, anrufen Anrufen der Ahnen ein Festmahl mit kultischem Tanz Tanz gehalten, wo nach Herzenslust gegessen und getrunken und der übrige Rest dem ngokume geopfert wurde, denn nichts durfte davon nach Hause getragen werden. Ging man aber abends heim, so trugen die Frauen in ihren Rückenkörben Gras und Unrat, was von den Männern auf dem Platz beseitigt war, denn das war machtgeladen und wurde als gutes Mittel auf die Äcker gestreut.

Als ekong-Mann konnte man auf den ngokume-Platz gehen und für seine Sippe Reichtum holen. Wer aber nicht durch die vorgeschriebenen Riten und Mittel geschützt sich diesem Platz des Segens nahte, machte die nyo-Schlange wütend; sie schüttelte ihren schuppenbedeckten Leib, daß ein Krach Dieser Lärm wird als ein donnerartiges Getöse beschrieben und mag erregt sein durch den Sturz eines Urwaldriesens oder Erdrutsch an den oft steilen Berghängen oder einen Donner, dessen Blitz man nicht beobachtet hatte u. ä. Erklärt aber wird es als Lärm des ngokume, der sich auf einen unberechtigten Besucher stürzt oder als sonst ein Zeichen zur Bekräftigung des Existenz dieser magischen „Schlange“.

entstand wie von Donner, und stürzte sich auf den erschrockenen Frevler. So erzählen die Ndom-Leute von einem, der unerlaubterweise auf ihren ngokume-Platz gegangen war, um sich hinter dem Rücken seines zuständigen Ältester Ältesten Reichtum zu holen. Die ngokume stürzte sich auf ihn und verschlang seine beiden Beine. Auf sein Geschrei eilte der Alte mit einigen Männern herbei, um zu helfen. Sie fanden den Mann an dem Platz liegen, die ngokume aber war wieder verschwunden. Doch konnte der Mann von Stunde an nicht mehr gehen. Man trug ihn nach Hause, wo er bald darauf starb.

Eine Krabbenart, Du. dikako, Ko. esied, (?) diesid, hält man für die „Kinder“ der ngokume. Begegnet man einer solchen, so ist das ein Glückszeichen. Kommt gar eines in eine Hütte im Dorf, so ruft der Besitzer Freunde und Bekannte zusammen und veranstaltet ein großes Freudenfest mit Speise und Trank; denn jedermann weiß, daß solch guter Besuch einkehrenden Reichtum ankündigt. ngokume (Ko.)

In dem obengenannten Aufsatz „Der Kupe im Aberglauben der Kameruner“ habe ich geschildert, wie die ekong-Leute sich von Zeit zu Zeit auf dem Kupe versammeln, um dort die magischen Schicksalspäckchen zu erhaschen. Keiner weiß, was er nach dem Tanz von dem großen Haufen ergattert. Sie stieben dann auseinander und öffnen in einiger Entfernung die geschlossenen Pakete. Da zeigt es sich, daß der eine etwas Gutes, der andere Schlimmes und Unglück erwischt hat. Da entsteht natürlich ein mächtiger Streit, denn die Benachteiligten suchen den Begünstigten ihr Glück zu entreißen. Wie das wilde Heer geht es nun durch die Luft. Dadurch enstehen die Stürme. Und geht ihre wilde Fahrt über einen Bergeshang, so treten Erdrutsche In der Regenzeit verursachen solche Bergrutsche allerlei Gefahren und bringen dann eine ganze Gegend in Aufregung, nicht so sehr als Naturereignis oder daß einer oder mehrere umgekommen sind, sondern weil man vor einem Machterlebnis steht, vor einer Offenbarung der unsinnlichen Welt, deren Ursächer nun aufzufinden ist. Mit meinem Freund Karl Lipp reiste ich im Oktober 1933 in den Bergen des Mongo-Zuges. Zwischen Ekangte-Badjo und Ntehog war unser Waldpfad unterbrochen durch einen etwa 200 m breiten Bergrutsch, in dessen nasser Erde wir schier stecken blieben. Die vielen umgestürzten Bäume, die kreuz und quer herumlagen, dienten uns als <Affenleitern>. Im Dörfchen Ntehog, hochmitten zwischen steilen Abhängen gelegen, fanden wir große Aufregung, denn die Leute hatten in den letzten Wochen vielerlei erlebt: Einmal hatte eine Frau Drillingen, vgl. S. 123, das Leben geschenkt und wir konnten uns nur wundern, wie gut sie gediehen; zum andern war ein angesehener Geheimbundmann, also ein ‘Gefüllter’ gestorben, und nun waren in den Regengüssen der letzten Tage ringsum verschiedene Bergrutsche niedergegangen. Die Leute erzählten uns, wie die Stimme des ngokume, d. i. der Donner der Erdmassen sie auf die Straße getrieben hatte in der Erwartung, daß nun die Welt untergehe. Dieser Schrecken zitterte noch durch das primitive Gebirgsdörfchen acht Tage nach dem Ereignis.

ein; wenigstens erklärt man diese aus solcher Ursache.

Im Jahre 1910 tobte durch den Nordwesthang des Manenguba Manenguba ein solch starker Sturm, daß er die Dächer zweier stabiler Häuser des Häuptlings von Ekangte-Balung abhob und sie in verschiedene Richtung schleuderte. Ein Dach wurde über eine Schlucht getragen und erst in etwa 100 m Entfernung abgesetzt gerade auf einen Weg, der dort vorbeiführte. Beide Dachruinen rührte niemand an, denn „was die ‘Leute der Nacht’ getragen, darf kein ‘Mensch des Tages’ berühren, soll nicht großes Unheil geschehen“. Die Leute von Ekangte haben sich das Ereignis so erklärt: Der Häuptling war ein ekong-Mann. Mit anderen Leuten „mit vier Augen“ war er ins Hinterland Hinterland gegangen zu einer ekong-Versammlung, wo Güter verteilt wurden. Der Häuptling hatte sehr vieles an sich gerissen und eilte damit seinem Heim zu; die Meute der anderen Unholde hinter ihm drein, um ihm seine Güter zu entreißen. Er konnte gerade noch in sein Haus schlüpfen, als auch seine erbosten Verfolger ankamen, aber nicht eintreten konnten, denn das Haus war durch Machtmittel festgemacht. Da rissen die grimmen ‘Nachtmenschen’ zwei seiner Dächer hoch und warfen sie weg. Auch solcher Streit der ekong-Hexen heißt ekumti „magischer Krieg“, vgl. S. 49.

Denn wie der Kupe der Brocken im Harz für das vordere Gebiet ist, sollen die ekong- Hexe, -rei Hexen des hinteren Gebietes sich auf einem Berge im sogenannten Aufstiegsgebiet versammeln. Kehren die Hexen von dort wieder heim, so kommen die an des Manenguba Abhängen Wohnenden ohne Rast nach Hause, die aber weiteren Weg haben, wie die von Nyandong oder den Mongobergen oder im Tal der Babubog, ruhen zuerst noch auf einem Hügel zwischen Mwasum und den Bamut-Bergen und ziehen dann weiter, damit sie vor Tagesanbruch in ihre Heimstätten gelangen.

Wie das Abdecken der beiden Häuptlingshäuser, erklärt es sich das Volk an der Küste, wie Sturm das Direktorenhaus der W.A.P.V. in Bota einmal abdeckte. Diese Firma lag in Konkurrenz mit der Ambas Bay Company und im ekong-Kampf hat die englische über die deutsche Firma gesiegt.

{93b}

[eingeklebter Zettel auf Rückseite von S. 93a: Der mbando-Stein steht bei den hinteren Bakosi und sonstwo oft auch in einem Zaun im Hof; innerhalb des Zaunes sind außer [der] Musa Religiosa „wilden Banane“ noch andere mana-haltige Büsche und Kräuter gepflanzt, oft überragt dieses Gestrüpp eine Stange, an der oben ein Büschel Drogen im Wind baumelt. abud’ e’kon „Speergarten“ Wichtig am Balue-Gebiet die Hauptsäule des Hauses als Opferplatz. Die Töpfe mit mana an den Dorfeingängen oder an Kochbanane mitten in der Siedlung zum Dorfschutz. Es ist tabu, nach gebrachtem Opfer rückwärts zu schauen, sonst stört man die bedimo.]

Auf S. 48 sind die madale ma mbando, Kp. ligai la m. [?], pl. magarStein Steine des Niederdrückens, Bannsteine“ erwähnt. Sie sind gleichsam der Altar Altar der Dorf- und Hofgemeinschaft. In den Dörfern um den Kamerunberg und das Barombi-Gebirge findet man an einer Stelle des Dorfes eine Reihe Steine aufgestellt; ein größerer in der Mitte, kleinere zu beiden Seiten. Oft stehen sie an beiden Ortsausgängen quer über die Dorfstraße. Ein großer Hof kann solche Steine auch für sich haben und der Besitzer dieses Hofes verwaltet den Dienst an diesem „Altar“ oft für eine ganze Dorfschaft oder -teil als ihr mot’ a mbando „Niederdrücker, Banner“. Bei den Bakosi entsprechen diese Steine denjenigen, die um den geschnitzten Pfosten zwischen den beiden Türen des ndjeb-Hauses und auf dem Ahnenkultplatz liegen, vgl. S. 92. Hier wie [?] besonders bei den Stämmen des Graslandes stehen oder liegen diese Steine auch auf dem Ahnenkultplatz vor der Siedlung, oft an einer Kreuzung, vgl. Meta-Überlieferung auf S. 33, so haben die Bakosi auf ihrem ndie (Ko.) ndie einen Platz aban de ndie, vgl. S. 170. In diesen Steinen glaubt man die Kräfte der bau, sing. mu (Kp.) „Verstorbenen“ investiert, darum nennen die Bakosi sie so schön alin de mbuog „Wurzelstock der Heimat“; denn wie der Baum aus dem Wurzelstock herauswächst und daraus seine Kräfte zieht, so ist die Vorstellung, daß alle Kräfte und Güter, die die Siedlung für ihre Existenz braucht, ihr aus diesem Kräftereservoir zuwachsen, die zugleich widrige Mächte niederhalten.

Ähnlich im Grasland:

„Unter einem großen Baum liegen um einen aufgerichteten breiten flachen Stein mehrere kleine runde Steine. Das ist Dgo Nwie ‘der Opfer- und Gebetsplatz für Gott’ (vgl. S. 121). In Kriegs- oder anderer Notzeit wird der Platz gesäubert und die Großen des Ortes gehen dahin, um durch Opfer und Gebet Gebet von Gott Segen und Kraft für die Dorfbewohner zu bekommen. Dabei werden die kleinen Steine mit Rotholz Rotholzfarbe eingerieben. In Zeiten von Hunger Hungersnot schüttet man das Blut eines Huhnes auf die Steine als Ahnenopfer.“ (nach dem Meta Meta-Mann Mose Mfou an Bona [?])

mbando Mbando 9 kommt von banda „niederdrücken, niederhalten“, wie man z. B. beim Fischen die Netze durch Steine beschwert, damit sie unter Wasser bleiben; davon dibandi 5 „ Fischfang Fischfang mit dem Netz epese“Vgl. aban mwen „Unterdrücken des Regens“ der Jaunde, d. h. Zauber gegen Regen machen, indem man Machtmittel vergräbt und sie mit Steinen u. ä. beschwert.

. In übertragenem Sinn heißt es „unterdrücken“, etwa die Geringen durch die Angesehenen; davon mbandan 9 und mabandan 6 „Unterdrückung“. In der religiösen Sprache ist es „niederhalten“ unheimlicher Mächte und Kräfte, sie <bannen>, was besonders in Gefahrenzuständen nötig wird; davon dibandi 5 und mbando 9 „magisches Brauchtum, um schädlichen Kräften entgegenzuwirken“. Stein

Die Handlung am mbando umfaßt zunächst folgende Handlungen:

1. Beratungen, um festzustellen, was zu tun sei; eventuell wird auch das Orakel Orakel gefragt. Dies ist natürlich nicht immer nötig, z. B. beim Gang vorm Totenfest, vgl. S. ---.

2. Beichtversammlung, vgl. S. 236ff., um Hexeneinfluß auszuschalten.

3. Entsühnung durch ein blutiges Opfer, vgl. auch Kulte und Ahnenkult Opfer und Erneuerung der alten Schutz durch Machtmittel, Medizin Schutzmittel durch Begießen mit <Mitteln>; eventuell Einführung neuer Machtmittel, vgl. S. 253ff.

4. Orakel zum Feststellen, daß alles recht gemacht ist. Die Nachrichten aus der Basler Mission Nr. 4/1938 bringen dazu folgendes Beispiel, vgl. auch das Bild dazu:

Jährlich einmal kommen die Vorsteher des Mbemba-Stammes zusammen, um die Schuld, die sie den Ahnen (?) gegenüber haben, zu bereinigen. Zu diesem Zweck wird eine Ziege oder [ein] Schaf auf den Dorfplatz gebracht. Jeder Ältester Älteste legt seine Hände auf das Tier und bekennt dabei seine und seiner Sippe Schuld; hauptsächlich handelt es sich dabei um ungerecht vergossenes Blut.

Dann führt man das Opfer hinaus zum Waldrand und erhängt es an einem überhängendem Baumast. Schaut das Tier, nachdem es verendet ist, gegen das Dorf, so zeigt das an, daß das Opfer nicht angenommen wurde und die Handlung ist zu wiederholen, bis das Opfertier vom Dorf wegschaut.

Das Wesentliche bei solchem Brauchtum ist ein Opfer, dessen Kopf mit einem Hieb oder Schnitt vom Körper zu trennen ist. Dieser gelungene Hieb ist zugleich ein Omen Omen, daß das Vorhaben gut ausgehen wird. Mißlingt der Hieb, so sind Sühnehandlungen vorzunehmen. Das Blut Blut des Opfertieres muß über die Steine fließen, um sie „zu füttern“. Diese Handlung führt der schon genannte mot’ a mbando aus, auch muloke-mundi „Dorfberuhiger“ oder mukudumane-’kombo „Landbeschirmer“ genannt. Sie wird verrichtet vor einem großen Vorhaben: Kriegszug, Ringkampf, Jagd, Jäger Jagdgang, vor großem Totenfest, vgl. S. 220ff., oder wenn man glaubt, daß die Siedlung, vgl. auch Gruppe Siedlung in Unordnung Unordnung geraten ist und sie „beruhigt“ werden muß, vgl. S. 48, 181a. Das töten Töten des Tieres und Ausschütten des Blutes, das Werfen eines Eies auf den Hauptstein u. ä. geschieht unter verwünschen Verwünschungen und Heilssprüchen des von der Siedlung beauftragten mot’a mbando, der auch darüber zu wachen hat, daß vor den Unternehmungen die bezüglichen Tabu-Regeln gehalten werden. Eine der wichtigsten ist, daß sich die Männer des Umgangs mit Frauen in der Nacht zuvor enthalten hatten und bereit sind, diese Regeln auch während des Unternehmens zu beachten. Die an jeden gerichtete Frage lautet: Nongo longo di tombi pue e? „Ist an deinem Bette ein Mäuschen gewesen?“, d. h. „Hattest du mit deiner Frau Verkehr, geschlechtlicher Verkehr?“ Wer bejahen mußte, schied für das Unternehmen aus, weil er sonst dabei zu Schaden käme und über seine Genossen Gefahr brächte. Die in gutem Stand sind, werden von dem <Priester> entlassen mit der Zusicherung, daß nichts Schlimmes sie antasten könne. – Bei Gelegenheiten, die nur einen Teil des Dorfes betreffen, wie z. B. bei einem Totenfest, gehen nur die Ältesten der betreffenden Sippe zu den mbando mbando-Steinen, um zu opfern, vgl. S. ---.

{93c}

(e) Ursprung des Nagual, Nagualismus = Individualtotemismus Nagual- und Totemglaubens und seine Entwicklung

Es kann nicht Aufgabe dieser Darstellung der kameruner Religion sein, die Frage nach dem Ursprung dieses eigenartigen Glaubens grundsätzlich zu beantworten. Es soll nur untersucht werden, welche Hypothesen durch die kameruner Anschauungen gestützt werden.

Alt ist die Meinung, daß Tierbezeichnungen als Personennamen gewählt wurden in der Meinung nach der Ähnlichkeit Ähnlichkeitsmagie, damit der Person auch die Eigenschaften des Tieres übertragen zu können, so daß man also nicht nur „Leopard“ heißt, sondern auch ein solcher ist. So stehe man mit dieser Tiergattung in Verbindung, ja sei mit solchem Tier identisch. In Kamerun gibt es Sitte Sitten, die diese Annahme durchaus unterstützen. Wie man einem Säugling Säugling den Name, Namensgebung Namen eines angesehenen Vorfahren oder von angesehenen Leuten, die kurz nach der Geburt, gebären Geburt des Kindes in oder durch die Siedlung kommen, gibt in der Absicht, daß etwas von der Art dieser Leute auf das Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kind übergehe (denn im Namen ist etwas von der Macht des Trägers investiert, vgl. S. 67), so wird einem Kind auch der Name eines Großtieres gegeben, das zur Zeit der Geburt gerade von Ortsgenossen erlegt worden ist. – Unter den Stammesnamen kenne ich nur einen, der hindeuten könnte auf Verbindung mit Tieren: die Basa, sg. Musa, was man von musa, mi- „Krebs“ ableiten könnte und so „Krebsleute“ bedeuten würde. Allein von einem einzelnen Fall kann man keine Regel ableiten.

Wenn Wundt eine Verbindung zwischen Totemismus und Animismus Animismus zieht, so entspricht das ganz den kameruner Vorstellungen; nur spielt offenbar die Abstammung im engeren Sinn keine Rolle. Selbst beim Schlangenglauben Schlangenglauben der Bakosi spricht niemand von Abstammung, sondern nur von Vererbung oder Erwerbung. Die „Lebensseele“ des Menschen ist also im Nagual oder Totem investiert, ob das nun die Seele eines Einzelnen ist wie beim ewusu oder die Gesamtheit der „Lebensseelen“ der Altvorderen des Stammes wie beim genannten Schlangenglauben oder anderen Totemtieren. Beim ewusu kennt der „Besitzer“ sein Tier und wer „vier Augen“ hat, kennt Seelentiere aus anderen der gleichen Gattung heraus. – Im Jägerlatein vieler Nimrode wird immer wieder berichtet, wie ein Jäger im Walde ein Tier getroffen und es angeschossen habe. Lange Zeit verfolgte er es, bis er schließlich an einer Stelle der Spur abgebrochene Zweige und Blätter quer über den Pfad gelegt sah. Das ist bei Wandersleuten das Zeichen für einen Nachfolgenden, daß dieser Weg gesperrt ist; so auch hier: Das Tier hat dem Jäger dies Zeichen gegeben, daß er von der Verfolgung absehen solle. Der Jäger läßt sich in seiner Hatz nicht unterbrechen. Nicht lange und er kommt auf einen freien gesäuberten Platz. Und auf dem Platz sind versammelt eine Anzahl ihm bekannter Leute aus der Umgegend; zum Teil haben sie sich ihrer Totem- oder Nagual-Hülle noch nicht ganz entledigt, darunter auch das „Tier“, das er angeschossen und verfolgt hat. Hat er Glück und ist genügend mit „Mitteln“ ausgestattet, so bringen sie ihn nicht um, wenn auch der Angeschossene ihn sehr bedroht. Er wird dann gefragt, ob er Schnupftabak Schnupftabak bei sich habe; kann er damit dienen, so legt sich die Erregung der zurückverwandelten Hexentiere. Sie drohen ihm, wenn er sie in den Dörfern als „Hexen“ verraten würde, werden sie ihn bei nächster Gelegenheit umbringen. Auf sein Versprechen, daß er den Mund halten wolle, zeigen sie ihm noch einen Grund, wo er wirkliches Wild antreffen und sich Jagdbeute holen könne. Dann verabschiedet er sich und bei jener Wegmarke kommt er wieder aus dem ndimsi in unsere Sinnenwelt.

Neben dieser Verbindung zwischen Animismus und Totemismus ist aber auch der Dynamismus Dynamismus als Hintergrund des Totemglaubens anzusehen, wie das schon an verschiedenen Stellen angedeutet ist. Man sucht durch Verbindung mit dem Tiere Macht zu bekommen und sich damit zugleich ein höheres Lebensgefühl anzutun. Der Jäger sucht Verbindung mit Waldtieren: Leopard Leopard, Elefant Elefant u. ä., der Fischer Fischer und Anwohner von Gewässern mit Wassertieren: Flußpferd Flußpferd, Krokodil Krokodil, Haifisch, Meergeistern (mengu vgl. S. ---) u. a., der Bauer mit Himmelserscheinungen und Erdgeistern (bedimo, vgl. S. ---), der Krieger mit Totengeistern und verehrt sie in seinem Verband. Ob nun in diesen Bindungen das soziale Verhältnisse soziale Gefühl zwischen Mensch und {93d} Tier, geboren aus den gleichen Lebensbedingungen beider, oder das metaphysische Tiergefühl (Hauer) Ursache oder Folge ist, läßt sich bei den Kamerunern nicht exakt nachweisen; ich neige aber zur letzten Annahme.

Die Träger des Tierglaubens haben sich in Kamerun überall in Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kultbünden zusammengeschlossen. Diese Bünde hatten zwar noch andere als religiös-kultische Aufgaben, da aber beim Primitiven das ganze Leben religiös durchsetzt ist, spielt auch der Kult der Bünde in alle Lebenssphären hinein. Neben dem so weit ausgebildeten Nagual- und Totemglauben, jener Quelle abergläubischer Furcht Furcht, wie sie Jäger und Sammler beseelt, schuf sich die Phantasie der Stämme auch für den Fruchtbarkeitskult Fruchtbarkeitskult allerlei Vegetationsdämonen, über deren Verehrung die Kultbünde wachten (mungi, vgl. S. ---, mengu, vgl. S. --- u. a.). Während die Totemtiere der Männer, und das ist die Mehrzahl, natürlich männliche Tiere sind, stellt man sich die mengu „Wassergeister, Meerweibchen“, obwohl man sie sich auch in Sippen gesiedelt denkt, doch im allgemeinen als weibliche Wesen vor (vgl. mammy water, d. h. mammy of the water), mit denen Männer sogar in einen magischen Ehebund treten können.

In der neuen Zeit ist mit den Kultbünden auch der Kult der Totem- und Vegetationsdämonen und ihrer Bünde zusammengebrochen oder doch zurückgegangen. Allein in Mythe, Mythenbildung Mythe und Aberglauben Aberglauben wuchert der alte Glaube Glaube in vielen Herzen weiter, auch wo kein Kult geübt wird, denn das Naturgefühl und das Naturerleben ( Numen Numen numen) besteht weiter und die Eindrücke, die der eine mehr empfängt, der andere weniger, müssen innerlich verarbeitet werden. Und das einzige Mittel, den Kameruner von seiner Knechtung unter die Furcht zu lösen, ist Unterricht in wahrhaft christlichem Gei Totem, Totemismus s Tier, Tierwelt t. Nagual, Nagualismus = Individualtotemismus

{94}

[S. 94 ist in S. 94a und S. 94b unterteilt, da 94b aber ausschließlich Fußnoten zu 94a enthält, wurde auf eine Unterteilung verzichtet]

[Notiz auf Rückseite von S. 93d: 1) Ein in allen kameruner Sprachen bis ins Grasland vorkommender Stamm von unklarer Etymologie.]
(f) Hexenglaube Hexe, -rei

Während sowohl ewusu ewusu „Individual-“ als auch ekong „Sozialtotemismus“ als weiße Kunst, weiße und schwarze Kunst gelten, solange dabei andere und besonders die eigene Gruppe, vgl. auch Familie, Sippe, Stamm Gruppe nicht geschädigt werden, kann auch beides zur schwarzen Kunst werden, wenn diese Kräfte zum Schaden der Gruppe gebraucht werden, vgl. S. 48. Vorstehend wurden ab und zu auch die ekong-Männer „Hexen“ genannt. Denn zum Erwerb der ewusu- und ekong-Kraft sind ja schon Menschenseelen erforderlich; diese werden zwar, wie gezeigt wurde, in erster Linie aus der eigenen Sippe genommen und da es sich bei ekong nur um Sippenälteste handelt, kann diese Gruppe selten gegen den Träger dieser Kraft als Schädling vorgehen. In beiden Fällen aber liegt die Versuchung nahe, daß ein solch „ Gefüllter Gefüllter“ zu weit greift und auch andere Menschen umbringt. Oft wird das zwar erst nach dem Tod durch Obduktion Obduktion festgestellt und geahndet; unter Umständen kann sich die Gruppe aber auch schon bei Lebzeiten gegen solche Schädlinge wenden. Sie verfügen über „Hexenkraft“ lemba, ma- lemba, pl. malemba Von einem in fast allen Waldlandsprachen bis ins Grasland hinein vorkommendem Wortstamm unbekannter Etymologie.

, d. h. die Fähigkeit, als mulemba, ba- [Fußnote mit der oberen identisch.]

„Neiding, Hexer und Hexe, Schädling“ ausgehen zu können zur Plage anderer und Raub Raub von „Lebensseelen“. Dieser Vorwurf ist immer ein böser Tadel und gegen eine Hexe gibt es keine Gnade; da muß der Mann die Mann und Frau, männlich und weiblich Frau, das Kind die Eltern und Kind Eltern und umgekehrt hassen, denn der Schädling muß ausgerottet werden. Die vielen Vorwürfe, daß einer „Menschen esse“, beziehen sich in den allermeisten Fällen auf diese nächtlichen Machinationen und nicht auf Kannibalismus Kannibalismus in unserem Sinn, der nur [einigen?, wenigen?] Stämmen nachgesagt wird. Hier wird „mudi mudi <die Lebensseele> wie ein Tier getötet und o lemba <im Zustand der Hexerei> verzehrt; darauf wird der Eigentümer des mudi krank und stirbt.“ Im Vorstehenden ist schon gesagt, daß weder ewusu noch ekong zu erwerben sind ohne Menschen <umzubringen>, d. h. ihre Lebensseele zu <fressen>. Zur Unterscheidung zwischen solchen Hexen und den Zauberdoktoren, Medizinmännern und anderen Hexenbekämpfern vgl. S. 128. Es kann natürlich sein, daß ein Hexenbekämpfer heimlich auch Hexerei treiben kann, wie das Volk bei manchen Medizinmännern vermutet, daß sie erst durch schwarze Kunst Krankheiten und andere Übel hervorrufen, um sie nachher wieder gegen Entgelt zu kurieren. Vgl. auch die auf S. --- geschilderte Praxis der Kultbünde.

[Fragezeichen am linken Textrand] Solange das in gemessenen Grenzen und nur zum Nutzen der Gruppe geschieht (ohne was ja kein <Gefüllter> in den Besitz seiner überlegenen Kräfte kommen kann), wird das nicht getadelt, sobald aber einer in eigensüchtigem Interesse in solcher Weise die Gruppe schädigt, kommt er in Verdacht der verpönten Hexerei. Nicht immer kann die Gruppe gegen solche mächtigen „Gefüllten“ bei Lebzeiten einschreiten, aber nach dem Tode kann man sich rächen rächen; daher der Spruch „Mein Krieg Krieg beginnt nach dem Tode“. Auch die schon öfters erwähnte Obduktion liefert nicht jeden, bei dem Hexenkraft gefunden wurde, dem Volksurteil aus; denn die in den Geheimbünden zusammengeschlossenen Ältesten, und diese gelten fast alle als ekong-Männer, lassen sich bei der Öffnung der Leiche eines ihrer Genossen von niemand darein reden, vgl. S. 96; aber schon der Ort, an dem er beerdigt wird, soll die Gruppe vor weiterem bösen Einfluß ( Wiedergänger Wiedergänger) eines solchen ekong-Mannes schützen. ewusu

Neben solchen zum Wohl der Gruppe „Gefüllten“, die ihre Macht mißbrauchen in schwarzer Kunst, gibt es aber auch Menschen, die lemba „Hexenkraft“ besitzen ohne weiße Magie [Fußnote mit der oberen identisch.]

, sie sind also nur Schädlinge und sonst nichts anderes; im übrigen können sie zu den Angesehenen oder den Verachteten gehören, nur daß man sich an einen geringen Mann oder Frau leichter heranwagt, denn „hast du keinen Fürsprech auf dem Gerichtsrasen (mboko) Gerichtsrasen des Kultbundes, so trinkest du keinen Becher Palmwein Palmweins“. Während man sich die Kräfte der weißen Magie, vgl. auch Kunst Magie durch Macht, -mittel, -erlebnis Machtmittel u. ä. erwerben muß, weiß oft ein mulemba nicht zu sagen, woher er die finstere Macht bekommen hat. Jeder ewusu- und ekong-Besitzer ist stolz auf seine Kraft und rühmt sich ihrer bei jeder Gelegenheit, denn darauf beruht sein Ansehen und seine Macht. Der mulemba weiß oft gar nicht, daß er die Macht besitzt, seine Seele zu schändlichem Gang ausgehen zu lassen; er leidet unter ihr, wenn sie ihm bewußt wird und viele balemba wären die finstere Macht gerne los.

Die Macht besteht darin, daß man bewußt oder unbewußt „sich teilt“ Zwei Fragen: a) Manche behaupten von den Hexen, daß sie <ungeteilt> ausgehen und ihre Opfer so bezaubern, daß sie von ihrem finsteren Besuch gar nichts merken. Manche Behauptungen deuten in diese Richtung, z. B. die auf S. 95: Will eine Hexe, die in Hoffnung ist, nicht, daß ihr Kind die Hexenkraft von ihr „erbt“, so entfernt sie sich den Fötus vor ihrem Ausgang aus dem Bauch und bringt ihn nach Rückkehr wieder an seinen Platz zurück. Die verbreitetere Ansicht ist allerdings die, daß der Hexe Lebensseele ihren Körper verläßt und in ihr Hexentier eingeht zu der auf S. 85 geschilderten Verbindung. 7

Lemba wird nicht angelernt noch gekauft; sie ist meist etwas Angebo- {95} renes oder Ererbtes und häufig besitzen es auch Frauen. Sie übergeben oft ihren Kindern diese Fähigkeit schon bei ihrer Geburt. Wie das Kind dann wächst, so auch die lemba, ma- lemba-Macht, ohne daß es sich dessen bewußt wird. Fängt es dann erwachsen an, als Hexe auszugehen und andere Leute zu belästigen, so muß es sich selbst wundern, kann aber seine Art nicht ändern.“ (Preisarbeit) Ist eine Frau mit lemba-Kraft in Hoffnung und sie will als Hexe ausgehen und doch verhüten, daß ihr Kind der unguten Macht teilhaftig wird, so nimmt sie vor dem Ausgang den Fötus aus ihrem Leib, hebt ihn irgendwo gut auf und führt ihn nach erfolgtem Ausgang wieder in ihren Leib. Am Besten ist es für Hexen, die ihre Kinder vor der schwarzen Kunst bewahren möchten, daß sie in der Zeit der Schwangerschaft Schwangerschaft überhaupt nicht als Hexen ausgehen, es sei nun Mann oder Frau.

Wie man diese finstere Macht unversehens bekommen kann, so kann man sie auch wieder loswerden. Mancher hebt diese Macht (wohl in Gestalt eines sichtbaren Machtmittels) in seiner Schultertasche oder Rindenschachtel auf, vgl. S. 70. Schaut nun ein Neugieriger in solch einen Behälter, so kann diese Hexenkraft auf ihn selber übergehen und zwar durchs Gesicht Gesicht. Aber auch sonst gibt es noch Wege, die Macht los zu werden; wenn etwa einer ungesichert auf dem Weg einer Hexe begegnet und er spricht mit ihr oder er nimmt etwas von ihr an, so kann die lemba-Kraft auf ihn übergehen, vgl. auch das Sitzen auf einem Steine S. 50f.

Die sogenannten Hexentiere ( Eule Eule, Ziegenmelker, Gottesanbeterin, Unheil Tausendfuß >tausendfuß u. v. a.) gelten als Nagual eines mulemba; wo sie gesehen werden, fürchtet man immer, daß Hexen in der Nähe sind.

Die Hexen kennen sich untereinander und zwar jede Gruppe für sich, wie sich etwa die Mitglieder eines Kultbundes oder die Medizinmänner im gleichen Stamm kennen. Nachts versammeln sie sich, um in ihren Tierleibern „Menschenfleisch zu essen“ oder Beratungen zu halten, wo und wie sich solches beschaffen, Menschen schädigen oder sonstige Angelegenheiten regeln können. Schlägt dabei einer etwas vor, was die anderen nicht genehmigen wollen, so entsteht Streit und der Unterlegene wird gestraft; er muß etwa eine edi a moto „Menschenseele“, vgl. S. 77, beschaffen, die er zuvor „gegessen“ hat. Dabei wählt er unter seinen eigenen Verwandten und Nachbarn aus, u. U. bringt er sein eigen[es] Kind zum grausen Bankett. Wie die Hexen den Menschen nicht gut sind, so leben sie auch untereinander in eitel Neid und Streit; nur in einem sind sie einig: Neue Mittel zu finden, um Menschen zu quälen.

Die balemba einer Gegend kommen von Zeit zu Zeit immer wieder zu einer Beratung zusammen, wo sie ihre finsteren Pläne aushecken. Bei den Bakosi nennt man die Früchte des Leberwurstbaumes, Kigelea aethiopica, „Hexensprechtrommeln“ und man sagt, soll eine solche Versammlung stattfinden, so trommle der Hexenvorsitzende die anderen Hexen mit solcher Trommel zusammen; auch würden diese Früchte sonst wie rechte Sprechtrommeln von den Hexen zur Nachrichtenübermittlung benützt. Diese „Trommelsprache“ kann natürlich nur hören, wer „vier Augen“ besitzt.

Die Versammlungen finden statt etwa auf einem hohen Baum Baum in der Nähe eines Dorfes oder gar auf einem Dach. Die Leute, die in der Nähe wohnen, fühlen sich bedroht, denn nur ihnen kann diese Versammlung gelten. Hört man von einem Ort die Stimmen mehrerer Eule Eulen, so weiß man, daß das Hexen sind. Man hat dann zweierlei Wege, sich ihrer zu entledigen. Entweder man macht unter dem Baum ein Feuer Feuer und verbrennt darin außer den nötigen Macht, -mittel, -erlebnis Machtmitteln auch Substanzen, die einen beißenden Rauch entwickeln, wie z. B. Pfeffer Pfeffer. Steigt dieser beißende Rauch dann hoch und kommt den Eulen in den Hals, dann müssen <sie> husten und bekommen den eyosos’ a ndjo „Leopardenhusten“, vgl. S. 29, und gehen daran ein; oder man schießt unter dem Baum ein gut geladenes Gewehr, vgl. auch ngad’ a mudumbu Gewehr ab, so daß die Eulen erschreckt davonfliegen. Der Schreck bewirkt aber bei den Eigentümern der Eulen einen solchen Schrecken, daß ihr Herz stehenbleibt und sie sterben sterben. Ebenso wird eine Hexe getötet, wenn man ihr Seelentier tötet. Freilich ist es leichtsinnig, das ganz unvorbereitet zu tun. Man weicht vor [einem] solchem Tier immer etwas zurück und wenn möglich, nimmt man eine Prise Aframomum-Körner, vgl. S. 128, in den Mund und spuckt sie gegen das unholde Geschöpf aus, dann erst kann man es ohne Gefahr töten, vgl. auch S. 57.

Gewisse Machtmittel gehören immer der schwarzen Kunst [an] und wer sie gebraucht, ist Hexe, z. B. ngadamudumbo, ngadabulu, mombale mombale mombale u. a., vgl. S. ---.

Gegen alle Hexenarten setzt sich die Gruppe zur Wehr, denn Hexe ist Schädling, genauer können wir die Hexenbekämpfung erst unter „Gebräuchen“ auf S. --- behandeln. Hier nur soviel: Um ihre Machtmittel zu brechen, führt man die Großfetische ins Gehöft oder Dorf ein; von Zeit zu Zeit muß die Heimstatt immer wieder „in Ordnung gebracht werden“; beides ist mit einer Art öffentlicher Beichte Beichte verbunden, vgl. S. ---. In Einzelfällen ruft man eine esa-Versammlung, vgl. S. 238ff., um einen Einzelnen von seinem finsteren Treiben abzubringen; dabei muß er mit seinem Bekenntnis meist noch nicht einmal offen hervortreten, sondern nur mit den anderen den Wunsch aussprechen, daß das Verhängnis, etwa eine Krankheit, sich zum Bessern wenden möge. Eine solche Versammlung in größerem Maßstab heißt bwambo

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[mehrere Notizen auf Rückseite von S. 95: nicht entzifferbarer afrikanischer Satz Nach Hagen, Bantusprache, ist das ewu eines Menschen in der Milz zu sehen; sieht sie aus wie ein Tier (die Bulu nennen die Milz tot [?] „Tier“), d. h. hat oben eine kleine, unten eine lange schmale Abschnürung (Kopf und Beine), dann war der Betreffende nnem [?] (mulemba) bzw. für uns erscheint dann die Milz handförmig. Stark aufgeblähter [?] Dünndarm : große Schlange, vgl. S. 86ff. Stark vergrößerte, schmutzig gelbe Leber: Elefanten Nach Saker [?] nennen die Jaunde eine körperliche Masse im Leibe des Nnem, pl. begem „Hexe“ ewu, wohl etymologisch das Gleiche wie ewusu der Duala. Es verleiht der Hexe okkulte Kraft, [um] z. B. Krankheiten hervorzurufen. Um das ewu festzustellen, werden die Leichen seziert.]

bondene, vgl. S. 249ff. „Wenn ein mulemba bei solcher Gelegenheit oder in schwerer Krankheit Krankheit oder sonst bekennt, daß er ‘besitzt’ (nämlich ein Hexentier), so muß man ihn nicht mehr fürchten. Wer Händel mit ihm bekommt, kann ihm sagen: Ich weiß, wer du bist, du hat es ja selbst bekannt; ich fürchte dich nicht; willst du, so kannst du mich ja töten; hier bin ich! Denn mit dem Bekenntnis seiner finsteren Macht ist der Bann Bann um ihn gebrochen; der mulemba wird dem anderen nichts mehr tun, weil er ja sofort in Verdacht käme.“

Jeder, der der Hexerei angeklagt wird und nicht freiwillig gesteht, muß sich dem Ordal, Gottesgericht, -urteil Ordal in irgendeiner Form unterziehen, damit Schuld oder Unschuld offenbar werden, vgl. S. 164. Und wo nach dem Tod Obduktion stattfindet, da soll sie zeigen, ob der Betreffende <Menschen gefressen> habe oder nicht, vgl. Note S. 87. Und Tote, die zwar nicht der offenbaren Hexerei bei Lebzeiten geziehen wurden, von denen man aber sonst weiß, daß sie über finstere Macht verfügten, sucht man wenigstens im Tod unschädlich zu machen, und wenn sie nur an besonderem Platz begraben werden, etwa weitab im Busch = ungepflegter Wald Busch. Oder wenn die Bameta ihre verstorbenen Häuptlinge mit Liane Lianen umwickeln und ihnen einen Topf über den Kopf stülpen u. ä. Vielleicht hat die Kalebassenschale ähnlichen Zweck, die man in Bali den Frauen im Grab, Gräberkult Grab aufs Ohr legt. Das Loch in der Schale erlaubt der Leiche Leiche zwar zu hören, aber die Schale soll doch die Bewegung Bewegung des Kopfes und damit des Aufstehens verhindern.

Die verschiedenen magisch-okkulten Fähigkeiten eines Menschen ( ewusu ewusu, ekong, lemba, ma- lemba) haben in seinem Körper ihren Sitz, so daß man durch Untersuchung ihres Inneren feststellen kann, über welche okkulten Fähigkeiten einer verfügte bzw. noch verfügt. Auf dieser Meinung beruht die genannte Sitte Sitte der Obduktion Obduktion, bei der die einzelnen inneren Organe eines Menschen untersucht werden. Diese Sitte herrschte nicht in allen Stämmen gleich stark, bei manchen bestand sie gar nicht, bei anderen wurden nur Verdächtige und bei dritten alle Toten geöffnet. Bei den Balondo im Nordwesten und ihren Nachbarn und im Kreuzflußgebiet scheint diese Sitte am stärksten ausgeprägt gewesen zu sein; sie wird dort im Geheimen auch heute noch geübt. Dabei wird im Wald eine Lage Bananenblätter auf den Boden gelegt, darauf der Leichnam ausgestreckt, und ein vom Kultbund bestimmter nganga, oft auch ein Sklave, Sklaverei Sklave öffnet den Leib und die Zuständigen halten die Untersuchung. Es werden dann aus folgenden Zeichen Schlüsse gezogen, z. B.:

Vergrößerte Herzkammern: Der Mensch besaß nginya ndimsi „Kraft aus der über- , unsinnliche Welt unsinnlichen Welt“ und trieb nächtliche +;

etwas Gekrümmtes hinter der Lunge (was?) ist ein Entenschnabel;

geronnenes Blut Blut im oder ums Herz Herz sind Eulenfedern; er besaß also eine Eule Eule oder Ziegenmelker;

Blutflocken in weiterer Entfernung vom Herzen gelten als Fleischstücke von Menschen, die der Hexenbund „gefressen“ hat. Wer eine Eule besitzt, gilt immer als gefährliche Hexe, die sich direkt an Menschenleben vergriffen hat. Ein auffallend großer Magen versinnbildlicht einen Elefant Elefanten. Besonders dicker, gekrümmter Dickdarm sind Speckwülste eines Elefanten; in einem anderen Stück des Darmes will man einen Elefantenrüssel erkennen. Kleine weißliche Flecken in Lunge oder Leber Leber verraten den Besitz eines Leoparden; sie gelten als Flecken dieses Tieres. Die untere Cava dick mit geronnenem Blut gefüllt deutet einen Leoparden an, der immer blutdürstig ist. Ein ganzer Klumpen geronnenes Blut in Brust oder Bauch, eine dunkelgefärbte Leber, zeigen an, daß der Betreffende allein a diede mod asien [?] „einen ganzen Menschen verzehrt“ hat.

Geschwollene Lungen: er besaß ein Flußpferd;

in Fett eingebetteter Magen: Meerkatze.

War bei einer Obduktion keinerlei dieser Anzeichen gefunden [worden], so war erwiesen, daß der Betreffende nicht schwarze Kunst geübt hatte, sondern fremder Hexenkraft erlegen ist. Bei der Totenklage Totenklage in Bakosi sang dann die Mutter, vgl. auch Eltern Mutter in der Totenklage: Man hat unser Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kind ohne Ursache umgebracht und Gott hatte es doch so schön erschaffen. Obduktion

{97}

(g) Wie man um seine Lebensseele kommen kann Vgl. S. 90.

Im Vorstehenden ist auf mancherlei Weise schon gezeigt, wie einer die Kunst besitzen kann, seine Lebensseele zu irgendeinem Zweck von seinem Körper zu trennen; es ist davon auch noch an anderen Stellen zu berichten; vgl. S. ---.

Neben solcher unabsichtlichen < Trennung von Leib und Seele Trennung> gibt es auch noch eine gewaltsame, wenn nämlich fremde Mächte auf die Lebensseele eines Menschen einwirken, sie vom Körper lösen und entführen. Dazu kommt noch, daß eine Lebensseele mit Wissen und Willen des Menschen von ihm geschieden ist, aber unterwegs an der Rückkehr gehindert worden ist, wie auf S. 78f. gezeigt. Es kommen da besonders zweierlei Kräfte in Betracht, wenn auch beide in der Welt des ndimsi ruhen; es sind das mit magischen Kräften ausgestattete Menschen, also Hexen, und übersinnliche Mächte, wie z. B. die Ahnengeister. Übertretung von Tabu-Regeln belastet die Lebensseele, vgl. S. 72a, so daß ihr Besitzer dann zugrunde gehen kann. Auch ein heftiger Schreck kann einem die Lebensseele aus dem Leib jagen, wie einem diese Seele auch nach böser Tat oder sonst in Angst das Herz schneller schlagen läßt: Mulema mu madomea moto maya „Das Herz Herz spaltet einem Menschen das Blut Blut“. Dieses alles sind Einwirkungen übersinnlicher Mächte, die sich dem Menschen auch in einem Machterlebnis manifestieren, vgl. auch bedim’ auf S. 56.

Das Beschädigen oder Abhandenkommen der Lebensseele mudi mudi (vgl. Erläuterung bewa) versetzt den Menschen in einen „ Gefahrenzustand Gefahrenzustand“, genannt mbeu a mbeu a nyolo nyolo „schlechter Zustand des Körpers“ von bewa (Ko., Ya. u. a. beb) „in schlechten Zustand geraten“, meist bewa nyolo „des Glücksguts der Lebensseele verlustig gehen“, also mbeu a nyolo „Entseelung, Entglükkung des Körpers“; dieser Zustand hat dann letztlich den Tod zur Folge. Zuvor aber zeigt sich diese Gefahr bereits im Eintreffen irgendeines Unglücks, Krankheit, Sterbefällen u. a., so daß der Ausdruck oft auch mit „ Unglück, -szeichen Unglück“ wiedergegeben wird, obwohl dies erst die Folge und [das] Offenbarwerden solchen Zustandes ist. Wer seiner Lebensseele verlustig gegangen ist, ist schon gestorben, auch wenn der Körper zunächst noch seine Funktionen verrichtet. Leute mit „vier Augen“ erkennen solchen Verlust ohne weiteres, dau [?] boso oder mbombo ao e sisangi pe. Es braucht dann oft bloß noch eines kleinen Anlasses, um den Menschen vollends zum Erliegen zu bringen. Unterdessen kann Vorsicht Vorsicht, Beachten von Tabu-Regeln das Schlimmste verhindern, bis es einem Magier gelingt, die Gefahr durch Zurückbringen der Lebensseele zu beseitigen.

„Wenn eine Hexe (mulemba) einen mit einem Huhn schlägt, so geht dieses in den Körper des Opfers ein und verdrängt durch Picken die Lebensseele und vertreibt so auch die wiederkehrende. Das Huhn bereitet dem Menschen Herzklopfen und Stiche in der Brust. Die Aufgabe des Magiers ist dann, dieses Hexenhuhn wieder aus dem Körper herauszubringen, um der Seele die Rückkehr zu ermöglichen. Darum bestreicht der Helfer den Patienten in vielen Fällen auch mit einem lebenden Huhn, um so das magische herauszulocken.“

Der Gefahrenzustand kann sich nun auf verschiedene Weise zeigen, z. B. magert jemand stark ab und wird schwach, so kann man in Bakosi sagen: Edengedeng e sa mo a yol „Die Lebensseele ist ihm nicht mehr im Körper“. Dies ist aber nicht immer durch Augenschein gewöhnlicher Sterblicher festzustellen, aber ein Magier und besonders das Orakel kann feststellen, daß edengedeng e bwide mod a yol (Ko.) „die Lebensseele dem Menschen aus dem Körper herausging“; zugleich wird dann auch der Weg festgestellt, um das Übel wieder zu beseitigen, falls ein Magier gefunden wird, der stärkere Mittel hat als die, welche den Gefahrenzustand hervorgerufen haben. Es kann auch irgendein Warnungszeichen, vgl. bedim auf S. 72a, solchen Zustand anzeigen; wem z. B. nicht gelingt, bei gewissen Opfern mit einem Hieb den Kopf des Tieres vom Rumpf zu trennen, ist in solcher Gefahr, vgl. S. ---.

Ist <ohne Zweifel> mbeu a nyolo festgestellt, so können gewisse Mittel und Riten Riten helfen zur Wiederkehr der Seele; solche Mittel müssen aber stärker sein als die verderblichen Mächte. Daneben müssen Wege gegangen werden, die die Schädigenden veranlassen, die bedrängte oder weggeschnappte Lebensseele wieder freizugeben, vgl. S. 144 f. und bei esa S. ---.

„Dieser Gefahrenzustand wird häufig hervorgerufen durch Leute, die über {98} schwarze Kunst verfügen. Nach Ansicht eines gewöhnlichen Menschen mag einer an einer Krankheit Krankheit gestorben sein, aber für die, welche ‘vier Augen’ haben, ist der magische Vorgang klar, wenn ein ekong-Mann ein Angehöriges als ndjangi o ekong <Trustobjekt in das ekong-Wesen> oder o ekumti ekumti <im magischen Krieg Krieg> gegeben hat. Sie können sehen und hören, wenn ein Gefesselter (gemeint ist die geraubte Lebensseele) um Hilfe schreiend aus dem Dorf den Berg hinauf geschleppt wird, um auf dem don l’ ekong <Handelsplatz des ekong-Wesens> verkauft zu werden.“

Aber nicht nur der Einzelne kann in solchem Gefahrenzustand stehen, darin er verdirbt, sondern eine ganze Sippe, ein ganzer Stamm kann in solchem Zustand ko diboma „dem Unglück, -szeichen Unglück, der Vernichtung anheimfallen“. Eigene Verfehlungen, Mißgeschick oder fremde Bosheit können wele moto diboma onyolo „einem solchen Verderben, das Verderben anhängen“.

Bezüglich seiner Beseitigung vgl. auf S. 237ff., 260ff mbeu a nyolo .

(h) Verbleib der Lebensseele im Tod Tod

Die Aussagen über Vorstellungen vom Verbleib der Lebensseele nach dem Tod sind sehr vage. Man sagt, die Lebensseele verschwinde im Tod (oder schon vorher; vgl. oben) und das führe den Tod herbei; wohin sie dann komme, weiß keiner. Andererseits sagt man aber auch, daß man die Abfallstoffe Abfallstoffe des Körpers, wie Haar Haare, Nägel Nägel u. a., darum sorgsam hüten und aufbewahren müsse, weil darin ein Stück der Lebensseele enthalten sei. Man versteckt abgeschnittene Haare und Nägel hinterm Haus. Mutet das einer einmal etwa aus Faulheit jemand anderem zu, so kann ihm dieser antworten: Das tue ich nicht, sonst kommt vielleicht, wenn du einmal gestorben bist, dein „Schatten“ und fordert deinen Abfall von mir.

Eigne sich ein Fremde, Fremdlinge Fremder den Abfall und den darin enthaltenen Seelenteil an, so werde der Eigentümer geschwächt; auch kehre unter normalen Verhältnissen die im Abfall abgelegte Seelenkraft nach dem Tod wieder zur Gesamtlebensseele des Menschen zurück; wohin aber, weiß keiner. Wo die Lebensseele in den Besitz böser Mächte oder Menschen geraten sei, und das nimmt man ja bei sehr vielen an, ist sie eben verloren und der Eigentümer stirbt, während die Lebensseele noch weiterleben kann als „Sklave“ der Hexe, bis der von Gott für des Menschen Tod festgesetzte Zeitpunkt gekommen sei, wo dann seine Lebensseele aufhöre zu existieren. Daher unterscheidet man auch: Kwed’ ekong „Tod durch ekong-Macht“ oder kwed’ a lemba „Tod durch Hexenkraft“, wodurch die Lebensseele durch Raub Raub in den Besitz einer Hexe übergeht, einerseits und dann kwed’ a Loba „durch Gott gewirkten Tod“, wo der ganze Mensch samt seiner Lebensseele stirbt.

Manche erklären, auch in letzterem Fall, wo also keine schwarze Kunst den irdischen Tod herbeigeführt hat, verlasse die Lebensseele den Körper eines Sterbenden kurz vor dem Tod und warte dann hinterm Hause, bis der Mensch patea „sich abgerissen hat“, d. h. verschieden ist. „Abgerissen“, d. h. vom Leichnam losgelöst hat sich dann das, was wir als „Totenseele, Schatten“ im nächsten Abschnitte besprechen. Da sagen nun einige: Kommt diese Totenseele aus dem Hause in den Hof, so vereinige sich die Lebensseele mit ihr und gehe in den Hades ein. Dieser letztere Punkt erscheint mir aber mit den Vorstellungen von den Schatten und ihrem Unterschied von den Lebenden nicht recht übereinzustimmen.

„Über die Lebensseele weiß man nicht viel zu sagen. Man sagt von ihr, sie sei gut oder böse, je nachdem, [wie] ein Mensch sein Leben unter den Lebenden geführt hat. Die Lebensseele eines Menschen kann auch wieder ein anderes Leben beginnen in einem anderen, neuen Körper. Dazu sagt man: Wenn eine Frau einen Säugling Säugling zu betrauern hatte und sie kommt darauf bald wieder in Hoffnung, dann kehrt das eben verstorbene Kind wieder zurück; besonders sagt man das, wenn ein Kind gleichen Geschlechts geboren wird. Um eine solche Wiederkehr (die sich oft wiederholen kann, gleichsam als wollte das Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kind die Eltern und Kind Eltern zum Besten haben) zu verhindern, schneidet man in den kleinen Leichnam ein kleines Malzeichen, wenn Säuglinge einer Frau hintereinander sterben. Unserem Gehilfen Karl Edimo ist das Ohrläppchen noch zu Lebzeiten abgeschnitten worden; und weil er dann doch am Leben blieb, trägt er dies Mal für immer herum; wegen seines Namens <Totengeist, Gespenst>, vgl. S. 67.

– Wo sich die Lebensseele eines Menschen nach dem Tode aufhält, ist nicht bekannt, denn unsere Ahnen haben uns darüber weder Märchen noch Sprichwort noch eine alte Geschichte hinterlassen.“ (Preisarbeit) Manche meinen auch, sie gehe in verrufene Stellen ein, wie S. --- beschriebe Kunst, weiße und schwarze n Tod . Hexe, -rei

{99}

b.  edimo Edimo, die Totenseele, Schattengeist
(1) Aus was besteht der Mensch Mensch?

Wegen der äußeren Körperteil Körperteile sei auf S. 38f., S. 52 und S. 22 Note 1 verwiesen. Der geistleibliche Gesamtorganismus des moto, pl. bato moto „Menschen“ ist nyolo, pl. manyolo. In ihm wirken die körperlichen und seelischen Kräfte zusammen, es ist das griechische soma. Bei Lebzeiten besteht er aus eyobo eyobo, be- 1. „ Haut Haut, Fell, Rinde Rinde“, 2. „das Äußerliche des lebenden Körpers, im Sinne vom griechischen sarx; das, was im Tode zum Leichnam wird“, und mudi mudi „Lebensseele“. Ihr Entschwinden aus dem Körper führt den Tod herbei. Bei diesem Ereignis löst sich vom mbimba 3 „Leichnam“ die „Schatten- oder Totenseele“. Diese tritt bei Lebzeiten des Menschen nicht in Erscheinung und ist auch nicht irgendwie wahrzunehmen; in Verbindung mit dem körperlichen Menschen, oder besser: seiner Persönlichkeit Persönlichkeit, ist es mudimo, mi- des Soundso, wie wir etwa sagen: Der verstorbene Herr S. oder the late Mr. ...; aber geschieden vom Körper, entpersönlicht wird es mit Vorsilbe der Sachenklasse zu edimo, be- „Totenseele, Schattengeist“, vgl. auch S. 122.

„Gefüllte“ und besonders solche, die ihre magische Macht zu Lebzeiten in schwarzer Kunst betätigt haben, sollen sich vielfach im Sterben nicht von ihrer Lebensseele trennen (andere sagen auch, daß sie über zwei Seelen verfügen; eine die im Sterben weggeht und eine andere, die beim Leichnam bleibt). Kraft dieser Verbindung seien solche Unholde imstande, o pumbwa „aufzuerstehen“, vgl. S. 46, o busa o songo „aus dem Grabe auszugehen“ und als Wiedergänger Wiedergänger Leute mit magischen Kräften können, wenn ihr ruchloser Geist Böses will, nach dem Sterben den „Todesweg“ meiden. Vom dritten Tag nach dem Tode ab gehen sie als Wiedergänger um und belästigen die Lebenden. Man sagt, „sie“ treten aus dem Opferloch, das man am Kopfteil des Grabes bereitete, vgl. S. 171, nächtens aus. Will man dieser Last ledig werden, so stellt man fest, wer umgeht und läßt durch einen Magier allerlei „kräftige“ Mittel um das Grab sprengen, die den Wiedergänger zum Austritt zwingen sollen. Mit einigen Alten steht der Magier beim Grab. Erscheint der Tote vor den „vier Augen“-Männern, so wird er mit einem Gewehr erschossen und jedermann kann dann eine Eidechse, vgl. ngule S. 26, sich auf dem Grab in ihrem Blut wälzen sehen: ein buntes Männchen bei männlichem, ein grünes Weibchen bei weiblichem Wiedergänger, in beiden Fällen aber ein außergewöhnlich großes Exemplar. Die Eidechse wird mit Machtmitteln verbrannt und der Verstorbene dadurch gezwungen, sich auch auf den „Todesweg“ zum Hades zu begeben wie jeder andere; so hört sein Spuk auf. 8

Wie natürlicher Schatten zwar sichtbar ist, aber doch nicht zu greifen, so können sich die „ Schattenseele (edimo) Schattenseelen“ auch sichtbar machen und sind doch auf unserer Sinnenwelt wesenlose Schemen. Freilich können sie dem, der sie magisch ungeschützt sieht, zum furchtbaren Machterlebnis werden, Wiedergänger können auch körperlichen Schaden anrichten. Mensch

(2) Was sich beim Tod Tod ereignet

Voraussetzung zum Sterben ist das Entweichen der Lebensseele aus dem Körper. Das kann schon wochenlang vor Eintreten des Todes geschehen sein, vgl. oben. Ausgestreut von Interessenten munkelt man von einem solchen Zustand oft lange in der Siedlung und weil nach und nach alle davon sprechen, glaubt oft auch mancher so Gezeichnete diese Ausstreuung, obwohl er sich noch wohlfühlt. Beim geringsten Unwohlsein aber sieht mancher eine Bestätigung dessen, was man im Dorf sagt. Da wird oft gewarnt, daß man den Betreffenden ja nicht berühren solle, denn er könne einem tot in den Händen bleiben und dann bekomme er nur unnötige Vorwürfe und Scherereien. Man gibt oft auch öffentlich an, warum dieser mbeu a mbeu a nyolo nyoloGefahrenzustand Gefahrenzustand“ eingetreten sei. So haben Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kultbünde und Medizinmänner eine gute Unterlage für unehrli- {100} ches, ausbeuterisches Treiben.

Ist die Lebensseele unwiederbringlich dahin, so tritt über kurz oder lang der Tod ein; moto a mapatea „der Mensch Mensch reißt sich ab“, vgl. oben; der Mensch verliert das Bewußtsein, die Schattenseele löst sich los, der Mensch schläft ein und stirbt. Die Schattenseele bleibt noch eine Weile in der Hütte, beschaut sich die Wehklage, die alsbald erhoben wird, dann entweicht sie durch die offene Tür in den Hof; dort verbindet sie sich mit der Lebensseele, besucht auch das Grab, denn sie muß doch wissen, wohin man ihren seitherigen Träger bringt, sie nimmt auch die abgelegten Abfallprodukte [mit den] enthaltenen Seelenkräfte[n] an sich. Es ist schon gesagt, daß manche auch sagen, daß die Lebensseele nach dem Tode aufhöre zu existieren. Während etwa neun Tagen weilt die Totenseele in des Sterbehauses Nähe, weshalb auch dort und solange die große Totenklage zu halten ist, vgl. S. ---.

In dieser Zeit ist es besonders Kindern und schwächlichen Leuten nicht ratsam, sich in den Türeingängen und auf den Wegen aufzuhalten, denn kommt die Totenseele absichtlich oder unabsichtlich mit ihnen in Berührung, so haben sie ein „ Macht, -mittel, -erlebnis Machterlebnis“ und können in mbeu a nyolo kommen und zugrunde gehen. Stirbt jemand in der Fremde, so sucht man die Leiche Leiche nach Hause zu bringen, denn nur dort können die rechten Totenbräuche verrichtet werden, die dem Toten zur Aufnahme in den Hades verhelfen. Ist das ja dibua, vgl. Zahl dibuaZahl neun (Tage lang zwecks wehklagen Wehklagen) sitzen“ vorüber, so begibt sich die Totenseele auf den nge’ a kwedi „Todesweg“. [handschriftl. Notiz, nicht lesbar]

Unter „Gebräuchen“ ist auf S. 217ff. beschrieben, wie man sucht, dem Abgeschiedenen zu helfen, die Schwierigkeiten dieses Weges zu überwinden. Denn hier sind mancherlei Beschwerden zu bestehen und Widerstände zu überwinden, was nur möglich ist, wenn die Hinterbliebene Hinterbliebenen ihm [in] magischer Weise besonders durch Opfer und Kulttanz helfen, vgl. S. 220. Auch hier prägt sich das Jenseits den Lebenden in Formen aus, die sie aus ihrer irdischen Erfahrung und Umgebung kennen, vgl. Träume S. 77ff. Die einen schildern den Todesweg als einen obenauf äußerst glatten Stamm, der als Steg über einen tiefen Fluß oder Schlucht gelegt ist; wer nicht über ihn schreiten kann, sucht rittlings auf ihm hinüberzukommen. Und doch stürzt in die Tiefe, wer nicht genügend gerüstet ist. – Anderen liegt der Hades hinter einer dichten Dornhecke und Gestrüpp, wodurch einer nur unter schweren Mühen und Not hindurchkommt, oft hängt er lange in den Dornen fest und kommt nicht weiter. Anderswo liegt die „Totenstadt“ auf einem Berg aus lauter Geröllsteinen; auf dem Rücken liegend muß der Schattengeist suchen, hinaufzusteigen und immer wieder rutscht er über die lockeren Steine hinunter. (gefangen und gelöst, vgl. S. ---)

Nur bei den Bakwiri fand ich die Überlieferungen Überlieferung, daß der Todesweg besonders beschwert werde durch einen Dämon Mokase, Dämon der Kwiri Mokase, vgl. den Cerberus der Griechen. Schon auf dem Totenbett naht sich Mokase dem Sterbenden, belästigt ihn und sucht ihn in seine Gewalt zu bekommen. Gelingt ihm das, so reißt er dem Sterbenden den Unterkiefer ab, und wenn einer mit offenem Munde verscheidet oder nachher der Mund sich öffnet, so ist das ein Zeichen für Mokases Werk. Darum rüstet man solche im Todeskampf Liegenden, besonders Magier, mit Waffen Waffen und Feuerbränden aus, mit denen sie im Kampf mit dem Mokase um sich schlagen. Mokase tritt auch manchen auf dem über den „Styx“ führenden Baumstamm so entgegen und sucht den Schatten in die Schlucht zu stoßen. Nur wer mit den nötigen Mitteln ausgerüstet ist, kann dem Mokase widerstehen; weiteres in Africa, Band [VIII No. 3, July 1935], Seite [355ff.], Ittmann, Die Gottesvorstellung der Bakwiri [Von der Gottesvorstellung der Bakwiri]. Tod

(3) Der Aufenthalt im Hades Hades

Der Hades ist die mundi ma kwedi „Todessiedlung, -dorf“ und ist ein wesentlicher Teil der über- , unsinnliche Welt unsinnlichen Welt. Dem steht nicht entgegen, wenn jeder Stamm seinen Hades an einem besonderen Ort sucht; oft wird so gesprochen, als habe jedes Dorf seinen abgeschlossenen Platz im Jenseits für sich; dann wieder, daß der Hades die Parallele zur sichtbaren Welt ist, vgl. S. 47. Beide Meinungen widersprechen sich im Grunde nicht, denn auch in der oberen Welt ist jede Siedlung ein Ort für sich und ist doch durch Pfade und Wege mit anderen verbunden. Anwohnern des Meeres oder großer Flüsse verschmilzt der Hades der {101} Ahnengeister vielfach mit dem Ort, da sich die mengu „Wassergeister“, vgl. S. 117f., aufhalten, und beide haben dann vielfach einen Kult. Für die meisten Landbewohner ist er ein Ort unter der irdischen Siedlung oder unter dem angrenzenden Wald, wobei wohl mitspielt, daß die Toten teilweise in den Hütten, teils im angrenzenden Busch beerdigt werden. Der Wald ist jedenfalls nach Märchen Märchen und anderen Erzählungen der Ort, wo einem „Schatten“ begegnen. Hier berühren sich ja auch unsinnliche und Sinnenwelt, wie Hades und Grab nicht weit von den Lebendigen sind. Daneben hat man aber auch wieder weiter abgelegene Gegenden des eigenen Gebietes, wo sich die „Schattensiedlung“ befindet; vgl. das auf S. 51 zu Kongwe Gesagte. In solch entfernten Orten vermutet man besonders die Großen und Magier des Stammes, denn sie werden ja auch vielfach nicht in des Dorfes Nähe bestattet, sondern wie z. B. bei den Bakundu in genügender Entfernung, damit die Lebenden nicht belästigt werden. Diese Wald- und Feldstellen sind tabu; dort darf mit Eisen Eisen nicht hantiert werden, kein Feuer Feuer darf an solchen Ort kommen, gewöhnliche Menschen und besonders Frauen müssen ihn meiden meiden. Nur die Ältester Ältesten oder in ihrer Vertretung ein als Priester Priester bestellter Magier opfern dort und dürfen in der Umgebung des Platzes Früchte pflücken. Ist ein Kulttanz, so tanzen die Schatten dort mit, und wer die Fähigkeit dazu hat, hört ihren Lärm. Auch sonst kann einmal einer ‑aber nur ungesucht‑ Zeuge der Tätigkeit oder der Anwesenheit solcher Geister Geister an den verrufene Orte verrufenen Orten sein. Manche finden dort gelegentlich auch Topfscherben oder Herdsteine, die „selbstverständlich“ von den bedimo stammen, in Wirklichkeit aber sind sie meist ein Zeugnis einer alten Kultstätte. Dort wird beim Ahnenkult auch den Vorfahren geopfert, vgl. S. ---, dort insonderheit begegnet sich unsere Sinnenwelt und die unsinnliche Welt der Geister.

Nach der Ansicht vieler ist bei Aufnahme im Hades eine Prüfung zu bestehen, wie ja auch der Gang dorthin schon eine solche ist. Jede Sippe lebt im Hades für sich in einen Dorfteil wie im Diesseits; über das Dorf herrscht ein Häuptling Häuptling mit den Sippenältesten als Beiräten. Man streitet sich darum, welcher der abgeschiedenen Häuptlinge und Sippenväter dort Mundwalt ist; der zuletzt verstorbene oder der Sippengründer? Vor dem Dorfrat der Schatten hat der Neuankömmling zu erscheinen. Zunächst werden die äußeren Kennzeichen geprüft: Stammesmarken, Zahnverstümmelung Zahnverstümmelung und ‑beim Mann‑ Beschneidung Beschneidung. Stimmt in diesem Stück etwas nicht nach der Überlieferung, so wird er verlacht oder gar ausgestoßen. Dann werden aber auch seine inneren Qualitäten untersucht; ist er ein Schädling, so wird er bestraft; davon später.

Das Ahnengericht weiß in allen Stücken über den Neuangekommenen Bescheid; die Sippenahnen geben ihren Befund an die Stammesahnen weiter. Deshalb ist es nötig, daß auf Erden die Hinterbliebenen Reichtum Reichtum und Bedeutung des Verstorbenen feiern, denn das wirkt im Jenseits.

In was besteht die Prüfung?

1. äußerlich: Stammeszeichen in Gesicht Gesicht, Zähnen, Bart, Sprache Sprache, Ohren

2. innerlich: sittliche Beschaffenheit, Ansehen im Stamm, Reich[tum], Krieger etc.

3. magisch-selbstwirkend

Sowohl beim Antritt auf dem Todesweg, bei Überwindung der Schwierigkeiten auf ihm, beim Eingang in den Hades, bei Lösung der ihm dort auferlegten Strafen, vgl. S. 216, muß die Schattenseele unterstützt werden von den Hinterbliebene Hinterbliebenen. Es geschieht das hauptsächlich durch zwei Feiern:

1. Musasako ma kwedi, faßt zusammen verschiedene Handlungen, um die Lösung des Toten von dieser Welt zu bewerkstelligen und ihn auszurüsten für den Eintritt in die Totenwelt; die Bräuche sind begleitet von Wehklagen und gekennzeichnet durch malebo (lebe) maleboTrauerzeichen Trauerzeichen“; sie leiten ein und durchziehen eine Periode, die für die Nächstbetroffenen als Verunreinigung Verunreinigung gilt; näheres vgl. S. 260ff.

2. Kwedi oder (Kp.) eyu „das große Totenfest Totenfest“, um den Abschluß zu manifestieren von der seitherigen Unruhe für den Totengeist, er ist nun in der anderen Welt fest angesiedelt, aber auch um alle Zeichen der Verunreinigung hinwegzutun und die Rückkehr der Hinterbliebenen in normalen Stand zu feiern; näheres vgl. S. 220ff.

Wer aufgrund eigenen Standes und der Hilfe der HinterbliebenenDarum ist es das Anliegen eines Alten, daß wenigstens einer seiner Söhne nicht Christ wird, sondern die Erfordernisse des Ahnenkultes erledigen kann.

im Hades Aufnahme findet, wird in die Ahnensippe aufgenommen. Seine durch Krankheit und Sterben verminderte Kraft wird durch Pflege erneuert, damit er seinen Platz im Jenseits ausfülle. Ist einer zu jung gestorben, um als „Ahne“ gelten zu können, so wird er nach erfolgter Wiederherstellung zurück auf die obere Welt geschickt, um es nach erfolgter „Wiedergeburt“ zur Ahnenschaft zu bringen. Wenn eine Frau Wasser von der Dachtraufe auffängt und trinkt, kann sie gelegentlich damit auch die <Seele> eines solchen Rückkehrers trinken trinken und ihm später das Leben schenken; so bei den Bakosi.

{102} Die Formen des Daseins im Hades entsprechen den irdischen Verhältnissen, nur trägt alles den „ Geruch Geruch des Todes“ an sich. Häuptlinge, Untertanen, Hörige, Sklaven wohnen dort wie hier, gegliedert in Sippen und Familien. Man ißt, trinkt, freit, lebt in Freundschaft oder Feindschaft zusammen oder auseinander wie hier; die Weiber sorgen für die Küche, die Männer gehen ihrer Hantierung nach; Fischer Fischer und Jäger müssen freilich ihren Beruf wechseln und Viehpflege treiben, denn Wild gibt es im Hades nicht, vgl. S. 59. Vor allem halten die Alten aber Palaver = Aussprache Palaver; sie müssen ja nicht nur ihre Sachen im Jenseits regeln, sondern auch über ihre Sippe auf Erden wachen in Segen und Strafen. Den jüngeren Gliedern und den Sklave, Sklaverei Sklaven fällt mehr die Handarbeit zu. Man spielt drunten die diesseitige Rolle weiter.

Während nach Überlieferungen Überlieferung der Bakosi und anderer die, welche eines blutigen Todes gestorben sind, vgl. S. 205, 214, nicht in den Hades eingehen, sondern in den Himmel, berichten die Bakwiri, daß solche „Schatten“ drüben ein Zeichen ihres Todes an sich tragen: Der Erhängte ein Stück Liane Liane oder Strick, der vom Baum Erschlagene ein Aststück, der von der Palme gestürzte einen Steiggurt, der Erschossene und Krieger ein Gewehr, vgl. auch ngad’ a mudumbu Gewehr, der mit bloßer Waffe Getötete ein Buschmesser, der Ertrunkene eine Schale mit Wasser u. ä. Doch entscheidet das nicht über Gut und Böse, denn Ausscheidung der Bösen ist ja schon erfolgt.

„Die <Schatten> halten von Zeit zu Zeit auch Versammlungen ab, in denen sie über die Schicksale der Menschen beraten, Geburten oder auch Tod beschließen. Um die im Fruchtbarkeitskult von den Hinterbliebenen erbetenen Gaben zu vermitteln, hat der Sprecher der ‘Schatten’ auch mit der Ahnengottheit N Nyambe, Ya. Zamba, Ko. Mwa-nyame etc. yambe (vgl. S. 119ff.) zu verkehren, so daß sie gleichsam als Mittler Mittler zwischen Gottheit und Menschen stehen (vgl. S. ---). In den Versammlungen der Ahnen kann es so heftig zugehen wie bei einem Palaver auf Erden, denn die einzelnen Sippenältesten müssen sich für ihre Nachkommen wehren und andere wünschen deren Verderb. Vor solcher Versammlung hat ja auch jeder Neuankommende zu erscheinen und sein Urteil zu empfangen; wie beim irdischen Gericht entscheidet auch im Hades die Mehrheit. ‑ Die Schatten „Nach dem Tod wird die geistige Seite des Menschen zum edimo ‘Totenschatten’. Manchmal kann er von Menschen gesehen werden, aber man kann ihn nicht fangen, denn er hat die Fähigkeit zu verschwinden, ohne sehen zu lassen, wohin er ging, ähnlich wie Rauch in der Luft verschwindet. – Schatten die sich häufig sehen lassen, sind zumeist solche von bato b’ ewusu ‘Tiermenschen’ (vgl. S. 82ff.) und solchen, deren Tod durch ewusu-Hexerei veranlaßt wurde. – Leute, die an solcher Hexerei gestorben sind, müssen noch einmal den kwed’ a Loba ‘Gottestod’ (vgl. Note 1 S. 76) sterben. – Totenschatten haben die Gewalt, Leute umzubringen oder sie in <Gefahrenzustand> (vgl. S. 97) zu versetzen oder Segen über sie auszugießen, je nach dem Verhältnis, das sie gerade zu ihnen einnehmen. Die <Schatten> freuen sich auch, wenn die Hinterbliebenen ihrer gedenken. Darum pflegt man auch am Anfang der Saatzeit und bei Einbringen der Ernte die Schatten zu füttern (= ihnen opfern), damit auch die nächste Ernte wieder reichlich ausfalle. In Verbindung mit kultischen Tänzen und Anrufungen schüttet man ihnen gekochte Speise, davon man selbst genossen, in den Busch, an Wegkreuzungen und hinters Haus aus. So wurde früher von jeder Sippe das Saatopfer ausgeschüttet, um der Vorfahren zu gedenken und von ihnen Segen fürs kommende Jahr zu begehren. – Die Ahnenschatten haben ihre eigene Siedlung unter der der Lebenden oder mitten im dichten Wald. Aber nur solche, die sich in allen heimlichen Künsten auskennen, vermögen die Schatten zu sehen und dahin zu kommen, wo ihr <Segen> verborgen ist. Wenn aber so ein noch lebender Mensch in ihre der unseren ähnlichen Siedlung kommt, so merken das die Totengeister sofort am Geruch, auch wenn er sonst unsichtbar ist.“ (Preisarbeit)

lassen sich auch gelegentlich hören, besonders nachts hört man sie oft weinen und klagen. Die deutet man als bedidiOmen Omen’ dahin, daß nächstens ein angesehener Mann in der Gegend sterben sterben wird. Hört man das Geheul der Schatten, so zieht sich alles erschrocken in die Hütten [zurück], wer unterwegs ist, sucht die nächste Menschenwohnung zu erreichen; denn er glaubt sich von unholden Schatten verfolgt. Aus Schreck soll oft solch ein Flüchtender die Sprache verlieren; der Magier aber hat Mittel und Macht, das Verlorene wieder zu beschaffen, so das möglich ist. ‑ Die Schatten können aber auch einem erscheinen; der Betreffende sieht dann eines Verstorbenen Gestalt, oft erkennt er ihn. Sieht er nur die Gestalt vorbeihuschen, so ist das Machterlebnis nicht so groß, wenn er nur ohne weiter hinzuschauen sich schnell aus dem Staub macht. Schaut er aber eines Schatten Gesicht Gesicht (vgl. S. 70), [so] ist er vom Tode gezeichnet. Von Leuten, die einen Schlaganfall hatten, sagt man meist, daß ihnen ein <Schatten> begegnet sei. Eines Abends am Ende der Regenzeit 1939 fanden einige vom Feld Heimkehrende am Dorfzaun-Übergang zu Wokpango den alten --- stumm und an der einen Seite gelähmt liegen und trugen ihn nach Hause. Er hatte auf dem Heimweg vom Feld einen Schlaganfall und blieb trotz Mühen geheimer Kunst stumm und gelähmt und starb nach etwa zehn Tagen. Jedermann aber wußte alsbald nach dem Anfall, daß ihm kurz vor dem Dorfzaun unholde Geister begegnet waren und ihn geschlagen hatten, denn auf Befragen bestätigte er dies durch Nicken. Diese Begegnung hatte ihm seine Lebensseele geraubt und er hatte danach Sprache und Gesundheit verloren.

– Es soll auch vorkommen, daß <Schatten> jemand[en] rauben; sie nehmen ihn dann aber nicht zur Haustür hinaus, sondern durchs Dach, von wo sie mit ihm in den Wald enteilen. Der so Geraubte kann nur von beherzten und <gefüllten> Männern gerettet werden, wenn sie auf sein Hilferufen ihm nacheilen und ihn den Schatten entreißen können. Es wollen Leute solche Zurückgeholten gesehen haben, die durch dichte Dornen gegangen, ohne daß sie zerkratzt und in heftigem Regen trocken geblieben waren (vgl. S. 203), sie hatten sich also durch Berührung mit den Schatten schon <geteilt> (vgl. S. 44).“

Das folgende Jägermärchen verdanke ich Emil Molindo Molindo mo Ndjombo, Emil Pastor, gestorben 1942 ; es zeigt mancherlei über die Vorgänge im Jenseits und das Treiben der „Schatten“:

{103} „Ein Jäger wollte einmal Wild erlegen. Er durchstreifte den ganzen Wald, sah aber nichts. Zuletzt stieß er auf frische Fußspuren einer Antilope. Sofort zog er seinen Zaubertrichter aus der Tasche und tröpfelte von seinem Mittel in die Spuren. Und als er sein Sprüchlein gesagt hatte: Wohin du auch immer gegangen sein magst, komme sofort hierher zurück!, versteckte er sich. Es dauerte gar nicht lange, da kam auch schon eine Schirrantilope daher. Er legte sein Gewehr an und schoß. Die Antilope aber machte kehrt und rannte verwundet davon. Der Jäger hintendrein und als das Tier einmal verschnaufen wollte, gelang ihm der Schuß besser. Er hob die Antilope auf seine Schulter und trug sie zu der kleinen Jägerhütte, die er sich im Wald gebaut hatte, und machte sich daran, das Tier zu zerlegen.

Als es gegen Abend im Wald begann, dämmrig zu werden, hörte er plötzlich jemand im Wald seinen Bruder rufen: Du Lyonga, Lyonga! Und der Gerufene antwortete: Ja, hier bin ich! Da fragte die erste Stimme wieder: Sind alle Ziegen und Schafe ins Haus eingebracht? und Antwort kam zurück: Laß mich doch erst einmal nachsehen! und nach einer Weile fuhr er fort: Ja, all mein Kleinvieh ist zu Hause. Da sagte der erste wieder: Bruder, du kennst doch meine Ziege mit dem weißen Fleck auf der Stirn und den weißen Tupfen und Strichen in den Weichen (geradeso sind auch die Schirrantilopen gezeichnet), gerade die kann ich nicht finden. Ob wohl der Kerl, der vorhin mit dem Gewehr geschossen, sie getötet hat? Wahrhaftig, wenn diese Burschen in den Wald kommen, verschwindet unser Kleinvieh ein Stück nach dem anderen. Der andere sprach ihm sein Bedauern zum Verlust aus und seufzte mit seinem Bruder, der noch eine Weile laut nach seinem Tier rief; weil er aber nicht von ihm hörte, ging er heim.

Der Jäger lauschte gespannt dieser Zwiesprache und ‘das Herz entwich ihm dabei aus dem Bauch’. Es wurde ruhig und der Gedanke kam ihm: Vielleicht kommen diese Totengeister (denn an ihrer Stimme hatte er sie als kürzlich verstorbene Dorfgenossen erkannt) heute nacht wieder und überfallen mich in meiner armen Hütte und bringen mich um. So machte er denn ein Feuerchen an und saß die ganze Nacht ängstlich wach. Endlich graute der Tag und er beschloß, noch an diesem Tag heimzukehren; doch wolle er zuvor noch einmal den Wald durchstreifen, vielleicht finde er zu dem einzigen Wildbret noch ein zweites hinzu. So durchforschte er den Wald denn weithin, ohne etwas zu sehen; der ganze Wald lag totenstill.

Als gegen vier Uhr der Tag im Begriff war sich zu neigen, machte der Jäger sich wieder auf den Rückweg zu seiner Jägerhütte. Da warf er einmal den Blick auf die Seite und gewahrte unter einem Baum eine äsende Schirrantilope. Anlegen, Zielen, Schießen war eines, da lag das Tier auch schon auf dem Rücken. Er wollte es greifen, da stand es aber wieder auf den Füßen und eilte davon. Er aber hetzte mit aller Kraft hinter dem verwundeten Tier drein, er mußte nur die Blutspur verfolgen. Plötzlich findet er da einige kleine Zweiglein quer über den Pfad gelegt als Sperre, die er nicht überschreiten solle (vgl. S. ---). Er ließ [sich] dadurch nicht hindern und eilte weiter. Plötzlich stand er in einem Gehöft am Ortseingang. Der Jäger erschrak und da er nicht wußte, was tun, stellt er sich zunächst hinter einen Baum am Ortsrand. Dort hörte er alsbald ein Geschrei aus dem Hofe: Da schau nur einer her! Wer hätte mir denn heute auch noch diese Ziege fast getötet? Sieh doch nur, wie ihr das Blut vom Leib tropft! Der Jäger unter dem Baum merkte an der Stimme, daß sein verstorbener Mutterbruder ( Onkel (Mutterbruder mulalo, Vaterbruder sango musadi) Onkel) so rief. Da faßte er sich ein Herz und sagte: Ein Mannskerl kann doch nur einmal sterben! ( Sprichwörter Sprichwort), trat hinter dem Baum hervor und kam langsam in den Hof. Bei seinem Anblick stoben die Kinder, die dort spielten, nur so auseinander. Ein Bursche aber kam ihm entgegen und fragte ihn nach seinem Begehr und nach dem Woher und Wohin. Der Jäger gab Bescheid, wieso er hierhergekommen sei und der Bursche führte ihn unter einen großen Lindenbaum, der den Hof beschattete. Dort hielten die Alten gerade Rat. Sofort erkannte ihn sein Onkel, er auch den Onkel, und er blickte zu Boden (vgl. S. 70). Man ließ ihn Platz nehmen und hub an zu fragen: Du bist es also, der uns und unser Vieh hier immer beunruhigt! Wir hören oft genug den Knall deines Gewehrs da und jedesmal fehlt uns nachher eine Ziege, ein Schaf, ein Schwein oder gar ein Rind. So bist also du es, der uns um unser Kleinvieh bringt? Sie nahmen ihm das Gewehr ab und beschlossen, ihn einzusperren, damit er nicht mehr zu den Lebenden zurückkehren könne. Darum solle man ihm ein Essen kochen, denn wer {104} einmal von solcher Speise Speise gegessen, kehrt nimmer zu den Lebenden zurück. Also kochte man ihm das Essen. Bevor sie es ihm aber vorsetzten, schlich sich sein Onkel zu ihm und raunte ihm ins Ohr, daß er davon ja nichts essen, sondern alles den Hunden, die im Haus seien, hinwerfen solle. Er selbst solle nur etwas Palmöl oder Tunke an seine Lippen streichen, so daß jeder glauben müsse, er habe gegessen. Der Jäger befolgte seines Onkels Rat und warf den Hunden alles Essen zu. Als die alles aufgezehrt hatten, spülte er sich den Mund mit Wasser und strich sich etwas Tunke an die Lippen, so daß es aussah, als habe er gegessen. Sein Onkel kam und fragte, ob er ihm gehorcht habe, was der Jäger bestätigen konnte. Später beschlossen die Alten, an welchem Tage sie ihm den ‘ Geruch Geruch der Lebendigen’ vom Körper nehmen wollten, damit er einem Verstorbenen gleich werde. Aber am Abend vor diesem Termin kam der Onkel wieder heimlich zu dem Jäger und sagte ihm hinterm Haus: Hier hast du dein Gewehr wieder und geh zurück ins Dorf. Sag aber ja keinem, was du erlebt hast; sagst du einem, daß du uns gesehen, so mußt du sofort sterben. Sag deinen Leuten, daß du dich im Wald verirrt hattest. Deinen Fleischkorb, den du in der Jägerhütte zurückgelassen, wirst du am Weg finden. Da gab ihm der Onkel einen kräftigen Stoß und alsbald sah sich der Jäger hinter seinem Haus im Dorf stehend und sein Fleischkorb lag gefüllt vor ihm. Er hob ihn auf und trat ins Haus.

Da wurden seine Heimgenossen alle froh und begannen zu jubilieren und riefen: Er ist wieder da! Er ist wieder zurück! Da kamen die Leute zusammen, daß in Haus und Hof Kopf an Kopf stand. Man fragte ihn, wo er denn so lange gesteckt habe, er aber suchte sie abzulenken und sagte, daß er im Wald verirrt gewesen sei. Aber keiner konnte ihm das so recht glauben, denn man hatte ihn überall gesucht. Da nahm ihn sein Weib auf die Seite und fragte ihn immer wieder, wo er gewesen [war]. Sie sagte auch: Du liebst mich nicht, sonst würdest du mir sagen, wo du im Wald gewesen [bist] und was du dort getrieben [hast]. Zuletzt war er des Fragens müde und teilte ihr sein ganzes Erleben in allen Einzelheiten mit, wie es sich zugetragen. Dann schärfte er es ihr aber sehr ein, daß sie davon ja niemand etwas erzählen solle, weil er sonst sterben müsse. Die Frau aber sagte es ganz heimlich ihrem Vater, der auch ein Jäger war, was ihrem Mann begegnet war und daß alles Wild des Waldes Eigentum Eigentum der Totengeister sei. Da blieb des Jägers Erlebnis nicht lange ein Geheimnis, bald sprach die ganze Siedlung davon.

So kam es, daß eines Tages die Dorfältesten zusammenkamen und den Jäger riefen, damit sie die Geschichte von ihm persönlich hörten. Er sträubte sich lange, aber zuletzt mußte er den Alten nachgeben, und er erzählte ihnen die ganze Geschichte. Zu Ende gekommen aber rief er laut aus: Wenn ich auch jetzt sogleich sterben muß, so will ich doch noch sagen, daß mein Weib mich zu Tode gebracht hat. Denn ihr habe ich mein Erlebnis ganz im Geheimen mitgeteilt und durch sie ist es in die breite Öffentlichkeit gekommen. Darum ist es nicht gut, wenn sich ein Mann ganz auf seine Frau verläßt. Kaum hatte er das gesagt, da fiel er um und verschied.

Daher glaubt man bis auf den heutigen Tag, daß das Wild des Waldes der Ahnen Haustiere sind.“

{105}

[Notiz auf Rückseite von S. 104: Unter diesem Namen kommen die Gespenster auch in Märchen der Basa vor. So heiratete der Leopard eine ngond nkuki „Gespenstjungfrau“. Als sie sich fürchtet, in die Dunkelheit zum Wasserschöpfen zu gehen, ermuntert sie ihr Mann, daß sie doch in die Gruppe der starken Tiere geheiratet habe und sich nicht fürchten müsse.]
(4) Strafe und Verbleib der vom Hades Ausgeschlossenen

In einem Bericht vom 26. Juli 1909 schreibt Missionar J. Stutz Stutz, Jakob Missionar (nach Bericht vom 26.7.09) aus dem Gebiet der Basa im Missionsbezirk Sakbayeme hierüber Folgendes:

„Die Seelen böser Menschen werden in das Totenreich Totenreich nicht eingelassen; sie müssen leiblos hier auf Erden bleiben und treiben sich besonders abends gern in der Nähe der Menschen herum, während sie tagsüber einsame Orte aufsuchen. Sie plagen die Menschen auf mancherlei Art, bringen Käfer Käfer und Engerlinge auf die Äcker und Mißwuchs in die Felder; auch manche Krankheit und anderes Unglück rührt von ihnen her. Nur das Orakel Orakel weiß Mittel und Wege, sich ihrer zu erwehren. Zornig geworden, können sich diese Wesen auch tatsächlich an Menschen vergreifen. Von einer Frau in Sing Sak (= Sak Bayeme), die noch lebt, wird erzählt, als sie unwohl in ihrer Hütte lag und nur zwei Jungen um sie herum waren, hörten die Leute im Hofe plötzlich ein fürchterliches Geschrei aus der Hütte. Sie eilten hinein und fanden die Frau aus vielen Wunden bluten. Sie selbst hatte niemand gesehen, die Buben auch nicht; aber gespürt hatte sie, wie wenn sie mit einem Haumesser geschlagen würde. Das waren natürlich solche unholde Schatten.

Nkuki, pl. bakuki, ist der Kosename dieser unholden Geister Geister, ihr eigentlicher Name ist nyong, pl. bayong ‘die von weither Gekommenen, die aus dem Hinterland Hinterland’ und weil von dorther auch die Sklave, Sklaverei Sklaven gebracht wurden, hat dies Wort auch den Sinn ‘Sklave’. Ob hier nicht eine Verwechslung vorliegt? Nkuki, stammverwandt mit Ko. und Nya. ngu, pl. bagu und Kp. und Ku. mu, pl. bau „Verstorbener, Abgeschiedener, Schattengeist“, ist sicherlich der rechte Name für diese Geister,| und bayong ist wie sonstwo Schimpfname und darum in diesem Falle tabu.

Es ist gewagt, den Namen bakuki laut auszusprechen. Das erzürnt die Geister und bringt sie einem leicht auf den Hals. Wer sich mit den unangenehmen Wesen gut stellen will, speist sie, indem er von Zeit zu Zeit einen Korb voll Knollenfrüchten oder eine Bananentraube oder eine Yamswurzel an dem Weg zu seinem Hofe oder Acker legt, denn oft quält sie Hunger und macht sie böse.

Niemand weiß, wie lange ein Mensch nach seinem Tod in diesem Zustand bleiben muß. Nachdem ein solch unheimlicher Geist eine Zeitlang sein Unwesen getrieben [hat], verschwindet er auf Nimmerwiedersehen und keiner weiß, wohin? Das Gewöhnliche aber ist, daß eine solche Schattenseele mit der Zeit Besitz nimmt von einem Tier ( Leopard Leopard, Elefant Elefant, Gorilla Gorilla, Schimpanse Schimpansen, großer Antilope Antilope u. ä.) und mit diesem Tier einmal sein Ende findet. Im Lungasi-Gebiet, westlich von Sanaga, tötete man z. B. keine Büffel, Schirrantilopen, große Affen u. a. und aß ihr Fleisch nicht, denn es waren bedimo „Abgeschiedene“. Auch bei anderem Großwild hatte das ngambi „Orakel“ zu entscheiden, ob es ohne Gefahr verzehrt werden könne.

Das kann aber oft recht lange anstehen; und solche Tiere sind besonders zu fürchten. Das zeigt folgendes Erlebnis: Ich war auf einer Außenstation. Da kommt der Häuptling und bittet mich, einen Leoparden zu erlegen, der ihm fast jede Woche einen Menschen zerreiße. Ohne Gewehr konnte ich seiner Bitte nicht willfahren und sagte dem Mann: Warum macht ihr ihm nicht den Garaus? Ihr seid doch so gute Jäger! Die Antwort des Häuptlings war: Ja, aber ich kann doch nicht meine Großmutter töten! Er wähnte also die Totenseele dieser Frau in dem Tier; und obwohl die Männer jener Gegend tüchtige Draufgänger sind, haben sie diesen Leoparden doch so gefürchtet, weil die böse Alte darin stecke, die schon zwanzig Jahre keine Ruhe gefunden. Der Orakler hatte ihm geraten, das Tier durch einen Europäer schießen zu lassen, um der Plage ledig zu werden; denn einem solchen könne der Schatten doch nichts anhaben, oder wenn doch, dann erlitten sie ja keinen Schaden. – Nun hoffentlich kommt bald einer mit einer guten Waffe!“ Soweit Stutz, Jakob Missionar (nach Bericht vom 26.7.09) Stutz.

Auch sonstwo ist die Meinung lebendig, daß die vom Hades ausgeschlossenen Schatten in wilde Tiere (Leoparden, Krokodil Krokodile, große Pflanzen) eingehen und mit ihnen ihr Ende finden, nachdem sie feindliche Menschen gequält haben. Daneben herrscht auch der Glaube, daß sich die Toten im Hades noch weiter entwickeln, sei es zum Guten oder Schlimmeren. Daher kommt es auch, daß Schatten auch aus dem Hades ausgestoßen werden können und dann das gleiche Schicksal erfahren wie die Ausgeschlossenen. Solches Ausgeschlossensein oder Ausgestoßenwerden hängt auch zusammen damit, ob die Totengebräuche auf Erden in rechter Weise verrichtet werden. Die Bakosi haben die Vorstellung, daß die Abgeschiedenen solange wie Gefangene mit Stricken um den Hals und Fesseln an den Füßen behandelt werden, bis das letzte große Totenfest Totenfest gehalten sei. Und weil ein solches Fest Fest oft viel Aufwendungen erheischt, hat ein solcher oft recht lange auf seine Freilassung zu

{106}

[Notiz auf Rückseite eines eingeklebten Zettels mit der Überschrift: „zu S. 106“: Busch- [?] oder Quälgeister sind solche Schatten, die eben an sich haben und so nicht in den Hades eingehen können. [Bei] ihnen werden die beiden großen Zeremonien nicht geübt [?]: 1) kurz nach dem Begräbnis: Abschieben aus dem Diesseits, vgl. S. 217ff. und ---. 2) Monate, oft Jahre nach dem Tod: Lösung zum Eintritt in den Hades, vgl. S. 220ff. Eingeklebter Zettel mit handschriftlichen Notizen: Nach v. Hagen, die Bulu-Rite [?] Djamba zu dem Zweck, die Verstorbenen durch Vernichtung ihrer Wirbelsäule am Wiederkommen zu verhindern. Zu dieser Rite wird im Busch ein großes Loch gegraben und dieses mit Stämmen, Stöcken und Gras überdeckt, danach wird eine kleine Hütte errichtet und in dieser halten sich die Männer auf. Der Leiter der djamba-Rite fragt, wessen Bruder gestorben sei und läßt dann deren Knochen holen; man legt die Gerippe in die Grube und entfernt die Rückenwirbel. Sie werden gebrannt und mit Steinen zerrieben. Dieses Knochenpulver reibt der Leiter den Männern in kleine Wunden, die er ihnen an Ellenbogen, Knie und Nacken beigebracht hat. Das soll dazu helfen, daß sie bei langem Tanz o. ä. nicht mehr steif werden. Darauf nimmt er einen der Schädel, wirft ihn auf die Erde und besprengt ihn mit otui- (Mahagoni-)Saft, worauf alle Anwesenden in den Schädel schreien. Wer das tut, wird frei vom mbaki des Ausgrabens seines Verwandten. Dann füllt man Kalebassen mit Wasser, Palmwein und gestampften okomen- (wilden Yams-)Knollen und jeder Teilnehmer erhält dann eine Kalebasse. Gibt einer aus dieser Flasche einem Kranken zu trinken, so wird er wieder gesund. Zum Schluß folgt der djamba-Tanz. Dabei sitzen die Männer im Kreis. Zum Schlag zweier Schlitz- und einer Felltrommel tanzt einer in der Mitte, oft verziert mit einem ebui „Gesäßbüschel der Frauen“ aus Raphiablättern. Beim Tanz schreitet er auf den Zehen in kleinen Schritten und schüttelt dabei dauernd den Körper wie bei arabischem Bauchtanz. Dabei ist ihm ein Geisterkatzenfell [?] um den linken Arm gebunden, ein anderes hält er in der rechten (nsiri + servalina [?]). Nach diesem Tanz geht man auseinander. Die Rite ähnelt einem Teil der ngi-Rite. In anderen Gegenden gräbt man unter dem Beistand eines Medizinmannes.]

warten. In Nyasoso-Bakosi erlebte ich, daß ein solch großes Totenfest für einen Unterhäuptling erst zehn Jahre nach seinem Tod gehalten wurde, vgl. S. 221. Dieser Feier schlossen sich dann noch viele geringere Leute mit dem Opfer für ihre Toten an, weil sie für sich selbst ein solch kostspieliges Fest nicht halten konnten. Bei den Bakwiri aber hält man einem das eyu, vgl. S. 221, 224, meist nur einige Monate nach seinem Verscheiden.

Wie lange die Schatten im Hades existieren, ist niemand[em] bekannt; man glaubt zwar im Ahnenkult mit Anrufen der Ahnen bis in die fernsten Zeiten zurückzugreifen, und jede Sippe meint, bei solchem rufen, anrufen Anrufen der Letztverstorbenen alle ihre in den Hades eingegangenen Vorfahren zu nennen. In Wirklichkeit ist es aber eine beschränkte Anzahl, die genannt wird, selbst wenn einer [auf] soviel Glieder zurückgreifen kann wie Isak Mongenya auf S. 82. Die anderen haben für das irdische Bewußtsein aufgehört zu existieren, wie es landläufige Meinung ist, daß außer denen, deren man auf Erden gedenkt, keiner im Hades existiert, vgl. S. 225.

So zerfallen die bedimo „Totengeister“ in zwei Gruppen, die in den meisten Stämmen unter einem Namen laufen:

1) die Ahnengeister, die man im Ahnen- und Fruchtbarkeitskult Fruchtbarkeitskult verehrt, mit denen man sich verbunden und denen man sich verantwortlich weiß, denen man Gutes zutraut, die das Leben und Gedeihen der lebenden Nachkommen fördern und schützen, ihnen in Not beistehen, ihnen Zeichen (Omen) Zeichen und Auskunft geben, das Feld Feld mit Wachstum, die Jagd mit Beute segnen. Ihnen gibt man Bittopfer und ruft sie im privaten Kult an, vgl. S. ---, und sie haben ihren Sitz in der Unterwelt, können sich aber auch hier oben bemerkbar machen.

2) die Quälgeister Quälgeister, die auch „ Schattenseele (edimo) Schattenseelen“ verstorbener Menschen sind, die aber nicht verehrt werden.

Denn man weiß ja nicht, zu welcher Sippe sie gehören, sie halten sich im Wasser Wasser auf und belästigen die Lebenden. Solche Spukgeister, -seelen, vgl. auch Wiedergänger Spukgeister wandeln bestellte Äcker in Wüsteneien [?], führen Wanderer irre und belästigen sie, veranlassen Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit, vgl. S. ---; sie bringen Krankheiten und Seuchen in die Dörfer und dezimieren durch häufige Todesfälle die Sippen, bis sie sich einen neuen Wohnort suchen.

Weil sie Schaden anrichten, werden sie gefürchtet und nur aus Furcht Furcht wirft man ihnen alsmal gleichsam einen Bissen hin. Es können Verstorbene sein, die früher in dieser Gegend gewohnt [haben], Verstoßene aus Nachbarorten oder auch aus der eigenen Siedlung; gelegentlich sind auch einzelne der unter 1) genannten unter solche Quälgeister zu zählen, besonders auch die Wiedergänger Wiedergänger, doch sind diese insofern besonderer Art, als man weiß, wer sie sind und wo sie begraben sind. Wenn magische Mittel nichts gegen ihre Belästigungen helfen, wird ihre Leiche Leiche ausgegraben und verbrannt, die Asche Asche in den Busch = ungepflegter Wald Busch oder Fluß gestreut.

Die Quälgeister hängen nicht mit einer bekannten Leiche zusammen; sie können aus ganz anderer Gegend stammen.

Ihr Aufenthalt ist der Wald Wald, daher sie auch Waldgeister genannt werden, besonders gern lauern sie auf Menschen an Weggablungen, Schöpfstellen, Zaunübergängen, aber auch im einsamen Wald. Und mancher, der auf Erden mit anderen nicht recht fertig wird (Ehemann und Frauen, Vater und Kinder, Herr und Sklaven u. ä.) ruft verheißungsvoll aus: Mein Krieg Krieg wird einmal nach dem Tod beginnen! D. h., dann will ich als Schatten euch plagen und strafen strafen, da sollt ihr mich kennenlernen! Kehren dann nach seinem Tod bei den Hinterbliebene Hinterbliebenen Krankheit, Tod und andere Verluste ein (etwa durch Leopard Leopard und Elefant beim Vieh und auf dem Felde o. ä), so erinnert man sich bald an die Drohung, fragt das Orakel und sucht, wie mit der Magier Hilfe die Not zu beseitigen ist.

Dies letztere zeigt auch, warum die Kameruner für diese beiden Gruppen keinen besonderen Namen haben; es sind ja die gleichen Wesen.

In einer großen Anzahl Märchen Märchen wird auch von den Totengeistern allerlei berichtet. Bei ihnen denkt man nicht an persönliche Ahnen, sondern es sind Figuren der unsinnlichen Welt, die mit den Lebenden meist irgend einen Schabernack treiben, oft aber auch entpuppt und bestraft werden.Solche Märchen von Spukgeistern sind durchaus anderer Art als das auf S. 102ff. mitgeteilte; z. B. da ist ein Waisenkind unterwegs zu seinen mütterlichen Verwandten. Im Wald gesellt sich zu ihm ein edimo „Schattengeist, Gespenst“. An einer Furt wollen beide baden, das Gespenst veranlaßt das Kind, zuerst ins Wasser zu gehen. Das Gespenst tauscht nun seine unschöne Haut gegen des Kindes Kleider aus. Die Waise fürchtet sich und mußte in die Haut des Gespenstes schlüpfen. Die Verwandten nahmen nun das Gespenst als ihren Vetter auf und schickten die Waise wie einen Sklaven zur Arbeit aufs Feld. Auf einem Baum beim Acker sang ein Vogel den Vorübergehenden die Geschichte des Waisenkindes zu. So erfuhren auch die Verwandten von des Gespenstes Betrug, sie holten die Waise mit Ehren in ihr Haus und straften das Gespenst streng. – Von solchen Gespenstern hat auch der Hund das Feuer gestohlen für die Menschen, vgl. S. 16. 9

Von den eines blutigen Todes Gestorbenen redet man nicht als von „Ahnengeistern“; ihrer wird überhaupt nicht mehr gedacht, vgl. S. 214.

Interessant ist auch, daß man an der Küste sagen hört, daß die Totengeister (statt in den Hades) o mbeng’ a minanga „ins Westland der Weißen“ gehen und sich dort in Europäer verwandeln, wechseln verwandeln, als solche kämen sie dann wieder nach Kamerun Spukgeister, -seelen, vgl. auch Wiedergänger . Quälgeister

Schon die Schwierigkeiten, die beim Eintritt in den Hades zu überwinden sind, legt den Gedanken an ein Gericht, letztes letztes Gericht nahe; mehr noch die Meinung, daß die Versammlung der Ahnen Gut und Schlecht der Einzelnen abwägt und beurteilt. Nur bei den Bankon hörte ich den Glauben, daß Gott Low Ngon, vgl. S. 123, das letzte Gericht in die Hand gegeben ist, deutlich ausgesprochen, obwohl er auch sonstwo vorhanden ist, vgl. S. ---. Die Bankon sagten: „Low Ngon haßt schlechte Rechtsverteidigung“, d. h. er sieht auf Recht und Gerechtigkeit. Sie erzählten: Dieser Große Richter Richter stelle jeden Verstorbenen vor eine große mit scharfen Speer Speeren bespickte Wolfsgrube und stoße ihn in diese hinab. Wer nun vor Low Ngon’s Gericht bestanden habe, komme auf einen guten Platz zu liegen, denn vor ihm tun sich die Speere auseinander, so daß er keinen Schaden erleidet; wer aber nicht bestanden, der falle in die Speere und gehe in entsetzlichem Leiden zugrunde.

Gibt es also in Kamerun Spuren für die Annahme einer Vergeltung Vergeltung im Jenseits? Diese Frage ist durchaus zu bejahen. Es handelt sich dabei freilich nicht nur um sittliche Qualitäten; oft überwiegt das soziale oder gar das wirtschaftliche Element, und der Machtmittelglaube ragt bis ins andere Leben hinein. Bei der jenseitigen Beurteilung spielen auch Unterlassung von Tabu-Regeln und kultische Bestimmung eine große Rolle.

Vor allem aber zeigt der Seelenglaube der Kameruner, daß niemand an einem Leben nach dem Tod zweifelt. Denn das ist vorhanden, auch wo die schlimmste Strafe, die es für einen an der Existenz hängenden Menschen gibt, vollzogen wird: Die Vernichtung im Jenseits. Hades

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(5) Der Glaube an ein Fortleben nach dem Tod Tod

Die Frage, wie bei den Kamerunern der Glaube an ein Fortleben nach dem Tod, vgl. S. 209a, entstanden ist, wird verschieden beantwortet. In der Tat wird wohl Verschiedenes dazu geführt haben:

1. Man gehört mit dem Toten zusammen, sonderlich mit dem Sippenvorsteher, den man seither in Liebe Liebe und Furcht erlebt hat und kann sich nicht denken, daß dies nun mit dem Tod und seinem Weggang in die unsichtbare Welt anders werden oder aus sein soll.

2. Im Tod erlebt man das Numinose. Der Tod erfüllt den Lebenden mit Schauer und überträgt vieles, was dem „Tod“ eigen ist, auch auf den, an dem der Tod offenbar wurde, den „Toten“.

3. In Träumen, Halluzinationen, Gesicht, zweites Gesichten, Ekstasen u. ä. sieht man Gestorbene, ohne sie greifen zu können. Die Wissenschaft Wissenschaft kann diesen Wesen zwar keine Realität zubilligen; es ist aber nicht nur der einhellige Glaube der Kameruner, daß sie eine fein materielle, geistige Realität sind und im Wachsein erlebt werden können. Christen Christliche Kameruner, die dem „Schatten“-glauben abgeneigt sind, behaupten: Das sei ihnen eine der auffallendsten Beobachtungen, daß solche „ Gespenst, vgl. Spuk, Wiedergänger Gespenster, Schatten“ nicht mehr gesehen werden, seit das Evangelium Evangelium im Land seinen Einzug gehalten habe.

Bezüglich der Träume ist das einzuräumen, daß nicht alle Träume gleich wichtig sind; bedeutungsvoll sind nur wiederholte und sehr lebhafte Träume.

4. In seiner Erkenntnistheorie besteht für den Kameruner die Seele als etwas Selbständiges, gleichsam die unsichtbare Seite des Menschen, vgl. S. ---; und wie sich der Primitive nicht aus der Welt denken kann, so ist er auch immer (relativ gefaßt) in ihr. Er ist Präexistenz, vgl. auch Wiedergeborenwerden präexistent und daher auch nach dem Tod noch da. Doch sind ihm eigentlicher Unsterblichkeitsglaube Unsterblichkeitsglaube oder Seelenwanderung frem edimo d Tod . Seele, vgl. auch Lebens- und Schattenseele

3. Was bedeutet der Animismus Animismus für das kameruner Geistesleben

Einerlei nun, wie die Idee des Animismus entstanden ist, so ist doch zu fragen, was er für das Geistesleben bedeutet. Kurz einige Antworten:

1. Er führt den Kameruner aus der rein materiellen Anschauung heraus und erkennt ein geistiges Prinzip an. Freilich machte diese idealistische Weltbild, -anschauung, sinnliche und unsinnliche vgl. auch ndimsi Weltanschauung mancherlei Wandlungen durch, wie wir es an den verschiedenen „Seelen“, die man annimmt, erkennen.

2. In der Erkenntnis, daß der Mensch eine Seele und Seelenkraft hat, ist ihm das Bewußtsein aufgegangen, daß er eine Persönlichkeit Persönlichkeit ist; weil er eine Seele hat, darum versteht er sich als Persönlichkeit.

3. Diese Idee hat den Unsterblichkeitsglaube Unsterblichkeitsglauben zur Folge; man weiß, daß mit dem Tod nicht alles aus ist, sondern nach ihm sogar eine Bewertung des irdisch-menschlichen Lebens erfolgt. Mag dieser Glaube auch durch den Zauberglauben geschwächt werden, Rudimente von ihm sind doch da und machen sich auch im sittlichen Leben immer wieder geltend.

4. Auch der Glaube an Geister und Götter wäre ohne Animismus Animismus nicht möglich. Durch ihn findet sich in Vorstellung, Ahnung und Brauchtum Brauchtum mancher Keim des Gottesglaubens, an den die Verkündigung der Offenbarung anknüpfen kann. In der Furcht Furcht und Hoffnung, die er erregt, ist der Animismus eine Weissagung auf eine höhere Vorstellung. So hat Warneck recht, wenn er sagt: Animismus sei eine „Primitive Philosophie in Bruchstücken“, er sucht bestimmte Erscheinungen der Seele und der Welt zu deuten.

Durch ihn ist ein gewisses Abhängigkeitsgefühl vorhanden, es ist aber nicht auf Gott, sondern auf die Geisterwelt bezogen, die bald übermenschliche Wesen, bald auf menschliche Hilfe angewiesen sind. Die durch animistischen Glauben erregte Furcht verhindert eine Sittlichkeit Sittlichkeit, die auf freier persönlicher Entscheidung beruht, sondern bestimmt ist durch utilitaristische Rücksichten (do ut des). So erzeugt Animismus eine diesseitige Religion, vgl. auch Synkretismus Religion, die von Fatalismus Fatalismus beherrscht wird, also verdorbene Religiosität. Animismus

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E. Der Glaube an Geister Geister und Dämonen Dämonen

1. Einleitendes

Außer den Menschenseelen und Totengeistern, die unter „Animismus“ beschrieben wurden, gibt es noch andere Geistwesen, deren Herkunft nicht abzuleiten ist weder aus Macht- noch Seelenglauben, noch werden sie mittels Magie geschaffen. Wir nennen sie Dämonen.

Dabei ist es wohl möglich, daß einzelne solcher Wesen mit anderen religiösen Vorstellungen in Verbindung stehen mögen, wie etwa mungi mungi, vgl. S. ---, mit den Totengeistern, oder daß etwa Loba „Gott“ am ehesten vom Dynamismus Dynamismus her zu verstehen ist; aber mungi ist kein Totengeist und der Himmelsgott ist kein Machtmittel, sondern handelt nach sittlichen Normen, vgl. S. 123ff. Die Dämonen sind Wesen, die der über- , unsinnliche Welt unsinnlichen Welt angehören, wirken aber in der irdischen Sphäre und treten in Beziehung zu menschlichem Erleben. Wie die Dämonen etwas wesentlich anderes sind als Menschenseelen, so unterscheiden sie sich auch durchaus von dem, was in Kamerun als „Gott“ anzusprechen ist. Man hält sie für eine besondere Kategorie von Wesen, deren Existenz auch auf „ Schöpfung Schöpfung“ zurückgeführt wird.

Auf einem Marsch die Meeresküste entlang unterhalte ich mich mit zwei geschulten Eingeborenen über die mengu „Wassergeister“, vgl. S. 117. Der eine, Georg Elame, berichtet mir völlig unbefangen über diese Vorstellung. Zuletzt bleibe ich stehen und frage: Elame, du sprichst ja, als ob du an eine wirkliche Existenz der Dinger glaubtest. Antwort: Ja, Herr, du etwa nicht? Ich erwidere: Nein, Elame, im Meer gibt es außer Fischen und anderen Seetieren nichts; die hat Gott geschaffen; mengu aber entstammen menschlichem Hirngespinst; weil sich eure Alten manches Seeunglück nicht erklären konnten, sind sie darauf verfallen zu meinen, daß das Meer von solchen Nixen und Nymphen belebt sei. Elame aber ist noch nicht verlegen. Er weist darauf hin, daß er in Kalabar bei Engländern einmal ein Bild gesehen, auf dem solche Wesen abgebildet waren; also müsset doch auch ihr Europäer an die Existenz solcher Wesen glauben, sonst könntet ihr sie doch nicht malen. Ich: Ich kenne solche Bilder wohl; aber sie sind Gebilde menschlicher Phantasie und kein Europäer glaubt an ihre Realität. Noch ist Elame nicht geschlagen: Steht denn nicht auch in eurer Bibel, daß es solche Wesen gibt? Ich: Nein; aber mich interessiert doch, was du damit eigentlich meinst. Elame: Nun, du kennst doch das Gebot: <Du sollst dir kein Bildnis machen noch irgendein Gleichnis machen, weder des das...im Wasser unter der Erde ist; bete sie nicht an und diene ihnen nicht.> Ich: Ja, aber das hat doch mit den mengu nichts zu tun. Elame: Aber die mengu sind doch <das im Wasser unter der Erde ist>; das sind doch wohl Geschöpfe Gottes und dem Menschen ist nur gesagt, er solle sich kein Bild davon machen, nicht zu ihnen beten oder sonst ihnen dienen. Dies letztere haben unsere Väter getan, wir lassen es; aber allem [Anschein] nach existieren sie doch. – Elame’s Vorstellung war also: Solche Dämonen sind reale Wesen, unterscheiden sich von den natürlichen Geschöpfen wie von Gott; sie sind wohl Geschöpfe Gottes; wozu, weiß man freilich nicht.

Wir suchen nun einige solcher Dämonen näher kennenzulernen.

2. Einige Dämonen

a. dämonenartig

Auf S. 92 ist die Vorstellung von ngokume (Ko.) ngokume der Bakosi beschrieben. Ohne Zweifel ist das, was von der dort hausenden <Schlange> ausgesagt wird, verwandt mit Totemglauben, ebenso aber auch mit den „Ahnengeistern“; doch sind es in dieser Vorstellung nicht die einzelnen Ahnengeister, wie im Hades, auch nicht die Gesamtheit dieser Geister, sondern ist ein neues Etwas, dem besonders geopfert und gedient wird. Ich fand zwar in anderen Stämmen als den Bakosi (nyo und ngokome) keinen besonderen Namen; oft redet man sonst von den bedimo „Totengeistern“ und meint doch nicht die Geister Abgeschiedener, oder man spricht von dem Ort, wo dieses Wesen haust, und meint doch nicht den Ort selbst. An manchen Plätzen hat man allerlei Berichte vom Treiben solcher Wesen, wie z. B. auf dem Manenguba Manenguba. Zwei Berichte aus neuerer Zeit: Als nach 1900 die Deutsche Deutschen die Bahn nach Nkongsamba absteckten, planten sie (nach Meinung der dortigen Bewohner), daß sie die Bahn über das Manenguba-Gebirge führen wollten. Wahrscheinlich wurden im Zusammenhang oder gleichzeitig mit den Vorbereitungen zum Bahnbau auch Vermessungen auf dem Berg vorgenommen. Allein die Deutschen mußten von ihrem Plan absehen {109} und die Bahn unten durchs Tal führen. Denn was sie den Tag über oben auf dem Berg an Baumaterial zurichteten, war am Morgen wieder zerstreut, die eingesetzten Pfosten wieder aus dem Boden gezogen. Der Bergdämon wollte sich selbst durch die starken Deutschen nicht in seiner Ruhe stören lassen. Ähnlich erging es etwa dreißig Jahre später den Engländern. Sie hatten oben in der Kraterebene eine Zollhütte errichtet, denn die neue Grenze führt über diesen Berg. Aber bald mußte die Hütte wieder abgebrochen und die Zollstation im nächsten Dorf errichtet werden, wo die Zöllner an der Dorfquelle ihr Wasser holen konnten. Oben schöpften sie es in den den Geistern und Dämonen gehörigen Bergkratern, eine recht beschwerliche Arbeit. Der Bergdämon aber wollte solches Sakrileg nicht dulden und rächte sich an den Wasserschöpfern dadurch, daß er das geschöpfte Wasser aus den Gefäßen wieder verschwinden ließ, bevor die Leute zu ihrer Wohnung zurückgekommen waren, vgl. Note auf S. 172.

Der auf S. 47 kurz geschilderte Epas’ a moto Epas’ a motoHalbmensch Halbmensch“ ist allen Stämmen bekannt, wenn man auch wohl nirgends so viel von ihm spricht wie bei den Bakwiri. Dort soll er auf dem Fako (Kp.) Fako in einer Höhle einen Schatz bergen, nämlich viele schöne Tücher und ähnliche Werte. Von seinem großen Zuckerrohrgarten dürfen vorüberkommende Menschen genießen; will aber einer dort stehlen und von der Beute mit nach Hause nehmen, so überfällt ihn dichter Nebel, der ihn den Heimweg nicht finden läßt. Deshalb verspottet man bei den Bakwiri einen, der seinen Besitz heimlich verborgen hält, mit: Er hat mokoko memi efas’ e mote „Zuckerrohr wie der Halbmensch“.

Man dichtet im Land auch den Europäern einen solchen Halbmenschen an, dem sie ihren Reichtum Reichtum verdanken. Dieser halte sich an einem geheimen Platz auf, den niemand ohne Erlaubnis betreten dürfe. Der europäische Halbmensch gehe nun von Zeit zu Zeit in die unsinnliche Welt und hole dort Güter, wie sie die Europäer haben. Hat er nun viele Güter an seinen Platz gebracht, so läutet er eine Glocke zum Zeichen, daß die Europäer kommen können und ihre Güter holen, vgl. S. 86ff. Und sie kommen und nehmen, was ihnen bereitet [wurde], und schaffen es nach Hause in ihre Sippen. Dort lesen sie das Beste heraus für den eigenen Gebrauch; das Schlechtere aber bringen sie nach Kamerun und verkaufen es in ihren Handelshäusern den Schwarzen. Diese Halbmenschen dürfe aber auch in Europa keiner sehen. Nun sei da einmal einer gewesen, der glaubte, dem Tabu trotzen zu können. Er machte sich mit allen möglichen Mitteln fest und ging ungerufen auf den genannten Platz und stellte sich hinter einen Baum. Plötzlich wurde es ganz hell und der Mann merkte, daß der Halbmensch nahte, und versteckte sich noch mehr. Da donnerte ihm der Halbmensch von weitem entgegen: Mach, daß du fortkommst! Der Mann aber vertraute auf seine starken Mittel und blieb, auch auf wiederholte Aufforderung. Da kam der Einarmige heran und schlug ihn und verjagte ihn. Er kam dann nur noch nach Hause, um zu sterben.

Die Bakosi nennen ihren Halbmenschen mbam e’toe (Ko.) ein Heilbringer mbam e ’toe „Taschenohr“ oder eto’ ehog „Einohr“, denn sein einziges Ohr ist so groß wie ein kleiner Sack. Man sagt auch, die eine Hälfte sei Mensch, die andere Hälfte Holz oder sei weiß, indem man den Namen zu eped e mode ne nkale „Halbmensch wie ein Europäer“ erweitert. Von Zeit zu Zeit wird er aus dem Hinterland, d. h. hier aus der unsinnlichen Welt gemeldet; und zwar als eine Art Heilbringer Heilbringer.

Weil die Materialismus Materialisten das „Heil“ gern veräußerlichen, sagt man heute, „er bringe Güter, die von Weißen stammen“ (als ob die aus dem Hinterland kämen!). Mit ihm verkehren hauptsächlich die bekong-Hexen, vgl. S. 86ff. Er hat einen mboko mboko „Versammlungsplatz“, dorthin legen sie ihre Tauschwaren und finden [am] anderen Morgen entsprechend europäische Werte. Diese[r] Figur lag[en] also auch Gedanken [zugrunde], die man sich später über die Europäer machte, vgl. S. 37.

Es muß dann um und in den Hütten und auf den Kultstätten alles sauber gemacht werden und jedermann mußte ein mit einer Kaurimuschel verziertes Amulett Amulett umhängen haben. Dieses nsun war ein Päckchen aus schwarzem Stoff mit zwei Bohnen darin und Kaurimuscheln Kaurimuscheln außen aufgenäht.

An dem vom Orakel als Termin bekanntgemachten Tag müssen alle möglichen Enthaltungsregeln Enthaltungsregeln beachtet sein, sonst könnte einem ungeahnte Gefahr begegnen. Denn als etwas ganz Geheimnisvolles wird erwartet, daß an diesem Tag auch die Schatten aus dem Hades auf die Erde kommen und sichtbar werden. Wer sich aber recht bereitet, sei nicht nur vor magischen Überraschungen sicher, sondern werde des ‘Einohrs’ Freundschaft und Segen teilhaftig. Der Tag ging jedesmal herum ohne besonderes Ereignis und man war enttäuscht. Später haben die mehr aufgeklärteren Jungen die Alten ob dieser oft geweckten und wieder enttäuschten Spannung verlacht.

Wer unbe+ aus seinem Haus kam, den tötete „Sackohr“ [?].

{110} Eine Dämonengestalt anderer Art ist der nur in Verschlingemythen, vgl. auch Oger Verschlingemärchen vorkommende Oger, Menschenverschlinger Oger, eine Parallele zum Wolf in unseren deutschen Märchen Märchen, vgl. S. 36, 81. Denkt man nur an sein Verschlingen, so spricht man von ihm, als habe er die Gestalt einer Schlange, im Verlauf der Erzählung aber wird erzählt, wie er einen auffordert, auf seine Zehe zu stehen, dann seine Knie zu besteigen, auf seinen Bauch zu treten, seine Brustwarze zu erklimmen, bis er dann auf des Ungeheuers Lippe stehend von diesem verschlungen wird. Sein Name ist ekola-ma „es ist gewaltig (in bezug auf) Hände“, sonstwo auch Yoma ’ndene „großes Ding“. In den Märchen wird meist zunächst erzählt, wie jemand einen Weg geht, der ihm abgeraten ist, dann in einen „wilden“ Wald kommt, vgl. S. 36; dort begegnet ihm das Ungeheuer, zumeist zunächst ein kleineres mit einem Kopf, dann ein größeres mit zwei, bis dann das letzte mit neun oder zehn Köpfen der eigentliche Verschlinger ist. Die Vorboten können meist durch eine kleine Gabe befriedigt werden und lassen den Menschen unbehelligt passieren. Beim letzten hat er nichts mehr zu geben und wird verschlungen. – Zuletzt kommt dann der „Held“ und erledigt das Ungeheuer; bald läßt er sich auch verschlingen, hat aber Waffen in seinem Besitz und schneidet mit ihnen den Bauch auf; in anderen Märchen gelingt es dem Helden, seinen gewaltigen Gegner durch Mittel und List List zu überwältigen. Jedenfalls werden nach dieser Heldentat alle verschlungenen Menschen wieder frei. Manchmal teilen sie sich in zwei Gruppen, die einen gehen auf einen Donnerschlag hin in den Himmel ein als minanga, vgl. S. 37, in neueren Darstellungen gehen sie als bakala nach Europa; die anderen bleiben bei dem Heilbringer im Land und sind die eingeborenen mindo. Was aus dem Ungeheuer wird, ist auf S. 16 kurz angedeutet, vgl. S. 38c.

Dieser Verschlinger ist natürlich ein Kind dichtender Phantasie, auch wenn viele, wie bei uns Kinder, die Gestalt als Wirklichkeit halten; ein Kult oder andere Verehrung ist ihm oder dem Heilbringer aber nicht gewidmet.

Das gleiche gilt auch von einer anderen Märchengestalt der Kameruner, dem Tub’ a Mbange Tub’ a Mbange, vgl. Näheres in: Ittmann, Ein kameruner Herkules, Zeitschrift für Eingeborenensprachen, Band [XXV], [1933 – 1934] S. [67–79]. Es wird da berichtet, wie schon vor seiner Geburt sich allerlei merkwürdige Dinge zeigten, gleichsam um das kommende Ungewöhnliche kundzutun. Schon als Säugling vollbringt er gewaltige Werke und so zieht es sich durchs ganze Leben hindurch; wie ähnliche Gestalten der Volksphantasie (Simson, Herkules, Siegfried) vollbringt er Taten, die uns bald scherzhaft anmuten, wenn andere hinters Licht geführt werden, bald unsere Zustimmung finden, weil Stärke oder Mitleid ihm Richtschnur geben. Einmal wird er auch umgebracht, aber seine Schwester findet seinen Leichnam und mit geheimen Mitteln und Kräften bringt sie ihn wieder zum Leben. Zuletzt aber erfährt auch er, wie „Liebe im Leiden enden“ muß. Es gelingt ihm, einen Weg in den Himmel Von einem ähnlichen Versuch berichtet eine Überlieferung bei den Meta im Grasland: 10

{111} Ein Dämon anderer Natur ist der auf S. 100 erwähnte Mokase, Dämon der Kwiri MokaseGleichnamiger Gottesname bei den Baganda in Inner-Ostafrika, wo er als „der Gütige“ gilt.

der Bakwiri. Merkwürdigerweise redet man nur unter diesem Stamm von ihm, während ich sonst nirgends eine ähnliche Gestalt nennen hörte. Man sagt, er sei ein unsichtbares geistiges Wesen; er sei von weißer Farbe, wenn er einmal körperlich erscheint. Von seinem Ursprung weiß man nichts. Er gilt gleichsam als der Polizist Gottes, der ihm die Bösen zur Bestrafung zuweise. Getrennt von dem „Ort Gottes“ hat er sein Gebiet, aber unter der Oberaufsicht Gottes. Dort halte er innerhalb eines Zaunes seine Opfer in Strafe, während er die, so an Gottes Ort gehören, nicht anficht. Wie Gott über den Erdenwandel der Menschen wache, so wisse auch Mokase darüber Bescheid. Doch greift er im Gegensatz zu Gott nicht in das irdische Leben der Menschen ein. Erst im Todeskampf naht er sich seinen Opfern. Der von ihm Angefochtene ruft nach Abwehrmitteln: Haumesser Haumesser, Gewehr, vgl. auch ngad’ a mudumbu Gewehr, Feuerbrand u. ä. Damit wissen die Hinterbliebenen, daß ihn Mokase anfiel und im Umsichschlagen des Sterbenden werden sich die Umstehenden der Existenz des Dämon bewußt. Erlahmt die Abwehr und der Sterbende wird still, so sagt man Mokase a m’ umbi ewanaMokase hat ihn auf den Mund geschlagen“, weil er ihn als Lügner erkannte. Fällt einem Leichnam der Unterkiefer herunter, dann ist dies ein Zeichen, daß Mokase a mo tondi ewanaMokase ihm den Mund geschält“, d. h. daß er ihm das Kinn abgerissen hat. Darum bindet man einem Sterbenden meist das Kinn hoch und glaubt mit dem Unmöglichmachen dieses Omens auch die Gefahr abgewendet zu haben. Anderen tritt er erst auf dem „Totenweg“ entgegen, besonders sucht er seine Opfer von dem Steg zu stoßen in die Schlucht, die unsere von der unsinnlichen Welt trennt. Freilich denkt man nicht, daß in diesem Gericht auf den sittlichen Erdenwandel des Verstorbenen gesehen werde, sondern es ist ein Machtkampf.

Innerhalb seines Zaunes quält Mokase seine Opfer auf alle mögliche Weise durch Schläge und schwere Arbeit. Er zieht manchen auch die Haut ab und setzt sie neben ein großes Feuer, so daß sie schmachten müssen. Die noch Schlimmeren verwandelt er in Schimpanse Schimpansen und setzt sie zu einer solchen Herde in den Wald; daher die Bakwiri auch keine Schimpansen essen. Die Ärgsten aber zerstößt er in einem Mörser zu Staub, woraus sich die Termiten Termiten ihre zierlichen kelchförmigen Bauten erstellen. Mancher, der etwa auf einem Waidgang plötzlich einen solchen Kegel vor sich sieht, vermutet darin seinen kürzlich verstorbenen Verwandten und kehrt unverrichteterweise von seinem Gang zurück; es ist ihm ein böses Vorzeichen. Auch sonst spielen diese kunstvollen Bauten im Aberglauben Aberglauben der Stämme eine Rolle, vielleicht weil sie von weitem einem kleinen menschlichen Körper nicht ganz unähnlich sehen. Manche legen ein Stück solchen Baues als Schutz durch Machtmittel, Medizin Schutzmedizin vor ihre Hütte. Allgemein glaubt man auch, daß sich einer im Wald seinen Verfolgern entziehen könne, wenn er sich in einen solchen Ameisenbau verwandele, nur müsse er über die dazu nötige magische Kraft verfügen.

{112} Auch die Großmachtmittel und manche Orakelgeräte werden behandelt und besprochen, als ob dahinter eine Person, ein Dämon stecke: Man bringt solchen Mitteln Opfer, betet zu ihnen und trägt ihnen sein Begehren vor und nimmt Auskunft und Entscheid entgegen. So stehen sie etwa zwischen Machtmitteln und Dämonen, die später zu besprechen sind. Ein solcher Großfetisch sei hier schon besprochen, es ist der jüngste der von Bedeutung gewordenen. Dämonen

m f a m mfam

Wo dieser Großfetisch erfunden worden ist, weiß in Kamerun niemand, seinen Zug durchs Land nahm er jedenfalls aus dem Kreuzflußgebiet her. Ums Jahr 1930 hatte er seinen Siegeszug bis an die Küste erreicht und viele Dörfer und Landschaften erwarteten von ihm Heil in ihren Miseren. Es ging ihm aber wie seinen Vorläufern, vgl. S. ---; die Versprechen, die seine Propagandisten gemacht, gingen nicht in Erfüllung und bald waren die Plätze, wo er errichtet worden war, wieder verwachsen und die Leute waren ihr Geld los; dagegen steht er im Kreuzflußgebiet und Nachbarschaft auch heute noch in Ansehen.

Äußerliches: Mitten im Dorf bei einem Haus stehen ein oder zwei Bäumchen (Ficus) mit einem Bündel Geweihfarnen und Orchideen als Epiphyten in einer Astgabel; im Umkreis darum eine Anzahl flacher Steine; oft schließt ein Zaun das Ganze ein. Ist die Sache noch neu, so sind die eingerammten Prügel noch nicht zu Bäumchen gewachsen und haben dann meist eine dünne Liane Liane um sich gewickelt. Ein, zwei oder drei mit allerlei Machtmitteln gefüllte und an der Öffnung gut verschlossene Büffelhorn Büffel-, Widder- oder Antilopenhörner hängen in einem verschlossenen Hüttchen in der Nähe; oder es fehlt das Hüttchen und der „ Priester Priester“ des mfam hat sie in oder außen an seinem Haus hängen. Weil diese Mittel und die Hörner das eigentliche Magische des ganzen mfam sind, müssen sie immer durch ein Dach geschützt sein, um nicht ihre Kraft zu verlieren, vgl. S. 47f.

Die Hörner sind Orakelgerät, vgl. S. 158. Ein Topf (Medizin) Topf oder eine Flasche mit Mitteln sind entweder unter dem Bäumchen vergraben oder hängen ebenfalls in dem ndabo a mfammfam-Häuschen“ oder hängen an dem mfam- Baum Baum. 1929 sah ich in Wokava-Bakwiri einen neu eingeführten mfam, dort afam genannt. In einem Zaun von 3 auf 4 m steckten eine Anzahl Stökke von 1 m Höhe im Boden; darauf lag je ein Kräuterbündel; der Dorfhäuptling, der sich als mfam-Priester aufgetan hatte, ging täglich dreimal zu seinem mfam zum Beten. Dabei kniete er nieder, was er den Katholiken abgeguckt hatte, und nannte das Ganze „Gotteswort“, was er bei den Evangelischen gehört. Der synkretistische Kult währte aber weniger als ein Jahr.

Personal: Meist gehört der mfam einer Gruppe von Leuten, von denen einer als ihr Führer gilt; er ist gleichsam „Priester“ des mfam; ihm zur Seite stehen seine Helfer, unter denen ein Orakelmann und ein „ Mittler Mittler“, der auch die Sühnegaben einzusammeln hat, die wichtigsten sind. Die übrigen sind nur eine Art Miteigentümer. Diese Leute haben den mfam erworben und verwalten ihn. Sie können, müssen aber nicht identisch sein mit den Leitern des Dorfes und der Kultbünde. Diese mfam-Gemeinde ist nicht ein Kultbund; Nichtmitgliedern, besonders Frauen ist alles, was mit dem mfam zusammenhängt, streng tabu, daher auch der „Mittler“, der dem „ Warner Warner“ eines Kultbundes entspricht.

Zweck und Aufgabe: Mfam soll das Dorf gegen Hexe, -rei Hexen und andere Schädlinge: Ehebrecher, Meineidige, Lügner, Diebe schützen, die Frevler „ergreifen“ und strafen strafen; ihm wird zugeschrieben, daß er alles sieht und hört, was vorgeht im Dorf und so die Bösewichter herausfindet und mit schwerer Strafe belegt. Wen er „ergriffen“ hat, kann sein Vergehen durch Vermittlung der mfam-Gemeinde sühnen und sich befreien lassen; andernfalls geht er zugrunde. Wen der mfam getötet [hat], ist in ungutem Stand, so daß er nicht in Ehren begraben werden darf, ohne öffentliche Wehklage, Totenfest und Trauer scheidet er dahin. Wer durch Hexerei tötet, ehebricht, stiehlt, falsch Zeugnis ablegt, in unguter Weise von seinem Nächsten begehrt, fällt unter seine Strafe. Vor allem soll er alle schwarze Kunst, weiße und schwarze Kunst, die im Finstern schleicht, ans Licht bringen und unmöglich machen, so daß unter seiner Herrschaft Krankheit und Tod und anderes Übel aus dem Dorf verbannt sind. – Ohne Zweifel unterdrückt die kameruner Gruppe, vgl. auch Familie, Sippe, Stamm Gruppe auf solche Weise allerlei Übel in ihrer Mitte; daneben wird aber dadurch das ganze Dorf tyrannisiert und Nichteingeweihte ausgebeutet. Man geht den wahren Ursachen nicht auf den Grund, sondern ist in der Rechtspflege dem Zufall oder gar oft abgefeimten Betrügern ausgeliefert.

Einführung ins Dorf: Irgendwo wurde der mfam einmal erfunden; er hat gar viele Vorgänger, denen er gleicht, und wird auch nicht der letzte Betrug Betrug in Kamerun sein. Die Erfinder machten den Fetisch auch zum Verkauf und Propagandisten gehen in andere Gemeinden und preisen die Sache an, finden Gläubige und werden ihren Schwindel los. In dem Dorf, da die Sache eingeführt ist, findet sich schon einer oder einige, die merken, daß bei dem Dreh zu verdienen ist, und machen sich auch auf Reisen, um ein Dorf zu finden, wo sie ihre Sache loswerden. So breitet sich ein solcher Fetisch oft rasch über {113} ein Gebiet aus, denn keine Gemeinde will gegen die andere zurückstehen und jede sucht Schutz und Macht.

Nun hat ein Propagandist des mfam eine Siedlung gefunden, die bereit ist, 150 – 200 Mk. an die Sache zu hängen. Das Dorf Ngombo Ku (Bakosi) hatte sich 1931 außer bwel e ngu „Schweinemedizin“ auch noch einen mfam aus Babuog für £ 15/–/– zugelegt als Schutz gegen Nagual-Wildschweine.

Es wird einer bestimmt oder er bewirbt sich darum, daß er der Leiter wird. Er läßt sich in die Kniffe einführen und macht unter seinen Dorfgenossen das Verlangen nach dem mfam wach, indem er schildert, wie schlecht bei ihnen alles stehe und das Dorf noch unter den vorhandenen Hexen zugrunde gehen müsse. Solle das geändert werden, so könne nur der mfam helfen. Ist die Mehrzahl damit einig (es bedarf auch nicht immer der Mehrzahl, sondern nur propagandistischer Kraft), so kann die Sache beginnen. Ein Tag wird festgesetzt, an dem die Siedlung nach Hexen durchsucht wird. Ein Graben ist über die Dorfstraße gezogen, darin liegen Rinden, Blätter und Kräuter Kräuter, die als machthaltig gelten. Alle Dorfbewohner müssen erscheinen, bekennen, ob sie über schwarze Kunst verfügen oder nicht, haben ein flüssiges Mittel zu trinken trinken und schreiten dann über die Machtmittel im Graben. Wer bekennt, über Hexenkraft zu verfügen, wird besonders behandelt. Wer sich als unschuldig bekennt, kann frei passieren; er muß aber wissen, daß ihn der mfam „ergreift“, falls er gelogen hat. Die „Hexen“ haben ihre Schuld zu bekennen und zu sühnen, wie nachstehend gezeigt. Damit gilt also nun das Dorf für hexenfrei; es ist wieder fest gegründet, vgl. S. 48; jeder, der über den Graben schritt, hatte aber auch eine Kleinigkeit zu zahlen, so daß sich die Sache an diesem Tag schon für die mfam-Leute lohnt. Wer sich weigert zu erscheinen, wird in den Bann Bann getan, indem alle Anwesenden vor sein Haus ziehen und ihm ein Kraftmittel des mfam als Symbol Symbol vor die Türe oder aufs Dach werfen, so daß er nun als vom mfam ergriffen gilt und jedermann glaubt, daß ihm etwas Schlimmes zustoßen werde. Ein oder zwei Löcher sind schon gegraben, Machtmittel werden darein gelegt und dann die beiden genannten Pfähle gesetzt, die bald ausschlagen und zu Bäumchen wachsen. Die mit Medizinen gefüllten Hörner werden aufgehängt. Am zweiten Tag versammelt sich wieder das Dorf; der „Priester“ zieht mit den Hörnern vor seinen Anhängern her, andere Dorfgenossen schließen sich an und nun geht es durchs ganze Dorf im Zug, denn mfam muß doch kennenlernen, was er schützen soll. Zum mfam-Platz zurückgekehrt, wird ihm nun das Dorf zum Schutz anbefohlen, indem man ihn beschwört; etwa so: „Du mfam, höre uns! Wir übergeben dir unsere Siedlung in deine Hände, damit du uns alle schützest. Darum, wenn sich nachts jemand niederlegt zum Schlafen und doch nicht richtig schläft, sondern ‘ausgeht’ in der Absicht andere ‘Leute zu fressen’, so übergeben wir dir mfam hiermit Auftrag und Erlaubnis, solchen Leuten der Bosheit sieben Mal den Kopf auf den Boden zu stoßen, daß er birst!“ Auf die Frage des Sprechers, ob er recht gesprochen und die andern damit einig seien, wird allseitig Zustimmung laut. Haben sich die mfam-Propagandisten noch eine Zeitlang füttern lassen, so ziehen sie mit ihrem Lohn davon. Hexe, -rei

Gang zweier Verhandlungen:

Da ist einer, der hat „nächtens seinen Nagual-Leoparden auf Raub Raub ausgesandt; er hat Ziege Ziegen und Schwein Schweine für seinen Besitzer geschlagen“. Der mfam hat das gesehen und ihn „ergriffen“. Er wird krank; durch Würfeln mit zwei Blättern oder durch eine andere Manipulation stellt der Orakler fest, daß der mfam einen Neiding erwischt hat. Und es bleibt nichts anderes übrig, als zum mfam-Priester zu gehen. Mit seinen Helfern sitzt er auf den flachen Steinen auf dem mfam-Platz und verhandelt mit dem Kranken: Seit wann bist du krank? „Vier Wochen.“ Bekenne, was du angestellt, daß dich mfam <gegriffen>. „Ich bin mir keiner Schuld bewußt.“ Bekennest du nicht, was Übles du getan, so kann ich dir auch nicht vom Tod helfen! „Mein Leopard Leopard hat dem Besong eine Ziege geschlagen und ich habe sie gegessen.“ Siehst du, darum hat dich mfam gepackt! Bist du bereit zu geben: ein Schwein (15 Mk.), ein Huhn Huhn (1 Mk.), zwei Klafter Tuch (4 Mk.), einige Blatt Tabak Tabak, ein Kranz Erdnüsse, eine Flasche Palmöl, eine Kalebasse Palmwein Palmwein (zusammen 1,50 Mk.), zwei mako (kleine Fische Fische). Der Kranke kann nichts geben, also müssen die Sippengenossen für ihn eintreten; der „ Mittler Mittler“ geht und sammelt die verlangten Sachen und erhält dafür besonders zwei Blatt Tabak. Ist alles beisammen, so sitzt der Priester wieder mit seinen Genossen und dem Kranken auf den Steinen; vor ihm liegen die mfam-Hörner; im Umkreis stehen des Kranken Angehörige und andere Zuschauer. Der Priester trägt dem mfam den Fall vor, zählt die Sachen auf, die der Kranke als Sühnemittel gezahlt und bittet mfam, den Kranken nun wieder loszulassen, da sein Vergehen offenbar geworden und er geständig sei.

{114} Der Kranke wird aufgefordert, vor den mfam zu treten und selbst sein Unrecht zu bekennen bekennen. „Ich bin hier, weil mich mfam <ergriffen> hat; ich ließ meinen Nagual-Leoparden ausgehen und dem Besong eine Ziege schlagen.“ Alle Anwesenden horchen gespannt zu. Priester: Was bringst du als Sühnegabe? Der Kranke und seine Sippe knien nieder, die Frauen mit abgewandtem Gesicht Gesicht, während der Mittler die Sühnegaben einzeln dem mfam zeigt. Danach pflückt der Priester eine Hand voll Blätter von dem mfam-Baum, nimmt daraus zwei und indem er in jeder Hand eines vor den mfam hält, murmelt er, der mfam möge antworten, ob die Sühne des Schuldigen genüge oder nicht, und läßt die Blätter dann vor dem mfam zu Boden fallen. Ist der Entscheid positiv (wenn ein Blatt „auf den Füßen“, das andere „auf dem Rücken“ liegt; vgl. S. ---), so schreit die Gesellschaft ein gelöstes „Hoho!“. Der Priester reißt dann aus dem Erdnußkranz einige Nüßchen heraus, wirft sie vor den mfam und spricht: Hier sind Erdnüsse, nimm du dein Teil, wir essen das übrige; und er verteilt sie unter seinen Genossen. Der „Mittler“ reicht die beiden Fischchen; mit ähnlichen Worten bricht der Priester davon etwas ab für mfam und verteilt das andere unter seine Leute; ähnlich geht es mit dem Palmwein und dem Tabak. Das übrige wird nicht verteilt, sondern gehört den mfam-Besitzern insgesamt. Nun tritt der Kranke mit seiner Sippe vor den Priester; alle halten ihm die offenen Hände hin und er spuckt hinein, eine Segensformel murmelnd; dann waschen alle die Hände in Wasser. Das Huhn wird getötet und von seinem Blut Blut streicht der Priester etwas an die Hörner; aus dem Schenkel wird ein Stückchen Fleisch geschnitten und es in ein Dutzend Schnipfelchen zerlegt und dem mfam als sein Opfer hingeworfen. Das andere Fleisch und das Schwein sind für alle anderen außer den mfam-Leuten tabu; andere würden bei Genuß vom Fetisch, -ismus Fetisch gepackt werden. Getötet werden die Tiere zerlegt, gekocht oder geräuchert (aber nicht in der Küche, wo auch für andere gekocht wird, sondern im Hof) und mit den anderen Sachen unter die mfam-Leute verteilt, wobei dem Priester der Löwenanteil zufällt. In der Hoffnung, daß nun die Krankheit weichen werde, weil ja der mfam die Lebensseele nicht mehr „ergriffen“ halte, zieht der Kranke mit den Seinen nach Hause. – Natürlich hat nun der Besong, der um seine Ziege gekommen ist, einen Anspruch an den Kranken.

Ein anderer Fall: Es kauft einer eine Ziege; er rupft ihr einige Haare aus und bewahrt sie in ein Blatt gewickelt auf der Darre auf. Eines Tages kommt die Ziege nicht mehr aus dem Wald zurück; ein Leopard hat sie geschlagen. Nun nimmt der Eigentümer die Haare der Ziege und eine kleine Gabe und geht zum mfam-Priester, um ihm seinen Fall darzulegen. Ganz ähnlich, wo bei einem Todesfall Hexerei vermutet wird: Man nimmt von der Leiche ‘Abfallstoffe’, legt sie vor den mfam und sagt: Wer als Hexe oder Werwolf unseren Angehörigen umgebracht, soll es eingestehen, daß er solches Übel getan [hat]! Wird nun in der Verwandtschaft jemand krank, so sagt man ihm: Du bist ja kein Kind mehr; sag mal, was ist denn eigentlich der Grund deiner Krankheit? Gibt er keinen zufriedenstellenden Grund an, so geht man zum Orakel; und gibt das Bescheid, er solle gestehen, daß er Hexerei getrieben [hat] und er gesteht doch nicht, so geht er halt ohne Hilfe zugrunde. Gesteht er aber, so weiß man, daß mfam eingegriffen und ihn ‘gefaßt’ hat. Mit den nötigen Sühnegaben bringt man ihn auf den mfam-Platz und er gesteht: Als Werwolf habe ich mein Kind (Bruder) getötet; darum komme ich zu bitten, mich wieder loszulassen; wenn ich nochmals ähnliches tue, so töte mich rasch!

„Ruf den mfam an, daß er den Mann zeige, dess[en] Leopard meine Ziege geschlagen hat. Ist er geständig, so soll er meine Ziege mir und eine Sühne an den mfam zahlen; lehnt er es ab, so mag mfam sein Werk an ihm tun.“ Natürlich wird im Dorf wieder einmal jemand krank, geht zum Orakel, erhält den Bescheid, daß ihn mfam „gepackt“ habe; und nun wiederholt sich ungefähr die obige Geschichte. Priester

Liegt ein Fall innerhalb der Sippe der mfam-Leute vor, so kann die Sache natürlich auch billiger gemacht werden, denn auch vom mfam gilt: Augen haben sie und sehen nicht; Ohren haben sie und hören nicht und reden nicht durch ihren Hals.

Wer seinen Acker und die Früchte gegen Diebe unter den Schutz des mfam stellen will, hängt einige Blätter der mfam-Bäumchen und der Epiphyten auf seinen Acker als ndjou, vgl. S. ---. Die Banyangi nennen das kenkö-mfam „das Zerschneidende des mfam“, weil man ihm zuschreibt, es ‘zerschneide’ die Frevler. mfam

{115}

[Notiz auf Rückseite von S. 114: Doma la mungi erzeugt durch Kehllaute und Schwirrhölzer.]
b. Die Dämonen Dämonen der Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kultbünde

Die eigentlichen Dämonen aber werden in den geheimen Kultbünden losango, sing. isango, verehrt. Von ihnen ist später auf S. 169ff. zu sprechen; hier interessiert uns nur ihr dämonischer Hintergrund. Entsprechend der drei vorhandenen Arten bringen wir hier je ein Beispiel von den anthropomorphen und theriomorphen Männer- und den Frauenbünden. Der Unterschied zwischen den Männer- und Frauenbünden ist der, das in den Männerbünden ein bestimmter Dämon verehrt und durch einen maskierten Darsteller ekale, vgl. auch Dämonen und Kultbund ekale, be- in Erscheinung tritt, während die Frauen eine Menge gleichartiger Dämonen verehren und darstellen darstellen.

(1) mungi Mungi, der Waldgeist

Den von der Regierung verbotenen mungi der Küstenstämme, Mwankum Mwankum bzw. mwaname, vgl. S. 119, = mwa „Kleinheit“ und nkum „Ortsvorsteher“ bzw. name = nambe „Ahnengottheit“. 11

Dank sei dir, Dank sei dir, unserem Herrn Mwankum!

Denn du bist es, der uns Kinder und Nahrung,

Vieh und alle Habe von unseren Ahnen bringt.

Nun werden wir uns deines Segens und Glückes erfreuen.

Und zieht er dann, seinem Gefolge voran, aus seinem besonderen Haag beim Kultplatz wieder ab, so singt er:

Dje ndule? Dje ndule?

ndule ndjad, ndule medied, ndule ngab!

„Was ziehe ich herbei, was ziehe ich herbei?

Ich ziehe Geburten, ziehe Nahrung, ziehe Vermögen herbei!“

Wenn er auftritt, wird seine Stimme, die einem Schafsschrei ähnlich klingt, zuerst im Wald gehört. Er kommt aus dem Hades und gilt als von den Ahnen gesandt; er nennt auch oft Namen angesehener Verstorbener, die in ihm auftreten. Er trägt darum auch eine Totenkopfmaske, ein aus Bast gewobener Sack ist sein Gewand. In der Hand trägt er einen Prügel oder eine Eisenstange. Geht er durchs Dorf, um jemand zu schrecken, so schlägt er mit diesem Gerät auf das Dach und sagt, es sei sein Schwanz, mit dem er das Dach schlage. Wie er seine heisere Stimme hervorbringt, in gebückter Haltung den Kopf zwischen den Beinen, habe ich nie vordemonstriert bekommen; man sagt, es bestehe für jeden Darsteller die Gefahr, daß er halskrank werde. Er ist der gegen Frauen und Nichtmitglieder am strengsten geheimgehaltene <Dämon>. Darum erscheint er im Dorf auch nur in dunkler Nacht, während seine Stimme auch sonst im Walde, seinem Aufenthaltsort, gehört werden kann. Da befällt alle der Schrecken, Frauen und Kinder eilen in die Hütten, löschen die Lichter und dämpfen die Herdfeuer [?], damit der Unhold nicht komme. Früher wurde eine Frau, die ihn gesehen oder die den Darsteller an seiner Stimme erkannt und das dann ausgeplaudert hatte, umgebracht bzw. sie starb, weil sie das Tabu übertreten hatte. Als seine Macht noch ungebrochen war, wurde hie und da bei Fruchtbarkeitsfesten aus seinem Haag ein frischer Menschenkopf geworfen und gesagt, den habe mungi gerade einem Opfer abgebissen, man sehe ja den Schaum aus des Dämons Maul noch an dem Kopf. Dieser war nämlich dem Opfer mit einem glühenden Messer abgehauen und in eine schäumende weiße Brühe getaucht worden. Das machte der bebenden Menge einen Eindruck von des Dämonen Gewalt. Kleine Jungen wurden gefangen und in den Haag gebracht, wo man ihnen in die Brust drei Schnitte machte und ihnen sagte, nun habe sie der mungi gebissen. Sehen konnten sie ihn nicht, denn die Augen wurden ihnen zugehalten. Sie waren aber damit zugleich auch für den mungi gezeichnet und mußten später in den Kultbund eintreten. – Sollte jemand vor das Tribunal des Bundes wegen einer Sache geladen werden, so kam in der Nacht der mungi brüllen brüllend in seinen Hof und hinterließ dort ein Häufchen kleiner Stein Steine, genannt lobi la mungi „Kot des mungi“Niemand aber durfte sagen, daß dies <Steine> seien, wollte er nicht eine Ziege oder Schwein an den mungi loswerden. Solches Vieh verzehrte der mungi im Wald. Brachte einer der Kultbündler seinen Anteil Fleisch nach Hause, so sagte er seiner Frau, das habe ihm der mungi abgegeben. Wer frevelnd die Steine entfernt hätte, dessen Haus wäre zerstört worden.

, wodurch der Hausherr wußte, daß er sich bei dem Kultbund zu verantworten und eine Sache gutzumachen hatte.War die Sache erledigt, so verschwanden in der folgenden Nacht die Steine wieder und mancher sagte und glaubte, der mungi habe sie geholt, denn man hatte wieder <seine Stimme> gehört.

Kleinere Sachen strafte der mungi auch damit, daß er eine Sühne von einem Geweckten forderte, nachdem er ihm gesagt [hatte], wessen er beschuldigt wurde. Das geschah besonders bei Frauen, die ihm dann ein Huhn oder dergleichen aus der nur wenig geöffneten Tür herausgaben. War von der < Obrigkeit Obrigkeit> die Ausweisung oder der Tod eines Dorfbewohners beschlossen, so kam der mungi, forderte den Betreffenden auf, ihm zu folgen und wurde dann an der Dorf- oder Stam- {116} mesgrenze unter Androhung des Todes bei Rückkehr des Landes verwiesen oder durch einen Schlag ins Genick erledigt und irgendwo im Waldesdunkel verscharrt. Man wußte in der Siedlung dann nur: Mungi a nongi mo „Der mungi hat ihn geholt“. Die Bakosi sagten: Ndim e tede mo.

Eine Totenklage Totenklage durfte ihm nicht gehalten werden.

Im Grasland Grasland, dessen Verwaltung sehr monarchistischen Charakter trug, ist der ngumba das ausführende Organ des Häuptlings, gleichsam sein Scharfrichter, wo es sich um geheime Beseitigung eines Mißliebigen handelt. Während im vorderen Gebiet Todesstrafen und dergleichen von diesem Dämon nicht mehr verhängt werden können, treibt er in abgelegenen Gegenden im Innern auch heute noch sein Wesen. Er ist jedenfalls ein Fruchtbarkeitsdämon von anthropomorpher Gestalt. mungi

(2) Ngue, der Schlichtungsdämon

In theriomorpher Gestalt existiert bei den Bakosi und ihren Nachbarn der ngue. Er hält seine Umzüge durchs Dorf in der Gestalt eines Elefant Elefanten. Vier Männer sind seine Darsteller. Sie gehen im Viereck innerhalb eines Tuches, an dem vorne eine Elefantenmaske hängt. Bei seinem Umzug dürfen auch ihn Nichteingeweihte nicht sehen. Um am nächsten Morgen nach dem Umzug den Glauben zu stärken, daß der Dämon wirklich als Elefant durchs Dorf gezogen sei, begleiten ihn einige Männer. Zwei haben einen runden Holzklotz und drücken ihn auf den Boden, wodurch sie die Fußspuren des Ungeheuers markieren. Andere zerreißen mit einem Haken die Blätter der Bananenstauden, als habe sich an ihnen der Dämon gelabt. Dabei läßt man auch zermalmte Bananenstücke und -blätter auf die Dorfstraße fallen; sie sind dem Tiere beim Kauen aus dem Maul gefallen.

Zeigt sich der ngue am Tag im Dorf, so stellte ihn nur ein einzelner Mann dar, der die Elefantenmaske vor Gesicht und Brust trug. Diese Maske Maske war meist nicht aus Holz geschnitzt wie die übrigen, sondern war ein Stück Stoff, auf dem mit verschiedenfarbigen Glas Perle, Glas- perlen ein Elefantenkopf nachgezeichnet war. Bei seinem Tanz Tanz mimte der Dämon die Bewegungen des Tieres meist trefflich nach, besonders durch die den Elefanten eigene Bewegung des Kopfes. Dargestellt durch einen einzelnen trat ngue besonders bei Festen zum Tanz auf, wohl weil es zu schwierig war, vier Männer zusammen einen Elefanten „tanzen“ zu lassen.

Ngue galt als Dämon, der über die ganze Stammesorganisation wachte und so die öffentliche Rechtswesen, vgl. auch Gericht Rechtspflege in seiner Hand hatte. Darum gehörten seinem Bund hauptsächlich die an, die im Stamm etwas zu sagen hatten. Sie wachten auch über die großen Sühnefeste, die zu halten waren, wenn sich einer von Blutschuld Blutschuld vor der Stammesgemeinde zu verantworten hatte. Während mungi auftrat, um Strafe zu vollziehen, galten die im ngue-Bund zusammengeschlossenen Männer als die Friedensrichter in Dorf und Stamm. Bei ihnen war das Verbot Verbot, Blut Blut fließen zu lassen, strenges Tabu. Darum war [es] auch bei seinen Feiern ein schlimmes Omen Omen, wenn aus irgendeiner Ursache Blut floß; selbst wenn es sich um eine völlig harmlose Sache handelte, daß sich etwa eine Frau bei der Bereitung der Speise schnitt, mußte sie besonders gesühnt werden, denn sie hatte des ngue Tabu verletzt.

So bedeutet bei den Bakosi das Wort ngue zugleich „ Friede Friede“, vgl. S. 169.

{117}

(3) Mengu, die Wassergeister

Bis weit ins Innere, am stärksten an der Küste war ein Kultbund verbreitet, dessen dämonischer Hintergrund Wassergeister waren, genannt djengu, pl. menguVgl. Basler Missionsstudien, Heft 22, Wurm: „Die Religion der Küstenstämme in Kamerun“, S. 18ff., und Neue [?] Folge, Heft 2, Keller: „Goldkörner im heidnischen Urgestein“, S.8[ff.]. Ebenso in Meinhofs Zeitschrift für Eingeborenensprachen, Band XVII, S. 104/5, Ittmann: „Einiges aus der Bankon-Literatur“.

. Diese sind Nixen und Nymphen und anderen Meerfrauen zu vergleichen; in einem Aufsatz „Der kultische Geheimbund djengu an der Kameruner Küste“ habe ich in Anthropos 52, 1 – 2, 1957, S. 135 – 176 [Literaturverweis auf extra Zettel mit Büroklammer an S. {116} geheftet] , über diesen Bund und seine Dämonen ausführlich berichtet; am deutlichsten sind Reste von ihm als Frauenbund heute noch bei den Bakwiri und Nachbarn zu beobachten.

Im allgemeinen hält man diese Dämonen für weibliche Wesen; vgl. die Bezeichnung im Pidgeon-Englisch der Westküste mammy water, womit man die Dämonen und ihre Aufenthaltsplätze bezeichnet. So sagt man auch nur Männern, nicht Frauen, geschlechtliche Verbindung mit diesen Nixen nach, während in der Öffentlichkeit nur Frauen der Dämonen Darsteller sein können. Andererseits spricht man aber auch von ganzen mengu-Sippen und Siedlung, vgl. auch Gruppe Siedlungen. Solche Siedlungen sind an verrufene Orte verrufenen Stellen im Meer, in Seen, Wasserfällen, Flußstrudeln und Walddickichten. Wo bewegte Stellen in Meer und Fluß die Fahrten gefährden, wo Riffe und Höhlen die Gischt hoch aufspritzen lassen, wo Kapsee, Stromschnellen, überhängendes Buschwerk u. ä. den Primitiven leicht ein Machterlebnis haben läßt, dort hausen und wesen diese Geister; dort halten sie auch die Lebensseelen von solchen, die sie oft samt ihrer Habe in die Tiefe zogen, gefangen und teilen von diesen Kräften und Schätzen ihren „Besitzern“ mit, mit denen sie in ein magisches Freundschaft Freundschafts- oder Eheverhältnis getreten sind, vgl. S. 86ff.

Diese mengu werden als menschenähnlich und doch nicht Mensch geschildert, sie können schwimmen wie Fische und sind doch keine Fische. Man sagt, es seien besungu ba batoesungu a moto kurze Menschen“, vgl. Note S. 47. Sie sollen also klein sein, am ganzen Körper behaart, mit breitem Maul, das die Wangen bis vor die Ohren spaltet; große Augen schauen aus dem kleinen Gesicht. – Andere wieder sagen, daß Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kinder, die aus der Verbindung eines Mannes (Menschen) und einer djengu hervorgehen, sehr schön seien, wie auch das entsprechende Kind, das diesem Mann von seinem natürlichen Weib geboren werde, vgl. auf S. 84f., wo ausgeführt ist, was dem Totembesitzer zustößt, was das Totemtier erfährt und umgekehrt. Also – so schließen manche – können auch die mengu nicht häßlich sein, besonders das mit dem großen Maul stimme nicht. Alle aber sind [sich] einig, daß der mengu Füße verdreht seien: Fersen vorne, Zehen hinten; Fußrücken unten, Fußsohle oben; also nicht seitlich verdreht, sondern nach hinten umgeschlagen. So könne man aus ihren Fußspuren im Sand Sand des Strandes erkennen das Woher und Wohin der Nixen. Stolpere eine hoffende Frau an solchem Tapfen, so bekomme ihr Kind Unregelmäßigkeiten an den Füßen.

Dieser Dämonen Macht und Freiheit übertrifft die der Menschen. Was sich in Meer und Fluß bewegt, ist ihr Eigen. Darum müssen ihnen die Fischer Fischer opfern, wenn sie eine gute Fischernte begehren. Auch was im Wasser untergegangen ist und andere Schätze besitzen sie und geben ihren Günstlingen, d. h. solchen, die durch Initiation, Einführung in Kulte Initiation in den Kult ihre Besitzer geworden sind, ab. Andere stürzen sie ins Verderben. Auch für ihre Freunde gilt: Djengu di ben musima mo momene „Die Nixe hat nur ein Glück, -sgut Glücksgut“, d. h. was einer von ihr bekommt, kann er nicht mehr umtauschen. Will er wechseln oder gar sein Verhältnis zu ihr anders gestalten, dann zieht sie ihn ins Verderben. Sie wissen alles, sehen alles, vermögen alles, sie sind überall, wohin sie kommen wollen. Ihnen entrinnt keiner. Ein solch erboster Dämon kann nicht nur allen Fischsegen zurückhalten, sondern Fischer und Schiffer auf alle mögliche Weise schädigen. Sie zerreißen Netze und Fischfallen oder versetzen sie, halten die Fische zurück, ziehen Boote ins Verderben und lassen die Menschen in Strudel und Flut umkommen. Da sitzt ein Kind hinter dem Vater im Kanu; plötzlich ein Schrei, das Kind ist verschwunden; am anderen Morgen liegt es tot am Strand. Mancher, der nach seinem Netz tauchte, kommt nicht mehr herauf. Die Unholde haben ihn in ein nasses Grab gezogen. Manchmal wird er später gefunden und die mengu haben ihm die eignen Netzschnüre um die Füße geschlungen. Nicht ganz so gefährlich sind die mengu in kleineren Gewässern; doch sind sie auch dort zu fürchten, wo sie einen nicht im Wasser ertrinken lassen können.

Wer durch Brauch und Rite in den Kultbund der Dämonen aufgenommen ist und die darin gegebenen Tabu-Regeln und Gesetze hält, hat Macht über diese {118} Wassergeister. Wie ein Totem oder Nagual führen sie der Besitzer Wünsche aus. Die Vorsteher ihres Kultbundes haben auch die regelmäßigen jährlichen Opfer, vgl. auch Kulte und Ahnenkult Opfer zu bringen, vgl. S. 189?. Außerdem muß jeder, der einen der wegen der mengu verrufenen Plätze passiert, sie mit einer ins Wasser geworfenen Gabe „füttern“, d. h. sie günstig stimmen, damit sie die ungestüme Flut beschwichtigen und die Bootsleute unbeschädigt davonkommen. Das geringste und zugleich billigste Opfer ist poma poma „magisch oder kultisch spucken“, d. h. ein Spuckhauchopfer bringen, vgl. S. 136. Oder man sucht auch die Geister zu bestechen bestechen, indem man ihnen ein Teilchen von dem opfert, was man mit sich führt: Ackerfrüchte, Getränk, Tabak Tabak, Salz Salz. Beim jährlichen mengu-Opfer fehlte aber auch ein Mensch nicht. Wer sie aber ganz von sich halten will, den soll ein Buch oder ein Stück Papier schützen, denn das halten die Unholde für einen starken und gefürchteten Zauber. Doch muß dieses Abwehrmittel verhältnismäßig jüngeren Datums sein.

Die mengu können ihr nasses Element auch verlassen und aufs Land kommen. Leute mit „vier Augen“ sehen sie häufig auf Felsen am Meeresufer oder auf Bäumen einsamer Eilande sitzen. An Baumwurzeln klettern sie aus der Tiefe hoch, um Umschau zu halten oder mit ihren verdrehten Füßchen im Ufersand zu trippeln. Sie entwurzeln am Ufer auch Bäume und pflanzen sie im Meer über ihrem Wohnsitz als Auslug. Ziehen die mengu gerade einen solchen timbo a mengu durch die Flut und ein Vorüberrudernder legt Hand mit an, so kann er sich dabei vom Baum einige Blätter pflücken. Als ein gutes Mittel legt er sie in sein Boot und tut nun gute Fischzüge. Das nämliche erreicht er, wenn er mit seiner Schöpfkelle etwas von dem Schaum schöpft, der um solchen timbo entsteht. Spritzt er davon vor der Ausfahrt etwas auf seine Fanggeräte, so bekommt er sicher bald Netz und Angel voll Fische. – Aber auch auf dem Festland gibt es Bäume, die den mengu gehören und an deren Wurzeln sie nachts hoch steigen und in der Dörfer Umgebung ihr Wesen treiben. Solche Bäume sind natürlich durch besondere Tabu-Regeln geschützt, vgl. S. 19.

Auf Erden können sich die mengu verwandeln, wechseln verwandeln, zumeist in schöne Frauen, um Männer zu betören. Doch auch dann sind sie nur solchen sichtbar, denen sie erscheinen wollen und Leuten mit „vier Augen“. Wer sie ungeschützt und unvermutet sieht, dem werden sie zumeist zum bedim’ „Schreckzeichen“, vgl. S. 56. An gewissen Zeichen kann man aber erkennen, daß mengu in der Nähe waren oder sind. Wenn die einsamen Fischerhütten am flachen Meeresstrand von dichten Mückenschwärmen umlagert sind, so sind das Vorboten der mengu. Oder wenn die ans Ufer gezogenen Boote am Morgen ins Meer gestoßen und oft weit abgetrieben sind, so war dies das Werk solcher Unholde, die den Suchenden die Augen auch so halten können, daß sie die vermißten Boote lange nicht finden. – Mancher hört auch an solch verrrufenen Plätzen Hahnenrufe, Trommelschlag und Tanz, Zerstoßen von Speisen im Mörser u. ä. aus der mengu-Siedlung, oder ein Schiffer hört es auf der stillen Meerflut, wenn ein von mengu besiedelter Felsen nächtens einen einige Stunden weit abliegenden anderen Felsen oder Riff besucht. Doch werden solcher Offenbarungen nur die inne, die ohne besondere Absicht solche Stellen passieren. Selbst Herdfeuer und Lichter leuchten solchen Harmlosen gelegentlich über dem Wasser auf. – Schiffer und Fischer Fischer verstehen [sich] in Kamerun [auf] „Jägerlatein“ und ihre Erlebnisse sorgen dafür, daß der Aberglaube immer neue Nahrung erhält. Natürlich haben auch Europäer Begegnungen mit mengu. Mit einer Ladung Bananen fuhr Herr Paul Brüssel Ende September 1938 (gestorben 6. Oktober 1938) von Mpondo nach Tiko. Unterwegs setzte sich sein Fahrzeug auf Grund und alle Arbeiter mußten ins Wasser, um die Barkasse wieder flott zu machen. Auch Herr B. ging ins Wasser, obwohl er fiebrig war. Dann saß er wieder in seinen nassen Kleidern im Boot. Als er nach anderthalb Tagen wieder in Mpondo war, mußte er sich legen und stand leider nicht mehr auf. Da gab es unter den Schwarzen der Pflanzung nur eine Erklärung: Ihm waren an der verrufenen Stelle mengu vorgekommen.

Wem sie ein Glücksgut verschaffen: Reichtum an irdischem Gut, Glück in Sippe und Stamm, Kindersegen, Klugheit, Überlegenheit in einer Hantierung, auch wenn sie nicht ehrlich ist u. ä., ist gehalten, die ihm auferlegten Tabus zu beachten. Wer sich daran nicht mehr halten will, ist über kurz oder lang ein Kind des Todes und seine Angehörigen verderben.

Wegen des den mengu gewidmeten Kultbundes und der Aufnahmeriten dazu verweise ich auf meinen oben genannten Aufsatz und hier auf S. 20 Dämonen 2f Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde f. Geister

{119}

[zwei Notizen auf Rückseite von S. 118: Gehört n-ambo zusammen mit amba < kamba? Er verursacht alles, was in Existenz kommt. vgl. S. 6 eworde]

F. Das Gottesbewußtsein der Kamerune Ideen über das Höchste Wesen r Gottheit

Das Gottesbewußtsein der Kameruner ist nicht ganz einheitlich; in den verschiedenen großen Stammesgruppen hat man verschiedene Namen für das höchste Wesen; außerdem ringen gleichsam zweierlei Anschauungen, die sich um bestimmte Punkte gruppieren, miteinander. Und in der einen Gegend scheint mehr die eine, in der anderen mehr die andere Anschauung im Vordergrund zu stehen. Es ist das einmal eine im Ahnenkult verehrte Gottheit, die wir als den Wirker Wirker bezeichnen können, daneben oder eigentlich darüber die Himmelsgottheit, die als der Richter Richter bezeichnet werden kann. Diese letztere hat in weitem Gebiet einen Namen, der von [dem] gleichen Wortstamm abzuleiten ist und dessen Idee bei allen gleich ist, während es nahe liegt, daß der Name der Ahnengottheit in verschiedenen Landschaften wechselt. Der Wirker mag den Menschen näher stehen, seiner wird ja auch im organisierten Fruchtbarkeitskult Fruchtbarkeitskult gedacht; dagegen hat die Himmelsgottheit nirgends einen Kult, -bund, vgl. auch Geheimbünde Kult, kein Opfer, vgl. auch Kulte und Ahnenkult Opfer wird ihr gebracht, auch nicht indirekt wie der Ahnengottheit, aber als der letzten Instanz kann sich in der Not jeder an sie wenden. Der Wirker steht dem Menschen persönlich näher, aber größer, mächtiger, auch dem Wirker letztlich überlegen ist der Richter, in dessen Hand steht das Geschick Geschick aller und alles, das gedacht werden kann. Vielleicht kann man diesen höchsten Richter vergleichen [mit] der höchsten Macht, die sich die Griechen über ihrem olympischen Götterhimmel waltend dachten, größer als Zeus, oft Nemesis oder [Moira] genannt, die auch das Geschick aller in Händen hielt.

Trotz dieser beiden Namen und Vorstellungskreise sind die Kameruner doch als Monotheisten anzusprechen, denn ihnen ist das höchste Wesen nur eines; in der letzten Idee verschmelzen ihnen beide Vorstellungen. Wir wollen beide für sich kurz besehen. Zugleich weise ich hin auf meinen Aufsatz „Gottesvorstellung und Gottesnamen im vorderen Kamerun“, erschienen in: [Evangelische Missionszeitschrift - Neue Folge (84) 1940, S. 137 – 150].

1. Der Wirker Urheber

(a) Nyambe, Ya. Zamba, Ko. Mwa-nyame etc. Nyambe, links vom Mongo (Fluß) Mongo-Fluß

In einem weiten Gebiet des vorderen Kamerun ist des Wirkers Name abgeleitet von dem alten Bantu-Wortstamm ni-jambe. Dieser Name ist weitverbreitet: In Südwestafrika bei den Uili: Nzambe, bei den Barotse am Sambesi: Nyambe, bei den Fang in Französisch-Kongo: Nzam, in Kamerun bei den Jaunde: Zamba und Bulu: Zambi, bei den Basa: Nyama, den Bankon: Nyam’, den Bakosi: Mwa-nyame (Ko.) = Nyambe Mwa-nyame Vgl. Note zu S. 115

, bei den Duala und ihren Nachbarn: Nyambe. Diesen Namen gebrauchen wir im Folgenden.

Von Nyambe spricht und sprach man in Kamerun ursprünglich nur in Verbindung mit dem Ahnendienst und [dem] Fruchtbarkeitskult Fruchtbarkeitskult, denn der Wirker ist der Geber „aller guter Gaben“. Erbittet einer von seinem Nachbarn eine Kleinigkeit, etwa Pfeffer, so kann ihm der sagen: Ich habe selbst nicht genügend, nur ganz wenig, was mir der Wirker soeben [?] zukommen ließ.

Wie er das Kind im Mutterleib schafft, [so] geht alles auf ihn zurück, was den Menschen auf Erden zum Leben förderlich ist. Erschaffenes muß einen Schöpfer Schöpfer haben, fordert das primitive Kausalbedürfnis. Er ist ein geistiges Wesen und trotz seiner Verbindung mit den Ahnen nicht vermenschlicht. Er gilt als ewig, weise, gütig, mitleidig. Verbindung mit den Menschen hat er nur durch die Ahnen, die gleichsam seine Mittler Mittler zur sichtbaren Welt sind. Trotz dieser Nähe der Ahnen bei ihm, ist er mit diesen nicht zu verwechseln, auch nicht mit dem Stammvater oder mit der Gesamtheit der Ahnen. Man darf sich da nicht verwirren lassen, wenn man in manchen Gegenden auch einen grauhaarigen Alten mit dem Namen des Wirkers belegt. Einmal will man auf diese Weise solche Personen ehren, andererseits sieht man in solchen Personen gleichsam eine Offenbarung des Unsichtbaren. Eine Parallele möge das klarmachen: Bei Dynamismus, vgl. S. 56ff., ist gezeigt, wie sich in Dingen, Tieren u. a. dieser sichtbaren Welt Mächte der unsichtbaren Welt manifestieren. So bezeichnet man oft auch Alte oder Angesehene als solche Offenbarung der unsichtbaren Welt, wenn man sie mit des Wirkers Namen begabt, um ihre Unantastbarkeit auszudrücken. So können z. B. die Bakosi einem, der einen Alten kränkt, sagen: Siehst du nicht, daß er Mwa-nyame ist? Oder die Grasländer bezeichnen gern den Häuptling oder Alte, Weiße, Wohltäter mit dem entsprechenden Namen für den Wirker, den

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[zwei Notizen auf Rückseite von S. 119: Jaunde: Zamba Fang: Zama Ovase a veli na me sagen die Kp. von einer hoffenden Frau + ovase a ma tunbana moto em Gott ist mit seinen Menschen zurückgekehrt ++.]

Ahnengott.

In der älteren Literatur dürfte manches Unzutreffende über Nyambe gesagt worden sein. Nyambe ist nicht ein „Dämon“, wie es Saker in seiner Bibelübersetzung wiedergegeben hatte, auch sind mit ihm nicht schwere Krankheiten verbunden; auch wurde er nicht im djengu-Kult angerufen; das dort gebrauchte Wort ist nicht Nyambe, sondern ya mbe, was eine Interjektion ist, unserem „Hallo!“ ungefähr entsprechend. In den Sprachen westlich des Mongo-Flusses ist nyambêKrankheit Krankheit“, nicht Nyambé; vgl. Wurm, Die Religion der Küstenstämme in Kamerun. Bei gewissen Zusammensetzungen mit nyambé soll dieser abhängige Genitiv nicht den Ursächer bezeichnen, sondern sein Wesen als Vergleich benützen; z. B. pol’ a nyambe „unheilbares Geschwür“, d. h. es vergeht nicht, wie auch Nyambe nicht vergehen kann, oder ebango a nyambe „eine Wunde Wunde, die von selbst entstand“, etwa durch Aufspringen der Haut, nicht durch Schnitt o. ä., es ist eine Wunde, die gleichsam ihre Ursache in sich selbst trägt wie Nyambe, vgl. S. 1. Bunya ba nyambe ist ein Tag, an dem nichts Außergewöhnliches vorfällt, ein Tag ohne schlimme Vorzeichen; ein mom’ a nyambe oder mut’ a nyambe „Mann“ oder „Frau von Nyambe-Art“ ist ein gewöhnlicher Mensch, der nicht mit unheimlichen Kräften im Bund steht, einer der in rechtschaffender Weise seine täglichen Pflicht Pflichten erfüllt. So liegt in dem Namen durchaus nichts, was abzulehnen wäre. – So ist auch der alte Duala-Gruß, vgl. S. 1, sicherlich früher falsch interpretiert worden. Die Frage Ndj’e tuse e? heißt nicht: „Was quält?“ von tûsè „arm machen, quälen“, sondern „Was belebt, regt an, was ist allen überlegen?“ von túsè „aufrütteln, beleben, anregen, in Tätigkeit setzen“.

Die Duala setzen dem Namen Nyambe häufig noch zwei erläuternde Genitive zu: 1. Nyamb’ eweka (= eweke „welches erschafft“) „der erschaffende Nyambe“ im Sinne von Wirker, Uranfänger, der die Sippe gesetzt hat. Als solcher Lebengeber nimmt er auch wieder das Leben. Beim großen Totenfest Totenfest, vgl. S. ---, ‘spricht’ die große Trommel, Fell-, Schlitz- Trommel: Ndjika lambo di bo mo e? Nga mot’ a benama, nga tumba, nga nyama ni kwany e? „Was hat ihn umgebracht? Etwa ein leibhaftiger Mensch, ein ganzer Stamm oder ein wildes Tier?“ und die andere Trommel antwortet: Man mese to diwo, buka te nyamb’ eweka nu weki mundja na mundi, su’ a madiba na nyam’ eyidi; momene mo a domse kwed’ ao! „Von all dem nicht eines, nur der schaffende Wirker, der Ozean und Festland, die Fische Fische im Wasser und das Wild im Walde erschaffen hat; der allein hatte seinen Tod beschlossen“. 2. Nyamb’ a dibenga (von benga „fortfahren etwas zu tun“) „der Ahnengott der Beständigkeit, der immerwährende Wirker“, von dem das Sprichwörter Sprichwort sagt: Nyamb’ a dibenga a si dube to lambo „Der Wirker fragt nach nichts“, auch die angesehensten und am meisten mit Machtmitteln bewehrten Menschen müssen seinem ndaki „Auftrag, Befehl“ im Tod folgen. Nyambe, Ya. Zamba, Ko. Mwa-nyame etc.

(b) Obase, Gottesname westlich des Mongo Obase, rechts vom Mongo (Fluß) Mongo-Fluß

Der Mongo-Fluß hat diesem Namen eine Grenze gesetzt; nur östlich davon ist er bekannt. Westlich dieses Flusses hat man bei den Stämmen um den Kamerunberg, das Barombigebirge bis ins Kreuzflußgebiet für die mit Ahnen und Schattenreich verbundene Gottheit den Namen Obase oder ähnlich. Als Fremdwort fand dieser Name im Duala-Sprachgebiet Eingang: Ebasi „Gottessache, Missionsarbeit“, mot’ ebasi „Anhänger der Mission, Christ“, mukal’ ebasi „Missionar“. Bevor Europäer nach Duala gekommen waren, hatte die Missionsarbeit in der Gegend von Kalabar begonnen. Von dort kam mit der neuen Kunde auch der dortige Gottesname nach Kamerun und bürgerte sich im angegebenen Sinn ein.

Auch die vor etwa 2[00] – 300 Jahren in dieses Gebiet eingewanderten Barombi haben diesen Namen übernommen, die Vorstellung selbst mußten sie ja nicht wechseln. Ihre jenseits des Mongo verbliebenen Stammesgenossen, die Bankon haben den alten Namen behalten. Dieser Name Obase ist bis nach Nigerien hinein verbreitet als „Ahnengottheit“. Nur sind hier, schon bevor sich europäischer Einfluß geltend machen konnte, die Ideen beider Gottesvorstellungen zu einer Einheit zusammengeflossen. Es liegt hier sicherlich Sudan sudanischer Einfluß vor, den wir bis ins Grasland Grasland Kameruns beobachten werden. Zunächst aber ist hier Obase wie Mandem der Banyangi oder Nyikob der Bali und Nachbarn nur in Verbindung mit den Ahnenschatten zu nennen, mit denen er sich vom Hades her auf dem Ahnenkultplatz manifestiert. Die westlichen Nachbarn in Nigerien, die Efik um Kalabar rufen im Totenkult die ersten Menschen als eka abase und ete abase „Mutter (nämlich) Obase“ und „Vater (nämlich) Obase“ an, während die Bakundu und ihre Nachbarn rufen, anrufen anrufen Obas’a melimo „Gottheit (bei den) Ahnenschatten“, aber auch von Obas’ a loba „Gottheit (nämlich) Himmel, vgl. auch Loba, Firmament Himmel“ reden. Am deutlichsten wird die zwischen Ahnengottheit {121} und Himmelsgottheit gewordene Einheit bei den Bakwiri klar, wenn die Alten anrufen: A ovas’ a lova la mongo mo ndando „Du Ahnengottheit im Himmel, du Aufheber aller sippischen Zerklüftung“. Damit ist die enge sippische Fessel, innerhalb derer der Ahnengott nur angerufen werden konnte, gesprengt, ihm ist die mit dem Himmelsgott verbundene Idee zugeschrieben, der über alle waltet, weil er über Sippen und Stammesgrenzen hinüberreicht. Obase, Gottesname westlich des Mongo

(c) Nyikob, Gottesname der Bali Nyikob der Bali

Die Bali und ihre Nachbarn im Grasland nennen den Schöpfer Schöpfergott Nyikob, ein zusammengesetztes Wort. Nyi Bei den Meta heißt der Name des Wirkers n(g)wie, bei den Minge nyie, ist also gleichen Stammes. Die Meta können ihn auch ngwie-ko’ nennen und ein Erklärer deutet dieses ko’ mit „Wachsen“, so daß die Frage entsteht, ob nicht auch das Bali kob außer „Wald“ noch eine andere Bedeutung hat.

wohl „Geist“, kob von „ Wald Wald“; wollte man das Wort aber wiedergeben mit „Waldgeist“, so erzeugt das eine irrige Vorstellung. Wecken große Wasser, undurchdringliche Wälder, große Bäume, mächtige Stein Steine auch das Numen Numen numen für den deus absconditus, ein Machterleben im Sinne des Dynamismus, so weiß man doch, daß Nyikob mehr ist, als daß er von diesen Dingen gefaßt werden könnte. Man weiß nicht, wo Nyikob wohnt, wenn er vielfach auch zusammen mit den Ahnen auf deren Kultplatz Solche Ahnenopferplätze, vgl. S. 33, heißen im Meta dzö ngwie „Speise-, Opferplatz der Ahnengottheit“; gespeist aber wird nicht der Wirker, sondern seine Mittler, die Ahnengeister.

, oft nur eine Wegkreuzung, angerufen wird. „Es kann sein, daß einer am lichten Tage die Gottheit anruft; er spricht in die leere Luft, aber in der Gewißheit, daß da ein Wesen existiert, das ihn hört. Solches Anrufen findet hauptsächlich an Wegkreuzungen und anderen Opferplätzen statt. Denn man lebt des Glaubens, daß sich Nyikob besonders an solchen Plätzen aufhält.“ Andere betonen, daß er in der unsinnlichen Welt west, daß er im Wald einem nahe kommt, aber wo, wisse niemand genau; so habe er keinen besonderen Opferplatz, auch kein Opfer, vgl. auch Kulte und Ahnenkult Opfer; doch weiß jeder, daß er die Ahnengeister und Machtmittel weit überragt. Erlebt einer ein Glück, so anerkennt er Nyikob als den Geber; so hört man oft nach der Geburt, gebären Geburt eines Kindes sagen: Dank sei dem Nyikob der Vorfahren, der uns besucht und froh gemacht hat! Ebenso wendet man sich in großer Not an ihn und zwar bei öffentlicher Kalamität durch einen besonders dazu bestimmten Mann, eine Art Priester Priester. Er soll mit seiner Felltrommel etwa einer verderblichen Seuche Einhalt gebieten, indem er zu seinem Trommeln halb betend, halb beschwörend spricht und mit der Bitte schließt: Möge der Gott der Vorfahren die Krankheit von unserer Siedlung wegnehmen und mit ihr weggehen! Danach erheben die um ihn versammelten Dorfbewohner laut ihre Stimme und schreien: Er nehme sie und gehe mit ihr weg! Er nehme sie und gehe mit ihr weg! vgl. S. ---. Während das Gebet Gebet zum Ahnengeist der Mundwalt der Sippe auf Erden darbringt, kann zum höchsten Gott nicht jedermann aus der Dorfschaft beten; das ist tabu. Mit Nyikob <im Wald> reden und ihm Gebete darbringen, darf nur, wer dazu auserwählt ist; er muß über besondere magische Mittel und Kräfte verfügen, die er durch Erbschaft oder Initiation, Einführung in Kulte Initiation erlangte. Meist ist dieses Amt in einer Familie erblich. – Zur Beteuerung der Wahrheit ruft aber jedermann Nyikob an. Ihm ergibt man sich auch in Krankheits- oder anderer Not, indem man lethargisch spricht: Wie Nyikob will!

Es besteht auch der Glaube, daß Gott manchmal in Menschengestalt über die Erde gehe. Darum mahnen auch die Alten: Schlage niemand die Bitte um Nahrung Nahrung ab; du weißt nicht, ob du damit nicht Nyikob abweisest; nämlich den Gott, der die Ackerfrüchte wachsen läßt! So spricht man auch zu einer stillenden Mutter, deren Brust zu schnell versiegt: Du hast wohl Nyikob seine Bitte um Nahrung abgeschlagen, so läßt er nun dein Kind hungern. Darum ruft man in solchem Falle eine Sühneversammlung, vgl. S. 237ff., zusammen, bespricht die Sache mit ihr und untersucht gegebene Anlässe; dann legt man Speiseopfer an Wegränder und -kreuzungen [derselbe Texte wie vorhergehende Fußnote]

für die Ahnen und spricht dabei: Nyikob, vielleicht hat diese Frau dir die Bitte um Speise abgeschlagen; hier bringen wir dir nun gute Nahrung. Darum nimm und iß, was dir beliebt, nur gib auch dieser Frau wieder die nötige Kindernahrung! Hier ist ganz klar, daß dieses Gebet zwar an die Gottheit gerichtet ist, das Opfer aber den Ahnengeistern gilt; doch weiß jeder, daß die Bitte nicht von den „Köpfen der Väter“ (vgl. auf S. 16 den Stein, in den des sterbenden Sippenvaters Seele eingehen soll), sondern nur vom Nyikob <im Wald> erfüllt werden kann. – Eines ist jedenfalls klar, daß Nyikob oder der entsprechende Name anderer Graslandstämme nur vom Ahnenkult her zu verstehen ist, obwohl er wie Nyambe im Waldland nicht der Urahn ist.

{122} Nach mündlicher Mitteilung von Fräulein A. Hummel, über ein Jahrzehnt Lehrerin im Grasland, redet der Volksmund Volksmund auch dort von Nyikob, wie man im Waldland von Loba redet, z. B. ein heidnischer Stoßseufzer ist Mbom a! „Mein Schöpfer!“, man spricht seine Hoffnung auf Gott aus mit Nyikob to ye! „Gott wird’s machen!“, beruft sich auf ihn mit A lin nyikob „Gott weiß es“ oder Nyikob lin nu le „Gott kennt diese Sache“ oder er ergibt sich in des Höchsten Willen mit Nyikob to bim a! „Wie Gott will!“. Man klagt über ein hartes Los mit Nyikob ka näbti mvi „Gott hat die Welt geschaffen“ (darum geziemt es den Menschen, sie zu nehmen wie sie ist). So weist ein Krüppel Krüppel auch den Spötter zurück unter Hinweis auf Gott: A ka ma nnäbti nyikob, nnäbti a e? „Hat Gott mich nicht geschaffen?“ Bei eines Kindes Geburt, gebären Geburt dankt man: Nyikob ken a ni yo mon le „Gott hat mich mit diesem Kind beschenkt“ und im Todesfall bescheidet man sich: A fung nyikob mfung i? „Hat ihn nicht Gott gerufen?“ – In Babanki hatte eine blinde Christin in einem Heidenhaus bei einer schwierigen Zwillingsgeburt geholfen und hatte dann darauf bestanden, daß man auf die vielerlei Tabu-Regeln verzichte. Als alles glücklich vorüber war, beteten die Heiden: Nyikob la'ni mbükäd yu' „Gott vergiß unser Böses“ (= was bei uns nicht in rechtem Zustand ist. Damit sprachen sie aus: Was sonst durch Tabu-Regeln und magische Mittel und Brauch zu erstreben ist, stellen wir Gott anheim und bitten, es wegzutun, zu vergeben.)

Während so diese Worte zeigen, daß man in Nyikob einen nicht einzelnen Stämmen eigenen Besitz sieht, sondern der über alle waltet, wie man oft beim Gebet auch gen Himmel schaut, spricht man andererseits auch wieder von yab Nyikob „ihrer (anderer Stämme) Gottheit“, macht also einen Unterschied zwischen dem eigenen und dem Nyikob anderer Stämme. Nyikob, Gottesname der Bali

(d) Mandem Mandem im Kreuzflußgebiet

Mandem ist der Gottesname der Banyangi im oberen Kreuzflußgebiet. Zur Etymologie des Wortes ist zu vergleichen: Ndem „Geisterkultstein“; ngo-ndem „Geisterfrau“ (wenn am Morgen auf Bergen und Hügeln leichte Nebelwolken liegen, sagt man: Nun kochen die bago-ndem „Geisterfrauen“ ihre Speise), gemeint sind weibliche Totengeister, Waldgeister; mbogo-ndem 1. „Frauenkultbund der Keaga und Banyangi“, wörtlich „Geisterverein“, 2. und Plural: Babogo-ndem „Mitglied dieses kultischen Bundes, Darstellerin des Dämon“. Ndem, pl. barem, ist demnach „Totengeist“ und wohl gleichen Stammes wie das schon besprochene *limu des Bantu, wovon edimo edimo, be- (Du.), molimo, mi- (Ku.) abzuleiten ist; vgl. S. 99. Das ma- dürfte parallel sein zu dem obigen mwa- in Mwanyame der Bakosi, wo es etwa „Gesippte“ bedeutet, also Mwa-nyame (Ko.) = Nyambe mwa-nyame „die Gesippten, die Siedlung, vgl. auch Gruppe Siedlung des nyame“, so auch ma-ndem „Geistergesippte, Geistersiedlung“. So sehr der Name darauf hinweist, daß diese Vorstellung zusammenhängt mit der von den Totengeistern, den Ahnen, so ist doch auch hier wohl zu unterscheiden zwischen diesen Ahnen und der Gottheit, die alles überragt. Die gegenwärtige Generation denkt nicht daran, Mandem und die Ahnengeister in irgendwelche Gleichheit zu setzen; er ist ihnen Wirker und Schöpfer, die Ahnen, wenn jetzt auch in der unsinnlichen Welt gleich Mandem, waren einmal Geschöpfe; während er der Geber alles Geschaffenen ist, sind sie auf die Opfer der Hinterbliebene Hinterbliebenen angewiesen.

Abschließend ist bezüglich der Ideen über den Wirker zu sagen: Der kameruner Urheberglaube ist etwas Autochthones, auch wenn er im Zusammenhang steht mit Ahnenglaube und Fruchtbarkeitskult. Der Wirker ist nicht ein Naturwesen, sondern steht außerhalb und über dem Geschaffenen. Der „Vater-“name sango, ba- sango will nicht andeuten, daß die ihn Gebrauchenden sich in kindlichem Verhältnis zu ihrem Erzeuger wissen, sondern will sagen: Er ist „Herr“, er steht über denen, die ihn anrufen, steht in einem Überlegenheitsverhältnis. Der Wirker ist das machtbegabte, geheimnisvolle Wesen der Urzeit und aller Zeit. Will man annehmen, diese Vorstellung vom Wirker habe sich evolutionistisch aus dem Ahnendienst entwickelt (wozu die Äußerungen der Kameruner keinen Anlaß bieten), so ist zu betonen, daß mit dieser Vorstellung der Rahmen des Ahnenkultes gesprengt ist; selbst da, wo er zusammen mit den Ahnen angerufen wird, findet reinliche Scheidung zwischen Ahnen und Ahnengottheit statt; vgl. das Gebet auf S. 8 des oben genannten Aufsatzes über die Gottesvorstellung.

Der Kameruner ist an geschichtliches Denken nicht gewöhnt. Darum denkt er, wenn er vom Schöpfer oder der Schöpfung Schöpfung redet, auch weniger an einen geschichtlichen Akt der Schöpfung, wie es die Genesis darstellt. Es ist dem Kameruner die Schöpfung mehr eine Art Emanation aus der unsichtbaren Welt in unsere Wirklichkeit. Darum ist es dem Kameruner auch leichter, von dem Schöpfer dieses oder jenes zu sprechen als von dem Schöpfer schlechthin, obwohl das auch verständlich und gebräuchlich ist. Vgl. dazu auch Seite 3 Schöpfer 0f Wirker f Urheber . Mandem

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[Notiz auf Rückseite von S. 122: Nach Günther Tronje v. Hagen, „Bulu-Sprache“, hatten die Bulu nur den Gottesnamen Zobe nga Mebee, während Zambe wohl aus dem Jaunde eingeführt ist.]

2. Der Richter Richter ( Loba Loba) Himmel, vgl. auch Loba, Firmament

Li-guva, ein altes Bantu-Wort für „Himmel, Firmament Firmament“ und zwar das leuchtende, strahlende, ist in einem weitem Gebiet des vorderen Kamerun heimisch geworden als lova (Kp.), loba (Du.), low „Himmel“ und low ngon Übersetzt in Duala: Loba la ngonde „Himmelsgottheit (nämlich) Mondscheibe“, weil zu Loba bei Neulicht gebetet wurde, vgl. S. 179.

„Gott“ (Bo.), djob (Sa.), diob (Ko.), roba (Ku. und Lu.) oder sonst ähnlich. Bei manchen Stämmen überträgt man diesen Namen auch auf das Hauptgestirn des Himmels, die Sonne Sonne, oder bei anderen nennt man sie diso la loba „Auge des Firmaments“; vgl. auch S. 2f.

Loba wölbt sich über alles, hat alles unter sich, also in seiner Gewalt, er ist auch überall zu sehen und sieht mit seinem „Auge“ auch alles, was vorgeht. Kein Wunder, wenn man in diesem großen und gewaltigen Gegenüber eine nicht überbietbare Macht sieht, unter der gar die Ahnengottheit steht. Wir werden sehen, wie loba so zum „ Geschick Geschick“ wird, wie man sich das Himmelsgewölbe als beseelt denkt und loba schließlich zur höchsten Gottheit wird. Wie das im einzelnen geworden, kann niemand sagen; man kann nur hören, welche Vorstellungen die Heutigen mit loba verbinden.

Loba ist zunächst ein Ort und zwar bewohnt von Menschen; diese sind aber nicht dunkelfarbig, sondern sind mbongo „Hellfarbige“ oder minanga „Blasse“, vgl. S. 37 und S. 110. Diese haben dort ihr Wesen wie die Dunkelhäutigen auf Erden. Wenn in der Trockenzeit Trockenzeit auf Erden alles welk wird, legen sich die Himmelsmenschen nieder und sterben sterben; nur ihre Knochen bleiben übrig. Die ersten Tornadoregen wecken sie wieder zu neuem Leben. Bei ihnen herrscht keine Not wie auf Erden; sie haben alles in Hülle und Fülle: Fruchtbare Gärten, fette Herden und sonst alles im Überfluß bei friedlichem Treiben. Mancherlei Märchen berichten von einer Verbindung zwischen ihnen und der Menschenwelt, vgl. Tub’ a Mbange auf S. 110. Und der dort vermutete Reichtum treibt die Hexen des Sozialtotemismus zu Gängen dorthin an, um sich und den ihren magischerweise Reichtum und Wohlstand zu holen, vgl. auf S. 88ff.

Während die eines rechten Todes Verstorbenen als Schattenseele in den Hades eingehen, vgl. S. 99ff., bekommt einer, der eigener oder fremder finsterer Macht erlag, kein ordentliches Begräbnis mit den nötigen Riten und geht darum auch nicht in den Hades ein. Wer mit einer offenen Wunde Wunde am Körper stirbt (Krieger, Verunglückter, Erschlagener, Ertrunkener, Selbstmörder, mit unheilbarem Geschwür Behafteter u. ä.), wer tot aufgefunden wurde, wer dem Ordal, Gottesgericht, -urteil Ordal erlag, Wassersüchtige, Albinos u. ä. werden nicht in Ehren begraben, denn sie waren behaftet mit etwas, was sie anderen gefährlich machte. Sie werden formlos hinweggetan. Und weil sie ganz anders als andere Menschen sind, gehen sie auch in den Himmel ein, wo das ganz Andere, das Unberechenbare und daher Unnormale seine Stätte hat. Sobald nach solchem Tod der Sippe ein Kind, vgl. auch Eltern und Kind Kind geboren war, erhält es des Abgetanen Namen, dessen altem Träger nicht mehr gedacht wird. Er schied ja aus der Geschlechterreihe aus, vgl. S. 105ff., 213ff.

Aus dieser so anderen Welt kommen auch die, die außerhalb der Menschennorm stehen: Albino Albino und Zwillinge.

Die pigmentlosen Leute gleichen doch den fahlen Himmelsbewohner Himmelsbewohnern, sie haben auch nicht die ruhigen dunklen Augen normaler Menschen. Wie ein solcher Albinosäugling der Schrecken seiner Eltern und Sippe ist, so bleibt er sein Leben lang gezeichnet. Man empfindet eine Art Ekel und Abscheu vor ihnen; niemand geht gerne eine Ehe mit ihnen ein. Wo ein solches „Kind aus dem Himmel“ geboren wurde, sagt man, in der betreffenden Sippe seien früher mambo m’ enyam’ „Ungehörigkeiten, Sittenwidriges“ vorgekommen und dafür sei nun das pigmentlose Kind eine Strafe, vgl. S. 37, 54.

Weil er nicht in die Unterwelt gehört, wird sein Leichnam auch nicht beerdigt; man legt seine Leiche Leiche zwischen die Wurzelwände eines großes Baumes und deckt sie mit Zweigen zu. Man sagt: Werden sie in der Erde begraben und die Ameisen fressen ihr Fleisch, so kommt die ganze Sippe in Gefahr und wird nach und nach aussterben.

Knochen solcher Albinos sind von Medizinmännern gesucht; zu Pulver gestoßen oder geschabt, „stärken“ sie jedes Machtmittel, besonders solche, die eingegeben werden. Vgl. ngad’ a mudumbu auf S. 140 und ngambi auf S. 162.

– Wenn die Weiße Weißen in Kamerun von Anfang an als besondere Wesen betrachtet wurden, so zum guten Teil deshalb, weil man vermutete, diese Andersfarbigen müßten auch aus einer anderen Welt, der unsinnlichen Welt stammen, vgl. S. 37f.

Mehr als Albino erregen Zwillinge Zwillinge die Gemüter; sie bedeuteten ursprünglich ein Unglück, -szeichen Unglück, denn sie brachten ihre Mutter, vgl. auch Eltern Mutter und die ganze Umgebung in Gefahr.Bei manchen Stämmen wurde früher eines oder gar beide Kinder getötet; z. B. bei den Balondo, wo heute noch eine Zwillingsgeburt als schlimmes Verhängnis gilt. Dort brachte man früher die Mutter samt den Kindern auf 3 [oder] 4 Jahre in eine famba, [ein] für sich abgeschlossenes, alleinstehendes Haus, damit sie mit anderen nicht in Berührung kämen. Für die Kinder hatte man besondere Namen; für Knaben Jyasa und Ngoe, für Mädchen Kongo und Wase. Während der Abgeschlossenheit hatte sich die Mutter allerlei Riten und Heilmethoden zu unterziehen, um von ihrem unguten Zustand frei zu werden. Die Absonderungszeit schloß mit einem großen Fest ab, wobei Kultbünde auftraten und die Dorfältesten Riten ausführten; selbst Kriegstänze wurden gehalten. Die Mitwirkenden waren ganz schwarz angestrichen. Nach Abschluß des Tanzes wurde die Frau von starken Männern gepackt und schnell vom Tanzplatz weggetragen, früher soll sie u. U. dabei getötet worden sein, wenn das Orakel zeigte, daß die Reinigung zwecklos war und sie noch mit der Unreinheit [?] behaftet ist.

Der zuständige Kultbund sperrte Mutter und Kinder von den anderen ab, bis die Gefahr beseitigt war; viele Tabu-Regeln machen heute noch die Aufzucht der Kinder noch schwerer, als sie ohnedies ist. Man nimmt an, daß die Kinder sehr eifersüchtig sind; werden sie nicht ganz gleich behandelt, so fühlt sich eines benachteiligt und denkt daran, die irdische Heimstatt zu verlassen. Darum muß man einem geben, was das andere erhält, ja der Vater muß {124} bei den Bakwiri in dieser Zeit mit zwei Stökken ausgehen, die Mutter nimmt zwei Tragkörbe auf den Rücken. Bei den Bakosi geht der Zwillingsvater in die Nachbarschaft und leiht allerlei Geräte und Lebensmittel zusammen und sagt seinen, aus dem reichen Himmel gekommenen Zwillingen: Denkt nicht, ihr seid zu armen Leuten gekommen, wenn ihr auch im Himmel Fülle und Üppigkeit gewohnt wart, bei uns ist es nicht viel anders. Schaut euch bei uns um: Vieh Vieh, Fleisch, Nahrungsmittel, Schmuck Schmuck, Hausrat. Es wird euch bei uns an nichts fehlen; darum laßt es euch bei uns nur wohl sein! So gestaltet sich die Aufzucht solcher Kinder recht schwierig: durch besondere Riten Riten muß die Mutter suchen, ihr Verhängnis wieder loszuwerden, und auch bei den Kindern fürchtet man, daß sie den „ Gefahrenzustand Gefahrenzustand“ ihr Lebtag mit sich herumtragen.

In Nlog bei Nyasoso-Bakosi kannte ich eine alte Frau, die als Himmelskind galt, die seufzte in ihren alten Tagen noch, wenn ihr etwas mangelte oder schief ging: Ach, wenn ich doch geblieben wäre, wo ich einst war; bei dem Reichtum im Himmel hätte mir nie etwas gemangelt!

Will ein Säugling Säugling nicht recht gedeihen oder er fällt gar in Krämpfe, so vermutet man, daß dies[es] Kind zusammen mit einem anderen als Zwilling hätte geboren werden sollen. Aus einem Grunde blieb aber das andere im Himmel zurück, verbunden mit dem irdischen Kind durch eine unsichtbare Schnur. An dieser sucht das Kind im Himmel sein irdisches Geschwisterchen zurückzuziehen; darum leidet dies nun an losinga „der Fadenkrankheit“. Kann ein ngang, Kp. nganga nganga diese „Schnur“ magischerweise durchschneiden, so ist das Kind gerettet. Machen aber die Eltern und Kind Eltern oder die Sippe durch Nichtbeachten einer Tabu-Regel des Medizinmann Medizinmannes Mühe zunichte, so muna a madangwa oder mondea o musinga „geht oder steigt das Kind an der Schnur empor“, an der oben das andere Kind zieht. Besonders achtet man darauf, ob ein Zwilling „viel nach der Darre schielt“, wo Speisevorräte aufbewahrt werden; das ist immer ein Zeichen, daß er unzufrieden ist, und man muß Vorkehrungen treffen, daß das Bürschlein nicht das Zeitliche segnet Zwillinge .

Auch anderes, was auffällt, stammt aus der Himmelswelt. Die Blindschleichen sind „ Schlange Schlangen mit zwei Köpfen“; sie haben keinen Schwanz; es ist streng tabu, sie zu berühren. Mit dem ersten Regen der Gewitterzeit kommen sie aus dem Loch, wo sie ihren Winterschlaf hielten und gelten nun als „mit dem Regen Regen aus dem Himmel gefallen“; vgl. die Namen auf S. 26. – Doch auch anderes stammt aus dem Himmel. Da wächst etwa eine Palme Palme nicht aus dem Boden, sondern aus der Astgabel eines Baumes, 10 bis 20 m über der Erde. Keiner denkt daran, daß der Palmkern von einem Papagei oder Eichhörnchen o. ä. dorthin gebracht ist, sondern diese Palme ist von „oben herab“, aus der unsichtbaren Welt des Himmels dahin gekommen; so auch bei gewissen Pflanzen, die etwa auf einem Dach wachsen und dgl.

Hinter dem Himmel als „Ort“ ahnt man eine Macht, -mittel, -erlebnis Macht und man spricht von ihr wie von einer Person. Der Himmel „redet“, wenn es donnert, vgl. S. 11. Auch das Erscheinen und Verschwinden der Stern Sterne und der Sonne, das Wachsen und Vergehen des Mondes läßt sie im Himmel eine Vernunft vermuten. Und diese Vernunft äußert sich besonders in Gerechtigkeit, darum schreibt man Loba zu, daß er über die Handlungen der Menschen wacht und das Unrecht rächen rächt. Während die Ahnengeister ja von alten, mißtrauischen Menschen her sind, die über ihre Ehrerbietung und Versorgung wachen, traut man Loba zu, daß er nur das Rechte will, so daß der gewaltigen und unberechenbaren Himmelsmacht gegenüber des Kameruners Gewissen Gewissen offenbar wird. Daher wird aus loba „Himmel“ Loba „Gott“, und es ist auch Heiden nicht schwer, sango Loba zu sagen.

Freilich ist er nicht mehr, wie es zu Anfang gewesen sein soll, den Menschen nahe; gerade die Unlauterkeit der Menschen hat ihn in unerreichbare Ferne gerückt, so fern wie der Himmel von der Erde ist, vgl. S. 31ff. Eine alte Duala- Überlieferungen Überlieferung sagt: Gott hatte die Menschen geschaffen und sie vermehrten sich. Viel Macht hatte er ihnen gegeben, aber das Gericht über sie sich vorbehalten. Darum brachten die Menschen auch alle Streitsachen vor ihn, etwa wenn die Großen die Kleinen bedrückten oder andere Ungerechtigkeiten Streit verursachten. Loba ging dann der Sache auf den Grund und er tat seinen Spruch, stellte das Unrecht bloß und strafte die Schuldigen. Die Starken aber suchten ihm dreinzureden; mancher kam heimlich nachts zu ihm, suchte ihn zu bestechen bestechen, damit er das Recht beuge, wie es bei manchem irdischen Gericht nicht selten ist. Weil Loba aber gerecht ist und „falsche Rechtsverteidigung hasset“, betrübte ihn das sehr und er sagte:

{125} Haltet ihr mich für so schlecht, so will ich keine Gemeinschaft mehr mit euch haben und mich nicht mehr in eurer Nähe aufhalten, denn ihr werdet nicht aufhören, mich zu versuchen und zu bedrängen. Darum gehe ich von euch weit weg. Und Gott zog sich ganz weit hinter loba „Himmel, Firmament Firmament“ zurück, unerreichbar für die Menschenwelt, so daß er ungestört und unbeeinflußt gerechtes Urteil sprechen und des Gerichtes walten kann. So richtet nun Loba ohne Ansehen der Person. Vgl. dazu auch auf S. 106, was die Bankon über das letzte Gericht sagen.

So wenig man jemand von der Existenz loba „des Himmels“ überzeugen muß, so wenig zweifelt jemand an der Existenz Loba „Gottes“. Der Säugling Säugling, der die Augen aufschlägt, sieht loba und für den denkenden Menschen ist er Sitz und Erscheinung des unsichtbaren Gottes. Niemand belehrt ein Kind über Gott; einer empfindet ihn und spricht dem anderen nach. Loba ist gütig, deshalb sind Opfer, vgl. auch Kulte und Ahnenkult Opfer nicht notwendig, er hat eigentlich keinen Kult, nur betet man zu ihm und sucht Zuflucht. Wie der Himmel selbst licht ist, so liebt Gott die Reinheit, er möchte tadelsfreie Menschen haben. Dieser Ordner und höchste Richter a mabele pe moto „ruft auch den Menschen“ zuletzt, also ist er auch von ihm ausgegangen.

So wird seit alters geschieden zwischen dem sichtbaren Himmel, dem Firmament, und dem dahinter waltenden unbestechlichen Richter Aller; und schon bevor die christliche Mission, Missionare, vgl. auch Christen Mission Loba als den ihrer Verkündigung am meisten entsprechenden Gottesnamen erkürten, hatten sie damals schon eine sprachliche Schwierigkeit mit einfachen Mitteln gelöst: Loba gehört in die Nominalklasse, der das unpersönliche di als Pronominalstamm eignet und Sachen benamst, die paarweise vorkommen oder symmetrisch teilbar sind, wie z. B. der Himmel. Bedeutet loba nun „Himmel, Firmament“, so geht das Wort strikt nach den Regeln dieser Klasse. Ist aber der „Himmels gott“ gemeint, so richtet sich das Wort nach der Personenklasse und hat den entsprechenden Pronominalstamm a bzw. nu nach sich. Der gleiche Vorgang ist auch zu beobachten, wenn die Bakosi etonde „Sonnenball“ in der Bedeutung „Geschick, Gottheit“ gebrauchen, es folgt dann nicht der der zuständigen Klasse eigene Pronominalstamm e, sondern a; vgl. etonde a de ngan auf S. 126.

Am Himmel steht die Sonne Sonne als das am meisten auffallende Phänomen, es hat die Eigenschaft, das Dunkle aufzuhellen; vgl. das auf S. 73 zu sanga Gesagte.

Überall freut man sich, wenn die Sonne wieder hochkommt [?] und das Dunkel der Nacht überwindet. Bei den Basa steht djob „Sonne“ mehr mit dem Glücklichen in Beziehung, während sie anderen wenig zu bedeuten scheint. Hat einer Glück und Besitz an Weibern, Äckern, Vieh, so wird ihm bei Sonnenaufgang zugerufen: Sieh, wie schön die djob aufgeht, d. h. wie djob dich segnet. Die Glückssonne lächelt den Einen und verhüllt den Anderen das Gesicht.

Kein Wunder, wenn man hinter der Sonne die gleiche sittliche Macht vermutet wie hinter dem Himmel, die dem Finstern und Bösen abhold ist Vgl. den Anruf der Banyangi-Frau auf S. 135.

; so heißt bei manchen Stämmen auch die Sonne einfach loba, bei anderen diso a loba „Himmelsauge“, vgl. S. 3. Wie das Himmelsgewölbe nicht nur eine Sippe überdacht, so schaut auch das Himmels auge Sippen, Stämme, Völker, die ganze Welt und beurteilt Aller Werke.

Sagt einer etwas Ungehöriges oder sieht man einen etwas Unrechtes tun, so kann man ihm das verweisen mit den Worten: Wie kannst du so etwas sagen (oder tun), da doch das ‘Himmelsauge’ da oben alles sieht! Auf den Barombibergen kann einer Streitenden zurufen: Das Auge Gottes Gottesauge (oder auch obas’ a loba „die Ahnengottheit im Himmel“) schaut jetzt herunter und ihr wollt so streiten und zanken? Soll es euch lieben, so vertragt euch! Ist bei den Duala Streit und man kommt zu keinem Ende, so mag ein Unbeteiligter fragen: Was seht ihr dort oben am mony „das Obere, der Himmel (nur als Ort)“ und ein anderer antwortet darauf: Elolombe „den Sonnenball“ oder diso la loba „das Himmelsauge“. Darauf wieder der erste: Der den Sonnenball besitzt, weiß den richtigen Entscheid schon zu treffen!

Die Bakosi ahnen, daß etonde (Ko.) etonde „Sonne als göttliche Macht“ darüber wache, daß jemand seine Gesippten nicht flieht oder Böses wünscht. Hat einer gegen die Sitte Sitte gefehlt, so kann man ihm am Morgen sagen: Nun ist etonde <durchgebrochen> (am Himmel) und kann überall hinsehen. Wäre das nicht so, dann wollte ich dir etwas anderes sagen! So warnt man auch einen, der gegen einen anderen etwas Böses ausspricht mit dem Hinweis auf den alles sehenden etonde; der wahrnehmen [?] lassen kann, wer immer im Zorn flucht, vgl. S. 178b.

Mangel und äußere Not sucht man im Fruchtbarkeitskult Fruchtbarkeitskult durch die Ahnen vor Nyambe, Ya. Zamba, Ko. Mwa-nyame etc. Nyambe zu bringen, wer aber durch andere in Verlegenheit und innere Not gekommen [ist], wendet ohne offiziellen Kult seinen Blick Blick nach oben und ruft Loba als Beistand, Zeugen, Rächer, Richter an. Um seine Aussage zu bekräftigen, sagt man gern: Mbal’ a loba „Wahrheit des Loba“, etwa unserem „Beim wahrhaftigen Gott!“ entsprechend. In Bedrängnis ruft einer: Loba a bi! „Gott weiß (es)!“ und mit dem Wort: Loba longwane! „Gott möge helfen!“ spricht man seine Hoffnung auf Gott aus.

Besonders dort, wo der sippisch eng gedachte Nyambe versagen muß, wendet man sich an den Nothelfer im Himmel, etwa wenn man sich bedroht sieht von Leuten außerhalb der eigenen Sippe oder von [einem] unbekanntem Etwas, besonders durch finstere Mächte und Hexen, oder wenn man in der eigenen Sippe kein Recht findet, besonders die in fremde Sippe eingeheiratete Frau; vgl. wie die Belung-Frau zur Sonne gewendet ruft auf S. ---. So kann einer rufen: Loba le o dibobe „Gott, der hinterm Himmelsgewölbe ist“, strafe den Menschen, der mich so gekränkt hat, laß ihn nicht los! und dabei deutet er mit dem Zeigefinger zur aufgegangenen Sonne. Vergleiche auch die auf S. 178f. von H. Bächtold mitgeteilte Gebetszeremonie.

{126} Am häufigsten aber wird Gott angerufen nach angebrochener Dunkelheit, da es im Dorf still geworden ist; besonders war solches Gebet Gebet an dem Abend Abend üblich, da die neue Mondsichel zum ersten Mal wieder sichtbar wurde. Über die Einzelheiten lese man nach bei <Gebete> auf Seite 171ff. und in dem Aufsatz über ‘Gottesvorstellung’ Seite 17ff. [wahrscheinlich: Ittmann, Johannes; „Gottesvorstellung und Gottesnamen im vorderen Kamerun“ in: Evangelisches Missionsmagazin NF 84 (1940), S. 137 – 150.]

Diese Übungen zeigen, daß Loba der Schützer der hilflosen Unschuld und Rächer am Übeltäter ist. Solches rufen, anrufen Anrufen der höchsten Gottheit war in den Dörfern und Gehöften früher ein feierlicher Augenblick und es war tabu, in dieser Zeit zu lärmen oder sonst [ein] Geräusch zu machen. Die bei dieser Gelegenheit gerufenen Gebete waren frei und hatten doch einen hergebrachten Stil; alle aber zeigen, daß Loba der Rächer des Bösen ist; die griechischen Nemesis-Vorstellungen sind dem Kameruner nicht fremd und die Bitte: Gott, des die Rache ist, erscheine! geht jedem leicht von den Lippen.

Neben der Vorstellung vom persönlichen Rächer des Bösen ist mit Loba die des „Geschickes, Schicksals“ verbunden. In Glück, -sgut Glück und Unglück, -szeichen Unglück kann einer sagen: Loba lam di! „Das ist mein Geschick Geschick!“, wenn er anzeigen will, daß seine Lage nicht durch eigenes Unvermögen oder Geschicklichkeit, durch fremden Neid Neid oder Güte herbeigeführt ist. Mit dieser Vorstellung ist auch die verbunden: Das „Geschick“ ist launisch, wetterwendisch, vgl. S. 55a. Die Duala singen singen:

Loba di malombo ‘idiba

nde ‘ebiamu di tukwa.

„Der Himmel schaut am Morgen geruhig drein,

aber am Abend hat er sich verändert.“

Den gleichen Sinn hat das Sprichwörter Sprichwort der Bakosi:

Etonde a (vgl. Note auf S. 125) de ngam.

„Der Sonnenball ist ein Märchen Märchen.“,

das sagen will: Das Geschick ist veränderlich, überraschend, wie das Märchen meist einen anderen Ausgang nimmt, als den sich die Zuhörer bei Beginn des Erzählens ausgedacht.

Und doch meint damit der Kameruner nicht das Geschick als kalte, Philosophie philosophische Macht, die über ihm waltet, sondern die Verhältnisse, die die hinter Sonne oder Himmel wirkende geistige Macht schafft. Loba „das Geschick“ ist ihm etwas Lebendiges, Persönliches. „Sieh, wie schön dir diob (= loba) aufgeht!“ ruft man bei den Basa am Morgen einem Mann zu, der im Glück steht und Wohlstand hat.

Daneben schreibt man dem schicksalhaften etonde (Ko.) auch Unglück zu. So sagt ein Jäger unter den Bakosi, wenn er schon länger nichts erjagte: Etonde a himede me „Der Sonnenball hat mich umgeben“, d. h. eingesponnen, verblendet, daß er nichts sehen kann. In diesem Sinne kann man etonde sogar im Gegensatz zu Mwanyame, vgl. S. 119, sehen: Mwanyame hat mir‘s zwar zukommen lassen, aber etonde umnebelte mir die Sinne, daß ich die Gabe nicht sehen kann! Doch stärker ist die Hoffnung aufs Gute. So kann ein Medizinmann einem in langer Nacht stöhnenden Kranken ermuntern: Gedulde dich, bis etonde <durchgestochen hat>; sieht er die Arzneimittel, so kann er seine Kraft dazugeben, so daß dir geholfen wird. Zum Widersacher kann einer sagen: Wenn etonde alles sieht, so Diob (vgl. S. 123) auch dich und dein Tun und wird dir vergelten!

Wenn loba so vieldeutig ist und „strahlender Himmel, Geschick Geschick, Gott“ heißen kann, so wundert das den Kenner kameruner Sprachen nicht. Der Eingeborene kann die verschiedenen Bedeutungen und Meinungen eines Ausdrucks auseinanderhalten; er hört nicht nur auf das einzelne Wort, sondern versteht es aus seinem Zusammenhang und erfaßt so seinen Sinn. Diese Vieldeutigkeit eines Ausdrucks bringt freilich auch das Schillernde der heidnischen Weltbild, -anschauung, sinnliche und unsinnliche vgl. auch ndimsi Weltanschauung hervor und ist mit ein Grund der weltanschaulichen UngewißheitWenn die Leute gelegentlich sagen: „Wir wußten, daß Loba existiert, aber wir wußten nichts Näheres über ihn“, so stimmt das überein mit Ovids ‚unbekanntem Gotte‘, vgl. Apg 17,23. Die Leute können schon Aussagen über Loba machen; aber verglichen mit den christlichen Aussagen sind sie vage und gering und die christliche Erfahrung erkennt sie als unpersönlich und fremd.

und Unsicherheit der Le etonde (Ko.) u Sonne t Ideen über das Höchste Wesen e Richter . Himmel, vgl. auch Loba, Firmament

{127}

[eingeklebter Zettel: Es fällt den Kamerunern... – der folgende Texte in Stenoschrift]

3. Das kameruner Gottesbild in der christlichen Mission, Missionare, vgl. auch Christen Missionspredigt Nyambe, Ya. Zamba, Ko. Mwa-nyame etc.

Wo man wie im Grasland Grasland nur einen Gottesnamen hat, oder wenn die beiden Vorstellungen bereits vor Ankunft der Europäer zusammenflossen wie bei den Stämmen, die Obase, Gottesname westlich des Mongo Obase als Gottesnamen gebrauchen und dann von Obas’ a bedimo „Gottheit in Verbindung mit den Ahnengeistern“ und Obas’ a loba „Gottheit im Himmel“ reden, war ja ein eigentlicher Entscheid nicht nötig; der gewohnte einzige Name war nur mit christlichen Ideen zu füllen. – Anders, wo östlich des Mongo Nyambe und Loba überliefert wurden. Hier mußte sich die christlichen Predigt auf einen Namen festlegen, was an sich nicht so schwer war, weil das Volk monotheistisch denkt. Hätte man bei diesem Entscheid den Inhalt der von beiden Namen gedeckten Ideen besser gekannt, so wäre der Entscheid schwerer gewesen. Allein der erste Missionar im Duala-Gebiet und der einzige, der in der vordeutschen Zeit wirkliche Spuren hinterlassen hat, der Engländer Alfred Saker, entschied sich für den Namen Loba als Gottesnamen. Er hat den Namen Nyambe hauptsächlich gehört bei den Fruchtbarkeitsriten auf den Ahnenopferplätzen, vgl. S. 28ff., mit ihren kultischen Nackttänzen und obszönen Gebräuchen. Da lehnte er diesen Namen als mit zu viel Schmutz behaftet ab und wählte den aus reineren Sphären stammenden Namen Loba, der auch viel mehr als jener im Volksmund Volksmund gebraucht wurde. An ihn wandte sich nicht die abgeschlossene Sippe in Eigennutz und Habsucht, sondern jeder Einzelne ohne Rücksicht auf Sippengrenzen. In Unterricht und Literatur wurde nun dieser Name eingeführt und auch von den Basler Missionaren, die von 1886 ab Sakers Arbeit fortsetzten, übernommen. Auch als sie in Sprache Sprache und Volkstum besser Bescheid wußten als jener Pionier, sahen sie keinen zwingenden Grund zu einer anderen Wahl. Und so ist dieser Name zur allgemeinen Anerkennung gekommen, soweit im vorderen Gebiet die evangelische Missionsarbeit reicht; Nyambe ist zwar nicht ganz verschwunden, verblaßt aber immer mehr. Zwar wird denen, die mit Ernst suchen, in den mit Loba verbundenen Gedankengehalt wirklich einzudringen, immer wieder schmerzlich bewußt, daß der Name nur mit Mühe das sagt, was das christliche Bekenntnis meint, aber sie sind sich auch darüber klar, daß dies mit dem Namen Nyambe oder Obase nicht besser geworden wäre. So redet man heute von Nyambe kaum noch als von einer Gottheit, ja die Heiden rufen heute auf dem Ahnenopferplatz vielfach nicht mehr zum Ahnengott Nyambe, sondern zum Himmelsgott Loba, dem man nun auch die Prädikate Nyambe’s beilegt.

Im Nordosten bietet eigentlich die von den Europäern nicht beeinflußte Verschmelzung Obas’ a loba eine glückliche Lösung der Spannung Ahnengottheit-Himmelsgottheit. Mit dem Namen der über Allen und Allem waltenden Gottheit ist der Name des Ahnengottes verschmolzen, seine ursprüngliche Bindung an die Ahnen schwindet aber immer mehr.

Der südlichste Teil der Basler Missionsarbeit unter den Basa wurde nach dem ersten Weltkrieg von den amerikanischen Presbyterianern übernommen. Sie kamen von einer Arbeit im Süden unter den Bulu, wo sie Zambi (Du. Nyambe) als Gottesnamen gebrauchten. Sie verdrängten dort Loba und führten auch unter den Basa Nyambe als Gottesnamen ein, nicht weil es die Eingeborenen so wünschten, sondern weil es die freien Amerikaner so wollten.

In den neunzig Jahren seitheriger christlicher Missionspredigt ist von den Eingeborenen nie geltend gemacht worden, daß Saker’s Wahl falsch war; man hat ihnen mit Loba nicht etwas Fremdes aufgedrückt. Sie erkennen in ihm den Schöpfer Schöpfer und Erhalter, der als die erlösende und heiligende Macht auch ihr Leben durchwalten w Nyambe, Ya. Zamba, Ko. Mwa-nyame etc. i Mission, Missionare, vgl. auch Christen ll Loba . Gottheit

{128}


Fußnoten:

1 Januar: modi ma mba „Nebelmond“;Februar: modi ma wei „Hitzemond“; März: modi ma bepa „Fischmond“, nämlich der dann häufigen Clupeae dorsales; April:--- Mai:--- Juni:--- Juli:--- August:--- September:--- Oktober: modi ma ndjongé „Knospenmond“, weil nach der Regenzeit die Bäume ausschlagen; November:--- Dezember:---
2 ; eyembe, be- „Haustier, Klein Vieh vieh“, inon, lo- „ Vögel Vögel“, wobei Fledermaus Fledermaus, Flughund Flughund, -eichhörnchen, -drache als Säugetiere nicht eingeschlossen sind; sue 9 „Fisch“, etanda „Insekt, Käfer“, nyamabwaba „das lange Tier“ oder nyo (Ko.) nyo von B. nyoka „ Schlange Schlangen und Blindschleichen“. Neben diesen Klassennamen hat fast jedes Tier und Tierchen seinen Namen, und fast alle, noch mehr als bei den Pflanzen, kennen Namen und Tier, mindestens die großen und eßbaren. Doch auch unscheinbare und unbrauchbare haben Namen.
3 ... Die Verschiedenheiten, die jeder Europäer selbstverständlich im Verkehr mit Eingeborenen feststellt, stammen nicht aus einer prinzipiellen Andersartigkeit des Denkens, sondern sind eine natürliche Folge einer bis dahin gänzlich anderen Lebensweise der farbigen Völker und können ähnlich auch in Europa zwischen Ständen [?] mit ganz verschiedener Lebensweise festgestellt werden. ... Wenn von der primitiven Weltanschauung gesagt wird, daß es da nicht auf den Wahrheitsgehalt ihrer Wirklichkeitsbilder ankommt, so ist das sicherlich nicht richtig. Wohl kommt es jener Weltanschauung auf die Wahrheit ebenso wie auf ihre logische Geschlossenheit an, dafür ließen sich viele Beispiele anführen und auch die Reifezeremonie ist gerade ein Beispiel dafür. Aber der weit geringere Grad der <erkenntnismäßigen> Durchdringung der umgebenden Wirklichkeit läßt naturgemäß mehr Möglichkeiten für die Gestaltung eines geschlossenen Weltbildes offen.“ Chr. [?] E. Janssen, „Beschneidung und Reifezeremonie“, 133/4, Frankfurt/M.
4 Sea de nabe mbuog e bong, e! (Chor: ye e e e!) Ngake e diag ngun ampe, (Chor: ye e e e!) kem e djepe ngun ampe! (Chor: ye e e e!) „Wir zusammen gestalteten die Heimstätte gut! (Chor: heiyotoho!) Der Weber soll den Mais nicht mehr fressen, (Chor: heiyotoho!) Die Meerkatze soll den Mais nicht mehr stehlen! (Chor: heiyotoho!)“ (Bakosi).
5 Der leibliche Körper kann zweierlei Tode sterben: Kwed’ a Loba ‘von Gott verursachter Tod’ überkommt einen Menschen nur in hohem Alter. In allen anderen Lebensaltern ist der Tod durch Hexenkraft herbeigeführt und man spricht von: Kwed’ a lemba ‘Hexentod’ (vgl. S. 94ff.) oder kwed’ ewusu ‘Tod verursacht durch Verbindung mit einem Tiere’ (vgl. S. 86).“ (Preisarbeit). steckt und mit diesen stückweise entfernt werden kann. Diese Seele kann sich u. U. auch einem anderen sinnlich wahrnehmbar machen und seine Bezeichnung rangiert, wenn von animistischer Kraft entleert, in der e-be (Sachen-) Klasse. Einige Beispiele von Stämmen in der 3., der animistisch gefüllten, und der 7., der Sachenklasse, sollen das veranschaulichen:
6 Totem aus der Sprache der Odschibwa-Indianer Nordamerikas soll eine Tiergruppe oder Tier sein, das in besonderer Beziehung zu einer Gruppe Menschen steht. . Beides ist die Fähigkeit, seine Lebensseele in einer Tier- oder anderen Hülle zu deponieren, während der menschliche Körper unterdessen zu Hause schlafend liegt. In Kamerun finden wir beides: Individualtotemismus oder Nagualismus, wo das einzelne Individuum Individuum sein spezielles Seelentier hat (und zwar ist es meist eines der größeren, gefürchteten, nie ein Haustier) und Sozialtotemismus, wo eine Gruppe (Familie, Stamm, Kultbund) eine Tiergruppe, Tiere, aber auch Himmelserscheinungen, Flüsse u. a. als die zeitweilige Hülle ihrer Lebensseele ansprechen. Vielleicht ist die letztere Vorstellung in Kamerun die ältere und gegenüber den anderen im Abklingen begriffen.
7 b) Sind sich die Träger von lemba ihres Hexentums bewußt? Auch hier gehen die Meinungen auseinander. Es wird gesagt, dieses Vermögen werde ererbt, es fiele einem zu, man trägt es als eine Last, man weiß nicht, was die Lebensseele nachts treibt. Andererseits spricht man davon, daß Menschen durch Machtmittel Hexenkraft zu erwerben suchen, etwa um sich auf Kosten anderer zu bereichern, sich an Mißliebigen zu rächen. Man weiß, daß der Hexen-Mörder der erste ist, der sein Opfer bewehklagt; er ist sich also nicht bewußt, was er als Hexe getan. Andererseits will man daraus [erkennen], daß, wenn einer nicht genügend bola ndedi „Mitleidsbezeugungen macht“ bei einem Todesfall, er diesen herbeigeführt hat. Es ist auch merkwürdig, wie der eine überrascht ist, wenn das Orakel ihn als Hexe offenbart, ein anderer aber seine <Schuld eingesteht>, weil diese ja durch ein solch überlegenes Mittel offenbart wurde. – Alte Hexen, die schon lange ungestraft ihr Doppelleben führen, sind sich meist dessen bewußt und prahlen darob. Ja, des Volkes ‘Helfer’, die Orakler und Medizinmänner rühmen sich oft ihrer Taten, weil sie andere Neidinge mit den auf Hexenwegen erschauten und erlauschten Schlichen überlisten und besiegen; sie stellen also den Ertrag ihrer schwarzen Kunst in den Dienst helfender Magie. , während der Körper daheim schläft, wandert die Seele in der Hülle eines Hexentieres und quält andere Menschen, oft die Nächsten, so zehrt er von ihrer Lebensseele und der Mensch wird in der Folge krank oder siecht und stirbt. Dem Gequälten wird der Raub oder versuchte Raub seiner Lebensseele oft im Traum, beim Alpdrücken bewußt, vgl. S. 79 und ---, der Raub kann nach und nach oder auch plötzlich auf einmal geschehen.
8 Ist diese Erschießung nicht möglich oder zwecklos und man will doch vor den unheimlichen Quälereien Ruhe haben, so wird die Leiche ausgegraben und verbrannt, wodurch Ruhe entsteht; vgl. auch die bakuki der Basa auf S. ---. o yombo „umzugehen“ und ihre Mitmenschen zu belästigen.
9 Vgl. auch das Bafo-Märchen von Joh. Ngo-Muketa.
10 „In lang, lang vergangener Zeit lebte ein Mann namens Titsalütsü. Der sann darüber nach und plante einen Weg, zu dem höchsten Gott zu kommen. Er machte sich einen schönen starken Strick, dessen Ende bis an das Firmament reichte. Das eine Ende des fertigen Strickes band er sich um den Leib und das andere Ende schlang er um einen großen Vogel. Den Vogel ließ er fliegen, daß er den Strick in den Himmel trage, wo ihn Gott fassen und an ihm den Titsalütsü hinaufziehen solle. Der Vogel stieg und flog immerzu, kam aber doch nicht ans Ziel. Denn auf dem langen Weg wurde er müde und zuletzt fiel er tot auf die Erde herunter. So war der Versuch des Menschen durch seine Kraft und Kunst in den Himmel und damit zum höchsten Gott zu kommen gescheitert.“ zu schaffen, den Ort des Reichtums und der Fülle. Er gewinnt dort ein Weib und kann es von der Erde besuchen sooft er will. Als aber die Trockenzeit naht, sagen ihm die Himmelsmenschen, während dieser Zeit dürfe er nicht kommen, da seien sie in Kühe verwandelt und sie könnten nicht mit ihm verkehren. Aber als diese Zeit gekommen, treibt ihn die Sehnsucht nach seinem Weib doch an den verbotenen Ort. Und richtig, er findet dort alles verwandelt: Keine Menschen mehr, nur noch Rinder. Er hat Hunger, holt im Garten ein Bündel Kochbanane Kochbananen und kocht sie zusammen mit dem Schenkel, den er von einem Rind nimmt. Nach genossenem Mahl begibt er sich enttäuscht wieder zur Erde. Als die Jahreszeit wieder wechselt, verwandeln sich die Himmelskühe auch wieder in Menschen. Aber die Schwägerin des Tube findet ihr eines Bein nicht. Große Aufregung und [die] Frage: Was ist da geschehen? Und bald ist es heraus: Tube muß dagewesen sein und das Bein verzehrt haben. So wird sein Tod beschlossen. Als er wieder kommt, seine Frau zu besuchen, muß die mithelfen, daß er gefesselt wird und von den Himmelsmännern getötet werden kann. Tub’ a Mbange
11 Mwa will hier von einer Vielheit auf eine Einheit zurückführen und betonen, daß dieses Einzelne die Grundlage der Vielheit ist. weiter im Innern und ngumba im Grasland nannte ich „Femeorden“ bzw. „-dämon“, weil er der Feme waltete, gewisse Disziplinarstrafen übte, die Frauen im Zaum hielt und Ausweisung aus dem Stamm und Austilgung aus dem Leben vollzog. Im Grunde scheint er mir eine Art Fruchtbarkeitsdämon zu sein. Bei den Fruchtbarkeitsfesten, vgl. S. 170ff., trat er auf und waltete seines Amtes, indem er besonders Botmäßigkeit der Frauen erstrebte und die zu bestrafen drohte, die die Volksgemeinschaft verletzen. Nach einem solchen nächtlichen Fest Fest auf dem Kultplatz verabschiedeten ihn die Frauen in Bakosi mit dem Gesang:
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